Aktuelle Geschichtsdokus

Ich habe jetzt die Doku "Dokumente, die die Welt bewegen: Maria Theresia die Matriarchin (7/12)" mit Barbara Stollberg-Rillinger gesehen. Hat mir deutlich besser gefallen als die mit eher schlechten Spielszenen versehene Arte-Doku. Die "Spielszenen" waren in dieser Doku als solche gekennzeichnete Ausschnitte aus älteren Filmen. Die Menge der Originaldokumente von der Pragmatischen Sanktion bis hin zu den Briefen aus Maria Theresias Witwenjahren war beeindruckend. :yes:
 
Auch die Behauptung, man habe nur im Stehen gekämpft ist quatsch und wird nur dadurch von den Reenactmentsequenzen gestützt, weil bei kleineren Gruppen zu Gunsten einer breiteren Front nur die zwei hinteren Glieder gezeigt werden. Im franz. und einigen anderen daran sich anlehnenden Reglements war das Abknien des 1. Gliedes (von 3 Gliedern) noch vorgesehen. Bei den Briten war das sogar noch der Standard. Auch das Laden der Muskete im Knien ist theoretisch möglich und wurde im Schützengefecht gewiss auch praktiziert. Nur ist dies in einer dichten Linienformation und bei geschwind aufeinanderfolgenden Salven nicht machbar.
Alex Burns hat in seinem exzellenten Blogartikel das Thema Hinlegen im Gefecht bei Briten analysiert: Kabinettskriege: "Lay on your Arms!": The British Army's Use of Cover in the Eighteenth Century
Sehr interessant, räumt es doch mit zahlreichen Vorurteilen auf. :)
 
Spätestens 1813 war es allgemein verbreitet, weil es als Besonderheit vermerkt wird, wenn Einheiten stehen blieben.
 
Gut gefallen hat mir auch auf arte:
"Dokumente, die die Welt bewegen
95 Thesen und die Gegenreformation"

Österreichische Geschichte interessiert mich zwar schon, aber gerade die 2. Hälfte des 16.Jh. ist so garnicht meine Periode. Spannend, dass die Althans, die man im 18.Jh. unter den Generalen Maria Theresias antrifft, eigentlich Protestanten waren. Gerade, dass die Adligen und wohlhabenden Bürger dem Protestantismus angehörten, zeigt aber, dass diese Anhänglichkeit an die Reformation durch Armut oder schlechte Lebensumstände so nicht stimmen kann.

Etwas seltsam fand ich, dass der Westfälische Friede angeblich den Augsburger Religionsfrieden lediglich bestätigt habe. Gut, vielleicht für Österreich mag das stimmen, nicht aber für die anderen Stände des Reiches, von eben die Normaljahresregelung in einem Gegensatz zur Abmachung des Friedens von 1555 steht.

Mein persönliches Highlight war neben dem Blick in die protestantische Kirchen der Adligen das Büro der Archivare, wo in der Ecke der Bartenstein neben dem Kaunitz hing. :cool:

Derzeit gibt's die Doku noch in der Arte-Mediathek.
 
"Die Geschichte Mitteldeutschlands - Liebe im Mittelalter Die Skandale des echten Tannhäuser"
(2011) Dirk Otto (Regie)

Ich habe jetzt mal vor einer Weile die Doku zu Tannhäuser gesehen. Was ich sehr schade fand war, dass nicht mehr über seine Lieder vorkam, d.h. einfach mal eines seiner Werke vorgetragen in damaliger Sprache und mit einem Nachbau eines zeitgenössischen Instruments, vielleicht einfach mit hochdeutschem Untertitel zum besseren Verständnis.

Stattdessen schien sich die Doku auf reine Spekulationen zu gründen. Ob Tannhäuser je bei dem Sängerwettstreit zugegen war oder auch Walter von der Vogelweide ist reine Spekulation. Hier aber ist es das Hauptmoment der Doku, dass er angeblich Landgraf und Landgräfin von Thüringen besser gefallen hätte. Die Informationen sind eher dünn gesät und man findet nicht weniger auch in gut gemachten Kinderbüchern wie der Was-ist-Was-Reihe. Wo es mal tiefgründiger zu werden droht, biegt die Doku ab. Stattdessen Wiederholungen über Wiederholungen über den Sinn der Hofhaltung des Landgrafen. Dass Elisabeth von Thüringen gemeinhin als eine besonders moralische Vorbildfigur gegolten hat und daher heilig gesprochen wurde, bleibt unerwähnt und hätte dem Konzept, dass ihr eine Schwäche für die frivolen (und durch ihre immer währenden Wiederholungen desselben Textes banalen) Texte Tannhäusers widersprochen. Durch die Spielszenen wird der Eindruck erweckt, Tannhäuser habe nur ein Lied geschrieben.

Als positiv ist zu erwähnen, dass die Kostüme nicht so arg zum Davonlaufen waren. Also keine Ganzkörperpanzerung der Ritter oder moderne Schminke bei den Damen. Gedreht wurde scheinbar auf der Burg Falkenstein (?) jedenfalls nicht auf der Wartburg, die nur im Ganzen bisweilen eingeblendet wurde.

Dafür hätte man sich mehr über Tannhäuser zu erfahren gewünscht, v.a. mehr abseits der Vermutungen er hätte als junger Dichter angeblich in den 1220ern die alte Generation von der Vogelweides abgelöst. Auch zum Minnegesang an sich kam praktisch fast nichts vor. Welche Instrumente wurden verwendet? Woher wissen wir wie das damals klang? Da hätte man sich Musikwissenschaftler gewünscht und nun braucht mir keiner damit kommen, dass es sowas nicht gibt. Nur mal auf SWR2 in Alte Musik reinhören.

Was halten Mittelalterkenner oder Germanisten von der Doku?
 
Ich habe diese Dokumentation nicht gesehen, aber könnte es sein, dass es den Produzenten weniger um den tatsächlichen Tannhäuser gegangen ist, als um die Wagner-Oper?
 
Ich habe diese Dokumentation nicht gesehen, aber könnte es sein, dass es den Produzenten weniger um den tatsächlichen Tannhäuser gegangen ist, als um die Wagner-Oper?
Zumindest im Titel hieß es ja, es ginge um den echten Tannhäuser und der Sängerstreit wurde nach meinem Eindruck als historisches Ereignis hingestellt, das ungefähr wie gezeigt abgelaufen sein soll.
 
"Die Geschichte Mitteldeutschlands - Liebe im Mittelalter Die Skandale des echten Tannhäuser"
(2011) Dirk Otto (Regie)

Gedreht wurde scheinbar auf der Burg Falkenstein (?) jedenfalls nicht auf der Wartburg, die nur im Ganzen bisweilen eingeblendet wurde.
Die heutige 19.-Jh.- Wartburg hat ja mit dem mittelalterlichen Bau nicht viel Ähnlichkeit. Da ist es eigentlich vollkommen gleichgültig in welcher Burg die Doku gedreht wurde.
 
Die heutige 19.-Jh.- Wartburg hat ja mit dem mittelalterlichen Bau nicht viel Ähnlichkeit. Da ist es eigentlich vollkommen gleichgültig in welcher Burg die Doku gedreht wurde.
Wurde doch ne Menge in der letzten Zeit wiederentdeckt. Ich war zur Zeit der großen Elisabeth-Ausstellung dort und da haben sie Teile der alten Schlosskapelle freigelegt. Im Erdgeschoss ist auch noch einiges an Originalsubstanz und die Vorburg hat soviel Ambiente wie der Innenhof von Burg Falkenstein - allerdings ist die Vorburg eher 14.Jh., glaub ich. Ich denke eher, dass das Problem war, dass die Besuchermassen Dreharbeiten erschwerten. Da kann man ja dann nur in ziemlich engen Zeitfenstern drehen. Ich habe das schon bei verschiedenen Filmdrehs erlebt wie schwierig es ist bei laufendem Betrieb eines Museums Aufnahmen zu machen. Ist sicher eine Frage, was man bereit ist zu zahlen. In Versailles wird ja auch immer gedreht; aber bei "Versailles" und Co ist wohl ordentlich Geld verfügbar.
 
Ich finde es ganz witzig, dass die Macher mancher Dokus hemmungslos an Romanen bedienen. In der Reihe "Mätressen, die geheime Macht der Frauen" kamen mir manche Szenen in dem Teil über die Sultansfavoritin"Roxelane" (Hürrem) enorm bekannt vor. Ich habe daraufhin noch einmal den Roman "Roxelane" von Johannes Tralow gelesen und siehe da, sämtliche Dialoge in den Spielszenen waren wortwörtlich daraus entnommen.
 
Ich finde es ganz witzig, dass die Macher mancher Dokus hemmungslos an Romanen bedienen. In der Reihe "Mätressen, die geheime Macht der Frauen" kamen mir manche Szenen in dem Teil über die Sultansfavoritin"Roxelane" (Hürrem) enorm bekannt vor. Ich habe daraufhin noch einmal den Roman "Roxelane" von Johannes Tralow gelesen und siehe da, sämtliche Dialoge in den Spielszenen waren wortwörtlich daraus entnommen.
Danke für den Hinweis. Ich kann mich nicht mehr so genau an die Reihe mit den Mätressen erinnern. Kam mir aber auf jeden Fall nicht so dolle vor. Vor allem der Informationsgehalt ist doch oftmals fragwürdig. Statt einfach allgemeiner das Leben der Mätressen zu beleuchten indem man Zeitzeugen zu Wort kommen lässt (also aus deren Hinterlassenschaften bspw. einen Brief vorträgt), wird munter spekuliert. Langweilig.
 
Heute früh habe ich mir "Terra X" "Das Jahrhundertwrack" angesehen und war von den gezeigten Schiffen ziemlich verwundert. Die Doku behandelte den Untergang des großen schwedischen Kriegsschiffes "Mars" im Jahr 1564 in der Seeschlacht zwischen den Schweden und den verbündeten Lübeck und Dänemark im nordischen siebenjährigen Krieg. Offenbar hatten sich die Filmemacher etwas in der Epoche vertan. Sie zeigten eine lübecker Flotte aus kleinen, einmastigen Koggen, wie sie im 13. bis Beginn des 15. Jh. üblich aber in der zweiten Hälfte des 16. Jh. längst Vergangenheit waren. Ab Minute 38,04 Das Jahrhundertwrack - Sensationsfund in der Ostsee . Vielleicht hätte es geholfen, wenn sie einfach ein paar zeitgenössische Bilder angesehen hätte, wie diesen Stich von Hans Hogenberg, welche die an dem Gefecht beteiligten Schiffstypen zeigt. Hier sind lediglich Galeonen, eventuell noch einige Karacken in verschiedenen Größen zu sehen. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e2/Makalös.jpg
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielleicht hätten sie sich ja auch einfach nur das Wrack selbst anschauen brauchen... ;)

Ich guck mir die Doku mal an. Danke für den Hinweis!
 
"Es sind Schiffe, sie sehen hübsch aus und die Bilder kosten nix. Von den Zuschauern merkt das eh kaum einer."

"Aber wenn diese Einstellung rauskommt?"

"Wie soll das rauskommt, es gibt ja kein Format für Doku-Kritik, dass irgendeine nennenswerte Aufmerksamkeit hätte. Außerdem funktioniert es seit Jahrzehnten und es macht jeder so. Es ist ja nicht so, dass wir Wissenschaft betreiben."

"Und was ist mit dem Bildungsauftrag der Medien?"

"Für das Gesocks reicht das, wenn sie erfahren, dass es Schiffe gibt."

In etwa so Stelle ich mir eine Besprechung zu so etwas vor.

Die Alternative wäre, dass die Doku-Macher selbst keinerlei Ahnung haben: "Boah ei, die Schiffe müssen wir nehmen, die sehen so zerbrechlich aus."
"Passen die denn?"
"Es sind Schiffe und sie gehören ins Mittelalter."
"Jau du, das haut hin. Das hört ja erst mit der Französischen Revolution auf."

(Es gab mal eine Umfrage, in der ein großer Anteil, diese Epochengrenze so sah. Sehr verbreitet ist auch immer noch: ''Das ist sooo alt, für mich ist das Mittelalter. Und da gab es Ritter, Wikinger und Koggen.")
 
Auch in der Kreuzzugsdoku von Terra X sind Schiffe am Computer entstanden, die zwar sehr schön aussehen aber leider auch nicht ins 12. Jh. gehören. https://www.zdf.de/dokumentation/te...christliche-ritter-auf-kreuzzug-fuer-100.html Minute 4,36 zeigt links eine wunderschöne Galeere aus dem 16. bis 18. Jh. .Man hat garantiert für die Computeranimation ein Schiffsmodell der "la Reale" des Sonnenkönigs benutzt (Bild 2 ). Besonders der geteilte Aufbau der Rambade (Bugkastell) macht im Mittelalter keinerlei Sinn, da die Lücke zwischen den beiden Plattformen dem Abzug des Pulverdampfes, des Hauptgeschützes diente. Auch waren mittelalterliche Galeeren keine Zweimaster und nicht so groß ,wie die späteren Modelle. Die überlangen Scaloggio-Riemen kamen ebenfalls erst in der Renaissance , als man zum Sträflingsdienst überging zum Einsatz .
 

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Die Ruderboote sehen in der Sequenz ja auch wie moderne aus oder nicht?
Die Boote hätten eher wie auf den Holzschnitten von Erhard Reuwich aus dem 15. Jh. aussehen müssen http://historic-cities.huji.ac.il/greece/modon/maps/breydenbach_1486_modon_b.jpg
http://s1.thingpic.com/images/3q/jJFcLWCe8WrNDjTkvjq4dVe8.jpeg
Man hätte auch die Beiboote aus der Bauanleitung für eine Flanderngaleere von 1434 nehmen können. http://klio.histinst.rwth-aachen.de/ext/tma/tema/galera/adv_f12r.gif
 
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