Die drei Gleichen und ein (angebliches) Wetterphänomen

El Quijote

Moderator
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Die drei Gleichen sind allen, die schon mal über die A4 durch Thüringen gefahren sind, bekannt. Drei Burgen auffällig nah beieinander auf drei Bergen bzw. Hügeln gelegen. Eine davon heißt tatsächlich Burg Gleichen und naheliegend ist, dass auch die beiden anderen Burgen (Mühlburg und Wachsenburg) daher ihren Namen haben, eben durch eine Art volketymologischer Umdeutung, welche Burg Gleichen mit gleich(aussehend) - Entschuldigung! - gleichsetzte.

Nun heißt es bei Wikipedia:

Der Sage nach entstand der Begriff Drei Gleichen nach dem Einschlag eines Kugelblitzes am 31. Mai 1231, nach dem die Burgen wie drei gleiche Fackeln gebrannt haben sollen.​

Abgesehen davon, dass ich das Phänomen des Kugelblitzes noch nicht ganz verstanden habe: Kennt jemand diese Sage und ihren historischen Hintergrund?
 
Aus Thüringen kenne ich die Sage, dass ein Ritter drei gleiche Burgen für seine Frau und seine Geliebten baute, um keine zu benachteiligen...

Da habe ich mich auch immer nach dem Alter und der Herkunft der Sage gefragt.
 
Da die drei Gleichen alle aus verschiedenen Zeit stammten und z.T. gar nicht gleichzeitig in Funktion waren, kann man dergleichen natürlich gleich ad acta legen.
 
Die hat wahrscheinlich der thüringer Tourismusverein erfunden.

Nein.

Der Blitzschlag (allerdings kein "Kugelblitz") wird in Chroniken des 14. Jahrhunderts berichtet.

Cronica S. Petri Erfordensis moderna:
"Hoc eciam anno II. Kal. Iunii in Turingia in tribus castris, scilicet Glichen, Wassenburc et Mulburc, turres et propugnacula uno fulmine pariter succensa succendebantur."
dMGH | Band

Oder auf Deutsch in der Erfurter Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik:

"Des selbin jares in deme sommere da quam ein blicz unde brante zue Doringen an desen drien borgen, die bie einander lin, Glichen, Waßenbuerg, Molbuerg, die torme unde die zinnen abe"

dMGH | Band | Scriptores [Geschichtsschreiber] | Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi (SS rer. Germ.) | [42]: Monumenta Erphesfurtensia saec. XII. XIII. XIV. | Chronici Saxonici continuatio (Thuringica) Erfordensis
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun heißt es bei Wikipedia:

Der Sage nach entstand der Begriff Drei Gleichen nach dem Einschlag eines Kugelblitzes am 31. Mai 1231, nach dem die Burgen wie drei gleiche Fackeln gebrannt haben sollen.​

Erfunden ist die Behauptung, der Begriff "Drei Gleichen" habe etwas mit dem für 1231 berichteten Blitzschlag zu tun, denn der Name ist nachweislich wesentlich älter.

Die Burg Gilichi wird bereits in einer Urkunde aus dem Jahr 1089 genannt:
RI III,2,3 n. 1308, Heinrich IV., 1089 Dezember 12, Gleichen : Regesta Imperii

Der Wiki-Artikel zur Burg Gleichen behauptet:
Die Burg Gleichen wurde im Jahr 1034 in den Annalen des Klosters Reinhardsbrunn als „Gliche“ erstmals erwähnt. Der Name stammt vermutlich vom keltischen glich ab, was Felsen bedeutet.

Ersteres ist irreführend: Die Reinhardsbrunner Chronik nennt zwar für das Jahr 1034 einen Grafen "de Glychen". Die Chronik wurde aber erst Mitte des 14. Jahrhunderts kompiliert, der Ortsname dürfte ein späterer Zusatz sein:
dMGH | Band

Zweiteres halte ich für Quatsch.


Eine davon heißt tatsächlich Burg Gleichen und naheliegend ist, dass auch die beiden anderen Burgen (Mühlburg und Wachsenburg) daher ihren Namen haben, eben durch eine Art volketymologischer Umdeutung, welche Burg Gleichen mit gleich(aussehend) - Entschuldigung! - gleichsetzte.

Entschuldigung, aber es könnte genau umgekehrt gewesen sein: Die Berge könnten schon seit alters her "die Gleichen" genannt worden sein, der Name dann an der (zeitweise) bedeutendsten Burg hängengeblieben sein.

"Gleiche Berge" gibt es auch anderswo, z. B. die Gleichberge bei Römhild, "für das J. 867 als montes ... similes bezeugt."
Reallexikon der germanischen Altertumskunde

Oder bei Göttingen:

"Die im 12. Jh. erbauten zwei Burgen auf den Bergen Gleichen waren seit 1235 im welfischen Besitz, kamen jedoch 1270 an die von Uslar(-Gleichen); Alten-Gleichen blieb im Besitz der Familie, während Neuen-Gleichen 1451 an Hessen verkauft wurde; beide adlige Gerichte fielen 1815 bzw. 1816 an Hannover. II. 1118–37 Lichen [F. 13. Jh., Kop. 15. Jh.], 1196 Gelichen; Gleichen (um 1588). III. Der Name beruht auf dem App. mnd. līk, mhd. līch ‘gleich’, das neben gleichbedeutendem mnd. g(e)līk, mhd. g(e)līch steht und im Namen substantiviert ist."​

Deutsches Ortsnamenbuch
 
Der Wiki-Artikel zur Burg Gleichen behauptet:
Die Burg Gleichen [...]Der Name stammt vermutlich vom keltischen glich ab, was Felsen bedeutet.

... halte ich für Quatsch.

Ich will da den Wiki-Artikel nicht verteidigen, aber zumindest ist Clach/Clachan im schottischen Gälisch der 'Stein'/die 'Steine'. Jetzt will ich mich mit einer vagen phonetischen Ähnlichkeit nicht zufrieden geben, aber ganz abwegig scheint mir das auf den ersten Blick nicht.
 
Die Burg Gilichi wird bereits in einer Urkunde aus dem Jahr 1089 genannt:
RI III,2,3 n. 1308, Heinrich IV., 1089 Dezember 12, Gleichen : Regesta Imperii
Wobei es sich bei dieser Urkunde um eine "Fälschung von einer Hand des 12. Jhdts." handelt. Der Bearbeiter der Urkunde, Dietrich von Gladiss, meint allerdings:

Immerhin darf vermutet werden, daß der Fälscher sein Machwerk zu 1089 eingereiht sehen wollte. Da die Belagerung der Burg Gleichen tatsächlich im Herbst 1088 stattfand, muß unterstellt werden, daß der Fälscher von ihr nur eine ungenaue Kenntnis hatte.

MGH DD H IV (Bd. II), S. 541.​
 
Wobei es sich bei dieser Urkunde um eine "Fälschung von einer Hand des 12. Jhdts." handelt. Der Bearbeiter der Urkunde, Dietrich von Gladiss, meint allerdings:

Immerhin darf vermutet werden, daß der Fälscher sein Machwerk zu 1089 eingereiht sehen wollte. Da die Belagerung der Burg Gleichen tatsächlich im Herbst 1088 stattfand, muß unterstellt werden, daß der Fälscher von ihr nur eine ungenaue Kenntnis hatte.

MGH DD H IV (Bd. II), S. 541.​

Ui, das hatte ich tatsächlich übersehen.
Die Belagerung zog sich bis Weihnachten 1088 hin. Da Weihnachten als Jahresanfang galt, wird das Ereignis von den alten Chronisten unter dem Jahr 1089 verbucht.

Dann müssen wir an die Ersterwähnung noch ein paar Jahre dransetzen; bei Frutolf von Michelsberg / Ekkehard von Aura wird die Burg jedenfalls auch schon namentlich erwähnt. In jedem Fall liegen wir da deutlich vor 1231.
 
Ich will da den Wiki-Artikel nicht verteidigen, aber zumindest ...

Zumindest gibt es m. W. kein keltisches "glich". Daher halte ich die Aussage für nach wie vor für Quatsch.


... aber zumindest ist Clach/Clachan im schottischen Gälisch der 'Stein'/die 'Steine'. Jetzt will ich mich mit einer vagen phonetischen Ähnlichkeit nicht zufrieden geben, aber ganz abwegig scheint mir das auf den ersten Blickt nicht.

Es gibt Gälisch clach, das kommt aus dem Altirischen cloch, aber der Burgname ist sicher weder aus dem Gälischen noch aus dem Altirischen abzuleiten.
Aus den inselkeltischen Formen lässt sich eine Proto-Form *klukā rekonstruieren. Falls wir diese als Ausgangsbasis nehmen: Welche hypothetischen Zwischenschritte wären erforderlich, damit sich daraus gilīchī > gelīchen > Gleichen ergibt?

Ein festlandskeltisches Pendant zu *klukā ist nicht nachweisbar. Ob ein solches jemals existiert hat, ist fraglich. Ranko Matasović zählt das Wort jedenfalls zu den Kandidaten für Substratwörter im Inselkeltischen:

"If all of those words with possible or probable cognates in Continental Celtic, or other IE languages are excluded, we are left with only 38 words shared by Brythonic and Goidelic without any plausible IE etymology. These words belong to the semantic fields that are usually prone to borrowing, including words referring to [...] elements of the physical world (PCelt. *liro- ‘sea’, cf. OIr. ler, MW llyr, PCelt. *klukā ‘stone, rock’, cf. OIr. cloch, MW clog, Co. clog)."​
http://www.jolr.ru/files/(101)jlr2012-8(160-164).pdf

Auf der anderen Seite ist ein festlandskeltisches Wort *akaunon - seinerseits wiederum ohne inselkeltische Kognaten - wohlbekannt; die Bedeutung 'Stein, Fels' ist durch Glossen (Plinius, Marcellus Empiricus) gesichert. Auf dieses Wort lassen sich tatsächlich Ortsnamen zurückführen: Acaunum (Saint Maurice, Schweiz), Acunum (Montélimar) und wohl auch der Bergname Hohe Acht (Eifel, im 12. Jh. als "ad montem achon" erwähnt).

Reallexikon der germanischen Altertumskunde
 
Vielleicht hilft dieser Artikel weiter, erschienen in der „Thüringer Allgemeine“ am 28.03.2012, Autor Prof. Peter Arlt.
Im Artikel, der Name „Gleichen“ hat nichts mit dem Adelsgeschlecht der Grafen von Tonna zu tun. Also nichts mit dem Grafen der 2 Frauen hatte. Siehe hierzu auch: „Der Graf von Gleichen“ (Deutsche Sagen, Herausgeber Gebrüder Grimm).

Hier zum Artikel:

https://www.thueringer-allgemeine.d...hen-zu-ihrem-beruehmten-Namen-kamen-984802155
 
Hier noch die erste Erwähnung der Burg Gleichen in der Weltchronik Frutolfs von Michelsberg

Autograph und Arbeitsexemplar des Frutolf von Michelsberg, durchgehend mit zahlreichen Korrekturen und Ergänzungen von seiner Hand, geschrieben 1099/1100
Weltchronik Frutolfs von Michelsberg mit Fortsetzung

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https://collections.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/HisBest_derivate_00013187/Frutolfus_0182v.tif

"Post hec congregato exercitu oppidum quoddam marchionis Eggiberti in Thuriniga positum nimis firmum, Gliche dictum, obsedit"
=
Danach [im Jahr 1089] sammelte [der Kaiser] ein Heer und belagerte eine Burg namens Gliche, welche Markgraf Eggibert in Thüringen sehr stark befestigt hatte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es könnte noch ein "Graf von Gleichen" eine Rolle gespielt haben.
[...]
DREINSCHLAG :: DIE SAGENHAFTEN DREI GLEICHEN

In der Reinhardsbrunner Chronik wird ein Graf Byso von Glychen erwähnt:
https://www.dmgh.de/mgh_ss_30_1/index.htm#page/518/mode/1up

Auf der verlinkten Seite heißt es zur Burg Gleichen: "Ersterwähnung 1043", das dürfte sich auf diese Chronik beziehen (mit einem Zahlendreher, der Eintrag bezieht sich auf das Jahr 1034).

Daraus entsteht der falsche Eindruck, es gäbe eine Erwähnung aus dem Jahr 1034/1043. Die Reinhardsbrunner Chronik entstand aber erst um 1340/50.
https://www.geschichtsquellen.de/werk/1174
 
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