Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Der Nebel lichtet sich:

Bramsche: Forscher finden römische Wallanlage bei Ausgrabung

Ortisi sieht nach den Ausgrabungen in 2017 Kalkriese als ein Marschlager für etwa 3.000 Legionäre. Das Lager sei in großer Eile und in Bedrängnis errichtet worden. Die Wissenschaftler fühlen sich bestätigt, dass es sich um einen Ort der Varusschlacht handelt.

Die These eines Hinterhaltes, wie sie Frau Susanne Wilbers-Rost und Herr Achim Rost vertreten hat, werden damit immer weniger haltbar.

Danke für den Hinweis. Hier ist noch ein weiterer Artikel, der ein wenig ausführlicher ist (und hat noch einige Bildchen von den Ausgrabungen): Varusschlacht-Forscher zeigen Funde: Weitere römische Wall-Graben-Anlage in Kalkriese entdeckt
 
Ortisi sieht nach den Ausgrabungen in 2017 Kalkriese als ein Marschlager für etwa 3.000 Legionäre. Das Lager sei in großer Eile und in Bedrängnis errichtet worden. Die Wissenschaftler fühlen sich bestätigt, dass es sich um einen Ort der Varusschlacht handelt.

Die These eines Hinterhaltes, wie sie Frau Susanne Wilbers-Rost und Herr Achim Rost vertreten hat, werden damit immer weniger haltbar.

Es stimmt schon, die Lagertheorie scheint immer wahrscheinlicher zu werden (und letztlich würde das die Genialität Wolfgang Schlüters (des Archäologen, nicht des Kalkriesekritikers und Rechtsanwalts gleichen Namens) belegen). Allerdings mag ich noch nicht so ganz daran glauben. Wenn wir uns die improvisierte Skizze mal anschauen, dann handelt es sich um zwei (oder drei) Wälle, die allerdings nicht wirklich die Form eines Lagers aufweisen. Wobei klar, in England und Spanien hat man auch Lager nachgewiesen, die nicht die idealtypische Spielkartenform hatten. Ich würde noch abwarten, wie sich die Enden des dieses Jahr gefunden Walls verhalten. Wenn es sich tatsächlich um ein Lager handelt, dann müsste man anhand des Fundaufkommens wohl annehmen, dass es sich um das bei Tacitus beschriebene letzte Lager der Varuslegionen handeln würde: dein Semiruto vallo, humili fossa accisae iam reliquiae consedisse intellegebantur.
Solange aber die Wallenden des neuen Walls noch nicht bekannt sind, bleibe ich trotz wachsender Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein Lager handelt, für andere Hypothesen offen. Wobei natürlich die Konzentration der Funde an der Nordseite des Südwalls einer Erklärung bedarf.
 

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Das wäre dann wohl das zweite Lager des Tacitus für die zusammengeschmolzenen Reste. Und 'semiruto' passt dazu ja auch. Dann müssten dort Reste eines halb gescheiterten Scheiterhaufens zu finden sein.

Wie immer gibt es natürlich andere Möglichkeiten, aber mit einem solchen Lager sind wir wieder im Bereich der Schriftquellen. Es passte auch zur Interpretation Delbrücks. Es hätte schon etwas, wenn ausgerechnet seine Vermutungen zum Ablauf der Varusschlacht -auch wenn er sie in der Dörenschlucht suchte- von allen seinen Vermutungen zu Schlachtabläufen zumindest halbwegs getroffen hätte.

Der gen Süden gerichtete Wall war mir ja schon immer verdächtig. Aber eher als Fehlinterpretation des Germanicus oder des Tacitus. Aber darüber zu reden erübrigt sich ja jetzt.

Die Lage des Lagers passte zwar zu Caecina, aber nicht die Größe.

Nun noch ein zweites Lager und ich überlege, mit dem Meckern aufzuhören. Ansonsten brauche ich nur noch zwei Graffiti: Varus war hier. und Germanicus war hier. Natürlich auf Latein, mit Echtheitszertifikat und notarieller Beglaubigung.

Soviel dazu, total übermüdet, mit leichtem Fieber und berauscht davon, endlich eine Bestätigung zu lesen. Das ist also keine richtige Argumentation, sondern eine Zusammenstellung einiger Aspekte.

Irgendwo im Thread hatte ich ja schon gesagt, dass dort der Anfang oder das Ende sein muss - aus Gründen der Mathematik - mich dabei dann aber für den Anfang entschieden. Dies ist nun zwar unwahrscheinlicher, aber immer noch nicht ganz ausgeschlossen, womit ich nur warnen will, nicht von einem ins andere Extrem zu verfallen. Der Wall im Süden war genauso umkämpft wie als zuvor und sowohl im Westen wie im Osten ist der Spitzgraben im Westen. Nicht ganz klar ist, ob sie die Zahlen nach der üblichen Formel angeben, oder sagen, wieviele Soldaten in dem Lager hätten Schutz finden können.
 
Dann müssten dort Reste eines halb gescheiterten Scheiterhaufens zu finden sein.
Warum? Du meinst doch nicht etwa die Stelle bei Cassius Dio, derzufolge Varus einen Teil des Trosses verbrennen ließ? Das wäre, sofern historisch und sofern von Cassius Dio in der korrekten Reihenfolge berichtet, am zweiten von vier Schlachttagen geschehen.

Die Lage des Lagers passte zwar zu Caecina,
Inwiefern?
 
Nö, ich meinte den misslungenen Versuch Varus einzuäschern. (Was natürlich literarische Freiheit oder anderes sein kann. Doch wenn festzustellen, wohl die beste Bestätigung, abgesehen natürlich von einer von Germanicus mitgebrachten Tafel mit Grabinschrift.)

Lage: zwischen Berg und Moor.
 
Dazu erinnere ich daran, dass wir Caecina südlich/westlich der Ems suchen müssen (auch wenn du das erfahrungsgemäß nicht akzeptieren wirst, aber das ist das, was Tacitus uns überliefert):

Mox reducto ad Amisiam exercitu.
Erst dort trennt Germanicus die Armee:
Legiones classe, ut advexerat, reportat.
Pars equitum litore Oceani petere Rhenum iussa.
Caecina, qui suum militem ducebat, monitus, quamquam notis itineribus regrederetur, pontes longos quam maturrime superare.

Dann führte er die Armee zur Ems zurück.
Die Legionen trug er, so wie er die herbeigeführt hatte, mit der Flotte zurück.
Der Reiterei befahl er, entlang des Ozeans zum Rhein zu streben.
Caecina, der seine Soldaten führte, ermahnte er, über die bekannten Wege zurückzukehren und die langen Brücken eiligst hinter sich zu lassen.
 
Es geht gar nicht um die Zeichensetzung. Es geht darum, dass man akzeptiert, dass exercitu (im Ablativ) und legiones (im Akkusativ) nicht ein Objekt sondern zwei sind und jedes mit einem eigenen Verb (reducto, Partizip bzw. reportat/advexerat, Präsens, Plusquamperfekt) versehen.
Die Zeichensetzung ist egal. Normalerweise wird das in den modernen Ausgaben sogar als ein Satz dargestellt. Syntaktisch handelt es sich aber um vier Sätze mit Nebensätzen.
 
El Quijote

Wenn wir uns die improvisierte Skizze mal anschauen, dann handelt es sich um zwei (oder drei) Wälle, die allerdings nicht wirklich die Form eines Lagers aufweisen. Wobei klar, in England und Spanien hat man auch Lager nachgewiesen, die nicht die idealtypische Spielkartenform hatten. Ich würde noch abwarten, wie sich die Enden des dieses Jahr gefunden Walls verhalten.

Danke für die Grafik. Ist ja erschreckend. Ein Grabungsjahr für die kurze Strecke. Wenn man in diesem Tempo weiter gräbt, wird das noch verdammt viele Jahre brauchen, bis man den gesamten Wall - sofern vorhanden - ausgegraben hat.

Wahrscheinlich macht man dann in 2018 wieder einen Suchschnitt quer zum mutmaßlichen Wallverlauf - vielleicht diesmal in der Mitte. Wenn man dann den Wall finden sollte, gräbt man bisschen links und rechts. Und wieder ist ein Jahr verstrichen. Echt schade, dass es keinen Sponsor gibt. Jemand wie Hasso Plattner für Potsdam müsste sich in Kalkriese engagieren. An Archäologen und Grabungstechniker wird es nicht liegen, davon sind genug branchenfremd tätig. Da sollten sich genug Enthusiasten finden. Dann könnte man von einem der beiden gefundenen Stücke den weiteren Verlauf ergraben. Aber das wird wohl nur ein Traum bleiben.
 
Die haben ja im Frühjahr in Kalkriese schon einen Schnitt aufgemacht, das war der Fund von den 200 neuen Münzen. Das Ehepaar Rost/Wilbers-Rost betreibt ja Landscape Archeology, die schauen sich im Prinzip an, wie das Ereignis von Kalkriese (welches auch immer das war) das Umland beeinflusst hat, wie sich die Siedlungen verändert habe (z.B. Buntblechschmieden). Ich glaube, im letzten Jahr ist das erste Mal seit Jahren wieder im Park selbst gegraben worden. Kalkriese hat das Glück, dass es sich nicht um Notgrabungen sondern um Forschungsgrabungen handelt. D.h., dass was ergraben wird, wird auch ausgewertet, was bei Notrabungen ja meist nicht der Fall ist. Das bedeutet aber eben auch, dass Drittmittel eingeworben werden müssen, um die Grabungen und Forschungsprojekte (etwa jetzt aktuell die metallurgischen Untersuchungen mit denen man die Herkunft der Legionen bestimmen will, gemeinsam mit dem Bergbaumuseum in Bochum) zu finanzieren. Für soetwas gibt es dann i.d.R. auch keinen festen Mitarbeiterstab, sondern Projektstellen sind immer zeit- und geld- (drittmittel-)-gebunden. Und um die Drittmittel konkurrieren die Forschungseinrichtungen untereinander natürlich auch.
 
Das wäre dann wohl das zweite Lager des Tacitus für die zusammengeschmolzenen Reste. Und 'semiruto' passt dazu ja auch. Dann müssten dort Reste eines halb gescheiterten Scheiterhaufens zu finden sein.

...

Im Prinzip ja! Aber soweit ich weiß, schreibt Tacitus nicht explizit vom "zweiten" Lager. Er springt vom ersten Lager übergangslos zum wahrscheinlich letzten Lager. Schreibt er nicht einfach "deinde" (Dann...)?
Es kann also das zweite, dritte oder aber auch vierte Lager sein, was dann mit Cassus Dio in Übereinstimmung wäre.

Auch Velleius Paterculus beschreibt den Endkampf in Zusammenhang mit einem Lager, nämlich auf dem Umweg über das Verhalten der Lagerpräfekten (ich weiß, daß einige hier das auch anders interpretieren).
 
Wobei klar, in England und Spanien hat man auch Lager nachgewiesen, die nicht die idealtypische Spielkartenform hatten.
Um an dieser Stelle gleich zwei wunderschöne Lager abseits des Spielkartenformats in den Ring zu werfen:
Twyn-Y-Briddallt in Wales, gemeinhin den Feldzügen Frontinus' zwischen 73 und 78 AD zugeordnet, dessen Form zum einen sicherlich der Topographie geschuldet ist, zum anderen aber gern im Kontext der offenbar nicht so wirklich glücklich verlaufenden Kampagne als "Notlager" einer in Bedrängnis geratenen Einheit angesprochen wird (Link).
Und dann gibt's da Raedykes etwas südlich von Aberdeen in Schottland, gerade auch von der Größe her mit dem mutmaßlichen Lager in Kalkriese vergleichbar (Link). Auch hier spielt zweifellos die Topographie vor Ort eine Rolle, allerdings würde mich das als alleiniger Grund überraschen - so dramatisch sind die Hänge da nicht.
 
Es geht gar nicht um die Zeichensetzung. Es geht darum, dass man akzeptiert, dass exercitu (im Ablativ) und legiones (im Akkusativ) nicht ein Objekt sondern zwei sind und jedes mit einem eigenen Verb (reducto, Partizip bzw. reportat/advexerat, Präsens, Plusquamperfekt) versehen.
Die Zeichensetzung ist egal. Normalerweise wird das in den modernen Ausgaben sogar als ein Satz dargestellt. Syntaktisch handelt es sich aber um vier Sätze mit Nebensätzen.
Was aber rein gar nichts mit meinem Argument zu tun hat. Du machst hier ganz einfach zu viele Voraussetzungen, ohne sie zu hinterfragen. Das ist hier aber nötig.

Zudem argumentierst Du mit der Syntax der ersten beiden Sätze, die ich doch gar nicht bezweifele.

Der erste Teil exercitu - legiones - pars equitum bezieht sich auf das Heer des Germanicus. Dann sagt Tacitus, dass "Caecina, qui suum militem ducebat" zu einem bestimmten Vorgehen ermahnt oder befohlen war, also unabhängig agierte.

Es ist auch nicht zielführend, dass 'quamquam' einfach nicht zu übersetzen. Und hier sind wir dann beim Thema Kommata und Kunstprosa:

Entweder:
"Caecina [...] war indessen befohlen," wie befohlen zu handeln. Also schon vor der Rückführung an die Ems, da es ein ausdrücklicher Gegensatz zum Vorstehenden ist.

Oder:
"Caecina [...] war befohlen, obgleich er über die bekannten Wege zurückkehren würde [da steht kein Infinitiv]," die langen Brücken schnell hinter sich zu bringen.

Auch dies kann, muss aber nicht als Gegensatz verstanden werden, weshalb es in den Ausgaben bevorzugt wird. Doch gibt es da ein paar Probleme. Quamquam vor Konjunktiv ist nachklassisch. Nun, dichterisch kann es vorkommen, was uns bei Tacitus die Diskussion um die 'silberne Latinität' erspart, und Tacitus bereitet hier den Leser auf das Folgende vor. Denn die Eile an den Pontes Longi ist ex eventu geschrieben. So betont Tacitus, dass der jugendliche Held Germanicus keine Verantwortung für die Kalamitäten des Caecina trägt. Offensichtlich war ihm aber befohlen, die Strecke nicht schnell hinter sich zu bringen, sondern sie auszubessern. Das entspricht nicht nur den geschilderten Ereignissen, sondern auch einem bekannten Vorgehen des Germanicus, der am Ende eines Feldzugs die Infrastruktur verbessern lässt. Denken wir nur an den Ausbau der Strecke Aliso - Rhein.

Dann kennen wir die Gewohnheit des Tacitus, einzelne Ereignisse getrennt zu berichten. Auch das verweist eher auf eine Zäsur. So kann sehr wohl mit "Caecina, qui..." ein neues Kapitel zu beginnen sein. Es liegt also auch inhaltlich nahe, wobei natürlich schon Caecinas erfolgreicher Rückzug zur Panik am Rhein führt und Anlass zum Lob der Klugheit seiner Frau und der Niedlichkeit des kostümierten Söhnchens wird, während die Katastrophe im Wattenmeer recht kurz geschildert wird. Hier darf wieder nicht auf die dem Germanicus freundliche Darstellung vertraut werden, zumal uns nicht alles berichtet wird: Ein Teil der Truppen passte nicht auf die Schiffe. Im Gegensatz zum Hinweg und trotz der Verluste des Feldzugs. Wäre Caecina mit zur Ems zurückgegangen, wieso nahm er die überzähligen Kohorten dann nicht mit? Das Argument des Tacitus ist für Schiffe, die dafür gebaut sind, regelmäßig an Land gezogen zu werden, nicht stichhaltig.

Ich sage ja gar nicht, dass es nicht möglich ist, dass Caecina den Germanicus bis zur Ems begleitete. Ich sage nur, dass die Frage nicht am Text entscheidbar ist, ja nach meinem Dafürhalten eher gemeint ist, dass Caecina gar nicht mit bis zur Ems kam.

Die Syntax eines Satzes kann nicht die Bedeutung eines anderen Satzes ergeben. Insbesondere, wenn der von dem parallelen Aufbau der Sätze der vorangehenden Aufzählung abweicht. Nicht Germanicus befiehlt oder handelt, sondern Caecina ist etwas zu tun befohlen. Hier die 3. Person des Feldherrn, dort der einen Befehl empfangende General, der im Gegensatz zum Reiterführer benannt wird. Da macht der Aufbau dieser Spracheinheiten schon den Gegensatz der Teile des zurückgeführten Heeres zu den Truppen des Caecina deutlich. Nur als Überleitung ist mir das zuviel. Aber wieder werde ich den Teufel tun und dem Bericht des Tacitus zuviel zu entlocken versuchen, gerade weil er hier wieder mal in erster Linie das Verhalten des Germanicus verteidigt.

Für mich sind beide Möglichkeiten gegeben. Auch wenn es mir nach dem Text näher liegender erscheint, dass Caecina nicht bis zur Ems bei Germanicus blieb, schließe ich das andere nicht aus. Ich weise lediglich darauf hin, dass uns dazu keine eindeutige Aussage vorliegt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was aber rein gar nichts mit meinem Argument zu tun hat.
Natürlich.

Du machst hier ganz einfach zu viele Voraussetzungen, ohne sie zu hinterfragen.
Klar hinterfrage ich alle möglichen Interpretationen. Da ist Germanicus mit acht Legionen ins Feindesland gezogen, nachdem Varus sechs Jahre zuvor mit drei Legionen vernichtend geschlagen worden war. Er hat dabei das Varusschlachtfeld besucht und danach Arminius verfolgt sich mit ihm ein Scharmützel geliefert und ist dabei in Bedrängnis. Dann kehrte zur Ems zurück. Wie wahrscheinlich ist es, dass er vor Erreichen der Ems seine Truppen noch aufteilte?

Zudem argumentierst Du mit der Syntax der ersten beiden Sätze, die ich doch gar nicht bezweifele.

Der erste Teil exercitu - legiones - pars equitum bezieht sich auf das Heer des Germanicus. Dann sagt Tacitus, dass "Caecina, qui suum militem ducebat" zu einem bestimmten Vorgehen ermahnt oder befohlen war, also unabhängig agierte.
Mit welchem Argument fasst du denn die ersten drei Sätze zu einer Sinneinheit zusammen und separierst den vierten davon?

Es ist auch nicht zielführend, dass 'quamquam' einfach nicht zu übersetzen.
Es handelt sich um ein Füllwort, seine ÜS ändert nichts am Sinn; ich habe es aus rein stilistischen Gründen unterschlagen, weil der deutsche Satz mit ihm einfach bescheiden klingt. Hier beide Varianten im Vergleich:

V1: Caecina, der seine Soldaten führte, ermahnte er, über die bekannten Wege zurückzukehren und die langen Brücken eiligst hinter sich zu lassen.
V2: Caecina, der seine Soldaten führte, ermahnte er, über die obgleich bekannten Wege zurückzukehren und die langen Brücken eiligst hinter sich zu lassen.

Und natürlich verwendet Tacitus hier eine grammatische Form, die verdeutlicht, dass für Caecina bei Befehlsübernahme die Überquerung der Brücken noch in der Zukunft liegt.

Also schon vor der Rückführung an die Ems, da es ein ausdrücklicher Gegensatz zum Vorstehenden ist.
Das quamquam ist ein Teil des Nebensatzes und bezieht sich auf die Kenntnis der Brücken.

Offensichtlich war ihm aber befohlen, die Strecke nicht schnell hinter sich zu bringen, sondern sie auszubessern.
Das eine ist Germanicus' Befehl, Caecina solle die Brücken schnell hinter sich lassen. Das andere ist die Wirklichkeit, mit der Caecina konfrontiert ist, nämlich dass die Brücken sich in einem maroden Zustand befinden und er sie ausbessern lassen muss, um sie zu überqueren, während der Feind ihn schon angreift.

Das entspricht nicht nur den geschilderten Ereignissen, sondern auch einem bekannten Vorgehen des Germanicus, der am Ende eines Feldzugs die Infrastruktur verbessern lässt. Denken wir nur an den Ausbau der Strecke Aliso - Rhein.
Das ist ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Aliso war ein (wieder) besetztes Lager, dessen Verbindung zum Reich gehalten werden musste. Davon, dass hier, am Varusschlachtfeld oder an der Ems eine GArnison zurückgelassen wurde, ist nirgends die Rede.

Hier darf wieder nicht auf die dem Germanicus freundliche Darstellung vertraut werden,
[...]
Tacitus ... gerade weil er hier wieder mal in erster Linie das Verhalten des Germanicus verteidigt.
Es wird immer wieder behauptet, dass Tacitus Germancius gegenüber freundlich gesonnen gewesen sei. Ich sehe das nicht unbedingt so. Kritik an Germanicus gibt es reichlich. Er ist eigentlich immer nur dann der verkannte Held, wenn Tacitus gleichzeitig Tiberius schlecht machen kann.

Ein Teil der Truppen passte nicht auf die Schiffe. Im Gegensatz zum Hinweg und trotz der Verluste des Feldzugs. Wäre Caecina mit zur Ems zurückgegangen, wieso nahm er die überzähligen Kohorten dann nicht mit? Das Argument des Tacitus ist für Schiffe, die dafür gebaut sind, regelmäßig an Land gezogen zu werden, nicht stichhaltig.
Was aus dem römischen Texten deutlich wird, ist, dass sie Ebbe und Flut im Wattenmeer noch nicht verstanden hatten. Das ist das Problem; die Schiffe hatten einfach bei zu starker Beladung zu viel Tiefgang. Deshalb konnten sie die Ems ja herunterfahren und mussten erst im Watt marschieren.

Nicht Germanicus befiehlt oder handelt, sondern Caecina ist etwas zu tun befohlen.
Wer hat denn die Befehlsgewalt über Caecina, dort im tiefsten Germanien? Da ist keiner außer Germanicus.

V3 (unpersönlich und mit Subjunktiv): Caecina, der seine Soldaten führte, [war] ermahnt, er solle über die obgleich bekannten Wege zurückkehren und die langen Brücken eiligst hinter sich lassen.
 
Hast du göttliche Erkenntnis? Du behauptest da eine ganze Menge a priori, wo Fallunterscheidungen angebracht wären. Deine Vorstellungskraft ist in dieser Sache auf das Ergebnis, dass Deiner Argumentation nützt, beschränkt.

Wie sehr war Germanicus mit seinen rechnerisch 80.000 Mann denn in Bedrängnis, nachdem er den Angriff des Arminius auf die in eine Falle gelockten Reiter abgewiesen und ihn verfolgt hatte? Auch die Hälfte seiner Leute war noch ein ansehnliches Heer. Zudem ist das nicht mit 'Voraussetzungen' gemeint. Was mich zur Frage führt, ob Du überhaupt den Unterschied zwischen Prämissen und Schluß kennst. Du sagst hier, dass Germanicus seine Truppen Deiner Meinung nach nicht teilte und wir deshalb unsere Quellen so lesen müssen, dass Deine Interpretation hinkommt. Ernsthaft? Dazu muss ich noch etwas schreiben?

Meine Ansichten zu der fraglichen Stelle habe ich wortreich dargelegt. Tacitus baut hier ganz klar einen Gegensatz auf und das 'quamquam' steht da. Das kannst Du nicht streichen. Du kannst weder sagen, dass es nur ein Füllwort ist, noch dass es zwingend zum Nebensatz gehört. Es ist eine Konjunktion. Du kannst nur feststellen, welche Übersetzungsmöglichkeiten es gibt. Da haben wir jetzt mehrere Varianten, die sprachlich möglich sind. Das Komma ist neuzeitlich gesetzt. In der Antike wurde es nicht geschrieben, wie Du sehr wohl weißt. Wieder: Du beanspruchst gottgleiche Erkenntnis.

Und weil die Brücken schon so marode sind, kann sich Caecina schließlich schnell absetzen? Da hat Deine Argumentation schon etwas von den fliegenden Bäumen des Cassius Dio.

Verbesserung von Infrastruktur - nicht Äpfel und Birnen. Beides ist Verbesserung von Infrastruktur. Und wieder setzt Du den Schluß als Prämisse, was unzulässig ist und noch dazu falsch: Zur Verbesserung der Infrastruktur braucht es Truppen. Die Truppen nächtigen in einem Lager. Ob nun temporär oder auf Dauer angelegt, spielt da keine Rolle. Abgesehen davon habe ich nicht argumentiert, dass er Truppen in Aliso zurückließ, sondern, dass er beim Rückmarsch an den Rhein die Infrastruktur verbessern ließ. Hier hast Du Dir ausgedacht, was ich behaupte und nicht meine Worte zur Kenntnis genommen: Da steht Infrastrukturverbesserung, nicht Standlager. Ein besetztes Lager ändert nichts daran, dass Infrastruktur verbessert wurde.

Tiberius schlecht machen? Dann lies die Stelle doch mal im Zusammenhang statt isoliert.

Wattenmeer: Nein, dass steht so nicht bei Tacitus. Die Quelle sagt, dass es um das starke Aufsetzen bei Ebbe ging. Zudem mussten sie es vom Hinweg kennen, selbst wenn sie nie zuvor zur See gefahren wären.

Habe ich angezweifelt, dass Germanicus der Feldherr war? Nein. Ich habe dargelegt, dass Tacitus hier formal und durch den Stil einen Gegensatz aufbaut.

Du übersetzt dann noch falsch. 'Quamquam' ist eine Konjunktion, kein Adjektiv. Übersetzt Du richtig, kannst Du auch das bei Tacitus fehlende 'und' für den AcI weglassen, dass ja nur durch das neuzeitliche Komma repräsentiert wird.

Ach ja, der AcI drückt durch den Infinitiv Präsens Gleichzeitigkeit aus, die indirekte Rede steht im Imperfekt, was angesichts des Perfekts des Hauptsatzes nur bedeutet, dass der Rückweg nicht abgeschlossen war. Das trifft alles auf beide Möglichkeiten zu.

Einen Subjunktiv kennt weder das Lateinische noch das Deutsche. Wenn Du damit auf den AcI (oder meinetwegen die Aufforderung der indirekte Rede im Konjunktiv) verweisen willst, sehe ich nicht, wie das die Aussage verändert.

(Für Nicht-Lateiner: In der Antike wurde ohne Komma und Absätze geschrieben. Ja, sogar zwischen den Worten blieb erst spät ein größerer Freiraum als zwischen den Buchstaben. Heute muss also immer wieder gefragt werden, ob die Sinneinheiten und Nebensätze, wie sie heute in den Ausgaben stehen, korrekt sind. Hinzu kommt, dass das Lateinische nur eine gewohnheitsmäßige und keine zwingende Satzstellung kennt. Stattdessen wird oft das, was betont werden soll, ans Satzende gestellt, oder, etwas weniger betont, an den Satzanfang. Bei 'quamquam' in einem Prosatext ungewöhnlich, liegt hier jedoch in jedem Fall eine dichterische Verwendung vor, weshalb ich die Voraussetzung, dass es zum Nebensatz gehört, nicht einfach teilen kann.)
 
Hast du göttliche Erkenntnis?
Selbstverständlich, was sonst?

Spaß beiseite: Warum schon wieder so aggro?

Du behauptest da eine ganze Menge a priori, wo Fallunterscheidungen angebracht wären.
Butter bei die Fische, was behaupte ich genau a priori? Mit so unkonkreten Vorwürfen kann ich nichts anfangen.

Wie sehr war Germanicus mit seinen rechnerisch 80.000 Mann denn in Bedrängnis, nachdem er den Angriff des Arminius auf die in eine Falle gelockten Reiter abgewiesen und ihn verfolgt hatte? Auch die Hälfte seiner Leute war noch ein ansehnliches Heer.
Auch Varus' Armee war kein Sonntagsausflug und ist dennoch vernichtend geschlagen worden. Jetzt waren die Germanen taktisch geschult (Tac. ann. II, 45), mit Beutewaffen aus der Varusschlacht ausgerüstet (Tac. ann. I, 57) und die vierzig Kohorten von Caecina waren kaum mehr als die drei Legionen, sechs Kohorten und sechs Alen des Varus.
Die Germanen wussten, dass sie die Römer schlagen konnten (Tacitus legt Arminius in der Schlacht an den pontes longi auf Caecina und seine Truppen ein "seht, Varus und die seinen laufen erneut in ihr Verderben" in den Mund (Tac. ann. I, 65)) und die Römer wussten, dass die Germanen sie schon mal geschlagen hatten (so lässt Tacitus Caecina träumen, Varus strecke ihm seinen verrottenden Arm entgegen und ziehe ihn in den Sumpf herab Tac. ann. I, 65).

Du sagst hier, dass Germanicus seine Truppen Deiner Meinung nach nicht teilte und wir deshalb unsere Quellen so lesen müssen, dass Deine Interpretation hinkommt. Ernsthaft? Dazu muss ich noch etwas schreiben?
Nicht ich schreibe das, Tacitus schreibt das. Germanicus führte die Armee an die Ems zurück. Dort teilte er das Heer. Die Legionen fuhren mit der Flotte die Ems hinab. Die Reiterrei (oder ein Teil davon, je nachdem ob man pars equitorum als ein Teil oder der teil interpretiert) erhielt den Befehl an der Küste entlang dem Rhein zuzustreben. Caecina wurde ermahnt etc. pp.

Meine Ansichten zu der fraglichen Stelle habe ich wortreich dargelegt.
Leider nein. Die ersten drei Sätze fasst du zusammen, den vierten separierst du ohne eine vernünftige Begründung.

Tacitus baut hier ganz klar einen Gegensatz auf und das 'quamquam' steht da. Das kannst Du nicht streichen.
Ich streiche es nicht. Aber es ist nun mal ein Füllsel: Caecina sollte sich beeilen, obgleich die Wege über die langen Brücken bekannt waren. Wegen dieses obgleich ändert sich nichts an der von Tacitus dargestellten Chronologie der Ereignisse.

Das Komma ist neuzeitlich gesetzt. In der Antike wurde es nicht geschrieben, wie Du sehr wohl weißt.
Selbstverständlich weiß ich das.
Aber du kannst nun mal die Satzzeichen nicht willkürlich setzen. Es gibt Beispiele von Texten, wo es tatsächlich nicht möglich ist zu 100 % zu entscheiden, wo nach unserem modernen Verständnis die Satzzeichen zu setzen wären.
Aber wir können die Sinneinheiten nun mal feststellen.
Erste Sinneinheit: Mox reducto ad Amisiam exercitu.
Zweite Sinneinheit: Legiones classe, ut advexerat, reportat.
Dritte Sinneinheit: Pars equitum litore Oceani petere Rhenum iussa.
Vierte Sinneinheit: Caecina, qui suum militem ducebat, monitus, quamquam notis itineribus regrederetur, pontes longos quam maturrime superare.

Um die vierte Sinneinheit geht es ja hier: Welche grammatisch sinnvolle Alternative willst du uns denn anbieten? Fühl dich frei, Satzzeichen zu setzen. Einzige Bedingung: Es muss vom lateinischen her korrekt sein:
Caecina qui suum militem ducebat monitus quamquam notis itineribus regrederetur pontes longos quam maturrime superare.

Und weil die Brücken schon so marode sind, kann sich Caecina schließlich schnell absetzen? Da hat Deine Argumentation schon etwas von den fliegenden Bäumen des Cassius Dio.
Du wirfst mir in diesem Beitrag andauernd vor, ich würde irgendetwas a priori voraussetzen etc. und unterstellst mir dann Dinge, die ich nie geschrieben oder insinuiert habe?

Verbesserung von Infrastruktur - nicht Äpfel und Birnen. Beides ist Verbesserung von Infrastruktur. Und wieder setzt Du den Schluß als Prämisse, was unzulässig ist und noch dazu falsch: Zur Verbesserung der Infrastruktur braucht es Truppen. Die Truppen nächtigen in einem Lager. Ob nun temporär oder auf Dauer angelegt, spielt da keine Rolle. Abgesehen davon habe ich nicht argumentiert, dass er Truppen in Aliso zurückließ, sondern, dass er beim Rückmarsch an den Rhein die Infrastruktur verbessern ließ. Hier hast Du Dir ausgedacht, was ich behaupte und nicht meine Worte zur Kenntnis genommen: Da steht Infrastrukturverbesserung, nicht Standlager. Ein besetztes Lager ändert nichts daran, dass Infrastruktur verbessert wurde.
Ich kann dir nicht folgen.
Deine Behauptung war: Caecina erhielt den Befehl, die pontes longi in Stand zu setzen. Du hast das begründet damit, dass nach der Entsetzung von Aliso die Verbindungswege zum Rhein instand gesetzt wurden. Das war aber eine ganz andere Situation. In Aliso gab es ein Standlager, dessen Verbindung zum Rhein überlebenswichtig war.
Nach Tacitus erhielt Caecina gerade ausdrücklich den gegenteiligen Befehl, nämlich sich nicht an den pontes longi aufzuhalten - ausdrücklich: er solle sich beeilen, sie hinter sich zu lassen. Tacitus verwendet hier sogar den Superlativ maturrime!
Vor Ort findet Caecina dann eine Situation vor, die das offenbar nicht erlaubt.

Wattenmeer: Nein, dass steht so nicht bei Tacitus. Die Quelle sagt, dass es um das starke Aufsetzen bei Ebbe ging.
Genau das ist die Problematik des Wattenmeers. Die Römer kannten das Wattenmeer vor ihren germanischen Expeditionen nicht, so eine Geomorphologie gibt es im Mediterraneum nicht. Die Römer hatten kein Konzept von Wattenmeer und dementsprechend auch kein Wort dafür, weshalb Tacitus natürlich nicht "Wattenmeer" schreibt, sondern, dass bei Ebbe die Schiffe aufsetzten. Das ist die Umschreibung des Phänomens Wattenmeer.

Habe ich angezweifelt, dass Germanicus der Feldherr war? Nein. Ich habe dargelegt, dass Tacitus hier formal und durch den Stil einen Gegensatz aufbaut.
Ich weiß leider nicht, auf welche Äußerung von mir du dich beziehst und kann damit nichts anfangen.

Du übersetzt dann noch falsch. 'Quamquam' ist eine Konjunktion, kein Adjektiv.
Wo habe ich denn quamquam adjektivisch übersetzt? Seitwann ist obgleich ein Adjektiv?
notus/bekannt ist ein Adjektiv. Du weißt, was eine Ellipse ist? Ich hätte natürlich einen Nebensatz "obgleich sie bekannt waren" bilden können, aber was würden wir dadurch gewinnen?

Ach ja, der AcI drückt durch den Infinitiv Präsens Gleichzeitigkeit aus, die indirekte Rede steht im Imperfekt, was angesichts des Perfekts des Hauptsatzes nur bedeutet, dass der Rückweg nicht abgeschlossen war. Das trifft alles auf beide Möglichkeiten zu.
Mooooment! Das ducebat steht im Imperfekt! Es ist die Erklärung: Caecina, der seine Soldaten führte - das ist nur logisch, dass das im Imperfekt steht. Im Perfekt steht dann [war] ermahnt (monitus). Dann kommt der Konjunktiv (Subjunktiv) Imperfekt (> indirekte Rede), weil die Rückkehr zum Zeitpunkt des Befehls naturgemäß noch in der Zukunft liegt.

Bei 'quamquam' in einem Prosatext ungewöhnlich, liegt hier jedoch in jedem Fall eine dichterische Verwendung vor, weshalb ich die Voraussetzung, dass es zum Nebensatz gehört, nicht einfach teilen kann.)
Sparen wir uns doch das ganze langwierige Geplänkel und konzentrieren uns auf den Satz, den ich fett markiert habe.
Wie würdest du die Satzzeichen setzen?
 
Aufgrund dieses heute vom Museum Kalkriese veröffentlichten Fotos Anhang anzeigen 16949

muss ich meine Graphik von oben korrigieren:Anhang anzeigen 16950
Hallo El Quijote,
es wäre sehr hilfreich für einen Ortsunkundigen wie mich, der noch nicht in Kalkriese war, wenn auf der Graphik die Himmelsrichtungen angegeben würden. Auch wäre es hilfreich, auf solchen Graphiken od. Fotos die Lage der umliegenden Orte anzugeben, damit man sich auf der Karte den Platz in etwa suchen kann.

Gruß
Oleger
 
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