Auf welchen Wegen wanderten die Menschen in der Altsteinzeit?

Davrus

Neues Mitglied
Hallo liebes Forum,

ich versuche nachzuvollziehen, wie sich die Menschen in der Altsteinzeit bewegt haben. In dem Zusammenhang treffe ich immer wieder auf zwei Aussagen, die sich meiner Meinung nach teilweise widersprechen.

1. Aussage: Die Menschen bewegten sich mit den Tierherden (Huftiere)
2. Aussage: Die Menschen bewegten sich entlang der Küsten

Da die Tierherden sicher nicht vornehmlich entlang der Küsten wanderten, frage ich mich wie die Bewegungen der Menschen damals tatsächlich aussahen.

Kann mich da jemand aufklären?

Beste Grüße,
Davrus
 
Wichtig ist vor allem sich diese Wanderungen nicht als kurzfristige Sache vorzustellen. Das wird es auch gegeben haben, aber in erster Linie meint der Begriff eine Bewegung von wenigen Kilometern je Generation.

In jeder Generation verschob sich der Lebensraum also ein bisschen. Das macht dann auch klarer worum es geht - um die Entdeckung neuen Lebenraums.
 
Dazu muss man sich erst einmal darüber klar werden, dass "wandern" zweierlei bedeuten kann :
1. marschieren
2. sich ausbreiten

Ich glaube nicht daran, dass die Menschen damals ständig herumgewandert sind, sondern sie waren im wesentlichen ortsfest und haben von ihrem Wohnort aus Jagdtouren unternommen.

Wenn die Gruppe infolge von Vermehrung zu groß wurde, hat sich dann eine kleinere Gruppe abgespalten und ist woanders hingegangen. Dieses "Woanders" war zunächst - wenige Jahrhunderte lang nach der Auswanderung aus Afrika - menschenleer, und dann wird man sich da niedergelassen haben, wo es gute Jagd-/Fisch- und Sammelgründe gegeben hat und wo man sich mit der Ursprungsgruppe nicht in die Quere kam. Das erzeugt eine recht flotte Ausbreitung.

Hier hatten wir schon mal was : http://www.geschichtsforum.de/f22/w...einer-menschenpopulation-ab-30327/index2.html
 
Vielen Dank für die Antworten und den Link.

Der Hinweis auf den Unterschied zwischen marschieren und sich ausbreiten hat sehr geholfen.

Ich hab den älteren Eintrag gelesen, denke aber nicht, dass sich die Menschen der Altsteinzeit tatsächlich irgendwo lange niedergelassen haben. Ich stell mir das jetzt so vor:

Die J/S führten ein nomadisches Leben in kleinen Gruppen und wanderten entlang bestimmter Routen, von denen sie erfahrungsgemäß wussten, dass sich dort zu bestimmten Zeiten zu erbeutende Tiere aufhalten. Für die J/S gab es entlang dieser Routen bestimmte Orte, die sie immer wieder aufsuchten um sich temporär dort aufzuhalten. Trafen sie zu oft nicht auf die erwarteten Tiere, erkundeten sie neue Wege und änderten ihre Route. Waren sie in einer verzweifelten Situation, z.B. weil die Tiere lange Zeit ganz ausblieben und auch die Flora nicht genug hergab, begaben sie sich auf waghalsige Touren z.B. über das Meer oder ein Gebirge. So breiteten sich einzelne Gemeinschaften über die Jahrtausende auf der Welt aus.
Was sagt ihr?

Nicht ganz klar wird dabei die Sache mit dem Wandern entlang der Küsten. Haben die Menschen irgendwann entdeckt, dass sich im Meer immer Fische aufhalten und man dort eine ständig gefüllte Speisekammer hat? Aber warum begaben sich Menschen dann überhaupt noch ins Landesinnere? Warum tauchen Fische, die ja das zentrale Lebensmittel gewesen sein müssten, so wenig auf in Höhlenmalereien? Gibt es da überhaupt gemalte Fische?)
 
Nun die Struktur nomadischer Gruppen dürfte sich über die Jahrtausende nicht geändert haben- danach gibt es in der Regel innerhalb eines betimmten Gebietes ein festes Sommer und Winterlager sowie in deren Umgebung diverse Jagdlager ,die je nach Bedarf aufgesuchr werden.
Jagdlager errichtete man bei strategisch wichtigen Stellen wie Flussübergängen oder Pässen,die von größeren Herden benutzt wurden.
Das ganze spielte sich normalerweise in einem fest umrissenen Gebiet ab, so lange sich Tierwanderungen und -bestand nicht veränderten.

Erst wenn sich die ökologischen Bedingungen nachhaltig veränderten oder die Gruppe eine kritische Größe überschritten hatte war eine Weiterwanderung notwendig Zu diesen Wanderungen kommen aber auch noch Handel und religiöse Motive, die Anlass für Wanderungen waren.
Die Wanderungen dürften auf den Flüssen und auf dem Meer entlang der Küste erfolgt sein oder auf den Hochufern bzw vegetationsarmen Hochflächen, wo das Fortkommen einfacher war als im dichten Wald oder in sumpfigen Flussauen.

Warum Fische, so wenig auf tauchen in Höhlenmalereien ist auch klar:
die meisten Höhlen liegen im Binnenland und Fische waren immer verfügbar und keine Jagdbeute im engeren Sine. Die mußte man nicht beschwören


Bi.
 
Zuersteinmal denke ich dass wir uns von der Vorstellung halb-schwachsinniger uuh uuh rufender Grobiane verabschieden sollten. Diese Art Gedanke lese ich daraus, wenn du sagst, sie hätten dann irgendwann bemerkt, dass im Wasser immer Fische schwimmen. Vergleich doch erstmal Menschen mit anderen Tierarten mit weit weniger Hirnkapazität. Schon da wirst du feststellen, dass die meisten Arten zu Revieren neigen und die Individuen recht gut wissen, was man so jagen und/oder pflücken kann. Spannend wird das erst, wenn sich der Lebensraum verändert, sei es weil sich die Art in andere Gebiete ausbreitet, in denen gewohnte Beutetiere oder Speisepflanzen nicht vorhanden sind; sei es weil sich das Klima ändert und entsprechende Folgen eintreten. Menschen erweisen sich da als ungemein anpassungsfähig.

Aus der Beobachtung heutiger J+S-Gruppen ebenso wie von noch sehr naturnah lebenden Gruppen, die bereits Gartenbau und/oder Viehhaltung betreiben, wissen wir, dass ein starkes Revierverhalten auftritt, indem Gemeinschaften sich gegen Nachbargemeinschaften abgrenzen. Wovon ich nichts weiß, sind Gruppen, die beliebig durch große Gebiete streifen, ohne dabei Reviere zu definieren.

Wenn Gruppen sich nomadisch verhalten, tun sie dies wohl auch nicht aus Spaß am Reisen. Nomadisches Verhalten tritt mE dort auf, wo Sesshaftigkeit wirtschaftlich nicht durchgehalten werden kann. Da kann es zB vorkommen, dass man Tierzügen folgt. Es macht aber ebensoviel Sinn, zu einer bestimmten Jahreszeit zu einem bestimmten Flussufer zu ziehen, weil dort die Lachse springen, zu einer anderen Zeit in eine andere Gegend, weil dort bestimmte nahrhafte Pflanzen in Hülle und Fülle vorhanden sind. Und solch ein Verhalten kann man mE auch tatsächlich beobachten.

Ufer im Allgemeinen sind ein interessanter Punkt. Es scheint ja so zu sein, dass Menschen einen geradezu instinktiven Drang nach der Nähe eines Ufers haben. Ich kann mir aber trotzdem eher vorstellen, dass man zwar nicht ohne Not zig km vom Ufer weggeht, aber nun auch nicht gerade immer nur am Ufer entlangläuft. Das entspricht nicht meiner Erfahrung von menschlichem Verhalten. Andererseits kann Kultur sicherlich auch das möglich machen.
 
Wovon ich nichts weiß, sind Gruppen, die beliebig durch große Gebiete streifen, ohne dabei Reviere zu definieren.

Wenn Gruppen sich nomadisch verhalten, tun sie dies wohl auch nicht aus Spaß am Reisen.

Ich denke, man muss sich von der Vorstellung frei machen, dass unsere paläolithischen Vorfahren bewusst auf lange Wanderschaft gingen. Vielmehr verlagerten sich allmählich manche Jagdgebiete, der eine Clan wich einem stärkeren anderen aus, ein Clan spaltete sich auf, wenn er eine bestimmte Größe erreichte.

Was wir also bei der Ausbreitung des Menschen heute als "wandern" wahrnehmen, sind nahezu unmerkliche Verlagerungen und Verschiebungen von Clans oder "Horden" - was sich allerdings im Verlauf tausender von Jahren zu beträchlichen Distanzen summierte. Ein Clan, der in zehn Jahren seine Jagdgründe um nur 20 km verschiebt, ist in tausend Jahren bereits 2000 km "gewandert".

Was die Wanderwege betrifft, so kann man annehmen, dass die Menschen lebensfeindiche Gebiete wie Wüsten oder Hochgebirge scheuten und solche Regionen umgingen. Auf jeden Fall folgten sie dem Jagdwild als Nomaden, sodass auch Steppen und vereiste Gebiete bei entsprechender Anpassung in den Lebensraum einbezogen wurden. Das gilt auf jeden Fall schon für späte Vertreter des Homo erectus und ohnehin für den Neandertaler und den modernen Menschen, der vor etwa 140 000 Jahren archäologisch fassbar wird.
 
Das wiederum würde ich gar nicht sagen wollen - gerade die Besiedlungsgeschichte Australiens zeigt ja dass auch sehr frühzeitig schon weite Reisen unternommen wurden, auch ins Unbekannte hinein.

Auch wenn man die Jagdreviere bekannter altsteinzeitlicher Gruppen betrachtet finden sich (neben der Jagd im näherem Umkreis) auch Hinweise auf weitere Gebiete. Ein paar hundert Kilometer zu wandern dürfte insofern durchaus drin gewesen sein. Das war dann nur nicht der Grund für die Ausbreitung, sondern wohl eher die Vorgeschichte. Irgendwann kommt einer zurück und erzählt von einem lebenswertem Fleckchen Land - welches im Anschluss irgendwann besiedelt wird.

Die Ausbreitung selbst vollzieht sich dann in kleinen Schritten, aber dennoch muss man den frühen Menschen hohe Mobilität attestieren.
 
Freue mich sehr über die vielen hilfreichen Beiträge. Das Bild wird langsam klarer. Da mir Visualisierungen immer helfen, stelle ich mir die Wanderungsbewegungen aus der Vogelperspektive vor. Dabei ergibt sich ganz grob betrachtet, ein Muster aus Spiralen, dass sich langsam über den Globus ausbreitet, da die Menschen zunächst auf relativ festen Kreisbahnen wanderten und ihre bekannten Strecken nur in Notsituationen wie ausbleibenden Jagdmöglichkeiten, fehlende Vegetation o.ä. verliessen. Im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende verschoben sich die Strecken dann immer weiter von Afrika ausgehend in Richtung Asien und Europa. Hauptsächlich entlang der Küstenlinien. Das heisst nicht, dass sich nicht noch Menschen in den alten Wandergebieten aufhielten. Vielleicht blieben auch oft Teile eines Clans am Ort, während andere Teile weiterzogen (Stichwort: kritische Gruppengröße) Ich hänge hier mal eine grob schematische Skizze dazu an. Mir hilft die Spiralförmige Grafik bei der Vorstellung der Wanderbewegungen, da die Pfeilausbreitungen in anderen Grafiken mir suggerierten, dass sich die Menschen einfach geradeaus auf den Weg machten.

Mit der Vorstellung der bevorzugten Bewegung der Menschen entlang der Küsten habe ich aber immer noch Probleme. Es leuchtet mir schon ein, dass das Meer die Ernährung gesichert haben könnte, aber weiss man wie gut die altsteinzeitlichen Menschen schon Fische fangen konnten? Und was ist mit den Gefahren, die durch das Meer drohen (Stürme, Fluten, Gezeiten...) Wenn ich mich erinnere wie Mühselig das Laufen an einem Sandstrand ist und an die vielen Steilküsten denke, glaube ich nicht, dass man sagen kann die Wanderungen entlang der Küste waren generell einfacher. Dazu kommt noch der Bedarf an Trinkwasser. Mir ist nicht klar, ob es schwerer oder leichter ist Trinkwasser in Meeresnähe zu finden, aber ich weiss von Flüssen, die an der Mündung ins Meer sehr salzhaltig sind. Kann man nicht am Gebiss der altsteinzeitlichen Menschen erkennen, ob sie eher Fisch, Pflanzen oder Fleisch aßen? Ich fürchte das ist dann schon ein neuer Thread...?
 

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Mit der Vorstellung der bevorzugten Bewegung der Menschen entlang der Küsten habe ich aber immer noch Probleme.

Damit hast du durchaus recht.

Es gab im Paläolithikum eine große Binnenwanderung, die sich quer durch Asien bewegte, was anhand zahlreicher Menschenfunde nachweisbar ist. Ähnliches spielte sich auch in Afrika und Amerika ab, sodass keine Präferenz der altsteinzeitlichen Menschen für Küsten erkennbar ist. Eher im Gegenteil. Die großen Herden jagdbaren Wilds bewegten sich im Landesinnern der großen Kontinente und dort sind auch massierte Menschenfunde annzutreffen.
 
Was mir an deiner Visualisierung fehlt, sind Spiralen an der afrikanischen Mittelmeerküste. Heute scheint die Sahara ein Hindernis zu sein. Die Sahara veränderte sich aber analog zu den eiszeitlichen Klimaschwankungen und war manchmal Steppe/Savanne mit großen Jagdwildbeständen.
Es gab wahrscheinlich beides, Menschen, die sich eher an den Küsten aufhielten und sich dort relativ zügig bis Australien ausbreiteten und Menschen, die dem Jagdwild landeinwärts folgten. Je nachdem, welche Ernährungs- und Lebensgewohnheiten sie mitbrachten.
Trinkwasser findet man in unbekanntem Terrain an den Küsten sicherer, schmeckt es brackig, geht man ein Stückchen weiter den Fluss oder Bach hinauf. Außerdem ernährten sie sich zuerst von Muscheln, Schnecken und anderem Sammeleiweiß, Fischfang kam hinzu.
 
Was mir an deiner Visualisierung fehlt, sind Spiralen an der afrikanischen Mittelmeerküste.

Ja, die Grafik ist sicher in noch weiteren Belangen unzureichend. Ich kenne mich über die genaue Ausbreitung der Menschen noch nicht genau aus, wollte nur die Spiralen-Idee visualisieren. Es wäre natürlich super, wenn jemand mit größerem Wissen das etwas treffender darstellen würde.
 
Damit hast du durchaus recht.

Es gab im Paläolithikum eine große Binnenwanderung, die sich quer durch Asien bewegte, was anhand zahlreicher Menschenfunde nachweisbar ist. Ähnliches spielte sich auch in Afrika und Amerika ab, sodass keine Präferenz der altsteinzeitlichen Menschen für Küsten erkennbar ist. Eher im Gegenteil. Die großen Herden jagdbaren Wilds bewegten sich im Landesinnern der großen Kontinente und dort sind auch massierte Menschenfunde annzutreffen.


Es gab wahrscheinlich beides, Menschen, die sich eher an den Küsten aufhielten und sich dort relativ zügig bis Australien ausbreiteten und Menschen, die dem Jagdwild landeinwärts folgten. Je nachdem, welche Ernährungs- und Lebensgewohnheiten sie mitbrachten.

Genauso habe ich mir das auch vorgestellt. Ich denke es gab wohl sowohl ein "wandern" mit den Herden und ein dadurch bedingtes "sich ausbreiten" der Menschen im Binnenland, als auch ein "wandern" und "sich ausbreiten" entlang der Küste.
 
Wege... ausgebaute Wege gibt es natürlich erst mit der Erfindung des Scheibenrads und damit der Erfindung des Ochsenkarrens. Also in der Jungsteinzeit. Jedoch legen nicht nur Menschen bewusst Wege an sondern (unbewusst) auch Tiere. Nehmen wir Rehe, die haben zwischen ihren Schlaf- und ihren Futterplätzen bestimmte Routen, die sie regelmäßig gehen, heute, in unserer Kulturlandschaft ist das häufig die Grenze zwischen Feldrain und Waldsaum. Aber wer aufmerksam durch einen mit Unterholz gesegneten Wald geht, kann solche Wildwechsel auch im Wald entdecken. Hier ist der Boden fester, hier wächst nicht so schnell wieder was nach, vielleicht sind auch die Jungtriebe am Rand abgeknabbert.
Es ist einfach normal, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen und so werden aus Wildwechseln auch schnell mal Trampelpfade. Die entstehen zum Teil aus reiner Gewohnheit.
In den eiszeitlichen Steppen war das natürlich leichter, als in einem dichtbewaldeten Gebiet.
 
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