Leben auf See

JunkerJoerg

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Grüß Gott zusammen - oder vielleicht eher Moin Moin!

Eine Handvoll Fragen zur Schifffahrt im Mittelalter haben mich hierher geführt. Ich würde mich über Links oder direkte Antworten sehr freuen. Außer der Anfrage zum Heizen auf Pilgerschiffen habe ich mit meinen Suchworten hier im Forum nichts gefunden - könnte aber an den Suchworten gelegen haben, von daher gern auch Verweise auf Beiträge, die's schon gibt und die ich übersah.

Wie lebte es sich im frühen Mittelalter auf einem Schiff, das mehrere Tage ohne Landgang unterwegs war? Wo und wie konnte gekocht werden (oder gab's nur kaltes Essen?) und wo wurde das Essen eingenommen - und was gab's da typischerweise? Wie und wo wurde geschlafen (Hängematten zwischen Kisten, auf Deck...)?

Danke schonmal vorab für erhellende Hilfe :)..
 
Normalerweise bewegte man sich entlang der Küste, ging also Abends an Land. Eine Ausnahme mögen hier die Skandinavier gewesen sein. Hängematten kannte man in Europa zu dieser Zeit noch nicht. Der erste Europäer, der eine Hängematte sah, dürfte im Oktober 1492 sich in der Karibik aufgehalten haben. Das Wort Hängematte verdanken wir den Niederländern, die das englische hamoc volksetymologisch in hangmat umdeuteten. Das englische hamoc kam wiederum vom frz. hamac und dieses vom spanischen hamaca. Die Spanier hatten das Wort in der Karibik kennen gelernt. Erstbeleg des Wortes ist das Bordbuch des Kolumbus, der Eintrag am 3. November: "Vinieron en aquel día muchas almadías o canoas a los navíos a rescatar cosas de algodón hilado y redes en que dormían, que son hamacas. - es kamen diesen Tag viele Einbäume und Kanus zu den Schiffen, um gesponnene Baumwolle und Netze, in denen sie schlafen, die hamacas heißen, zu tauschen."
 
Erst einmal, das Mittelalter sind etwa 1000 Jahre. Und man muss zwischen dem Nordeuropäischen Seeraum, Nord und Ostsee unterscheiden und dem Mittelmeer.Das ist vorallem den unterschiedlichen Schiffbautraditionen geschuldet.
Es wurde sehr viel in Nordeuropa gerudert.Die Invasion der Angeln und Sachsen in England wurde mit Ruderfahrzeugen gemacht.
Grundsätzlich wurde aber meist Küstenschifffahrt betrieben. Wen die Küste verlassen wurde, gab es auch kein warmes Essen. Getrockneter Fisch (Stockfisch) und getrocknetes Fleisch. Eventuell so etwas wie Trockenfrüchte oder Zwieback.
Schlafen, wie EQ schon schrieb, Decken oder Felle. Hängematten kamen erst durch die Entdeckungsfahrten nach Westindien nach Europa. Und wenig Trinkwasser an Bord. Zum Teil auch der Tatsache geschuldet, das es in Fässern faulte.
 
Herzlichen Dank für die beiden ersten Eindrücke. Da ich diese Informationen als Hintergrund für eine Geschichte ohne realen Bezug zu einer bestimmten Gegend, aber mit einer groben Orientierung an den technischen Möglichkeiten des Mittelalters brauche, muß sich die Info nicht unbedingt auf Europa beziehen.

Mein Fazit bislang:
Es war im Mittelalter nicht möglich, Trinkwasser längere Zeit zu lagern, da es schon nach wenigen Tagen zu faulen begann. Wie hat Kolumbus es so bis nach Amerika schaffen können?

Hängematten waren zwar in Europa noch nicht üblich, gab's aber.

In einem anderen Thema dieses Forums war von Handöfen und sogar gemauerten Kombüsen die Rede, die zum Kochen genommen werden konnten. Das klingt nach ein wenig mehr als nur Stockfisch und Zwieback - oder gab's da noch irgendwelche Haken?

Körperhygiene wird ja grundsätzlich überbewertet, und an der frischen Luft fällt's auch ned so auf, aber auf's Klo mußte man ja sicher auch - und selbst Männer können das nicht komplett im Stehen über die Bordwand erledigen... Wie konnte man sich das vorstellen?

In dankbarer und gespannter Vorfreude auf weitere Infos..
 
Hängematten waren zwar in Europa noch nicht üblich, gab's aber.
Im amerikanischen Regenwald und der Karibik!

In einem anderen Thema dieses Forums war von Handöfen und sogar gemauerten Kombüsen die Rede, die zum Kochen genommen werden konnten. Das klingt nach ein wenig mehr als nur Stockfisch und Zwieback - oder gab's da noch irgendwelche Haken?
Der Haken ist, dass das eher Frühe Neuzeit als Frühmittelalter ist.
 
Es war im Mittelalter nicht möglich, Trinkwasser längere Zeit zu lagern, da es schon nach wenigen Tagen zu faulen begann. Wie hat Kolumbus es so bis nach Amerika schaffen können?
Bier :cool:
Wie in den mittelalterlichen Städten wurde auch schon von Kindern viel Bier getrunken. Wobei man im Vergleich zu heute den meist geringen Alkoholgehalt berücksichtigen muss.
 
Man war damals etwas weniger empfindlich als heute.Weil einfach nichts anderes da. Bier ist auch sehr schnell umgekippt, so das es als Lebensmittel auch nicht immer erste Wahl war. Und Hängematten gab es erst nach den ersten Fahrten nach Westindien. In Europa und Afrika waren die unbekannt.
Die werden auch erst aufs Schiff gekommen sein, als die Schiffe mit Kanonen im Unterdeck bewaffnet worden sind. Zwischen den Kanonen konnte eigentlich kein Matrose mehr liegen. Durch die Hängematten war plötzlich platz oberhalb der Kanonen.
Auf der Batavia haben die Herren Kaufleute und Seeoffiziere in Schwalbennestern auf Strohsäcken geschlafen. Kann man bei dem Nachbau in Lelystadt sehen.
 
Frisches Quellwasser oder aufgefangenes Regenwasser kann man trinken. Man landete auch an, um Wasser aufzunehmen, das machte auch Kolumbus so, der die Kanaren ansteuerte, um Wasser zu fassen. Ist natürlich bescheiden, wenn man wochenlang auf See ist und es nicht regnet.
Beim Inca Garcilaso gibt es eine ganz witzige Geschichte von einem Pedro Serrano, der auf einer einsamen Insel gestrandet sein soll, auf der es weder Wasser noch nicht amphibisches Leben gab. Der habe sich dann die Muscheln geschnappt und die Krebse und diese, daher kein Feuer machen könnte, roh verzehrt. Dann habe er sich Schildkröten gefangen, die mit seinem Messer geköpft und ihr Blut getrunken, schließlich habe er in Schildkrötenpanzern und Muschelschalen Regenwasser aufgefangen.
Als nach einigen Monaten seine Kleidung nicht mehr zu gebrauchen war, habe er dann den Tag im Wasser verbracht, weil es auf der Insel ja keinen Schatten gab, wo er sich vor der Sonne schützen konnte. Da fing er dann das tauchen an und erntete mit seinem Messer Seepflanzen, die er getrocknet als Brennmaterial nutzen konnte. So habe er drei Jahre lang auf der Insel gelebt, bis ein zweiter Schiffbrüchiger dazugestoßen sei (der aber keinen Namen bekommt); nach vier weiteren Jahren seien sie dann gerettet worden und Pedro Serrano sei nach Deutschland gegangen, weil der Kaiser sich gerade dort aufhielt (Karl V.).

Die Geschichte ist natürlich Seemannsgarn (egal, ob Garcilaso sie selbst erfunden hat oder naiv genug war, sie für bare Münze zu nehmen), aber eines kann man ihr entnehmen: dass Garcilaso, der behauptet er kennte jemand, der Pedro Serrano noch gekannt habe, das Auffangen von Regenwasser für eine relativ normale Methode der Trinkwassergewinnung hielt.
 
Nochmal ein herzliches Dankeschön - auch für die nette Ausgestaltung einer kurzen Information :).

Die "Schwalbennester" waren mir auch neu - sind aber auch nicht mittelalterlich, sondern erst neuer, oder?.
 
Körperhygiene wird ja grundsätzlich überbewertet, und an der frischen Luft fällt's auch ned so auf, aber auf's Klo mußte man ja sicher auch - und selbst Männer können das nicht komplett im Stehen über die Bordwand erledigen... Wie konnte man sich das vorstellen?

Das wurde hier ja noch nicht angesprochen:

Auf einem Segelschiff kam der Wind fast immer von hinten oder von einer Seite des Schiffes. Erst dann konnte es die Segel füllen und das Schiff bewegen. Wenn die Mannschaft also an der Vorderseite des Schiffes, auf der Leeseite des Bugs, urinierten oder sch…... , wird der Wind Ihre Abfälle vom Schiff wegtragen.
Deshalb befanden sich die Offiziersunterkünfte im Heck, wo der frische Wind den Gestank einer Besatzung von ungewaschenen Körpern wegwehen, weg vom Schlafplatz.

Bei Galeeren, die von Rudern angetrieben wurden, ist das Gegenteil der Fall. Die Offiziere lebten im Bug, und die Männer entleerten sich im Heck.
 
Ich weis nicht ob das eine zu einfache Sicht ist. Klar die hygienischen Bedingungen waren sehr unschön, um nicht zu sagen eine einzige Katastrophe. Das gilt aber auch für die Offiziere.
Nun komme ich aber zu einem anderen wichtigen Punkt. Die Waffen, auch Blankwaffen wurden erst zum gebrauch ausgegeben, an die Mannschaft, wenn sie benötigt wurden. Während die Offiziere immer eine Dolch oder Degen tragen durften.
Und was war am Heck eines Schiffes und ist es bis heute? Die Ruderanlage. Das wurde erst recht mit der Einführung des Mittelruders wichtig. Die Pinne und der Kolderstock benötigen viel Platz. Und sind auch gegen Sabotage empfindlich und leicht zu manipulieren. Und was war im Heck, tief im Rumpf, meist nur durch die Offiziersmesse zu erreichen? Die Pulverkammer. Und gerade das Achterkastell war leicht zu verteidigen.warum wohl?
 
Danke, Bantelli (auch wenn ich mich nach dem Lesen frage, ob ich das wirklich wissen wollte *g* - es paßt auf alle Fälle) und Apvar (ich grüble tatsächlich, was das Achterkastell so sicher machte - es lag hoch oben und war auch vom Deck aus nur über Stufen aufwärts zu erreichen, aber auch direkten Schußfeld der Bugkanone eines folgenden Schiffes...)..
 
In der frühen Neuzeit (FNZ) wurden die Geschütze erst gefährlich. Davor wurde und auch während der FNZ, sogar bis zu Zeiten Napoleons, wurde das Gefecht eigentlich meist im Nahkampf entschieden. Und da war dann eine Treppe, die man sich hochkämpfen muss, schon ein deutliches Hindernis für den Angreifer. Zumal meist mit kaltem Stahl gekämpft wurde. Und Pistolen hatten meist 2 Läufe und damit 2 Kugeln.
 
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