Bilderschule der Herrenmenschen - Koloniale Reklamesammelbilder

ursi

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Buchvorstellung von Arne:

Der bekannte Kolonialwissenschaftler Dr. Joachim Zeller hat sich für sein neues Buch auf vermeintlich triviales Parkett begeben: Im neuen Buch geht es um Kolonial-Sammelbilder, genauer: inwieweit die Reklame Rassismus und Kolonialismus kolportiert hat. Bekanntlich bleiben Bilder uns mehr als Texte unbewusst im Kopfe hängen. Stereotype, massenhaft wiederholte Darstellungen beeinflussen unser Denken in hohem Maße. Dr. Zeller schreibt „So antiquiert und trivial die kolonialen Reklamesammelbildchen uns heute erscheinen mögen, sie werden weiterhin gehandelt und getauscht und bedürfen deshalb in Wort und Bild einer kritischen Lektüre.“

Für das Buch konnte der Autor auf die großartige Sammlung des (bekennend unpolitischen) „Sammelbilder-Papstes“ Willi Goffart zugreifen.

Die Zielsetzung des Buches wird bereits durch den Titel („Herrenmenschen“) und die Auswahl des Umschlagbildes deutlich, denn aus der Vielzahl möglicher Bilder, wird eines gewählt, wo ein Weißer sich von einem Schwarzen tragen lässt. Auch dies eine stereotype Darstellung der Ankläger des Kolonialismus. Offensichtlich möchte auch der Links-Verlag den Leser durch die Wahl des Bildes beeinflussen. Alles nicht überraschend, da der Autor bekanntlich zu den besonders strengen, zeitgenössischen Kolonialkritikern gehört.

In einzelnen Kapiteln werden Thematiken, bzw. Kolonialkritikpunkte angesprochen, Wertungen und Einschätzungen dazu vorgenommen und anschließend durch eine Auswahl von Sammelbildern „belegt“. Der rote Faden durch alle Kapitel führt zur Botschaft des Autors, daß die Sammelbilder Rassismus implementieren, Gräuel verharmlosen und den Geist der Betrachter andauernd vergifteten.

In der Einführung heißt es: „Die Sammelbilder zeichnen sich aber nicht nur durch das aus, was sie zeigen, sondern auch durch das, was sie nicht zeigen. Die hässlichen Seiten des Kolonialismus – die Gewalt des kolonialen Alltags mit ihren rassistischen Diskriminierungen, die Praxis des Arbeitszwanges bzw. der Zwangsarbeit, die Exzesse der kolonialen Strafjustiz oder die Politik des selektiven Terrors bis hin zum Völkermord – bleiben ausgespart. Die Folgen und Kosten der den Kolonisierten aufgezwungenen „Modernisierung“ werden nirgends thematisiert.“ (Seite 21)

Nun das mag zutreffend sein, denn schon aus dem nachvollziehbaren, wirtschaftlichen Interesse der Werbenden heraus, wollte sicher kein Schokoladenhersteller seine Ware mit umstrittenen oder kritisierenden Schreckensbildern schmücken. Diese Werbemethode ist eine Erfindung von Benetton aus den 1980er Jahren.

Wenn der Autor diese selektive Darstellung der Verhältnisse bemängelt, muß er sich aber auch selbst fragen lassen, warum im Text durchgängig die negativen Seiten der deutschen Kolonialgeschichte herausgestellt werden, aber alles, was als Leistung angesehen werden könnte (Infrastruktur, Schulen, Medizinische Versorgung, Bergbau, moderne Land- und Plantagenwirtschaft etc.) ständig nur als „Mittel zum (bösen) Zweck“ relativiert wird. Man mag es drehen und wenden: wirtschaftliche und militärische Interessen waren immer die Motoren der menschlichen Entwicklung. Er selbst wiederholt mehrfach, daß die Kolonien ausgebeutet werden sollten, aber gleichzeitig das Reich ein Vielfaches mehr kosteten, als erwirtschaftet wurde. Ist es Ausbeutung Geld in ein Faß ohne Boden zu werfen? Der Leser, der auf eine Auflösung dieses Widerspruchs hofft, wartet vergebens.

Das drucktechnisch gut gemachte Buch mit vielen hochwertigen Farbbildern ist hilfreich und wertvoll, da es viele interessante Hintergrundinformationen zu den Motiven bringt. Historische Vorgänge und Zusammenhänge werden klarer. Weiterhin ist es aufklärend, wie mit psychologischen Tricks bestimmte Botschaften vermittelt wurden. Ärgerlich nur, daß dies mit einem ständig erhobenem moralischen Zeigefinger getan wird. Zur Mahnung, daß man sich von der Schönheit nicht blenden lassen darf.

Völlig wertlos ist das Buch hingegen für einen Sammler, der sich ein Nachschlagewerk zu den Kolonialsammelbildern gewünscht hat. Das war nie Zweck des Buches. Zudem wirkt die Lektüre auf einen unpolitischen Sammler regelrecht kränkend, da ihm ein schlechtes Gewissen aufgezwungen wird, weil er sich an diesen „Werkzeugen des Bösen“ erfreuen kann.

Joachim Zeller • Bilderschule der Herrenmenschen - Koloniale Reklamesammelbilder • Ch. Links Verlag • 2008 • 240 Seiten
 

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"Wenn der Autor diese selektive Darstellung der Verhältnisse bemängelt, muß er sich aber auch selbst fragen lassen, warum im Text durchgängig die negativen Seiten der deutschen Kolonialgeschichte herausgestellt werden, aber alles, was als Leistung angesehen werden könnte (Infrastruktur, Schulen, Medizinische Versorgung, Bergbau, moderne Land- und Plantagenwirtschaft etc.) ständig nur als „Mittel zum (bösen) Zweck“ relativiert wird. Man mag es drehen und wenden: wirtschaftliche und militärische Interessen waren immer die Motoren der menschlichen Entwicklung. Er selbst wiederholt mehrfach, daß die Kolonien ausgebeutet werden sollten, aber gleichzeitig das Reich ein Vielfaches mehr kosteten, als erwirtschaftet wurde. Ist es Ausbeutung Geld in ein Faß ohne Boden zu werfen? Der Leser, der auf eine Auflösung dieses Widerspruchs hofft, wartet vergebens."

Um die letzte Frage zu beantworten: JA, IST ES!
Ich denke nicht, dass wirtschaftlicher Nutzen das Kriterium dafür sein sollte, ob man das Verhalten von Menschen anderen gegenüber als ausbeuterisch beschreibt oder eben nicht.
Zudem schreit, wie ich finde, aus diesem Absatz doch eine gehörige Portion Kolonialapologetik! Da mag man in den Kolonien noch so viele Missionsschulen gebaut haben, der Fakt der AUsbeutung bleibt bestehen, überwiegt BEI WEITEM alle auch nur ansatzweise aus europäischer Sicht als positiv deutbaren Aspekte kolonialer "Entwicklung", die letztlich bloß Erziehung zur Arbeit war.
Wem, wie Arne, die "positiven" Seiten der glanzvollen deutschen Kolonialgeschichte bei Zeller zu kurz gekommen sind, dem empfehle ich Bernd Längin: Die deutschen Koloonien, ebenfalls in den Buchempfehlungen zu finden. Ganz großes Bäh:
"Zudem wirkt die Lektüre auf einen unpolitischen Sammler regelrecht kränkend, da ihm ein schlechtes Gewissen aufgezwungen wird, weil er sich an diesen „Werkzeugen des Bösen“ erfreuen kann."
Ich denke, schlechtes Gewissen ist das mindeste, was man im Zusammenhang mit deutscher Kolonialgeschichte empfinden sollte, und sei es bloß als Sammler lustiger kleiner Negerbilder...
 
Ich denke nicht, dass wirtschaftlicher Nutzen das Kriterium dafür sein sollte, ob man das Verhalten von Menschen anderen gegenüber als ausbeuterisch beschreibt oder eben nicht.

Wenn du deine diesbezügliche Sichtweise diskutieren möchtest, magst du dich vielleicht hier einreihen, wo wir das mal angesprochen hatten:

http://www.geschichtsforum.de/f58/kolonien-nutzen-oder-belastung-f-r-das-reich-31094/

Vielleicht geht das dann auch respektvoll, ohne "Bähs" und Ausrufungszeichen. ;-)
 
Da es um frühere koloniale Sichtweisen geht, erscheint der Thread angemessen: Die rassistische Sichtweise auf die Völker, die im Rahmen des Kolonialismus/Imperialismus unterworfen worden sind, wird im Moment wieder mit einer neuen "Sensibilität" begegnet. Zum einen im Rahmen der "Beutekunst-Diskussion" und zum anderen im Rahmen der parallelen Betrachtung von Ideologien der westlichen "Überlegenheit".

Für die Region Freiburg ist eine neue Studie publiziert worden, die die koloniale Vergangenheit und die damit zusammenhängenden Weltbilder in unterschiedlichen sozialmoralischen Milieus (Lepsius) untersucht hat.

https://ris.freiburg.de/show_anlage...2112100003&_doc_n1=20180419144529.pdf&x=9&y=5
 
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