Ich glaube nicht dass den Germanen nach Heldengesängen zumute war.
Eine innergermanische Wirtschaftskrise ungeahnten Ausmasses war die Folge.

Was war auf der Habenseite?
  • Beute, v.a. begehrtes Buntmetall
  • Wegfall der römischen Steuern und kommunalen Erschließungsgebühren
  • "Freiheit"
  • "Heldengesänge"
Und was war der Preis?
Zunächst einmal für das Jahr des Feldzuges selbst, und das Folgejahr:
  • Ernteausfall bzw.
  • verminderte Ernte, wegen der anderswo in der Kriegsvorbereitung eingesetzten Arbeitsleistung
  • Verluste an überwiegend jüngeren Germanen. Man kann Verluste von 50-80% der römischen Verluste ansetzen.
  • Einnahmeausfälle der bis dahin gut bezahlten Auxiliartruppen.
  • Einnahmeausfälle durch fehlenden Absatz der an die römischen Truppen gelieferten Waren
  • Völliger und sofortiger Rückgang des Fernhandels aus dem Ostseeraum
  • Verlust aller Absatzmärkte für germanische Rohstoff-Industrie- und Handelsprodukte.
  • Verlust an Knowhow durch den Tod erfahrener Bauern
Und bei und nach den Rachefeldzügen?
  • Zerstörung der Infrastruktur
  • Zerstörung der sozialen Struktur (die germanischen Eliten werden die Kämpfe nicht heil überstanden haben)
  • Machtverlust gegenüber den konkurrierenden Stämmen
  • Ausschluss vom Technologietransfer
  • Keine römischen Infrastrukturmassnahmen mehr
  • Rückgang der Binnennachfrage infolge sehr stark rückläufiger Bevölkerung (so haben das sicherlich die römischen Wirtschaftsweisen beschrieben)
  • Zusammenbruch des Bankensektors
  • Schlechtere Berufssausbildung
  • Verlust der Bilingualität
  • Rückgang der Immobilienwerte auf der Nachfrageseite
  • Rückgang der Immobilienwerte im Bestand
  • Verlust der Produktivmittel (z.B. Rinder)
  • teurere Importpreise
  • schlagartig riesiges Handelsbilanzdefizit
  • Verlust des Binnenmarktes mit einheitlicher Währung
  • Verlust der Kreditwürdigkeit
  • Perspektivlosigkeit der Jugend aufgrund mangelnder Aussichten auf dem Arbeitsmarkt
  • Verlagerung der Handelswege nach Osten (s. Marbod)
 
Germanischer Priester aus dem Adelsstand als Leiter religiöser Handlungen, zuständig für den Opferdienst, Hüter d. Heiligtums, Befragung des Orakels, Rechtspflege und obskurerweise auch Strafvollzug.
Eigenartig, dass letzteres nicht von den Anführern durchgeführt wurde.
Nicht wenn ein Verbrechen (auch) als Verstoß gegen die göttliche/gottgewollte Ordnung aufgefasst wird, der durch die Strafe gesühnt werden muss.
 
  • Zusammenbruch des Bankensektors
  • Schlechtere Berufssausbildung
  • Rückgang der Immobilienwerte auf der Nachfrageseite
  • Rückgang der Immobilienwerte im Bestand
  • schlagartig riesiges Handelsbilanzdefizit
  • Verlust des Binnenmarktes mit einheitlicher Währung
  • Verlust der Kreditwürdigkeit
Entschuldige, aber ein paar deiner Punkte passen nicht ins 1. nachchristliche Jahrhundert. Große Teile deiner Aufzählung scheinen mir eher in die FNZ oder Moderne zu passen.
Die Entwicklung des Bankwesens kann man frühestens ab dem 13./14. Jahrhundert AD in Oberitalien erkennen. Damit einher geht, dass es im Germanien der römischen Kaiserzeit auch keine Bewertungen von Immobilien gab. Inwiefern es überhaupt eine geordnete Berufsausbildung gab, steht auch in den Sternen.
Auch nach der Varusschlacht hat es über Jahrhunderte einen ausgeprägten Handel über den Limes gegeben. Ob das ein Geldhandel war, ist zweifelhaft. Ich vermute, dass ein Tauschhandel von Sachgütern üblicher war.
 
Ich glaube nicht dass den Germanen nach Heldengesängen zumute war.
Eine innergermanische Wirtschaftskrise ungeahnten Ausmasses war die Folge.

Was war auf der Habenseite?
  • Beute, v.a. begehrtes Buntmetall
  • Wegfall der römischen Steuern und kommunalen Erschließungsgebühren
  • "Freiheit"
  • "Heldengesänge"
Die Germanen - warum auch immer - wollten nicht so leben wie die Römer. Der entscheidende Unterschied ist die stadtgebundene römische Lebensweise. Nicht verwunderlich, wenn man Rom von seinem Ursprung aus betrachtet. Und die Germanen haben nie größere Siedlungsstrukturen errichtet. Ich stelle mir das so vor, ein Germane an der Weser murmelt endlich sind diese Welschen mit ihren spinnerden Ideen wieder weg.

Alles was Du als Nachteil aufzählst, hat den Durchschnittsgermanen nicht interessiert. Auf unsere heutige Zeit übertragen:
Ein Taliban am Hindukusch trauert auch den westlichen Hilfsorganisationen und Warenimporten nicht hinterher. Hauptsache, er kann wieder so leben wie vor 70 Jahren.
 
Hallo El Quijote, wirklich sehr gut. Dein Beitrag hat mich sehr überzeugt und ich ärgere mich immer, dass ich nicht selbst darauf komme. Aber wahrscheinlich fehlt mir die Vorstellungskraft.
Hallo Pardela cenicenta, Deine Anmerkung finde ich ebenfalls genial! Hervorragend aufgeschlüsselt.
Um die Sache mit den Ernteausfällen verstehen zu können, muss man verstehen wie Drusus und Germanicus mit den kurzfristig unterworfenen Territorien handhaben? Hauen sie alles kurz und klein, benutzen die Römer Hunger als Waffe oder sind die Germanen für sie lw. Arbeitskräfte, die für sie ernten und sie nehmen sich dann 10% oder mehr.

Hallo Flavius Sterius, ja ein guter Vergleich. Taliban-Gotteskrieger und seine Gedankenwelt. Vielleicht war die Begegnung Rom - Germanien ja auch ähnlich wie hochmoderne Sowjetarmee und später mit der USA geführten Intervention mit den Mudschahedin und späteren Taliban. Das 21. Jhrdt. vs. Steinzeit-/Gotteskrieger. Ja, überspitzt aber ich denke, der Vergleich ist gar nicht mal so schlecht.

Sehr interessant ist auch der Aspekt mit der Delle nach der Varusschlacht.
Wenn dabei auch die Germanen empfindlich hohe Verluste unter den Kriegern und dem Stammesadel erlitten, was war danach? Mussten die hochbetagten Sippenchefs, die nicht mit in die Schlacht zogen und auf dem heimischen Hof verblieben, dann auf Teufel komm raus Söhne zeugen, die dann aber erst nach 15, 16 Jahren (?!?) wehrfähig waren, um in das Kampfgeschehen einzugreifen.
14 - 16 n. Chr gingen die Germanicus-Feldzüge ja weiter und auch hier gab es wieder größere Schlachten wie Idistaviso etc. wo die Germanen ja auch wieder größere Kontingente aufbieten mussten.

Ist dann wohl umstritten würde ich sagen.
 
Entschuldige, aber ein paar deiner Punkte passen nicht ins 1. nachchristliche Jahrhundert. Große Teile deiner Aufzählung scheinen mir eher in die FNZ oder Moderne zu passen.

Ja klar. Ich wollte natürlich in erster Linie unsere zeitgenössische Wirtschaftsberichterstattung der Tageszeitungen parodieren.
Ich trage ja gerne dick auf.

Dennoch kam es zu einer Wirtschaftskrise in Germanien. Die Feldzüge des Germanicus werden zu großen Schäden geführt haben, militärisch durch die Verheerungen im freien Germanien, wirtschaftlich aber auf beiden Seiten.

Man kann trotzdem einige meiner Einwände prüfen. Netto war es für die Germanen ein Rückschlag.

Ich glaube aber dass sehr bald wieder Handel getrieben wurde, unter ganz anderen Bedingungen.

Die schönen Fundberichte von Hermundure (von dem ich zuletzt leider weniger gehört habe) über das Saalegebiet zeigen ja wie eine wirtschaftliche Verflechtung bestand, ganz sicher eine win-win-Situation.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das harte Leben eines 90-jährigen Cherusker-Clan-Chefs.
Na ja hart weiß ich ja nicht aber wohl eine biologische Notwendigkeit, wenn er männliche Stammhalter für seine Sippe will. :))

90 Jahre ist für damalige Verhältnisse nicht sehr realistisch. Die durchschnittliche Lebenserwartung soll irgendwo zwischen 35 und 40 Jahren gelegen haben. Gut, bei einem gut versorgten Adeligen vielleicht länger.
Ja, ich weiß, war scherzhaft gemeint. :)
 
Wenn wir von der Lebenserwartung sprechen, dann ist damit normalerweise das durchschnittliche erwartbare Alter bei der Geburt gemeint. Einen großen Einfluss darauf hat natürlich die Kindersterblichkeit. Gibt man für vormoderne Kulturen also 25 Jahre oder 30 Jahre oder 35 Jahre an - das sind ja stets nur ganz grobe Schätzungen - dann bedeutet das nicht, dass kaum jemand mal 50 Lenze zählte. Auch in der Antike sind Menschen bezeugt, die 80 oder 90 Jahre alt wurden. Altersgrenzen wie beim römischen Konsulat hätten sonst ja auch keinen Sinn ergeben.

Auch abseits davon bezweifle ich aber, dass die Germanen der Zeitenwende politisch aus Kleingruppen bestanden, die buchstäblich auf einen realen Stammvater zurückgingen. Das ist zwar als mythische Ursprungsvorstellung von recht vielen Kulturen bekannt - nach Tacitus auch von den Germanen - dürfte aber nicht wirklich einen historischen Hintergrund haben.
 
Hallo Stradivari,
das wirft natürlich eine interessante Frage auf. Wie berechnet man die durchschnittliche Lebenserwartung nach anthropologischen Methoden. Man sucht sich eine bestimmte Grundgesamtheit aus Knochen, datiert sie mit Isocarbonmethodik und bestimmt dann das Alter des Verstorbenen. Daraus bildet man dann eine Bevölkerungspyramide? Ich habe keine Ahnung wie man das macht. Menschen sterben durch Krankheiten, Unfälle, Totschlag und durch Kriege. Aber wie man das in wissenschaftliche Methodik einbinden kann, um daraus belastbare Aussagen machen zu können, weiß ich nicht. Es werden wohl biometrische Verfahren zur Hochrechnung sein. Biometrisches Risiko ist ein Begriff aus dem Versicherungswesen, um die Lebenserwartung von Versicherungsnehmern zu kalkulieren? Bei den Germanen wird wohl die Schwierigkeit sein, genügend Knochen aus dieser Zeit zu finden. Es gibt ja Moorleichen und anscheinend wurden ja bei Kalkriese auch menschliche Knochen gefunden.
Kalkriese - Georg-August-Universität Göttingen Uni Göttingen Historische Anthropologie und Humanökologie Projekt Kalkriese - da müsste man mal Fr. Dr. Birgit Grosskopf fragen- eine gute Idee eigentlich.
 
und anscheinend wurden ja bei Kalkriese auch menschliche Knochen gefunden.
In einem sehr schlechten Erhaltungszustand und vermutlich Römer.


Bei den Germanen dieser Zeit wurde Brandbestattung betrieben, viel Knochenmaterial wirst du nicht finden. Kalzinierte Knochen (also Leichenbrand) sind für derlei Bestimmungen nicht geeignet.
 
Ich glaube nicht dass den Germanen nach Heldengesängen zumute war.
Eine innergermanische Wirtschaftskrise ungeahnten Ausmasses war die Folge.

Was war auf der Habenseite?
  • Beute, v.a. begehrtes Buntmetall
  • Wegfall der römischen Steuern und kommunalen Erschließungsgebühren
  • "Freiheit"
  • "Heldengesänge"
Und was war der Preis?
Zunächst einmal für das Jahr des Feldzuges selbst, und das Folgejahr:
  • Ernteausfall bzw.
  • verminderte Ernte, wegen der anderswo in der Kriegsvorbereitung eingesetzten Arbeitsleistung
  • Verluste an überwiegend jüngeren Germanen. Man kann Verluste von 50-80% der römischen Verluste ansetzen.
  • Einnahmeausfälle der bis dahin gut bezahlten Auxiliartruppen.
  • Einnahmeausfälle durch fehlenden Absatz der an die römischen Truppen gelieferten Waren
  • Völliger und sofortiger Rückgang des Fernhandels aus dem Ostseeraum
  • Verlust aller Absatzmärkte für germanische Rohstoff-Industrie- und Handelsprodukte.
  • Verlust an Knowhow durch den Tod erfahrener Bauern
Und bei und nach den Rachefeldzügen?
  • Zerstörung der Infrastruktur
  • Zerstörung der sozialen Struktur (die germanischen Eliten werden die Kämpfe nicht heil überstanden haben)
  • Machtverlust gegenüber den konkurrierenden Stämmen
  • Ausschluss vom Technologietransfer
  • Keine römischen Infrastrukturmassnahmen mehr
  • Rückgang der Binnennachfrage infolge sehr stark rückläufiger Bevölkerung (so haben das sicherlich die römischen Wirtschaftsweisen beschrieben)
  • Zusammenbruch des Bankensektors
  • Schlechtere Berufssausbildung
  • Verlust der Bilingualität
  • Rückgang der Immobilienwerte auf der Nachfrageseite
  • Rückgang der Immobilienwerte im Bestand
  • Verlust der Produktivmittel (z.B. Rinder)
  • teurere Importpreise
  • schlagartig riesiges Handelsbilanzdefizit
  • Verlust des Binnenmarktes mit einheitlicher Währung
  • Verlust der Kreditwürdigkeit
  • Perspektivlosigkeit der Jugend aufgrund mangelnder Aussichten auf dem Arbeitsmarkt
  • Verlagerung der Handelswege nach Osten (s. Marbod)
Ich denke nicht dass das ernst gemeint ist :D;)
 
Naja. Abseits vom Kabarettistischen: Ganz sicher gab es einen wirtschaftlichen Rückgang in Germanien. Übertrage jeden der Punkte auf die damalige wirtschaftliche Situation.
In der keltischen Kultur am Glauberg, als Gegenbeispiel, siehst Du das Ergebnis einer Überschussproduktion, eines Fernhandels mit begehrten Rohstoffen und Halbzeug, Fernhandel mit damals gut zugänglichen Absatzmärkten in Norditalien und Gallien.

Germanien in der ersten Hälfte des 1. Jahrhundert nach Christus ist de facto auf reine Subsistenzwirtschaft zurückgeworfen.
 
Guten Morgen,

ja Brandbestattung weiß ich ja. Ich dachte, es gäbe aber noch die Erdbestattung für Personen mit höherem sozialen Rang oder bin ich da falsch informiert, will heißen, dass ein Adeliger anders bestattet wurde als ein gemeiner Bauer oder Knecht.

Ja, man müsste wirklich verstehen, welche Lage die Varusschlacht hinterlassen hat.
Ich gehe damit vollkommen mit Euch mit, dass man sich mit Beutestücken und Heldengesängen nichts kaufen kann und dass dies die Bäuche der Familien natürlich nicht füllt.

Wie schätzt Ihr das ein?
Drusus-Feldzüge, Varusschlacht, Immensum Bellum (an dessen Existenz einige zweifeln) und die Rachefeldzüge des Germanicus. War die Vorgehensweise differenziert, von militärischer Unterwerfung bis zum Vernichtungsfeldzug, sprich Getreidevorräte und sämtliches Vieh wegnehmen, so dass die Germanen verhungern müssen oder immer eine Abfolge je nach Eskalation.
Vielleicht hatte man die Entscheidung zunächst nur im Felde gesucht und dann je nach Eskalation, Verluste, etc. angefangen, bestimmte Stämme, die immer wieder aufbegehrten (Marser, Brukterer ?) zu vernichten.

Was macht der Hunger mit den Menschen? Erhöht er den Widerstand bis zu einem gewissen Grade oder macht er schwächer und lässt er die Betroffenen kapitulieren? Vielleicht waren die römischen Vernichtungsfeldzüge auch gar nicht erfolgreich. Hin und wieder ein paar Marser übertölpelt und massakriert, doch der Rest entkommt. So wurde ja beschrieben, dass Drusus die Cherusker lange Zeit nicht stellen konnte und bis in die Bergwälder Solling oder Harz wollte oder konnten die Legionäre die Flüchtenden nicht verfolgen.
Dort konnten die Familien anscheinend gewisse Zeit überleben, um dann bei Abzug der Gefahr in die angstammten Gebiete in den Flusstälern zurückkehren.
Und wenn das Getreide und das Vieh weg waren, dann musste man die Nachbaren überfallen, die noch etwas hatten. So stelle ich mir das zumindest vor.

Aber wahrscheinlich wurde das von Euch schon gesagt.
 
Die literarischen und zeitgenössischen Angaben geben wenig her. Folglich haben wir nur Mutmassungen.

Eine andere Sache ist die materielle Kultur: ab wann gibt es wieder Importe, Münzen, Luxusgüter, Zeichen des Wirtschaftswachstums und Wohlstands?
Und: die gibt es, also bestand bei aller vermuteten Genügsamkeit Bedarf.
 
Hallo Stradivari,
das wirft natürlich eine interessante Frage auf. Wie berechnet man die durchschnittliche Lebenserwartung nach anthropologischen Methoden. Man sucht sich eine bestimmte Grundgesamtheit aus Knochen, datiert sie mit Isocarbonmethodik und bestimmt dann das Alter des Verstorbenen. Daraus bildet man dann eine Bevölkerungspyramide?

Wie gesagt, in aller Regel dürfte es sich um sehr grobe Schätzungen handeln. Ich erinnere mich an ein Seminar in den Historischen Hilfswissenschaften, in dem erwähnt wurde, dass man anhand von Taufbüchern kleinerer Orte eine gewisse Senkung der Kindersterblichkeit Mitte des 19. Jh. vor Ort nachweisen könne, aber eine solche Methode wird natürlich niemals eine genaue Statistik ermöglichen und ist in der Antike ohnehin nicht möglich.

Darauf wollte ich aber auch gar nicht hinaus. Es ist ja weitgehend unstrittig, dass in vormodernen Gesellschaften die Lebenserwartung wegen der hohen Kindersterblichkeit höchstens irgendwo zwischen 25 und 35 Jahren gelegen haben dürfte. Das durchschnittlich erwartbare Lebensalter eines Menschen bei der Geburt ist aber eben kein Indikator dafür, wie alt jemand werden konnte, wenn er das Kleinkindalter überstand und nicht früh eines gewaltsamen Todes starb. Dafür haben wir aus der Antike und auch aus dem Mittelalter recht belastbare Hinweise, etwa über Regierungszeiten oder sogar Geburts- und Sterbetage. Platon lebte beispielsweise von 428/27 bis 348/47, wurde also 80 Jahre alt. Der Markomannenkönig Marbod starb 37 in Ravenna im Exil und soll damals bereits Ende 60 gewesen sein. Mithridates VI. von Pontos regierte sein Land fast 60 Jahre lang.

Das Mindestalter für eine Bewerbung zum römischen Konsulat betrug übrigens in der späten Republik 42 Jahre, man war also in der Regel 43, wenn man das Amt antreten konnte.
 
Ja, das ist richtig. Wir hatten das glaube ich schon einmal erwähnt.
Ausnahmen bzgl. eines hohen Lebensalters gab es auch damals.
Aber auf die einfache Bevölkerung gemünzt?
Abgesehen von einem gewaltsamen Tod, was waren eigentlich die Geißeln des Altertums?

Krebs, Diabetes, Demenz, Schlaganfall, Karies sind typische Zivilisationskrankeiten der Moderne aber wie war das damals?
Pocken, Masern, Influenza, Syphilis, etc.? Und wie wurden diese Krankheiten eigentlich gesehen? Als Fluch, Verwünschung, die Person ist von einem bösen Geist besessen?
 
Nun, ich meinte eher, dass weder die Römer verstanden, was die Germanen sangen, wenn sie sangen, noch, dass die Germanen auf die Idee kamen, den Römern zu erzählen, dass sie antirömische Heldenlieder im Repertoire hatten. Ergo ist die - vielleicht von Plinius abgepinnte - Behauptung Tacitus‘, dass die Germanen an die Varusschlacht in Heldenliedern erinnerten wahrscheinlich nichts weiter als eine begründete Vermutung.

Also, ne. Plinius kannte Germanien aus eigener Ansicht und es ist aus seiner Naturgeschichte bekannt, dass er mit Leuten sprach. Von Tacitus wird angenommen, dass er mit germanischen Gesandten sprach. Eine Frage, ob da etwas über Arminius bekannt ist, liegt für einen Geschichtsschreiber zu nahe, als dass es als unwahrscheinlich gelten kann. Die Heldenlieder waren dem Tacitus sicher eine willkommene Nachricht.

Es war ja nicht so, dass Germanen und Römer nur mit der Waffe in der Hand kommunizierten. Genauso war die biblische Geschichte zumindest in den groben Zügen schon vor Josephus im griechisch-römischen Raum bekannt, auch wenn sie als uninteressanter Aberglaube galt. Arroganz heißt ja nicht komplette Ignoranz.

Rom teilte seinen Gästen sein Weltbild samt Troja und Aeneas mit. Du nimmst doch nicht ernsthaft an, dass nie ein Kelte, Germane oder Skythe mit den eigenen Geschichten geantwortet hat?

Und wenn die Nachricht von Plinius stammt, stammt sie vom sichersten denkbaren Gewährsmann, der definitiv nicht nur abschrieb, sondern auch durch Nachfragen sammelte und mit offenen Augen durch die Welt gingen. Dass das dann ins Weltbild eingeordnet wurde, ändert daran nichts. Plinius schrieb ein Büchlein über die Kunst, den Speer vom Rücken des Pferdes aus zu werfen. Diese Information hatte er wahrscheinlich von Barbaren aus der von ihm kommandierten Hilfstruppeneinheit. Er begnügte sich im Gegensatz zu seinen Standesgenossen nicht damit, die Fähigkeiten seiner Männer als Kommandeur auszunutzen. Dann die ganzen zutreffenden Details der Naturgeschichte und die Tatsache, dass er eher wegen seiner Neugier als aus Hilfsbereitschaft starb.

Was Tacitus angeht, führt der mehrfach Aussagen von Angehörigen germanischer und anderer Ethnien als Beleg an. Ganz zu schweigen davon, dass der Mannus-Mythos eine solche Quelle gehabt haben muss.

Wenn das abgestritten wird, fällt Tacitus als Quelle aus, weil er Nachrichten erfindet. Das er das nicht tut, anders vorgeht, um in seinem Sinn zu schreiben haben du und ich hier im Forum schon öfter dargelegt.

Edit: Woher weißt du, dass es antirömische Lieder waren? Waren es nicht vielleicht eher Lieder vom Schicksal und von Zwangslagen, davon wie sich der Mensch zu bewähren versucht, wie in späterer Zeit?
 
Aber was mir dabei nicht in den Kopf will, dass man nicht eingesehen hat, dass vereinigte koalierte Kräfte der Germanen unter guter taktischer Führung tatsächlich ein Pfund waren.+
Allein schon diese Erfolgsgeschichte.

Es wurde ja berichtet, dass die Germanen diesen Erfolg, den sie auch gesehen haben müssten, bei der nächsten Gelegenheit wieder wegwarfen und die Hoffnung auf kurzfristige Beute, indem man sich über den Troß hermacht, bedeutungsvoller war.
Daraus kann man ja schließen, dass nur die Raubgier sie für eine einmalige Kampagne einte und sie danach wieder auseinander treiben ließ. Kein Hunger auf etwas Größeres, auf weitere Erfolge. Gemeinsam sind wir stark etc. Zuerst Varus und dann Germanicus mit einer sehr ähnlichen Taktik.

Aber das sind nur meine 5 Cents dazu.

Plündernde Heere sind nicht ungewöhnlich und waren in der ganzen Geschichte ein Problem der Feldherrn. Hast du mal von Xenophon gehört? Der Zug der Zehntausend gilt als eines der großen Abenteuer, auch wenn sich da nur ein plünderndes Söldnerheer von Mesopotamien bis Byzanz durchschlagen musste, um dem Tod zu entgehen. Sobald es irgend ging, wurde da geplündert. Und der zu einem der Anführer gewählte Xenophon aus der verwöhnten Athener Oberschicht, musste lernen, was dem einfachen Söldner wichtig ist, so sehr es ihn auch zumindest teilweise anwiderte. (Aktuelle Beschreibung: Wolfgang Will, Der Zug der 10 000 - Die unglaubliche Geschichte eines antiken Söldnerheeres, München 2022.) (Xenophons Bericht galt einst neben Cäsar und Josephus als eine der drei militärischen Schriften, deren Kenntnis dem Gymnasiasten vermittelt werden sollte. Wie Cäsar im Lateinunterricht wurde es im Altgriechischunterricht als Erstlektüre gelesen.)

Und, nun, Arminius und Marbod gründeten ja Reiche oder versuchten es und ihre Truppen standen sich schließlich nach Art und Weise der Römer gegenüber. Und wenn Europa und Amerika sich mit der Ukraine zusammenschließen würden, hätte Russland keine Chance und China es schwerer. Allein, da gibt es mehr zu bedenken ... Wie damals auch.

Das "Arminius-Bündniss" zerfiel, weil die Machtgelüste des Arminius abgelehnt wurden. Und auch Marbod scheiterte. Bei beidem waren ganz sicher auch römische Diplomaten und Agenten beteiligt.
 
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