Iure Uxoris

muck

Aktives Mitglied
Wieder einmal ein herzliches Hallo,

und eine Frage zum Iure Uxoris i.e. die Herrschaft aus dem Recht der (Ehe)Frau. Es scheint mir merkwürdig und mit dem verbreiteten Klischee, dass Erbtöchter im Mittelalter quasi fortwährend von Nachbarn überfallen worden, zur Ehe gezwungen und effektiv um ihr Erbe gebracht worden seien, nicht in Einklang zu bringen, wie groß die verbürgte Bandbreite ist, welche Ausprägungen die Beziehung zwischen den Eheleuten in diesem Rechtsverhältnis annehmen konnte.

Eine Ursache meiner Verwirrung mag wieder einmal sein, dass viele Autoren einfach nicht zwischen verschiedenen Zeiträumen und zwischen lokalen Begebenheiten unterscheiden wollen, und z.B. Frankreich und England in einen Topf werfen, als herrschten dort immer dieselben Sitten.

Klar ist, dass nach den Gepflogenheiten des Mittelalters eine Frau kaum jemals als Alleinherrscherin akzeptiert wurde, aber wie gelang es doch der einen oder anderen Erbtochter, sich einen Status als gleichberechtigte Co-Regentin zu erhalten? Konnte dies vertraglich festgehalten werden? Musste sie eine eigene Hausmachtpolitik betreiben, ggf. gegen ihren Gatten und dessen Familie? War sie ganz und gar auf die Liebe ihres Mannes angewiesen? Letzteres wird gern als Klischee in der Literatur bedient, aber es finden sich doch genügend Frauen, deren Ehen als Vernunftehen galten, also taugt mir diese Erklärung nur bedingt.

Freue mich über Kommentare und Gedankenanstöße.

:)
 
Es scheint mir merkwürdig und mit dem verbreiteten Klischee, dass Erbtöchter im Mittelalter quasi fortwährend von Nachbarn überfallen worden, zur Ehe gezwungen
Von einem solchen Klischee höre ich das erste Mal. Mir fällt auch ad hoc nur ein einziger (frühneuzeitlicher) Fall ein (was natürlich nichts über die tatsächliche Häufigkeit aussagt), der aber wohl inszeniert war, in der damaligen Polarisierung als inszeniert galt und heute noch, wo zumindest die Protagonistin weitgehend „beliebt“ ist, immer noch als inszeniert gilt.

Nach dem Mord an Henry Stewart, Lord Darnley, dem Cousin und Ehemann von Mary Stuart, als dessen Autor Lord Bothwell galt, wurde Mary Stuart von Lord Bothwell und dessen Gefolge nach einem Besuch in Stirling entführt, wo ihr Sohn unter presbyterianischer Aufsicht stand, und angeblich vergewaltigt. Der Zeuge dieser Vergewaltigung ist ein Vertrauter Marys gewesen, der aber Bothwell gegenüber eher skeptisch war, deshalb ist es unklar, ob er als Teil der Inszenierung gelten muss. Die presbyterianische Gegenpartei jedenfalls hielt das ganze für eine Inszenierung, weil die Vergewaltigung Mary die Möglichkeit gab, unter Vorgabe angeblichen Zwangs zur Wiederherstellung ihrer Ehre, ihren Vertrauten Bothwell, der als Mörder ihres Ehemannes galt, zu heiraten. Der müsste nebenbei sich nebenbei noch scheiden lassen.
Mary jedenfalls verlor jeden Rückhalt und galt fortan als Ehebrecherin und Mordkomplizin am Tod ihres zweiten Mannes.

Im Übrigen, ein Grund für den Mord an Darnley war wohl, nachdem Mary ihn zunächst wohl tatsächlich aus Liebe, zumindest aber aus Schwärmerei geheiratet hatte, dass er das iure uxoris für sich in Anspruch nahm und sich in die Regierungsgeschäfte einmischte, meinte, er sei der Herr im Haus und unter presbyterianischen Einflüsterungen sich am Mord an Marys Sekretär David Rizzio, einem kleinen, hässlichen, italienischem Zwerg, beteiligte, auf den er eifersüchtig war.
 
Das Thema ist offenbar ein beliebtes Sujet für Romane, und auch populärwissenschaftliche Formate wie "ZDF History" machen nicht davor halt, sich seiner anzunehmen, unlängst erst.

Beispielsweise wird die Situation Marias von Burgund nach dem Tode Karls des Kühnen sowohl in dem Film "Maximilian" als auch in dem gleichnamigen Roman Pranges so geschildert, als habe Ludwig XI. Maria zwingen wollen, den Dauphin zu heiraten und allein Maximilian habe sie davor bewahren können.
Oder selbst ein Romantiker wie Scott deutete in "Ivanhoe" an, seine Rowena müsse vor Normannen versteckt werden, die sie zur Ehe zwingen wollten.

Interessante Anekdote übrigens, danke!
 
Da komme ich doch glatt wieder zurück zu Mary Stuart. Die wurde ins Heimatland ihrer Mutter Marie de Guise verbracht (wo sie am frz. Königshof erzogen wurde und später dann den frz. Kronprinzen heiratete und etwa für ein Jahr frz. Königin war, bevor sie früh verwitwete und ihre Schwiegermutter Katharina de Medici die Regentschaft übernahm), weil die Engländer (bzw. deren König Henry VIII., Marys Großonkel) die Ehe zwischen Mary und Kornprinz Edward (ihrem Großcousin) erzwingen wollten (Rough Wooing,'rüdes Brautwerben'). Ironie der Geschichte, dass Mary, die ja mütterlicherseits auch eine Tudor war, von Edwards jüngerer Schwester und ihrer Großcousine Elisabeth als potentielle Bedrohung hingerichtet wurde.
 
Nach einer Lektüre weiterer Biografien scheint es mir immer mehr, als träfen so ziemlich alle Möglichkeiten zu, die eingangs genannt wurden, zuzüglich einer weiteren, die ich nicht bedachte: Es war offensichtlich günstig für eine Königin aus eigenem Recht, einen Ausländer zu heiraten, denn dieser hatte zunächst das Misstrauen des einheimischen Adels zu brechen.

Insgesamt scheint es so zu sein, dass eine Entmachtung einer solchen Regentin nur in Kriegszeiten allgemein akzeptiert wurde. Vielfach scheint eine Aufgabenteilung stattgefunden zu haben, wonach sich der Herrscher v.a. mit der Außenpolitik beschäftigte, die Herrscherin hingegen die allgemeine Verwaltung übernahm. Das ist aber nur mein eigener Eindruck, bisher konnte ich keine Hinweise bspw. auf vertragliche Regelungen der Aufgabenteilung finden.

Interessieren würde mich der Fall Hedwigs, "König" von Polen, leider gibt es nicht viel deutschsprachige Literatur dazu. Laut Herrn Googles Übersetzung der polnischen Wikipedia tragen aber auch nach ihrer Heirat mit Jogaila bis zu ihrem Tod die meisten Staatsdokumente ihr Siegel.
 
Zurück
Oben