Der Gemlich-Brief 1919: Erstes antisemitisches Dokument Hitlers

andreassolar

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Am 16. September 1919 erstellte Hitler als Angehöriger der Propaganda-Abt. des Nachrichtendienstes des Reichswehrgruppenkommandos 4 in München maschinenschriftlich einen Brief an Adolf Gemlich:

http://www.kurt-bauer-geschichte.at/PDF_Lehrveranstaltung 2008_2009/02_Hitlerbrief_Gemlich.pdf

Gemlich hatte zunächst an Hitlers Vorgesetzten, Hauptmann Karl Mayr, einen längeren Brief geschrieben und diesen u.a. um Auskunft über das Verhältnis von ''Regierungssozialdemokratie'' und ''Judentum'' gebeten. Der Gefreite Gemlich, antisemitischer Reichswehrpropagandist aus Ulm, hatte zuvor an einem so genannten antibolschewistischen ''Aufklärungskurs'' in München teilgenommen, die Hauptmann Mayr als Leiter der Propaganda-Abt. hatte durchführen lassen. In den Kursen wurden mit Duldung der Reichswehr vielfach informell antisemitische Weltanschauungen ausgetauscht wie vermittelt.

Hauptmann Mayr hat in Folge von Zeitmangel sowohl den radikalen Antisemiten Dietrich Eckart, mit dem er in engerem Kontakt stand, wie auch seinen Untergebenen in der Propaganda-Abt. Hitler aufgefordert, Gemlich brieflich zu antworten. Mayr selbst kann als Rassenantisemit von der Qualität des damaligen Hitlers bezeichnet werden, was durch sein vielfaches Engagement, in seiner Funktion als Angehöriger des Reichswehrgruppenkommandos 4, für die Verbreitung radikal-antisemitischer Anschauungen belegt ist (er unterstützte zudem die NSDAP in den ersten Monaten ihres Bestehens erheblich). Ebenso wird dies dadurch kenntlich, dass er Hitlers Ausführungen in dessen Brief an Gemlich nur beipflichten kann, abgesehen von der 'Zinsfrage'. Den Begleitbrief, in welchem Hitlers Antwort an Gemlich beigelegt wurde, schließt Hauptmann Mayr mit den Worten:

Meine Ausführungen sind nicht an das Amt gebunden, wie Sie meinen. Ich bin mit dem Herrn Hitler durchaus der Anschauung, daß das, was man Regierungssozialdemokratie heißt, vollständig an der Kette der Judenheit liegt. Bevor man aber über „Gleichberechtigung" der Völker reden will, muß zuerst die Eigenberechtigung oder das „Selbstbestimmungsrecht" der einzelnen Völker sichergestellt sein. Dieses Recht ist verankert in der Rasse. Alle schädlichen Elemente müssen wie Krankheitserreger ausgestoßen oder „verkapselt" werden. So auch die Juden!
[Quelle: Ernst Deuerlein, Hitlers Eintritt in die Politik und die Reichswehr, in: Vierteljahresheft für Zeitgeschichte, 1959, Heft 2, S. 203]

Hitler stand mit seinen antisemitischen Positionen vom September 1919, wie sie im Gemlich-Brief überliefert worden sind, keinesfalls allein oder solitär bzw. hatte keine originären Inhalte zu bieten. Und schon im Raum München des Jahres 1919, dem Wohnort Hitlers, wirkte eine ganze Reihe von engagierten, bereits mehr oder weniger bekannten oder später dann bekannt werdenden Personen und Vereinigungen mit radikalen antisemitischen Anschauungen:
Das Netzwerk von Reichswehrgruppenkommando 4 mit der Propaganda-Abtl. von Hauptmann Karl Mayer, mit Dietrich Eckart, Gottfried Feder, Ernst Röhm, Hans Frank, Rudolf Heß, von Müller, Alfred Rosenberg, DAP, Thulegesellschaft mit dem Münchner Beobachter, dem Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund und dem antisemitischen Verleger Julius Friedrich Lehmann u.v.a.m.

Der Antisemitismus breitete sich ab dem Sommer 1919 wie ein ''Steppenbrand'' (Longerich, Hitler (2015, s. 72) aus, gekoppelt ist er an die äußeren Ereignisse wie den Versailler Vertrag (Juni 1919), die 'Kriegsverbrecherliste' vom Januar 1920 etc.

Viele Grüße,
Andreas
 
Die zweibändige Hitler-Biographie von Ian Kershaw, die vielfach immer noch als 'maßgeblich' eingeschätzt wird, kann selbstredend nicht in sämtlichen Details den Kontext angemessen wiedergeben.

So notiert Kershaw, Hitler Bd.1 S. 169, unmittelbar, bevor er Hitlers Brief vom 16. Sept. 1919 an Gemlich im nächsten Abschnitt streift, der Kommandeur des Lagers Lechfeld, Oberleutnant Bendt, habe es für nötig gefunden, Hitler zu bitten, dessen Antisemitismus zu dämpfen, um Beschwerden vorzubeugen, die Referate seien 'Judenhetze'.

Bendt, der keinesfalls Kommandeur des DULAG (Durchgangslager) Lechfeld gewesen war und sein konnte als Oberleutnant, sondern nur Chef einer dorthin abkommandierten Reichswehr-Kompagnie - das DULAG hatte allein etwa 30 eigene Wachkompagnien (Plöckinger, Unter Soldaten und Agitatoren, S. 114 + 116), hatte in einem Bericht vom 25. August 1919 an das Reichswehrgruppenkommando 4 über die Tätigkeit des von Hauptmann Mayr eingesetzten Aufklärungskommandos zur Bekämpfung 'bolschewistischer Aktivitäten' im DULAG u.a. geschrieben:

Gelegentlich eines sehr schönen, klaren und temperamentvollen Vortrags des Gefr. Hitler über den Kapitalismus, der dabei die Judenfrage streifte, ja streifen mußte, entstanden über die Art und Weise gelegentl. einer Besprechung d. Abteilg. mit mir Meinungsverschiedenheiten, ob man klar und unverblümt seine Meinung äußern solle, oder in etwas verschleierter Form. Es wurde angeführt, die Abteilg. sei von Gruppenkdo. Möhl aufgestellt und in dienstlicher Eigenschaft tätig. Wenn nun die Judenfrage in ganz klarer Form unter bes. Berücksichtigung des germanischen Standpunktes dargestellt würde, so könnte leicht diese Erörterung den Juden Anlaß geben, die Vorträge als eine Judenhetze zu bezeichnen. Ich sah mich deshalb veranlaßt anzuordnen, daß bei Behandlung dieser Fragen möglichst vorsichtig vorgegangen werden solle und daß zu deutliche Hinweise auf die dem deutschen Volke fremde Rasse nach Möglichkeit zu vermeiden seien.
(Bendt zitiert nach: Ernst Deuerlein, Hitlers Eintritt in die Politik und Reichswehr, in 'Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte', 1959, Heft 2, S. 199).

Kleine und feine wie wichtige Unterschiede, meine ich doch.

Hitler war weiterhin bei weitem nicht der einzige im Aufklärungskommando mit dezidiert antisemitischen Positionen. Z.B. Hitlers Kollegen im Aufklärungskommando, Hans Knodn und Ewald Bolle, waren ebenso radikale Antisemiten, sie hatten entsprechend Hitler bei dessen ersten Besuch einer DAP-Versammlung am 12. Sept. 1919 begleitet. (Plöckinger, Unter Soldaten, S. 128).

Auch für den Gemlich-Brief sind Bemerkungen zum weiteren Kontext hilfreich und ergänzen Kershaws Bemerkungen. Später dazu mehr.

Viele Grüße,
Andreas
 
Kershaw notiert in Hitler 1889 - 1936, S. 169, zum Gemlich-Brief Hitlers u.a., in der Gruppe (Kershaw meint das Aufklärungskommando) wie bei seinem Vorgesetzten Hauptmann Mayr müsse sich Hitler den Ruf eines Experten in 'Judenfragen' erworben haben.

Schaut man sich andererseits die von Kershaw S. 168 angeführten Belege für Hitlers besondere Fähigkeiten an, so stehen dort nicht etwa die antisemitischen 'Experten'-Positionen Hitlers bei seinen Aufklärungskommando-Vorträgen im Mittelpunkt, sondern H.s rhetorische Fähigkeiten, die Hörer zu fesseln und zu erreichen.
Dies hat gänz ähnlich auch Oberleutnant Bendt bemerkt, siehe eingerücktes Zitat im vorhergehenden Beitrag, welcher in seinem Bericht vom 25. August 1919 an das Reichswehrgruppenkommando 4 den sehr schönen, klaren und temperamentvollen Vortrag Hitlers erwähnt.

Plöckinger, Unter Soldaten und Agitatoren, S. 128f., schreibt u.a., die ''euphorischen Berichte über Hitler stammen hingegen vor allem von Kommando-Mitgliedern, die seine Einstellung teilten.'' Weitere Auszüge dieser Berichte der anderen Kommando-Mitglieder über Hitlers rhetorische Fähigkeiten siehe auch Deuerlein, Hitlers Eintritt in die Politik und Reichswehr, in 'Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte', 1959, Heft 2, S. 200f. Die Berichte sind allesamt an Hauptmann Mayr gerichtet gewesen.

Bendt, so Plöckinger (S. 126), hat am 25.8.1919 einen zweiten Bericht über den Einsatz des Aufklärungskommandos geschrieben, diesmal an Bendts Vorgesetzten, Major Pitrof im Kempten. In diesem Bericht an Pitrof wird Hitler gar nicht erwähnt, im Unterschied zum Bendts Bericht an Hauptmann Mayr beim Reichswehrgruppenkommando 4.
Plöckinger S. 126 bemerkt zu recht, dass Bendt die Berichte jeweils etwas an die Adressaten angepasst habe und Mayrs antisemitische Einstellung sei Bendt sicherlich bekannt gewesen.

Es waren wohl allgemein Hitlers nicht nur rhetorische Fähigkeiten, auch - damals ganz aktuelle - antisemitische Positionen 'fesselnd' zu vermitteln, die ihn in den Focus seines Vorgesetzten in der Propaganda-Abt. des Nachrichtendienstes des Reichswehrgruppenkommando 4, dem Rassenantisemiten Hauptmann Mayr, rückten.
Die antisemitischen Äußerungen Hitlers im Brief an Gemlich referieren lediglich Positionen aus dem damals aktuellen antisemitischen Diskurs, die auch Mayr - bis auf die Zinsfrage - ja teilte.

Bei Kershaw, Hitler 1889 - 1936, S. 169, fehlt der Hinweis, dass Hauptmann Mayr aufgrund zeitlicher Überbeanspruchung Hitler mit der Beantwortung der brieflichen Anfrage des Gefreiten Gemlich beauftragte. Das 'Expertentum' Hitlers beim Gemlich-Brief bestand darin, strukturiert wie klar und 'sehr ansprechend' (Mayr) damals aktuelle antisemitische Positionen im Auftrag der Propaganda-Abtlg. unter Mayr zu vermitteln.

Viele Grüße,
Andreas
 
Hitler war weiterhin bei weitem nicht der einzige im Aufklärungskommando mit dezidiert antisemitischen Positionen. Z.B. Hitlers Kollegen im Aufklärungskommando, Hans Knodn und Ewald Bolle, waren ebenso radikale Antisemiten, sie hatten entsprechend Hitler bei dessen ersten Besuch einer DAP-Versammlung am 12. Sept. 1919 begleitet. (Plöckinger, Unter Soldaten, S. 128).

Hans Knodn wird bei Plöckinger, Unter Soldaten, S. 130, als 'rabiater Wortführer' im Aufklärungskommando in Hinsicht der 'Judenfrage' bezeichnet, der kein Blatt vor den Mund genommen habe. Hitler scheine das Thema nur am Rande angesprochen zu haben, so Plöckinger.
Für Plöckingers Einschätzung spricht der in Unter Soldaten und Agitatoren, S. 129, abgedruckte Auszug eines Briefes, den Knodn schon am 21. August 19191 (dem 2. Tag des Aufklärungskommandos im DULAG Lechfeld) an Hauptmann Mayr geschrieben hatte. Im Brief beschwert sich Knodn wütend darüber, dass in den Vorträgen des Aufklärungskommandos im DULAG Lechfeld vermieden würde, über eine Hauptursache des 'Zusammenbruchs' zu sprechen, den Juden.

Wie radikal Knodns Antisemitismus war, zeigt die bei Plöckinger, S. 336, auszugsweise wiedergegebene Denkschrift 'Lösung der Judenfrage', die Knodn Anfang Mai 1920 dem bayerischen Ministerpräsidenten Gustav von Kahr hatte zukommen lassen. Knodn nennt 9 Punkte zur Lösung, die ersten drei seien hier nach Plöckinger, Unter Soldaten und Agitatoren, S. 336, zitiert:

1. Innerhalb 24, längstens 48 Sunden müsste der grösste Teil der Juden erfasst sein, das heisst sich an bestimmten Sammelstellen eingefunden haben. Von diesen Plätzen aus hätte dann der Abtransport in die Konzentrationslager zu erfolgen. Es dürfte nur die Mitnahme der notwendigsten Bekleidungsstücke gestattet werden. 2. Juden, die sich durch Flucht der Internierung zu entziehen suchen oder durch Bestechung, haben das Leben verwirkt, ihre Vermögen verfällt dem Staate und ist einzuziehen. 3. Deutsche, die den Juden zur Fluch verhilflich sind, sich dazu überreden und bestechen lassen, haben das gleiche Schicksal zu gewärtigen.

Insgesamt wird dadurch nochmals deutlicher, dass Hauptmann Mayr speziell in Hitler sicherlich nicht den Experten für die 'Judenfrage' gesehen hat. Im Vordergrund standen Hitlers rhetorische und 'argumentative', anscheinend auch schriftliche Fähigkeiten, aktuelle antisemitische Positionen zu vermitteln, die dazu geführt hatten, dass Mayr aufgrund der eigenen Überlastung Hitler mit der brieflichen Antwort an Gemlich beauftragte.

Hand Knodn, der mit Hitler und vier weiteren Kollegen des Aufklärungskommandos im DULAG Lechfeld jene DAP-Veranstaltung am 12. September 1919 besuchte, hatte ansonsten im Sommer 1920 die NSDAP-Ortsgruppe Passau gegründet.

Viele Grüße,
Andreas
 
So notiert Kershaw, Hitler Bd.1 S. 169, unmittelbar, bevor er Hitlers Brief vom 16. Sept. 1919 an Gemlich im nächsten Abschnitt streift, der Kommandeur des Lagers Lechfeld, Oberleutnant Bendt... ... Bendt, der keinesfalls Kommandeur des DULAG (Durchgangslager) Lechfeld gewesen war und sein konnte als Oberleutnant, sondern nur Chef einer dorthin abkommandierten Reichswehr-Kompagnie - das DULAG hatte allein etwa 30 eigene Wachkompagnien*** [1]
...
Hand Knodn, der mit Hitler und vier weiteren Kollegen des Aufklärungskommandos im DULAG Lechfeld jene DAP-Veranstaltung am 12. September 1919 besuchte, hatte ansonsten im Sommer 1920 die NSDAP-Ortsgruppe Passau gegründet.[2]

[1] Ich verstehe nicht die Bedeutung dieser Klarstellung einer beiläufigen Bemerkung von Kershaw zur Befehlslage, die darauf beruht, dass Bendt (zeitweise?) mit "Fhr. d. Wachkdos." [des Lagers Lerchfeld]**** ggü. Gruppenkommando 4 als vorgesetzter Dienststelle zeichnete. Eine Dienststelle oberhalb Kompanieebene (30 ***) als Kommandoebene für das DuLag ist mir nicht bekannt. Whatever, selbst wenn das von Kershaw fehlerhaft wäre: was soll die Aussage zu Kershaws Randbemerkung darstellen, wieso wird die überhaupt vorgebracht?

[2] oder umgekehrt: der Besuch des 12.9.1919 fand durch Hitler mit 6 weiteren Kollegen des AK (Namen von Plöckinger ermittelt, Zahl ist bereits durch Tyrell, Trommler, S. 195 bekannt) statt:
- Schauböck, Bolle*, Stricker, Braun**, Knodn*, Eicher*
- dazu Grillmeier (wie Hitler) von der Untersuchungskommission zur Aufklärung bolschewistischer Umtriebe (im 2. IR),
- insgesamt also 8 (von 38 lt. Plöckinger).

* tauchen auch als Kommentatoren der zum AK Beyschlag befohlenen Soldaten auf. In der ersten Liste der Abstellungen (evt. unvollständig, ursprünglich 50) ist nur der Bolle erwähnt.
** bei Longerich: (Heinrich) "Brauen"
Mayr hat den Gemlich-Brief am 10.9. an Hitler gegeben, Hitlers Vorschlag vom 16.9., nach dem DAP-Besuch.
*** vermutlich über einen längeren Zeitraum verteilt, oder Einteilungen auch der KGfg- Kompanien insgesamt. Die zurückgekehrten Kriegsgefangenen wurden jedenfalls in (nur) 12 Kompanien eingeteilt, ua. mit Stammmannschaften zum Arbeitsdienst. Der Befehl des GrpKdos 4 spricht dagegen von einem eingeteilten "Wachkommando" (von II./IR 43 (42??)), der ein Aufklärungskommando zugeteilt wird.
**** so verfasste der für das AK eingeteilte Bolle am 20.8. einen Bericht über seine "Beobachtungen in der Wachkompanie Dulag" - Plöckinger, S. 116.

Ergo abseits der ganzen Details: worauf zielt denn die Aussage in den einleitenden Beiträgen? Und wodurch unterscheidet sie sich von den Experten- und Literaturmeinungen wie Kershaw, oder Longerich (Hitler), oder neustens Weber (Becoming Hitler)?
 
Zuletzt bearbeitet:
[1] Ich verstehe nicht die Bedeutung dieser Klarstellung einer beiläufigen Bemerkung von Kershaw zur Befehlslage, die darauf beruht, dass Bendt (zeitweise?) mit "Fhr. d. Wachkdos." [des Lagers Lerchfeld]**** ggü. Gruppenkommando 4 als vorgesetzter Dienststelle zeichnete. Eine Dienststelle oberhalb Kompanieebene (30 ***) als Kommandoebene für das DuLag ist mir nicht bekannt. Whatever, selbst wenn das von Kershaw fehlerhaft wäre: was soll die Aussage zu Kershaws Randbemerkung darstellen, wieso wird die überhaupt vorgebracht?

Es ist sachlich inzwischen, auch dank Plöckingers Arbeit, einfach falsch, Bendt als Kommandeur des DULAG zu bezeichnen. So wie auch die nachfolgende Bemerkung Kershaw, als Teil eines Narrativs, nicht zutrift, Bendt habe es für nötig gefunden, Hitler zu bitten, dessen Antisemitismus zu dämpfen, um Beschwerden vorzubeugen, die Referate seien 'Judenhetze'. Das war immerhin seit Deuerleins Publikation im Jahr 1959 erkennbar. Siehe oben.

Kershaw notiert in Hitler 1889 - 1936, S. 169, zum Gemlich-Brief Hitlers u.a., in der Gruppe (Kershaw meint das Aufklärungskommando) wie bei seinem Vorgesetzten Hauptmann Mayr müsse sich Hitler den Ruf eines Experten in 'Judenfragen' erworben haben.
Und siehe oben zu meinen weiteren Ausführungen dazu. Kershaws schlüssiges, nur teilweise ausgesprochenes Narrativ aus den Punkten, (a) schon Lagerkommandeur muss (b) speziell Hitlers Antisemitismus bremsen, (c) Hitler sei also offenkundig ('der') Experte in 'Judenfragen' gewesen, (d) Mayr habe ihn deswegen mit der Beantwortung des Frage-Briefes von Gemlich betraut, trift so nicht zu und ist in in keinem Punkt hinreichend belegt und im damaligen Kontext nicht plausibel.

Wenn es um den Gemlich-Brief geht und dessen Kontext, werden vielfach ('unkritisch') maßgebliche Positionen anerkannter Historiker referiert oder vorausgesetzt, daher scheint mir angebracht, den Kontext des Gemlich-Briefes genauer darzustellen, wenn ich hier H.s erstes dokumentiertes antisemitisches Dokument in einem eigenen Beitrag im Forum thematisiere.

Was Oberleutnant Bendt angeht, so wird schon in Deuerleins Publikation von 1959 anhand der abgedruckten Dokumente im Anhang erkenntlich, dass Bendt nicht Lagerkommandant des DULAG Lechfeld gewesen war.

Plöckingers Quellenarbeit/Grundlagenarbeit scheint ansonsten noch nicht ausreichend, häufig gar nicht rezipiert worden zu sein.
 
Da die unmittelbare Chronologie um den Gemlich-Brief anscheinend kaum wahrgenommen wird, ungeachtet des Links im ersten Beitrag oben, möchte ich sie hier separat anführen.

4. September 1919: Der Ulmer Gefreite und Teilnehmer des 4. Aufklärungskurses in München, Adolf Gemlich, schreibt an den Veranstalter des Aufklärungskurses, Hauptmann Karl Mayr von der Propaganda-Abteilung der Nachrichtenabteilung des Reichswehrkommandos 4 (Bayern), einen Brief. In ihm fragt er Mayr u.a.

Von einem Freunde bin ich angehalten worden, dem »Ausschuß für Volksaufklärung«, Berlin
W 9, Köthener Str. 45 Hof I, beizutreten. Dieser Ausschuß dürfte Ihnen, der Sie doch mitten
in der Volksaufklärung stehen, nicht unbekannt sein, und er verfolgt einen Kampf bis aufs
Messer gegen das Judentum. Wie verhält sich nun der heutige Sozialismus unserer Mehrheits-,
also Regierungssozialisten hierzu?

Dieser 'Ausschuß' war rabiat antisemitisch, pogromantisemitsch, unter wesentlicher Führung des Radikalantisemiten Richard Kunze ('Knüppel-Kunze') im Frühjahr 1919 in Berlin gegründet worden. (Plöckinger S. 328)

Am 10. September 1919 schreibt Hauptmann Mayr einerseits an Hitler, dieser möge auf 1 - 2 Seiten die Fragepunkte Gemlichs beantworten und ihm [Mayr] zukommen lassen, da er [Mayr] zu sehr in Anspruch genommen sei.

Am 10. September 1919
schreibt Mayr auch an den in München bekannten antisemitischen Schriftsteller Dietrich Eckart, der spätere, zeitweilige und wichtigste Mentor Hitlers in der DAP/NSDAP in der Anfangsphase. Eckart, mit dem Mayr gut bekannt ist, wird von Mayr gebeten, für Gemlich weitere Auskünfte zum Berliner Ausschuss zu geben. (Plöckinger S. 331).

Am 16. September 1919 schreibt Hitler seinen Brief für Gemlich.

Am 17. September 1919 antwortet Hauptmann Mayr Gemlich und legt diesem Schreiben Hitlers Brief für Gemlich bei.
 
Da die unmittelbare Chronologie um den Gemlich-Brief anscheinend kaum wahrgenommen wird, ungeachtet des Links im ersten Beitrag oben, möchte ich sie hier separat anführen.
Ich hatte keine Fragestellung dazu. Es wird wahrscheinlich kaum ein(e) Leser(in) den ganzen Text 'hinter' dem Link im ersten Beitrag wahrnehmen, der Focus wird sich gemeinhin rasch auf H.s Gemlich-Brief vom 16.9.1919 richten.
Die enge Chronologie, in Beitrag 7 dargestellt, stellt diesen Brief explizit in den unmittelbaren Kontext.

Gemlich schreibt am 4. September an Hauptmann Mayr. Dieser antwortet mit einem Brief vom 17. September, beiliegend Hitlers Ausführungen. Alles im Rahmen einer 'offiziellen' Auskunft der Propaganda-Abt. im Nachrichtendienst des Reichswehrkommandos 4 (Bayern) an einen Teilnehmer eines 'Aufklärungskurses', dem Gefreiten Gemlich.
 
Aber es wird doch einen Grund haben, warum du die Chronologie so betonst. Welchen Zweck hat deine Betonung der Chronologie der Ereignisse, was willst du damit be- oder widerlegen?
 
Thomas Weber, Wie Adolf Hitler zum Nazi wurde (2016), S. 200:
Wenige Tage nach Hitlers Besuch bei der DAP-Versammlung reichte Mayr eine Anfrage an ihn weiter, die er von einem Teilnehmer seiner Propagandakurse erhalten hatte.
Weber meint mit der DAP-Versammlung jene vom 12. September 1919. Weber gibt als einzige exaktes Datum auf der gleiche Seite das Datum des Schreibens von Hitler an Gemlich an, 16. September.

Auch deswegen macht die unmittelbare Chronologie Sinn. Angesichts z.B. des Durcheinanders bei Weber (nicht nur) beim Thema des Briefes Hitlers an Gemlich ist der explizite Hinweis auf die Chronologie wissenschaftlich fast schon zwingend.

Ob Weber sich über den sogenannten Gemlich-Brief Hitlers hinaus in den unmittelbaren Kontext/Anlass des Briefes ausreichend vertieft hat, scheint mir nicht gesichert, wenn bei Weber aus der Mitteilung Mayrs vom 10. Sept. an Hitler eine Weitergabe der Gemlich-Anfrage von Mayr an Hitler wenige Tage nach der DAP-Versammlung vom 12.9. wird.
Webers Narrativ übersteigt etliche Fakten und Details. Seine Ausführungen zum Inhalt des Briefes überzeugen mich nicht, das nur am Rande.

Viele Grüße,
Andreas
 
Du meinst also immer noch, Hitler habe sich innert weniger Tage zumm Antisemiten gemausert? Warum hat Mayr dann, anstatt selber ein Expertise zu schreiben - das hätte ihn nicht mehr Zeit gekostet, als den Brief zu schreiben, den er letztlich als Antwort an Gemlich verfasste, auch wenn er sich mit Zeitgründen für die Weitergabe der Anfrage heraussredet - die Anfrage an Hitler weitergegeben? Schließlich fühlte er sich auch bemüßigt, eine Aussage H.s aufgrund divergierender Auffassungen geradezurücken.
 
Du meinst also immer noch, Hitler habe sich innert weniger Tage zumm Antisemiten gemausert?

Das ist der zentrale kritische Punkt.

Ein "Narrativ" über die Entwicklung von Hitler sollte sich auch an Erkenntnissen der jeweiligen Fachdisziplinen orientieren. Wehler hat völlig zu Recht seine Kollegen kritisiert, dass sie zentrale Konstrukte, mit denen sie implizit dennoch arbeiten, nicht theoretisch auszuarbeiten. Insofern kommen viele Historiker nicht über einen theoretischen Bezugsrahmen im Rahmen des "Narrativs" hinaus, der sich eher an "pragmatischem Alltagswissen" orientiert.

Jeder "Narrativ" zur Entwicklung von Hitler ist m.E. problematisch, sofern er keine expliziten Annahmen macht zu:

- dem Prozess der generellen Sozialisation und
- vor allem aber zum Prozess der politischen Sozialisation

Auch und grade weil die empirischen Ergebnisse teilweise so widersprühclich sind und deutlich machen, wie komplex die Prozesse sind, die im Rahmen der Sozialisationsforschung theoretisch skizziert werden müssen und noch schwieriger dann operationalisiert werden müssen via Methoden der Sozialforschung.

Zusätzlich ist es relevant, sich explizit Gedanken über die mediale Sozialisation zu machen und die zentralen Annahmen über ein mediales Beeinflussungsmodell als heuristischen Rahmen mit vorzulegen.

Daneben ist es hilfreich zu explizieren, welches Modell von Persönlichkeitsentwicklung der jeweilige Historiker bevorzugt. Und damit zusammenhängend, welche Vorstellungen er hat, wie "Wissen" bzw. dann auch Emotionen aufgebaut sind.

Ansatzweise hatte ich das in einem anderen Thread zu dem Thema versucht zu skizzieren. Habe, aber andererseits - auf die Schnelle - keinen Beitrag (via google scholar) gefunden, der sich unter theoretischen Gesichtspunkten mit der politischen Sozialisation von Hitler beschäftigt. Erstaunlicherweise!

Deswegen ist der punktuelle Bezug auf einen Ausschnitt der politischen Sozialisation so wenig hilfreich, auch wenn er ein zentraler Meilenstein ist, an dem sich die Radikalisierung von Hitler verdeutlichen läßt. Allerdings, nur weil keine - aussagekräftigen - Dokumente aus der Feder von HItler vorliegen, davon auszugehen, dass der Radikalisierungsprozess vor der Münchner Zeit als "Terra incognita" zu definieren wäre - und somit nicht existent - ist natürlich abwegig. Wie die Inhaltsanalyse der Presse gezeigt hatte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wiederholter Hinweis auf Seite 2 des Skriptes von Kurt Bauer, auf welches der Link im 1. Beitrag führt: Mayr am 10.9.1919 an Hitler:

Anbei eine Abschrift eines Briefes. Da ich derzeit sehr in Anspruch genommen bin, wenn Sie
mir 1 bis 2 Seiten lange Ausführung zu den Fragepunkten (mit Ihrer Unterschrift und
Briefadresse) zur Verfügung stellen könnten, ich behalte mir vor, im Anschluß an Ihre Zeilen
noch die Fragen wegen des Ausschusses und der »Regierungssozialdemokratie« zu
beantworten.

Schon beim Auftrag von Hauptmann Mayr an Hitler wird erkenntlich, dass
1. Hitler nur Ausführungen schreibt, die er an Mayr schicken soll
2. Mayr wiederum im Anschluß daran ggf. weitere Ausführungen, ''Aussschuss''/Regierungssozialdemokratie, niederschreibt.
3. Mayr an Gemlich einen Antwortbrief schreiben wird.

Da Gemlich an Hauptmann Mayr geschrieben hatte und Mayr Gemlich wiederum selber antworten will, deswegen fordert er von Hitler jene Ausführungen an, die dieser dem Hauptmann Mayr zur Verfügung stellen soll, und Mayr zudem ggf. noch eigene Ausführungen dazustellt, so ist bereits mit den Zeilen Mayrs vom 10. Sept. an Hitler eindeutig erkennbar, dass Mayr an Gemlich einen Brief schreiben wird, der wahrscheinlich auch eigene Ausführungen Mayr enthalten wird. So ist es geschehen, zusätzlich nahm Mayr im Brief an Gemlich explizit zu Hitlers Ausführungen zum Zins Stellung.

Selbst Thomas Weber verzichtet auf kreative Spekulationen und schreibt ('Wie Adolf Hitler ein Nazi wurde', S. 199 - 200):
Zu den Aufgaben, die Hitler für Mayr zu erledigen hatte, gehörte es, ihm bei Dingen zur Hand zu gehen, die zu zeitaufwendig waren, als dass Mayr sie zur Gänze selbst hätte erledigen können.

Viele Grüße,
Andreas
 
Thane, ich gehe nicht weiter auf Deine Zeilen ein, mir scheint, wir reden aneinander vorbei.
Wenn 'basics' wie die Darstellung des unmittelbaren, 'äußeren' Zusammenhangs der Ausführungen Hitlers für Gemlich schon ein Problem sind oder viel zu selten vollständig oder einigermassen zutreffend skizziert werden, brauchen wir uns um weitere Fragen nicht zu kümmern.

Viele Grüße,
Andreas
 
Leider antwortest du mir nicht wirklich auf meine Frage(n).

Selbst Thomas Weber verzichtet auf kreative Spekulationen
Das bezieht sich wohl hierauf:

Warum hat Mayr dann, anstatt selber ein Expertise zu schreiben - das hätte ihn nicht mehr Zeit gekostet, als den Brief zu schreiben, den er letztlich als Antwort an Gemlich verfasste, auch wenn er sich mit Zeitgründen für die Weitergabe der Anfrage heraussredet - die Anfrage an Hitler weitergegeben?

Das ist aber keine Spekulation sondern basiert auf Mayr eigenen Worten, du zitierst sie selbst:

"Da ich derzeit sehr in Anspruch genommen bin,..."​

Aber selbst wenn das tatsächlich der Fall war und er wirklich keine Zeit hatte, das alles selber auszuführen - was wie gesagt wenig glaubwürdig erscheint angesichts der Gesamtschau des Briefwechsels*: Wenn du als Vorgesetzter für eine Arbeit keine Zeit hast sie selber zu erledigen und sie weiter delegierst: An wen delegierst du diese Arbeit? An einen "Experten" oder an jemanden, der vom Sujet eigentlich keine Peilung hat? Ja, ich weiß, Plöckinger meint, H. sei hier "nur zweite Wahl" gewesen.


*ist aber letztlich auch unwichtig, weil wir dadurch dem terminus post quem nicht näher kommen.
 
Wenn 'basics' wie die Darstellung des unmittelbaren, 'äußeren' Zusammenhangs der Ausführungen Hitlers für Gemlich schon ein Problem sind oder viel zu selten vollständig oder einigermassen zutreffend skizziert werden, ...
Mein Gefühl ist eigentlich, dass die schon im Ursprungsthread alle an der Diskussion beteiligten verstanden haben. Darauf habe ich dich mehrfach mit der Frage - die du offen gelassen hast - warum du die Chronologie so betonst, versucht hinzuweisen. An der Chronologie deutelt doch niemand. Die Frage ist doch letztendlich nach wie vor, ab wann H. als Antisemit zu bezeichnen ist. Da er von Mayr als Experte angeführt wird, muss er sich bei seinem Vorgesetzten Mayr einen entsprechenden Ruf erworben haben.
 
El Quijote, sorry, ich wollte hier im Gemlich-Brief-Faden deutlich erkennbar von Anfang nicht über den Zeitpunkt schreiben/spekulieren, ab dem man H. als entschiedenen Rassen-Antisemiten bezeichnen kann/könnte.
DAS ist nicht das Thema diese Faden - es geht einfach um den Gemlich-Brief und den unmittelbaren Anlass und Kontext.

Nochmals zu Mayrs Delegation wg. dessen Zeitmangel: Es bleibt wohl nicht nachvollziehbar, warum Mayr nicht das gemeint haben soll, was er an H. schrieb - dass er wg. Zeitmangel die Ausführungen zur 'Judenfrage' deligiert. Weber schreibt es doch völlig zutreffend: Mayr deligierte Aufgaben ggf. teilweise an Hitler, wenn Mayr sie nicht zur Gänze erledigen kann. Alles ist plausibel und schlüssig.
Hitlers Ausführungen für Gemlich umfassen rund 4 Seiten in Maschinenschrift, auf dem linierten Doppelbogen-Papier des 2. Infanterie-Regiments, sicherlich mit einer Militärschreibmaschine.
Entsprechend umfasst Mayrs Antwort- und Begleitbrief am Gemlich rund eine Seite.

Zu Hitlers Qualifikation hatte ich ausführlich oben geschrieben, Beitrag # 4, das zu wiederholen, wird wohl nicht notwendig sein. Neue Erkenntnisse aufgrund von Quellen, die die Ausführungen und Hinweise dort in Frage stellen könnten, sind mir bisher nicht sichtbar geworden.

Natürlich ist es attraktiv und verständlich, aber ausschließlich vom Ende her betrachtet, wenn man Hitler auch im September 1919 schon unbesehen einfach als 'den' Experten für Judenfragen betrachtet. Kommt daher etwa die Idee, Mayr habe den Zeitmangel nur vorgeschoben, um die Ausführungen für Gemlich dem Experten zu überlassen? War Mayr etwa schüchtern? Oder Hitler eine Persönlichkeit, die nur mit vorgeschobenen Argumenten etwa dazu gebracht werden konnte, über sein 'Lieblingsthema', die 'Judenfrage' zu schreiben? Ich glaubte und glaube weiterhin nicht, dass wir solche seltsamen Mutmaßungen seriöser weise/ernsthaft berücksichtigen können.

Der Gemlich-Brief H.s hat einen unmittelbaren Anlass, einen unmittelbaren Kontext, der nur sehr selten überhaupt vollständig oder teilweise dargestellt wird. Und gerne, siehe Weber, werden Details falsch wieder gegeben, wohl teils aufgrund nicht ausreichender substanzieller Kenntnisse oder teils zugunsten eines gängigen Narrativs.

Mich stört dabei insbesondere, dass jene falschen Details als wissenschaftliches Wissen weiter tradiert und verarbeitet werden, bei anderen Autoren und Publikationen 'wissenschaftlicher' Prägung.

Weber bietet dafür übrigens ein hübsches Beispiel S. 210/211, wenn Weber dort schreibt, H. hätte am 4. Oktober 1919 bei Hauptmann Mayr die - nachträgliche - Erlaubnis zum DAP-Beitritt eingeholt. Quelle dafür ist Pyta, Hitler: Der Künstler als Politiker und Feldherr, S. 144. Dort wird als Quelle für Pytas entsprechende Bemerkung in Anmerkung 54 das Buch von Jäckel/Kuhn, Hitler. Sämtliche Aufzeichnungen 1905 - 1924 (1980 erschienen), S. 90, #62, genannt.

Anscheinend haben etliche Historiker nicht wahrgenommen, dass Jäckel bereits ein Jahr nach der Veröffentlichung im Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte (#2/1981, S. 304f.) von einem erheblichen Fälschungsverdacht gesprochen hatte und zur großen Vorsicht bei der Verwendung bestimmter Aufzeichnungen riet. Dazu gehörte auch jenes von Pyta und anderen Historikern für Veröffentlichungen verwendete, angebliche Schriftstück Hitlers, in dem er Mayr um Erlaubnis zum DAP-Beitritt bittet.

Dieses und andere von Jäckel genannte Schriftstücke sind tatsächlich Fälschungen von Konrad Kujau, der eben nicht nur die angeblichen Hitler-Tagebücher gefälscht hatte, sondern schon Jahre zuvor diverse andere angebliche NS- und Hitler-Schriftstücke. Letzteres ist anscheinend wiederum etlichen Historikern entgangen, obwohl davon in einigen Presseartikeln berichtet wurde.

Hitler musste sowieso nicht um Erlaubnis fragen, denn rechtlich war er im September 1919 nach wie vor Angehöriger des 'Alten Heeres' bzw. 'Deutschen Heeres' des Kaiserreiches (siehe veröffentlichte Kriegsstammrolle), dessen Mannschaften Parteien beitreten durften. Selbst als Angehöriger der Reichswehr im September 1919 hätte er einer Partei beitreten dürfen, das Verbot für Reichswehrangehörige kam erst im Jahre 1920. Das wiederum könnte ein Historiker, eine Historikerin durchaus wissen, wenn sie schon über jene Zeit und Hitler schreiben.

Viele Grüße,
Andreas
 
In diesem Thread liegt der Schwerpunkt auch nicht auf dem Inhalt der Ausführungen von H. an Gemlich. Obwohl das dank diverser kürzerer und längerer wie teils ersichtlich von einander abweichender oder sich widersprechender Bemerkungen bei verschiedenen Autoren, wie Weber oder Longerich, Kershaw oder Ludolf Herbst, ein lukrativer Bereich wäre für eine Synopse. Und Weber, Weber könnte man mit Weber entkräften, ein typisches Merkmal aus meiner Sicht für ein zu starkes Narrativ, verbunden wohl mit nicht ausreichend sicheren oder substanziellen (Quellen-)Kenntnissen in Teilbereichen.

Die Entstehungs-/Produktionsbedingungen bei Wissenschaftsveröffentlichungen von 'hauptberuflichen', z.B. universitären Wissenschaftlern/Wissenschaftlerinnen sind 'enger' denn je.

Viele Grüße,
Andreas
 
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