Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Eine Wallecke mit einem 90° Winkel ist ja am alten Wall schon erkennbar.
Man hat dort aber keine Fortführung gefunden, zudem lag der Graben als zusätzliches Annäherungshindernis auf der Innenseite eines mutmaßlichen Lagers. Deshalb hatte man den Wall als Germanenwall angesprochen. Bei der Germanenwalltheorie war der spitze Winkel das Problem. Wenn sich die Lagerwalltheorie jetzt durchsetzt, bleibt die Ecke ein Problem, weil der Wall auf der "falschen" Seite liegt. Läge der Graben auf der "richtigen" Seite, wäre es nie zu einer Germanenwalltheorie gekommen.
 
Da ist doch gar kein Graben im Sinn einer Befestigung, nur eine Ablaufrinne. Könnt ihr mal diesbezüglich das Verwirrspiel mit dem Homonym sein lassen?
 
Ich rede von dem Spitz- nicht von dem Drainagegraben! Schnitt 30. Und dieser Graben liegt nun mal, wenn sich die Lagertheorie bestätigt, auf der Innenseite des Lagers. Auf der Südseite des Altwalls, also hangaufwärts, waren kleine unregelmäßige Vertiefungen von 0,05 - 0,50 m, die als Drainagegraben angesprochen sind. Das wäre bei der Lagertheorie die Außenseite, bei der Germanenwalltheorie die germanische Seite, wohingegen der Spitzgraben bei der Germanenwalltheorie die römische Seite dargestellt hätte. Die Ecke bleibt ein Problem, egal welcher Theorie man sich anschließt.
 
Ah, jetzt wird mir klar, was Du meinst. Das stellt nicht unbedingt ein Problem dar. Die Anlage ist zum Einen ja noch gar nicht weit ergraben. Zum Anderen haben wir ja schon über Lagereinbauten diskutiert. Wichtiger ist aber der Hinweis auf Delbrücks Interpretation der Schlacht als Versuch einen Engpass zu durchbrechen in Verbindung mit der bei Caesar beschriebenen Stützung auf gleichzeitig aufgeworfene Schanzen. Da können Befestigungen in alle Richtungen vorkommen. Streckenweise, punktuell, als Lager, etc.. Die Ereignisse sind dann erst zu beschreiben, wenn die Lage der Schanzen bestimmt ist. Diese letzte Feststellung habe ich hier bezüglich Kalkrieses schon zwei- oder dreimal gepostet. Einmal waren mir vorgehalten, dass das Fantasy sei. Wie man sieht, war wohl eher der Kommentar Ignoranz.

Edit: Bevor jemand fragt: Im Bürgerkrieg. Ganz lesen, damit es klar wird, auch die Teile, die nicht von ihm sein sollen.
 
Das verstehe ich aber nicht, beim Schnitt 30 endet doch der Wall nicht. Zur Begriffserläuterung, mit Wallversturz ist Wall gemeint, oder?
 
Das stellt nicht unbedingt ein Problem dar. Die Anlage ist zum Einen ja noch gar nicht weit ergraben.

Da kannst Du graben so viel Du willst. Das wird kein reguläres römisches Feldlager mehr. Selbst wenn man eine behelfsmäßige Erstellung unter Gefechtsbedingungen für den östlichen Wallabschnitt annimmt, dann schützte dieser Abschnitt etwas was noch weiter östlich lag, weil ein römischer Spitzgraben nun mal außen angelegt wurde. In diesem Spitzgraben wurden übrigens Beschläge eines Kistendeckels gefunden. Die Lage der Beschläge wird so interpretiert, dass der Kistendeckel (im Rahmen der Kämpfe?) zum Überwinden des Spitzgrabens benutzt worden sein könnte. Nach der Lagertheorie wäre dies aber die Lagerinnenseite gewesen.
Man kommt also jetzt schon bei dieser Interpretation mit einem Lager wahrscheinlich nicht aus.

Wichtiger ist aber der Hinweis auf Delbrücks Interpretation der Schlacht als Versuch einen Engpass zu durchbrechen in Verbindung mit der bei Caesar beschriebenen Stützung auf gleichzeitig aufgeworfene Schanzen.

Das ist in der Tat ein Szenario, dem zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Neben Caesars Bürgerkrieg enthält auch die Anabasis von Xenophon einige Beispiele wie ein antikes Heer vom Feind besetzte Engstellen passieren konnte.
Die beiden dem Drainagegraben vorgelagerten Spitzgräben könnten, da sie den Wall auf der östlichen Seite hatten, dann zwei zeitlich aufeinanderfolgende Schanzen in westlicher Durchbruchsrichtung sein. Der alte Wall samt Drainagegraben wäre dann nur flankierend angelegt worden. Mehr zur Trockenhaltung(Drainage!) des behaupteten Gebietes denn zur Verteidigung. Die vielen Funde direkt unter dem Wallversturz werden damit erklärt, dass fast der gesamte Wall noch während(!) der Kampfhandlungen kollabierte. Mit der Aufgabe der Germanenwalltheorie ergiebt sich jetzt sogar die Möglichkeit, dass diese z.B. im Kampf errichteten Wälle auf Resten des bereits geplünderten Trosses errichtet wurden. Nur mal als Denkanregung...

Gruß
jchatt
 
Ne, ne. Das könnten sogar mehrere Lager und Feldschanzen werden. Es ist eben noch nicht genug untersucht. Zählen wir einmal:

Wenn Varus da war und der Platz mit seinem Ende zu tun hat: 2 Lager.

Dann Germanicus: 1 oder eher 2 Lager, da größere Armeen eher in mehreren Lagern untergebracht wurde, insbesondere, wenn wenig Raum war.

Das gibt ein komplexes Bild von mindestens 3 bis 4 Lagern.
 
noch mal zu den Fakten: wir haben zwei parallele Wälle, einmal den bisher bekannten, am Bergrand entlanglaufenden südlichen Wall und dann den neu entdeckten Wall weiter nördlich zum Moor hin.

Falls man diese Wälle als römische Lagerwälle, d. h. das Lager ist zwischen den beiden Wällen, interpretiert, ist das Problem, dass der Spitzgraben des südlichen Walls innerhalb des Lagers verläuft. Ein Annäherungshindernis innerhalb des Lagers macht eigentlich keinen Sinn. Deswegen wurde dieser Wall ursprünglich als germanischer Wall gegen die Römer verstanden, bevor der zweite Wall letztes Jahr entdeckt wurde.


In einem älteren Post von Neddy findet sich folgender Link zu Hummel et al.:

Nicht in Gänze. Ein ehrlicher Seemann hat Dein Zeitungsblatt gelesen, sich verdutzt die Augen gerieben, ist einen Schritt weiter gestolpert und hat noch das hier gefunden - S. 5f.:
Andreas Hummel / Ingo Jüdes / Falk Näth, Die archäologischen Untersuchungen in Geeste - Versuch einer vorläufigen Deutung nach derzeitigem Kenntnisstand, FAN-Post 2014, Mitteilungsblatt des Freundeskreises für Archäologie in Niedersachsen e.V.

Schlüter hat seine Interpretation des Walls in "römisch" geändert (Hut ab!).
Dieser Wall sollte wohl die Südflanke des römischen Lagers am Ende des zweiten Tages gebildet haben. Wenn ich das wirklich richtig verstehe, war das die einzige befestigte Front des Lagers ( - ggf. wurden nach Westen und Osten allenfalls Spitzgräben angelegt.
Davon ausgehend, dass wer auch immer an diesem Abend die römischen Truppen befehligt hat, wusste was er tat und noch ganz bei Sinnen war, müssen diese Truppen dann schon sehr große Mengen ihres Schanzmaterials und/oder ihrer einsatzfähigen Arbeitskräfte verloren haben, um ein Viertel Lager zu bauen. Sprich, sie wären dann schon ganz schön am Ende gewesen...

Dort findet sich auf S. 5 folgende Aussage:

Allerdings sind sich auch die Befürworter der Varusthese in der Deutung der Funde und Befunde nicht immer einig. Unlängststellte Prof. Dr. Wolfgang Schlüter eine neue Theorie vor: Dieseinerzeit von ihm ergrabene und als germanisch definierteWallanlage auf dem Oberesch sei doch römisch und begrenzedas zweite (letzte) Lager des Varus.
(2)
Er verlegt die Standspur der Erdmauer, die nach dem jetzigenWallverfluss und der postulierten fundfreien Zone (auf die weiter unten einzugehen sein wird) definiert wurde, um ca. zwei Meter nach Norden, und so ergibt sich ein mögliches anderes Bild. WoProf. Schlüter und die ihm in Kalkriese nachfolgenden Archäologen zuvor davon ausgegangen waren, dass sich dieGermanen südlich der von ihnen gebauten Erdmauer ver-schanzten und die nördlich davon vorbeimarschierenden Römer von hier aus angriffen, sieht er jetzt die Römer nördlich desWalles in einem Lager, um die von Süden anstürmendenGermanen abzuwehren.

Ich kenne mich zu wenig im Handwerk der Archäologie und in den Funden und Befunden des Spitzgrabens und Wall aus, um das selber beurteilen zu können.

Falls man die Standspur der Erdmauer (= südlicher Wall) weiter nördlich ansetzen kann, würde das Bild wieder passen: der Spitzgraben wäre außerhalb des Lagers und Annäherungshindernis zum Berg hin.
 
noch mal zu den Fakten: wir haben zwei parallele Wälle, einmal den bisher bekannten, am Bergrand entlanglaufenden südlichen Wall und dann den neu entdeckten Wall weiter nördlich zum Moor hin.
Wobei der südliche Wall zwei verschieden Ausführungen von Gräben aufweist. Einmal die als "Drainage" angesprochene Rinne mit runden Profil zwischen den beiden Bachläufen. Dann die beiden von dieser Drainage etwa senkrecht nach Norden führenden Spitzgräben. Ich habe diese in der Grafik mal rot hervorgehoben. Zusammen mit den beiden neu entdeckten Gräben im Norden haben wir also vier Teilstücke von nahezu gerade verlaufenden Spitzgräben, sowie eine in vielen Suchschnitten verfolgte Drainagerinne die dem Gelände folgt.
Das sind erst einmal zwei unterschiedliche Befunde die hier zur Lagertheorie zusammen gewürfelt wurden. Das sollte man bei jeder folgenden Interpretation kritisch im Hinterkopf behalten.

Gruss
jchatt

kalkriese_wall.jpg
 
Das merkwürdige ist doch, daß dieser Spitzgrben nur an den jeweiligen Wallenden existiert.
Und das auch nur auf geringer Länge. Bisher wurde der Spitzgraben als Umgehungshindernis angesehen.
Wenn ich jetzt der Lagertheorie folge, dann wirft das die Frage auf, warum ich keinen durchgehenden Spitzgraben habe, vom nördlichen Verlauf des Grabens ganz abgesehen.

Hier noch ein Link mit diversen Fotos:
Wo sich die Römer eingruben
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ein Wall aufgeschüttet wird, ist es eigentlich ganz normal, daß auch ein Graben entsteht. Dieser wird von den Römern gewohnheitsmäßig als Spitzgraben ausgeführt. Ist der Wall noch nicht hoch genug, muß von anderer Stelle noch Material geholt werden.

Der südliche Wall wurde auch immer als Grassodenmauer bezeichnet. Es gibt zwei Möglichkeiten:

1. Es war nicht möglich, südlich des Grassodenwalls einen Graben auszuheben. Vielleicht war der Boden zu feucht. Es blieben also nut flache Vertiefungen übrig, die jetzt als Drainagegräben erscheinen.

2. Die Grassodenmauer wurde doch von den Germanen gebaut, und dann als Südwall in ein mögliches römisches Lager integriert?

Gegen 2. spricht aber die relative Lage der Pfosten der Brustwehr (nach der Schlüterschen Neuverortung der Grassodenmauer 2 m weiter nördlich, was ja der Anlaß für seinen Umschwung war, steht die Brustwehr nun nach Süden gerichtet). Außer die Brustwehr wurde auch erst nachträglich von den Römern gebaut, also die Germanen hatten gar keine Brustwehr gebaut. Sonst hätten sie sie ja auf der falschen Seite gebaut.

Die falsche Lage des Spitzgrabens am östlichen Ende bleibt weiter unerklärlich.
 
Das kann man weiter vorne im Thread doch alles nachlesen.

Die Spitzgräben gehören nicht zum südlichen Wall. Die Spitzgräben gehören nicht zum südlichen Wall. Nun, jedenfalls darf man nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass sie dazu gehören.
 
Die Spitzgräben gehören nicht zum südlichen Wall. Die Spitzgräben gehören nicht zum südlichen Wall. Nun, jedenfalls darf man nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass sie dazu gehören.
Natürlich gehören die 1999 und 2004 ermittelten Spitzgräben in den Altschnitten 30 und 38 zum Südwall. Wozu sonst? Die beiden in diesem Jahr (2017) gefundenen Grabenabschnitte, die haben mit dem Südwall nichts zu tun.
 
Gegen 2. spricht aber die relative Lage der Pfosten der Brustwehr (nach der Schlüterschen Neuverortung der Grassodenmauer 2 m weiter nördlich, was ja der Anlaß für seinen Umschwung war, steht die Brustwehr nun nach Süden gerichtet). Außer die Brustwehr wurde auch erst nachträglich von den Römern gebaut, also die Germanen hatten gar keine Brustwehr gebaut.

Wenn die Brustwehr denn eine Brustwehr ist. Reste dieser Brustwehr wurden deutlich nur an einer Stelle gefunden. Diese Stelle markiert einen Punkt, an dem der Wall/Graben nach einem Gefälle von ca.2,5m in einer Krümmung in einen flacheren Verlauf übergeht. Wenn Wasser durch diese Rinne geflossen wäre, also die Drainage funktioniert hätte, dann war dieser Bereich grösseren erodierenden Kräften ausgesetzt als andere Teile der Anlage. Seltsam also, dass sich die "Brustwehr" ausgerechnet in diesem Bereich erhalten haben sollte.
Es spricht m.E. eher für eine einzelne Verstärkung des Walles in diesem Bereich gegen vorlaufendes Drainagewasser. Dafür spricht auch, dass sich im Befund keine reine Pfostenlinie abzeichnet, sondern eine Pfostenkonzentration in der Mitte die erst an den Seiten in Pfostenlinien ausläuft.

In diesem Zusammenhang sei noch einmal daran erinnert, dass der "Wall" nur rekonstruiert ist. Er wurde irgendwann nach seiner Erstellung anthropogen eingeebnet. Die gefundenen Pfostenlöcher waren also nur wenige Zentimeter nachweisbar.

Gruss
jchatt
 

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Wenn ein Wall aufgeschüttet wird, ist es eigentlich ganz normal, daß auch ein Graben entsteht. Dieser wird von den Römern gewohnheitsmäßig als Spitzgraben ausgeführt. Ist der Wall noch nicht hoch genug, muß von anderer Stelle noch Material geholt werden.

Der südliche Wall wurde auch immer als Grassodenmauer bezeichnet. Es gibt zwei Möglichkeiten:

1. Es war nicht möglich, südlich des Grassodenwalls einen Graben auszuheben. Vielleicht war der Boden zu feucht. Es blieben also nut flache Vertiefungen übrig, die jetzt als Drainagegräben erscheinen.

2. Die Grassodenmauer wurde doch von den Germanen gebaut, und dann als Südwall in ein mögliches römisches Lager integriert?

Gegen 2. spricht aber die relative Lage der Pfosten der Brustwehr (nach der Schlüterschen Neuverortung der Grassodenmauer 2 m weiter nördlich, was ja der Anlaß für seinen Umschwung war, steht die Brustwehr nun nach Süden gerichtet). Außer die Brustwehr wurde auch erst nachträglich von den Römern gebaut, also die Germanen hatten gar keine Brustwehr gebaut. Sonst hätten sie sie ja auf der falschen Seite gebaut.

Die falsche Lage des Spitzgrabens am östlichen Ende bleibt weiter unerklärlich.

(Hervorhebung von mir)

So lange nicht der unwahrscheinliche Glücksfall des Auffindens schriftlicher Quellen von Augenzeugen eintritt, die in detaillierter Ausführlichkeit beschreiben, was sich einst am Oberesch über Stunden, Tage und womöglich Jahre hinweg ereignet hat, wird die Schüssel bis zum Sankt-Nimmerleinstag mit reichlich Spekulatius über Zweck und Sinn der Gräben und Wälle gefüllt bleiben.
Ich denke, im besten Fall werden weitere archäologische Funde es vielleicht irgendwann ermöglichen den Fundort Kalkriese relativ sicher einem überlieferten Ereignis römisch-germanischer Konflikte zuzuordnen - oder mehreren.

Wer jedoch auch immer am Oberesch zu welchem Zweck in welch zeitlicher Abfolge und mit wie viel Verstand gebuddelt, aufgeworfen, eingepfostet, geflochten, bestattet etc. hat, bezüglich einer zeitlichen Verortung hinsichtlich einer Episode des Untergangs der varianischen Zuges eröffnen die uns bekannten Quellen allemal die Möglichkeit, dass reichlich Chaos das Regiment geführt haben könnte.

Massiv dezimierte römische Einheiten, kaum noch intakte Befehlsstrukturen, abgekämpfte Legionäre schanzen im Verbund mit Angehörigen des Trosses, unter Einbindung eines soeben den germanischen Angreifern abgerungenen Walles. Es gießt wie aus Kübeln. Was in eingedrillter Gewohnheit als Spitzgraben angelegt werden will verkommt im Dauerregen zum Drainagegraben. Andernorts sind Drainagegräben nötig um bereits errichtetes zu sichern. Germanische Geschosshagel wie Angriffe zwingen zu wiederholtem Abbruch der Arbeiten. Ein Bote übermittelt den Befehl die hier Schanzenden hätten gefälligst aufzuschließen. Stunden später rücken weitere gefledderte Centurien mit Trossresten nach, das Aufgefundene erweist sich als viel zu groß um es verteidigen zu können, weitere Gräben und Wälle werden begonnen...

“Die Ordnung ist die Lust der Vernunft, doch die Unordnung ist die Wonne der Phantasie.“ (P. Claudel)

Ich habe meiner Phantasie erlaubt ordentlich “unordentlich“ zu sein, in vollem Bewusstsein dass dies ebenso wenig wissenschaftlichen Ansprüchen entspricht wie der Transfer selbst gemachter Erfahrungen - doch die Erinnerung daran, wie sich ein Campingplatz nach einem Starkgewitter mit Platzregen präsentierte ließen sich soeben einfach nicht aus meinem Kopf vertreiben. Das Wirrwarr der, unter dem völlig überraschend ausgebrochenen Toben der Elemente, ausgehobenen Entwässerungsgräben wie Erdwälle zum Schutz der Zelte und Wohnwagen legte jedenfalls nahe, dass Verstand sowohl in individueller Hinsicht wie allgemeiner Koordination noch nicht zwingend erfunden worden war.

Ein fortifikatorisches falsch will mir nicht einleuchten angesichts dessen, wenn nach Quellenlage ein chaotischer Ablauf von Ereignissen im Bereich des Möglichen liegt.
 
@ El Quijote: Nach Deinen Worten muss alles aus einem Grabungsschnitt in dieselbe Zeit gehören. Tut es aber nun mal nicht. Hier fand man Steinwerkzeuge, die man bisher in die Steinzeit einordnet zusammen mit Funden aus dem 1. Jahrhundert nach Christus. Würde Deine Argumentation zu vergesellschafteten Befunden zutreffen, müsste man die Chronologie umwerfen.

Und die Frage ist doch einfach: Wie ist der Zusammenhang von Südwall und Spitzgräben? Gleichzeitig oder nicht? Das sie im selben Schnitt im Gebiet einer militärischen Auseinandersetzung gefunden wurden, sagt bei der Lage an einem Engpass, einem wichtigen Verkehrsweg somit, nicht mal aus, dass sie wahrscheinlich zu einem Ereignis gehören. Und ich kann mich gerade nicht erinnern, wie man diesen Zusammenhang aus den Funden erklärt hat. Also ist die Feststellung, dass die Nähe der Funde allein noch keine Gleichzeitigkeit bedeutet, bis eine Erklärung erfolgt, rational. Ich habe gerade nicht die Zeit nachzuschauen und hoffte auf eine erklärende Reaktion.

Statt dessen kommt Spott zusammen mit Unausgegorenem von einem Moderator. Dass die Befunde von Kalkriese alles andere als trivial sind, wissen wir allerspätestens seit den Funden im letzten Jahr. Angesichts dessen, dass es sich um den Platz eines Gefechts handelt, war natürlich schon davor von einer gewissen Komplexität auszugehen, was aber oft von beiden Seiten mit recht einfachen Erklärungen abgetan wurde. Abgesehen davon, gehört es doch wohl zum Einmaleins der Archäologie, dass typologisch unterschiedliches in Bezug auf die Zeitstellung zueinander untersucht werden. Solange man von einem vorbereiteten Überfall ausging, waren die Spitzgräben recht leicht als Schließung der Flanke, als Sicherung gegen einen Angriff von der Seite zu interpretieren, weshalb ich nicht nötig fand, dem nachzugehen. Jetzt haben wir einen anderen Befund. Es sind an verschiedenen Stellen Feldbefestigungen unterschiedlichen Typs festgestellt. In den Schnitten 30 und 38 treffen solche aufeinander. Was wurde also hinsichtlich des zeitlichen und sonstigen Zusammenhangs festgestellt. Wie in der Grammatik der Nebensätze also zunächst: Gleichzeitig oder Ungleichzeitig? Und bei Gleichzeitigkeit stellt sich die Frage, ob es sich um eine Konstruktion handelte oder sich eine an die andere anlehnte. Gibt es überhaupt Erkenntnisse dazu, oder hängen wir in der Luft?

Wie gesagt, aus den Schriftquellen können wir mehrere Befestigungsanlagen für den Ort der Katastrophe ableiten. Und hier wäre doch genau die Punkte, an denen mehrere Befestigungen zu fassen sein könnten.
 
@ El Quijote: Nach Deinen Worten muss alles aus einem Grabungsschnitt in dieselbe Zeit gehören. Tut es aber nun mal nicht. Hier fand man Steinwerkzeuge, die man bisher in die Steinzeit einordnet zusammen mit Funden aus dem 1. Jahrhundert nach Christus. Würde Deine Argumentation zu vergesellschafteten Befunden zutreffen, müsste man die Chronologie umwerfen.
Ich wüsste nicht, wo ich derartige Aussagen getätigt hätte. Die Spitzgräben allerdings sind unzweifelhaft aus der Zeit. Im Wallmaterial sind auch ältere Funde, die vor dem Schlachtgeschehen in den Boden kamen und mit diesem im Wall verbaut wurden. Ich weiß, dass es im Kalkrieser Museum ein Vitrine auch mit vorgeschichtlichem Gut gibt, wo das genau aus dem Boden kam, weiß ich aber nicht und dazu habe ich mich auch nie geäußert, deshalb bin ich über deine Aussage, was ich angeblich ausgesagt haben soll, einigermaßen erstaunt.

Und die Frage ist doch einfach: Wie ist der Zusammenhang von Südwall und Spitzgräben? Gleichzeitig oder nicht? Das sie im selben Schnitt im Gebiet einer militärischen Auseinandersetzung gefunden wurden, sagt bei der Lage an einem Engpass, einem wichtigen Verkehrsweg somit, nicht mal aus, dass sie wahrscheinlich zu einem Ereignis gehören. Und ich kann mich gerade nicht erinnern, wie man diesen Zusammenhang aus den Funden erklärt hat. Also ist die Feststellung, dass die Nähe der Funde allein noch keine Gleichzeitigkeit bedeutet, bis eine Erklärung erfolgt, rational. Ich habe gerade nicht die Zeit nachzuschauen und hoffte auf eine erklärende Reaktion.
Natürlich gehören Wall und Graben in denselben Kontext, das haben selbst die größten Kalkriesekritiker nie in Zweifel gezogen. Vertiefungen werden immer immer wieder verfüllt. In dem Graben wurden römische Funde gemacht.

Statt dessen kommt Spott zusammen mit Unausgegorenem von einem Moderator.
Ich weiß nicht, wo du Spott gelesen hast. Oder Unausgegorenes. Wenn du etwas an meiner Argumentation zu kritisieren hast, dann gib Butter bei die Fische und kritisiere meine Argumentation, wenn du etwas an der Moderation zu kritsieren hast, dann nutzte bitte das Forum Kommentare und Meinungen oder PN und wenn du ein persönliches Problem mit mir hast (und das scheint mir der Fall zu sein), dann nutze bitte PN. Ich weiß jedenfalls nicht, was du für ein Problem mit mir hast und meine Argumente haben nichts damit zu tun, dass ich Moderator bin. Das ist eine unzulässige Vermischung meiner Rollen als Diskussionsteilnehmer auf der einen oder Moderator auf der anderen Seite. Was soll das? Mit sachlicher Diskussion hat eine solche Vermischung jedenfalls nichts zu tun.

Wie gesagt, aus den Schriftquellen können wir mehrere Befestigungsanlagen für den Ort der Katastrophe ableiten. Und hier wäre doch genau die Punkte, an denen mehrere Befestigungen zu fassen sein könnten.
Ich halte es für einen Fehler - der im Übrigen schon vor 100 Jahren genauso gemacht wurde - die verschiedenen Lager des Varus alle an einem Ort zu suchen. Den Nordwall und den Südwall als Teile verschiedener Bauwerke auszumachen, gar für verschiedene Lager des Varus, halte ich für verfehlt. Ich war nie ein Anhänger der Lagerwalltheorie von Schlüter, aber zum jetzigen Zeitpunkt muss sie wohl als die wahrscheinlichste gelten. Nach den Grabungserkenntnissen vor allem dieses Jahres also 2017 nicht 2016, sind wir aber nach 30 Jahren archäologischer Forschung in Kalkriese wieder relativ am Anfang, was die Bewertung der Ereignisse auf dem Oberesch angeht (ohne damit die archäologische Forschung vor 2011/16 [2011, weil da Schlüter seine Hypothese öffentlich gemacht hat, 2016, weil Ortisi/Rappe da begonnen haben, Schlüters These archäologisch nachzugehen] kleinmachen zu wollen). Ich sehe das Lager noch keineswegs als bewiesen an, aber die Indizien dafür verdichten sich, das muss ich als Gegner der Lagerwalltheorie zugeben.
 
Ich rede von dem Spitz- nicht von dem Drainagegraben! Schnitt 30. Und dieser Graben liegt nun mal, wenn sich die Lagertheorie bestätigt, auf der Innenseite des Lagers. Auf der Südseite des Altwalls, also hangaufwärts, waren kleine unregelmäßige Vertiefungen von 0,05 - 0,50 m, die als Drainagegraben angesprochen sind. Das wäre bei der Lagertheorie die Außenseite, bei der Germanenwalltheorie die germanische Seite, wohingegen der Spitzgraben bei der Germanenwalltheorie die römische Seite dargestellt hätte. Die Ecke bleibt ein Problem, egal welcher Theorie man sich anschließt.

Ja, die Ecke zwischen Schnitt 30 und Schnitt 36 ist wohl gemeint. Schaut man sich diese Ecke in jchatts Karte (Post #5113) an, so könnte man anzweifeln, ob die beiden Wälle (also der mit dem Drainagegraben und der mit dem Spitzgraben) überhaupt noch zueinander finden!

Hat Wolfgang Schlüter sich eigentlich mal speziell dazu geäußert? Ich habe nichts gefunden!
 
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