Konvertieren zum Protestantismus durch Potentaten 17./18.Jh.

Brissotin

Aktives Mitglied
Mir ist schon aufgefallen, dass es in der 2. Hälfte des 17. Jh. und im 18.Jh. sehr viele Souveräne oder deren Gattinnen gab, welche von einer protestantischen Glaubensrichtung zum Katholizismus übertraten. Eine kleine Auflistung derjenigen, welche mir auf Anhieb einfallen, liefere ich unten dazu.

Weiß jemand, warum dies umgekehrt nicht der Fall war? Oder ist mein Eindruck ein falscher und es gab die andere Richtung - Übertritt vom Katholizismus zum Protestantismus in Dtl. genauso oft? Entspricht dies einer generellen Tendenz, oder sind stets individuelle Gründe zu suchen?

Beispiele für den Übertritt von einer protestantischen Konfession zum Katholizismus:

1. Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen (1670-1733) - wahrschl. Grund: Vorraussetzung für die polnische Krone
2. Kurfürst Friedrich August II. von Sachsen (1696-1763) - Grund: Beeinflussung durch den Vater, poln. Ambitionen.
3. Fürstin Auguste Dorothea von Schwarzburg-Sondershausen zu Arnstadt (1666-1751)
4. Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel (1720-1785)
5. Herzog Karl Alexander von Württemberg (1684-1737) - konvertierte 1712 in kaiserlichen Diensten.
6. Herzog Christian IV. von Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld (1722-1775) - konvertiert unter Einfluss von Louis XV, an dessen Hof er sich desöfteren aufhielt.
7. Graf Ludwig Gustav von Hohenlohe-Schillingsfürst (1634-1697) - konvertiert zusammen mit seinem Bruder (8.)
8. Graf Christian von Hohenlohe-Waldenburg (1635-1675)
9. Herzog Anton Ulrich von Braunschweig, Fürst von Wolfenbüttel (1633-1714) - Beziehungen zum Kaiserhaus, Ambitionen auf Machtzuwachs sollen ausschlaggebend gewesen sein.
10. Herzog Moritz-Wilhelm von Sachsen-Zeitz (1664-1718) - Grund möglicherweise in der Nähe zu seinem Bruder dem kath. Bischof (11.), dann allerdings wieder zurück zum lutherischen Bekenntnis (wohl pietistischer Prägung) 1718
11. Herzog Christian August von Sachsen-Zeitz (1666-1720) - geistliche Laufbahn
12. Herzog Moritz Adolf Karl von Sachsen-Zeitz-Neustadt (1702-1759) - konvertierte wahrscheinlich auch durch Einfluss seines Onkels Christian August (letzter potentieller Erbe der Zeitzer Linie der Albertiner, durch geistl. Stand und Konvertieren verzichtete er auf das kleine Herzogtum)
 
Zuletzt bearbeitet:
nun ja,es waren wohl in erster Linie individuelle ,politische Gründe und in zweiter Linie die Auswirkungen der Gegenreformation.Hier machte sich wohl besonders der Einfluß der Jesuiten auf das adelige und universitäre Erziehungs-und Bildungswesen bemerkbar.

Bei den Sachsen waren es ganz klar die politischen Gründe
In den Häusern Hessen,Braunschweig ,Pfalz und Würrttemberg waren die Konvertiten ja Einzelfälle,wobei auffällt,daß alle eng mit dem Kaiserhaus verbunden waren bzw. zeitweilig Befehlshaber habsburgischer Truppen waren.
Anton Ulrich von Braunschweig hatzur Rechtfertigung seines Glaubenswechsels sogar eine Denkschrift ,betitelt "Fünfzig Beweggründe".veröffentlicht.
das gibt es wohl auch alse-book:
Anton Ulrich und Elisabeth Christine von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel ... - Wilhelm Hoeck - Google Bücher
 
Albrecht von Wallenstein (1583 – 1634), konvertierte 1606 zum Katholizismus
Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg (1578 - 1653), ab 1613 heimlich katholisch geworden, ein Jahr später verkündigte er dies offiziell in der düsseldorfer Sankt Lambertus Kirche.
 
Mir ist schon aufgefallen, dass es in der 2. Hälfte des 17. Jh. und im 18.Jh. sehr viele Souveräne oder deren Gattinnen gab, welche von einer protestantischen Glaubensrichtung zum Katholizismus übertraten. Eine kleine Auflistung derjenigen, welche mir auf Anhieb einfallen, liefere ich unten dazu.

Weiß jemand, warum dies umgekehrt nicht der Fall war? Oder ist mein Eindruck ein falscher und es gab die andere Richtung - Übertritt vom Katholizismus zum Protestantismus in Dtl. genauso oft? Entspricht dies einer generellen Tendenz, oder sind stets individuelle Gründe zu suchen?

Beispiele für den Übertritt von einer protestantischen Konfession zum Katholizismus:

1. Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen (1670-1733) - wahrschl. Grund: Vorraussetzung für die polnische Krone
2. Kurfürst Friedrich August II. von Sachsen (1696-1763) - Grund: Beeinflussung durch den Vater, poln. Ambitionen.
3. Fürstin Auguste Dorothea von Schwarzburg-Sondershausen zu Arnstadt (1666-1751)
4. Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel (1720-1785)
5. Herzog Karl Alexander von Württemberg (1684-1737) - konvertierte 1712 in kaiserlichen Diensten.
6. Herzog Christian IV. von Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld (1722-1775) - konvertiert unter Einfluss von Louis XV, an dessen Hof er sich desöfteren aufhielt.
7. Graf Ludwig Gustav von Hohenlohe-Schillingsfürst (1634-1697) - konvertiert zusammen mit seinem Bruder (8.)
8. Graf Christian von Hohenlohe-Waldenburg (1635-1675)
9. Herzog Anton Ulrich von Braunschweig, Fürst von Wolfenbüttel (1633-1714) - Beziehungen zum Kaiserhaus, Ambitionen auf Machtzuwachs sollen ausschlaggebend gewesen sein.
10. Herzog Moritz-Wilhelm von Sachsen-Zeitz (1664-1718) - Grund möglicherweise in der Nähe zu seinem Bruder dem kath. Bischof (11.), dann allerdings wieder zurück zum lutherischen Bekenntnis (wohl pietistischer Prägung) 1718
11. Herzog Christian August von Sachsen-Zeitz (1666-1720) - geistliche Laufbahn
12. Herzog Moritz Adolf Karl von Sachsen-Zeitz-Neustadt (1702-1759) - konvertierte wahrscheinlich auch durch Einfluss seines Onkels Christian August (letzter potentieller Erbe der Zeitzer Linie der Albertiner, durch geistl. Stand und Konvertieren verzichtete er auf das kleine Herzogtum)

Eben erst diesen schon betagteren Thread entdeckt. Bei August dem Starken und seinem Sohn bin ich mir ziemlich sicher, dass deren Motivation politisch bedingt war, da die Konversion unabdingbare Voraussetzung war für eine Kandidatur als König von Polen. Bei den anderen Fürsten bin ich zu wenig kompetent, als dass ich mich da mit Mutmaßungen zu weit aus dem Fenster lehnen wollte.

Ganz interessant ist aber auch Friedrich II. von Hessen-Kassel. Er war der einzige hessische Fürst, der zum Katholizismus konvertierte. Was diesen letztlich motiviert hat, ist heute noch nicht ganz klar. Friedrich war keineswegs sehr religiös. Politisch hat ihm die Konversion eigentlich nur Ärger eingebracht.
Als die Konversion herauskam, war Friedrich noch Erbprinz. Es wurde/ wird gemunkelt, dass es um eine Dame ging, die dem Erbprinzen ihre Gunst nur gewähren wollte, wenn er katholisch wird. Mätressen und uneheliche Kinder hatte Friedrich reichlich.

Als die Konvertierung am 1. Oktober 1754 herauskam gab es einen Riesentamtam. Seine Gattin Maria war eine Tochter Georg II. von Großbritannien. Auf einem Gemälde ließ sie sich demonstrativ mit einem Werk des freigeistigen Autors Alexander Pope abbilden, ihrem Mann aber konnte sie zeitlebens nicht verzeihen. Maria trennte sich von ihrem Gatten, und Friedrichs Vater Wilhelm VIII. zwang seinen Sohn am 28. Oktober 1754 eine Assekurationsakte zu unterzeichnen, die die protestantische Konfession Hessen-Kassels garantierte. Außerdem zwang Wilhelm VIII. den Erbprinzen schon zu Lebzeiten, seinem ältesten Sohn Wilhelm (IX. ab 1803 Kurfürst Wilhelm I.) die Grafschaft Hanau abzutreten. Erst nach Friedrich II. Tod 1785 wurde Hanau wieder mit Hessen-Kassel vereinigt. Solange Wilhelm IX. minderjährig war, führte Maria die Regierungsgeschäfte. Obwohl sich Vater und Sohn sehr ähnlich in vielem waren, standen die Höfe von Kassel und Hanau nicht sehr gut. Friedrich II. heiratete in zweiter Ehe Philippine von Preußen, hatte aber nach wie vor eine Reihe von Mätressen.

Ein Gemälde von Johann H.. Tischbein nimmt Bezug auf die Assekurationsakte. Es hängt, glaube ich, in Fulda in Schloss Eichenzell.

Das Gemälde zeigt Friedrich II. im Kreis seiner Söhne Wilhelm (IX. *1743), Karl (*1744) und Friedrich (*1747)und seiner Frau Maria. Maria und Friedrichs Söhne betrachten das Porträt von Wilhelm VIII., während Friedrich sich demonstrativ abgewendet hat. Er trägt die Uniform eines hessischen Regiments, vermutlich das des Regiments von Ditfurth mit gelben Rabatten. Die Söhne tragen Zivil. Maria sitzt auf einem Stuhl und hält schützend den Arm um die Schultern ihres jüngsten Söhnes. Wilhelm, Graf von Hanau-Münzenberg blickt bewundernd auf das Bild seines Großvaters, und nur Prinz Karl blickt auf seinen Vater.

Friedrich unternahm nach seinem Regierungsantritt 1760 mehrere, letztlich erfolglose Versuche, Hanau wieder mit dem Stammland zu vereinigen, die letztlich erfolglos waren. Zeitweilig machte er sich nach dem Tod Friedrich-August II. von Sachsen-Polen Hoffnungen auf den polnischen Thron, doch das scheiterte. Seine Konversion machte ihn bei vielen Zeitgenossen suspekt. Im Gegensatz zu seinem Vater Wilhelm VIII: glaubte Friedrich II. nicht so recht an das Bündnis mit Preußen, und man traute ihm zu, die Fronten wechseln zu wollen. Hessen wurde im Siebenjährigen Krieg furchtbar verwüstet. Kassel und Marburg wechselten beide ein gutes Dutzend mal den Besitzer. Ferdinand von Braunschweig misstraute Friedrich so sehr, dass er ein hannoversches Bataillon n Kassel stationierte, weil er Friedrich zutraute, die Stadt womöglich den Franzosen in die Hände zu spielen. Man stellte Friedrich in Braunschweig kalt, hielt ihn aber bei guter Laune und behandelte ihn sehr zuvorkommend. Am Ende waren es die britischen Subsidien, die kulanterweise auch nach Kriegsende noch eine Weile fortgesetzt wurden, die Friedrich bei Laune und bei der Stange hielten. Sein preußischer Namensvetter verlieh ihm den Schwarzen Adlerorden und sein Schwiegervater Georg II. den Hosenbandorden, worauf Friedrich zeit seines Lebens sehr stolz war.

Den Namen der Mätresse, der zuliebe Friedrich konvertierte, weiß ich nicht, in älteren Büchern (Edward Lowell The Hessians and other German mercennaries in the American Revolution) wird kolportiert, dass es sich um die ehemalige Geliebte des Herzogs von Bouillon gehandelt haben soll.

Mit seinen Söhnen versöhnte sich Friedrich erst kurz vor seinem Tod 1785.
Recht interessant zu lesen ist die Autobiographie Wilhelm IX. "Wir Wilhelm von Gottes Gnaden", die Rainer von Hessen vor einigen Jahren herausbrachte.

Literatur Edward Lowell, The Hessians and other German mercennaries in the American Revolution,

Stephan Schwenke, Die gezähmte Bellona?
 
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Herzog Karl Alexander von Württemberg (1684-1737) - konvertierte 1712 in kaiserlichen Diensten.
Vielleicht hat er am Kaiserhof positive Erfahrungen mit dem katholischen Glauben gemacht bzw. Kontakte mit Katholiken aufgebaut, die ihn diesbezüglich beeinflussten. Möglich und wahrscheinlicher dürfte allerdings sein, dass er durch die Konversion zu diesem Zeitpunkt seine Karriere in kaiserlichen Diensten fördern konnte.

Bis Anfang des 18. Jahrhunderts fällt jedenfalls auf, dass bedeutende Persönlichkeiten (Wissenschaftlicher, Komponisten etc.) zwar in Wien vorübergehend nachgewiesen sind, aber wenn sie dort auf Dauer Karriere gemacht haben, waren sie entweder ohnehin katholisch oder konvertierten. Die Erhebung in den Reichsadel (bzw. in den Landesadel jener Länder, über die der Kaiser als Landesfürst herrschte) erforderte gewöhnlich, dass der Betroffene katholisch (oder zuvor konvertiert) war.

Zumindest, was bürgerliche (nicht katholische) Personen betraf, lässt sich beobachten, dass sich für sie gewöhnlich der Aufstieg in den Adel durch den Kaiser ohne vorherige Konversion zum katholischen Glauben erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (unter Kaiser Joseph II.) feststellen lässt.
Bekannt ist zum Beispiel der jüdische Bankier Nathan Arnsteiner (bekannt heute eher nur mehr als Ehemann von Fanny von Arnstein), der (zumindest in der Geschichte der österreichischen Bundesländer) als der erste Jude gilt, der ohne Konversion zum katholischen Glauben in den Adelsstand erhoben wurde. Seine Enkelin (deren Eltern katholisch geworden waren) heiratete später einen (Reichs-)Grafen von Fries (der selbst zum katholischen Glauben konvertiert war). Dessen Großvater aber gilt als der erste bürgerliche Protestant, der als Protestant in den Reichsadel erhoben worden war.
 
@Teresa C.
Ich denke auch, dass die Karrierechancen eine Rolle gespielt haben. 1712 war ein Erbfall in Württemberg noch nicht absehbar. Mit Friedrich Ludwig gab es 1712 auch noch einen protestantischen Erben. Eberhard Ludwig selbst hat die Notwendigkeit weitere Nachkommen zu zeugen scheinbar erst 1731 nach dem Tod Friedrich Ludwigs eingesehen und daher der Grävenitz nicht nur den Abschied gegeben, sondern sie auch verfolgen lassen. Dass die Herzogin damals bereits über 50 war scheint erstmal kein Hinderungsgrund gewesen zu sein.

Das Konvertieren von Reichsfürsten und auch nachgeborenen Prinzen war aber offenbar ein großes Politikum. Die lutheranischen Zeitgenossen bedauerten es zutiefst und sahen darin schon eine Tendenz, dass zahlreiche Landesherren den Glauben wechselten. Den Unmut der Protestanten kann man in den zeitgenössischen Pamphleten aufspüren, die auch bei recht naheliegenden Fällen wie dem Konvertieren von Elisabeth Christine von Braunschweig zwecks der Vermählung mit König Karl von Spanien (später als Karl VI. Kaiser) hohe Wellen schlugen.

Auch die Vermählung Karl Alexanders mit Marie Auguste von Thurn und Taxis fällt noch in die Zeit vor dem Tod Friedrich Ludwigs und diente gewiss ebenso zu einer klaren Positionierung Karl Alexanders im habsburgischen Lager.
Dass das Konvertieren des potentiellen Landesherrn die Lage desselben gegenüber den Landständen, welche sowieso schon immer recht labil war, weiter destabilisiert wurde, war eigentlich vorhersehbar.
 
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