Dass Mahler später ein Neonazi wurde, habe ich weiter oben selbst schon geschrieben. Der Grund für Mahlers Ausschluss aus der RAF im Jahr 1974 hat weniger programmatische als vielmehr persönlich-psychologische Gründe, zumindest geht das aus der "Erklärung zum Ausschluss von Horst Mahler aus der RAF" hervor:
er stellte sich vor, er könnte in der guerilla das bourgeoisleben, das er vorher hatte - kommandieren, die schwächen anderer ausnutzen, privilegien, wie das in der kanzlei eines anwalts von ausbeuter zu ausgebeuteten funktioniert - weiterführen. so hat er - weil er nicht lernen und sich nicht ändern wollte - zu kollektiver, unnachgiebiger, geduldiger arbeit unfähig blieb, nicht bereit war, sich den karrieristischen dreck vom halse zu schaffen.
Zum Rechtextremismus kam Mahler erst viel später, in den 1990ern. Man sollte seine Bedeutung für die Formierung der RAF nicht unterschätzen, zum Entstehungszeitpunkt des zitierten Textes (dessen Zuschreibung zu Mahler aber nicht völlig gesichert ist!) war er eine bedeutende Größe in dieser Gruppe. Er war 1970 einer ihrer Begründer und im Mai an Baaders Befreiung beteiligt, dann gehörte er zu den RAF-Leuten, die sich in Jordanien terroristisch ausbilden ließen. Sicher war er in dieser Zeit der führende Theoretiker der RAF. In diesem Licht sollte man den zitierten Text sehen.
Es ist richtig, dass der Terrorismusbegriff von den meisten RAF-Leuten anders als von Mahler gehandhabt wurde, nämlich - in Anpassung an den Sprachgebrauch in dem von ihnen bekämpften System - negativ, was aber nicht heißt, dass sie den Begriff per se diabolisierten. Sonst wäre es nicht verständlich, dass das "Handbuch des Stadtguerillero" von Carlos Marighella die absolute Basislektüre für alle RAF-Mitglieder bildete. Darin wird der Terrorismusbegriff bewusst positiviert.
Zwei Zitate, die das belegen:
Die Beschuldigung, ein Räuber oder Terrorist zu sein, hat heute nicht mehr die abschätzige Bedeutung, die ihr früher anhaftete (...) sie erschreckt nicht mehr, sie ist nicht mehr abfällig, im Gegenteil: sie ist geradezu zu einer Attraktion geworden. Ein Räuber und Terrorist zu sein, ist eine Eigenschaft, die jeden ehrlichen Menschen ehrt, denn sie bezeichnet genau die würdige Einstellung des Revolutionärs, der bewaffnet gegen die schändliche Militärdiktatur und ihre Ungeheuerlichkeiten kämpft.
(...)
Wenn dies beachtet wird, können wir die folgenden Aktionsarten des Stadtguerillero aufzählen:a) Überfälle, b) Eindringen in feindliche Objekte (...) k) Sabotage, l) Terrorismus (...)
Baader z.B. hat in Gesprächen mit anderen RAF-Leuten ständig aus diesem Buch zitiert.
Darüber hinaus wäre auch Lenins hoher Stellenwert im RAF-Denken unverständlich angesichts der auch aus dem Mahler-Text hervorgehenden, als positiv betrachteten Funktion des "revolutionären Terrors". Neben Mahler war es vor allem Ensslin, die Lenin als Theoretiker hochschätzte.
Wenn die RAF in ihrer Mehrheit den Terrorismusbegriff spätestens ab Mitte der 1970er nur negativ verwendete, dann - und das folgt logisch aus dem oben Gezeigten - nur in äußerlicher Anpassung an die Sprachregelung ihres Gegners.