Es kommt überhaupt nicht darauf an, ob Russland als Befreier angesehen worden wäre, sondern nur darum, dass es sich als solchen hätte darstellen können.
Ja, dann wäre die Rückfrage ob man sich so gut als Befreier der Polen darstellen kann, wenn man im seinem eigenen Teil des geteilten Polens die Polen nach Strich und Faden schickaniert, die 1815 garantierten Rechte und Gesetze Kongresspolens mit Füßen getreten hatte etc.?
Wer hätte an solches Schmierentheater glauben sollen?
Mal davon abgesehen, dass man in der Folge mit den Gebieten und auch mit dem Ende des Teilungskonsens hätte umgehen müssen.
Das hätte zu ziemlich gravierenden Änderungen der Innenpolitik führen müssen, oder eben zur nächsten Serie polnischer Aufstände, nur dann eben unterstützt durch Deutschland und Österreich.
Nur wären Deutschland und Österreich-Ungarn in dem Szenario als Machtfaktor ja weitgehend ausgeschaltet.
Inwiefern hätte der Verlust der polnischsprachigen Landesteile Deutschland als Machtfaktor ausgeschaltet?
Man kann sich auch bei anderen Erwerbungen Russland fragen, welchen konkreten Nutzen Russland dadurch hatte. Welchen Nutzen hatte es von Kasachstan oder Kirgisien?
Einen nur noch von einem paar Km breiten Streifen Afghanistans blockierten Zugang zum Indischen Subkontinent und damit die Handhabe die Briten, was die Sicherheit ihres Kolonialreichs angeht mächtig zu erschrecken und somit politischen Druck auszuüben?
Wirtschaftlich sicherlich nicht besonders interessant.......... strategisch allerdings...........
Das gleiche kann man auch bei den Erwerbungen anderer Länder fragen. Welchen Nutzen hatte Deutschland durch sein Kolonialreich? Der war ja eher überschaubar. Dennoch hat man beim Versuch, weitere Kolonien zu erwerben, erhebliche Verstimmungen mit anderen Großmächten in Kauf genommen. Staaten handeln nicht immer rational.
Ja, in Deutschland wäre aber auch kein Mensch auf die Idee gekommen zwecks Erwerbung Kameruns einen Weltkrieg loszutreten ;-).
Der Wert dieser Gebiete war überschaubar, aber der militärische und finanzielle Aufwand um sie sich anzueignen ebenso.
War das denn tatsächlich so, dass das Eisenbahnnetz das so einfach verkraftet hat, ohne dass die zivile Wirtschaft Schaden nahm?
Natürlich nahm die zivile Wirtschaft Schaden, schon dadurch, dass das rollende Material überbeansprucht und das Transportsystem dadurch vernutzt wurde, als aber alle kriegsführenden Länder betraf.
Dennoch hat es gereicht um 3 Jahre am Stück einen logistisch ziemlich aufwändigen Krieg zu führen.
Dass es nicht so einfach ist, Waren beliebig zu verschieben sieht man derzeit ja auch in der Ukraine, wo große Getreidemengen in Odessa und anderen Häfen weitgehend festsitzen. Theoretisch könnte man die ja auch mit der Eisenbahn nach Westeuropa transportieren, aber offensichtlich reichen die Kapazitäten dafür auch heute nicht aus.
1. Sprechen wir, was die Ukraine betrifft momentan von einer Ausnahmesituation. Da herrscht gerade Krieg der verhindert dass man die gewöhnlichen Wege benutzt.
Du hattest dich hingegen dazu eingelssen zu unterstellen, dass russische Eisenbahnnetz sei selbst im tiefsten Frieden unzureichend gewesen, weswegen Russland Deutsche Häfen hätte erobern müssen.
(Wie Güter von und nach dort transportiert werden sollten, wenn nicht mit der angeblich unzureichenden Eisenbahn, hast du mir noch nicht verraten).
2. Durch den Krieg in der Ukraine sind diverse Schienenwege etc. auch einfach damit ausgelastet Flüchtlinge heraus und Waffen und Hilfsgüter herein zu bringen.
3. Sind Schienenwege und Verkehrsknotenpunkte natürlich strategische Ziele, im Besonderen für Luftangriffe, was den Transport dort auch nicht gerade vereinfachen dürfte.
Wieso wollte Russland dann dorthin, wenn es sich damit selbst geschwächt hätte?
Das musst du die damaligen russischen Akteure fragen, warum sie dahin unbedingt wollten.
Was genau hätten die Russen auf dem Balkan gewinnen können?
Das war schon damals eine arme, eher strukturschwache Region mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen, deren Interessen nicht unter einen Hut zu bringen waren.
Was meinst du, warum der Osmanische Balkan im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert derart auseinandergeflogen ist?
Weil es einfach nicht möglich war, da irgendeinen vernünftigen Konsens herzustellen.
Daran ist das Osmanische Reich gescheitert, daran ist Österreich in Teilen gescheitert und daran wäre Russland gescheitert.
Russland konnte da Macht ausüben, in dem es eine der Interessengruppen protégierte, der Versuch es allen recht zu machen hätte Russland nur in Wiedersprüche vestrickt und letztendlich diskreditiert.
Im Kleinen hat sich das doch im Grunde bereits am Balkan-Bund und am 1. Balkankrieg gezeigt, dass Russland hier weder die Möglichkeit hatte effektiv Kontrolle herbei zu führen, noch erfolgreich als Schlichter für die Streitigkeiten zu wirken.
Statt Rübenacker in Ostpreußen lieber Steppe in Kasachstan oder Gebirge im Kaukasus?
Der Vorteil ann Gebirgen im Kaukasus und Kasachischer Steppe ist, dass man nicht 100.000 Soldaten und unmengen finanzieller Mittel opfern muss um sie zu erobern, dass da kein durchaus mächtiges deutsches Reich hinter steht, dass versuchen könnte, sie bei Zeiten zurück zu erobern und es da auch keine polnische Nationalbewegung gibt, die dann finanziert von Deutschland den Aufstand probt.
In diesem Sinne lieber kaukasische Gebirge, als ostpreußische Rübenacker, dass ist entschieden billiger und weit ungefährlicher ;-)