Adelige und Bürgerliche in der Armee des Kaiserreichs/Heeresvermehrungen

Cephalotus

Aktives Mitglied
erschreckende Zahlen!... kannst Du kurz was zum unterstrichenen Satz erklären, diese ganz eigenen Gründe: was meinst Du damit?

Ich weiß nicht genau, was er damit meint, aber ich könnte mir folgendes vorstellen:

Für eine Vergrößerung und personelle Ausweitung war das Offizierskorps nicht groß genug. Es fehlte womöglich einfach an geeigneten Bewerbern? Nicht dass es nicht genug geeignete Leute in Deutschland gegeben hätte, aber das Ofiizierskorps bestand hauptsächlich aus Adeligen. Und deren Anzahl war wohl begrenzt. Eine Erweiterung des Offizierskorps hätte bedeutet, dass mehr Bürgerliche in diese Dömäne des Adels eingedrungen wären und das hätte den hohen Herrschaften wohl nicht gefallen.

So mussten die Bürgerlichen in die Marine ausweichen, was den traditionsbewussten Adeligen aber eher egal gewesen sein dürfte. Die Marine hatte nicht die Tradition des preußischen Heeres und bot für Adelige eh weniger Reputation.

Soweit meine Interpretation.

Viele Grüße

Bernd
 
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@dekumatland: Zur Frage: Die Aufgabe des Heeres war nicht ausschließlich die Landesverteidigung. Es war auch das zentrale Instrument, das als Garant die monarchische Ordnung garantierte,weil es aufgrund seines aristokratischen Offizier-Korps politisch zuverlässig war,

Vor diesem Hintergrund war ein Ausbau des Heeres nicht erwünscht, da zwangsläufig der Anteil des Anteil am O-Korps hätte reduziert werden müssen.

Das ist einer der Gründe, warum das Heer keine Mittelzuweisung, zu diesem Zeitpunkt!!!!, für erforderlich hielt.

Diese Vorstellung wurde durch Ideen der "Modernisierer" in der Armee, wie beispielsweise dem damaligen Oberst Ludendorff, in Frage gestellt. Aus diesem Umfeld wurden die Anforderungen an die externe Kriegsführung höher gewichtet wie die Einsatzfähigkeit der Armee ein internen Konflikten, sprich Bürgerkrieg. Und es erfolgte eine mehr oder minder deutliche Erweiterung des Friedensheeres.
 
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erschreckende Zahlen!... kannst Du kurz was zum unterstrichenen Satz erklären, diese ganz eigenen Gründe: was meinst Du damit?

Thanepower hat schon das Wesentliche genannt.

Das Heer und hier insbesondere das Offizierkorps war die Stütze der Krone. Wilhelm II. hat bei Gelegenheit selbst verlautbaren lassen, das die Armee den Thron auch gegen die inneren Feinde zu schützen habe. Das war ganz eindeutig auf die Sozialdemokratie gemünzt.

Die Armee war bereit auf notwendige personelle Verstärkungen zu verzichten, um unerwünschte "Elemente und Einflüsse" aus der Armee herauszuhalten. Der unerwünschte Personenkreis waren primät die Sozialdemokraten; auf der Offiziersebene waren die Bürgerlichen nicht wirklich gern gesehen.

Dieser Verzicht, dieses jahrelangen fast Aussetzten, der Verstätkung der Armee sollte sich rächen. 1912, man hatte das Flottenrüsten gegen Großbritannien verloren, auch wenn dies noch nicht akzeptiertes Allgemeingut war, erkannte man wie "schwach die Armee zu den Nachbarn Frankreich bzw. dem Zarenreich war. In aller Hektik wurden sehr umfängliche Verstärkungen beschlossen.
 
Vielen Dank für die Antworten!

Ich dachte bislang, dass der Militäradel jener Zeit doch recht zahlreich gewesen sei, hatte das aber nie nachgelesen.
 
Ich dachte bislang, dass der Militäradel jener Zeit doch recht zahlreich gewesen sei, hatte das aber nie nachgelesen.
Oben sind schon die richtigen Hinweise zur potenziellen Funktion der "Bürgerkriegsarmee" gegeben worden.

Eigentlich auch ein Nebenprodukt der Bevölkerungsexplosion. Wobei man den Militarismus auch des Bürgertums (Stig förster) hiervon getrennt sehen muss.

Für die Heeresvermehrungen reichte der Militäradel nicht mehr aus. Es gab in der Armeeführung über 2 Jahrzehnte heftigsten Widerstand gegen jede Verwässerung, noch bis zur Heeresvermehrung 1913.
 
Völlig OT, denn @"Militäradel als Bremse zur Heeresvermehrung"

.....Die Aufgabe des Heeres war nicht ausschließlich die Landesverteidigung. Es war auch das zentrale Instrument, das als Garant die monarchische Ordnung garantierte,weil es aufgrund seines aristokratischen Offizier-Korps politisch zuverlässig war,

Vor diesem Hintergrund war ein Ausbau des Heeres nicht erwünscht, da zwangsläufig der Anteil des Anteil am O-Korps hätte reduziert werden müssen.

Diese Vorstellung wurde durch Ideen der "Modernisierer" in der Armee, wie beispielsweise dem damaligen Oberst Ludendorff, in Frage gestellt. Aus diesem Umfeld wurden die Anforderungen an die externe Kriegsführung höher gewichtet wie die Einsatzfähigkeit der Armee ein internen Konflikten, sprich Bürgerkrieg. Und es erfolgte eine mehr oder minder deutliche Erweiterung des Friedensheeres.
Diese ideologische Schranke zur längst überfällig gewordenen Heeresvermehrung trieb die seltsamsten Blüten. Der oben genannte Ludendorff spielte bekanntlich während des 1. Weltkrieges eine sehr entscheidende Rolle im deutschen Militär und Politik, da er bald zusammen mit dem betagten von Hindenburg (dem späteren, letzten Reichspräsidenten der Weimarer Republik) die im Verlauf des Krieges militärisch – und zunehmend auch politisch - dominierende Oberste Heeresleitung des Kaiserreichs bilden sollte.
Erich Ludendorff ? Wikipedia
Nach dem Kriege versuchte sich Ludendorff als Politiker und kooperierte dabei auch mit dem damals noch eher unbedeutenden Adolf Hitler (eine eigene Geschichte)… Dabei vertrat er eine sehr nationalistisch- chauvinistische Politik in Gegnerschaft zur Republik.

Nun zurück zur „versprochenen Stilblüte“: Dieser Militär, der eigentlich über jeden „republikanischen Zweifel“ erhaben sein dürfte war im Vorfeld des 1. Weltkrieges ein Verfechter einer Heeresvermehrung und wollte dafür auch vermehrt bürgerliche Offiziere heranziehen. In Militärkreisen wurde ihm daher der Vorwurf gemacht ein „Demokrat“ oder gar ein „Republikaner“ zu sein – eben vor dem Hintergrund, dass damit das Militär nicht mehr völlig unter der Dominanz adeliger Offiziere gestanden hätte. An sich ein Treppenwitz, der ob seiner Ungeheuerlichkeit aber eher sprachlos macht!

Dergleichen Ideen waren selbst nach dem Ende dieses Weltkrieges unter ehemals führenden Militärs noch lebendig. In einem unglaublich dicken Band über das „alte Heer“ (das kaiserliche des Krieges) für welches Hindenburg in den 20er Jahren im Vorwort schrieb wurde noch mit Blick auf die November-Revolution von 1918 die RICHTIGKEIT dieser Überlegung (bürgerliche nicht zu sehr in das Offizierskorps aufzunehmen) unterstrichen! Leider ist mir der Titel des „Bändchens“ entfallen. Erschreckend ist jedoch selbst im Rückblick der alten „Militäraristokratie“ nach dem verlorenen Krieg zu sehen, dass ihr Standesbewusstsein größer geblieben war, als ihre Einsicht über Versäumnisse vor- und während des Krieges! Und das, obwohl in anderen Abschnitten des Buches betont worden war, wie sehr sich die bürgerlichen Offiziere während des Krieges bewährt hätten… Ohne innenpolitische Überlegungen ist das nicht nur unverständlich, sondern könnte noch härter beurteilt werden…

Auch in früheren Kriegen war das preußische Militär oft genug genötigt gewesen, auf bürgerliche Offiziere zurückzugreifen. Nach den Kriegen hatte man in der Regel aber dafür gesorgt, dass diese Bürgerlichen möglichst abgeschoben oder entlassen worden waren. Verdiente Offiziere dagegen wurden einfach geadelt und somit in die eigenen Kreise aufgenommen. Mit der Verleihung diverser Kriegsauszeichnungen (Orden) war teils sogar der persönliche oder gar erbliche Adel verbunden. Unter den Männern mit Adelstitel, die später in der Wehrmacht des 2. Weltkrieges noch eine Rolle spielten, gab es einige hochrangige Vertreter dieser Spezies. Dazu gehörten etwa der Vater des Wehrmachtsmarschalls Günther von Kluge; Wilhelm von Leeb und Robert von Greim (beide persönlicher Adel durch „Militär Max Joseph Orden“). August von Mackensen wurde von Kaiser Wilhelm II. persönlich 1899 geadelt. Der Max Joseph Orden war eine bayerische Auszeichnung, während in Preußen seit 1848 mit der Verleihung des „Schwarzer Adlerordens“ ebenfalls der persönliche Adelsstand erworben wurde…

Man sieht also, dass bei allem Standesdünkel auch einige "Ventile" existierten, um in einem gewissen Rahmen auch den "Militäradel" bürgerlich zu ergänzen. Diese Ventile sind aber wohl (aus Sicht des "Militäradels") als nicht ausreichend angesehen worden, um eine entsprechende Heeresvermehrung stemmen zu können, ohne den Charakter des Offizierskorps zu verändern.
 
1913 kam man dann allerdings an die Sollbruchstelle. Diese Heeresvermehrung war ohne bürgerliche "Verwässerung" der potenziellen Bürgerkriegsarmee nicht mehr zu machen und geschah dennoch unter erheblichen Druck (die SPD-Fraktion wurde in den Genuß eines gesonderten "briefings" gesetzt, mit dem 30 Jahre alten Drohszenario russischer Eisenbahnen und den russischen Heeresverstärkungen, sowie mit geheimnisvollen Andeutungen zur deutschen Kriegsplanung - Schlieffenplan, und seinen Erfordernissen an verfügbaren Armeekorps).

Aber: eigentlich sind die Heeresvermehrungen im Wechselspiel zu Frankreich und Rußland zu sehen. Der deutsch-englische Rüstungswettlauf betrifft die maritime Rüstung.
 
@dekumatland: Zur Frage: Die Aufgabe des Heeres war nicht ausschließlich die Landesverteidigung. Es war auch das zentrale Instrument, das als Garant die monarchische Ordnung garantierte,weil es aufgrund seines aristokratischen Offizier-Korps politisch zuverlässig war,

Vor diesem Hintergrund war ein Ausbau des Heeres nicht erwünscht, da zwangsläufig der Anteil des Anteil am O-Korps hätte reduziert werden müssen.

Das ist einer der Gründe, warum das Heer keine Mittelzuweisung, zu diesem Zeitpunkt!!!!, für erforderlich hielt.

Wie passt dan, das in der Marine eine Truppengattung aufgebaut wurde, in welcher durch das schnelle Wachstum bedingt, nicht genügend Adlige Offiziere zur Verfügung standen? Gerade in der Marine hatten ja Söhne von z.B. Akademikern Chancen aufzusteigen.

Apvar
 
Wie passt dann, das in der Marine eine Truppengattung aufgebaut wurde, in welcher durch das schnelle Wachstum bedingt, nicht genügend Adlige Offiziere zur Verfügung standen? Gerade in der Marine hatten ja Söhne von z.B. Akademikern Chancen aufzusteigen.

Weil die Marine keine Bürgerkriegsarmee war, resp. auf dem Trockenen bis 1913 keine Funktion hatte. Jetzt könnte man glatt auf den Gedanken kommen, in der Marinerüstung vor 1913 auch ein Ventil für den "bürgerlichen" Militarismus zu sehen. :still:

Ironie der Geschichte: 1918.
 
Weil die Marine keine Bürgerkriegsarmee war, resp. auf dem Trockenen bis 1913 keine Funktion hatte. Jetzt könnte man glatt auf den Gedanken kommen, in der Marinerüstung vor 1913 auch ein Ventil für den "bürgerlichen" Militarismus zu sehen. :still:

Ironie der Geschichte: 1918.
Ja, immerhin begann die "Novemberrevolution" in den Marinebasen... :evil:
...und bei den "politisch zuverlässigen Freikorps" jener Tage handelte es sich teils um "Gardetruppen", wo der Adel überproportional präsent geblieben war. Als bekanntestes Beispiel im Kontext mit Rosa Luxenburg:

Garde-Kavallerie-Schützen-Division ? Wikipedia

...aber damit beende ich jetzt für mich das OT zur Heeresvermehrung, die nicht im Zusammenhang mit dem deutsch-britischen Rüstungswettlauf zu sehen ist.
 
auch ot

Diese ideologische Schranke zur längst überfällig gewordenen Heeresvermehrung trieb die seltsamsten Blüten.
(...alles hochinteressant!!!...)
Diese Ventile sind aber wohl (aus Sicht des "Militäradels") als nicht ausreichend angesehen worden, um eine entsprechende Heeresvermehrung stemmen zu können, ohne den Charakter des Offizierskorps zu verändern.

Vielen Dank für die Erläuterungen!!

Ich denke gerade an Thomas Manns Roman "Der Zauberberg", der ja in den Jahren 1907-14 spielt. Eine der wichtigsten Figuren dort ist der Offiziersanwärter Joachim Ziemßen, der allerdings aus bürgerlichem Haus (Hamburger Geldadel) stammt. - - Da stellt sich mir nun die Frage, ob das ein Jux des Autors ist, oder ob er womöglich nicht wusste, wie es um die Offiziere und Offizierslaufbahn vor dem ersten Weltkrieg bestellt war.
 
Eine der wichtigsten Figuren dort ist der Offiziersanwärter Joachim Ziemßen, der allerdings aus bürgerlichem Haus (Hamburger Geldadel) stammt. .

Wieso Jux?

Ein anderes Beispiel, der erst als Leutnant eine Adlige heiratete. In seiner Bio. ist vermerkt, dass aufgrund des gesellschaftlich erwarteten Umgangs Offiziere auch beachtliche Kosten hatten, die zuweilen die Bezüge aufzehrten.
Friedrich Paulus ? Wikipedia
 
wenn ich es richtig verstanden habe, dann gab es vor dem ersten Weltkrieg kaum bürgerliche, also nicht adelige Offiziersanwärter - im Roman aber erscheint es als völlige Selbstverständlichkeit, dass Ziemßen Offizier wird, obwohl er nicht von Ziemßen heißt. Machte Thomas Mann da einen Scherz?
 
1913 lag der Anteil der Adligen im kaiserlichen Offizierskorps bei ca. 30 %. Diese 30% bekleideten aber eben Spitzenpositionen. Quelle, Wehler, Kaierreich 1871 - 1918. Thomas Mann machte also kein Scherz.
 
Offiziere des Heeres, bei der Marine habe ich keine Ahnung, konnten bis zum Dienstrgad Haupgtmann von ihrem Sold nicht "standesgemäß" leben und waren auf Zuschüsse ihrer Eltern angewiesen. Je "exklusiver" das Regiment war (z.B. 1. Gardehusarenregiment, Regiment Garde du Corps, 1. Garderegiment zu Fuß etc. <= hier jetzt nur Preußen), desto höher waren die notwendigen "Zuschüsse" der Eltern. Uniform, Pferde etc. mußten die Offiziere selbst zahlen. Noch etwas, je "exklusiver" das Regiment war, desto höher war auch der adelige Anteil im Offizierskorps, insbesondere wenn die Offiziere zum "Hofdienst" befohlen wurden.

Ich denke, der bürgerliche Anteil steigt mit der abnehmenden "Exklusivität" des Regimentes auf; also beim Train wirste Du viele bürgerliche Offiziere finden, bei der Artillerie auch, bei Linieninfanterieregimentern in der Provinz auch, beim Gardekorps eher nicht.

Lies mal von Ludwig Renn, Adel im Untergang, ist zwar Sachsen, aber er beschreibt hier die tägliche Welt eines jungen Offiziers so zwischen 1911 und 1914.

M.
 
... Ich denke, der bürgerliche Anteil steigt mit der abnehmenden "Exklusivität" des Regimentes auf; also beim Train wirste Du viele bürgerliche Offiziere finden, bei der Artillerie auch, bei Linieninfanterieregimentern in der Provinz auch, beim Gardekorps eher nicht....

Das ist genau die Folge auch besonderer Privilegien gewisser Regimenter gewesen. Ich habe bereits in einem anderen Thread als Beispiel für die alten Regimenter des Reiches das „Großherzoglich Hessische Leibgarde Infanterie-Regiment Nr. 115“ erwähnt, das mit der längsten Regimentsgeschichte des Reiches (seit 1621) aufwarten konnte. Einige alte Regimenter besaßen (oder beanspruchten wenigstens) besondere Privilegien, worunter auch das Recht gehören konnte, ein gewichtiges Wort bei der Besetzung freier Offiziersstellen mitreden zu können. Im Detail habe ich hier einiges wieder vergessen. Es war aber teils so, dass den bereits dort dienenden Offizieren Einflussmöglichkeiten eingeräumt worden waren. Eine Empfehlung aktiver oder ehemaliger Offiziere eines solchen Regiments war also mehr als nur von Vorteil. Manche altadelige Offiziersfamilie schickte seit Generationen seine Söhne immer in das gleiche Regiment, was sich teils auch in den Biographien kaiserlicher Offiziere ablesen lässt. Und wenn schon nicht die gleiche Einheit, so wenigstens die gleich Waffengattung (so sie klein genug war, wie bei den Jägern bei denen sowohl Heinz Guderians Vater, als auch der spätere Panzergeneral selbst seine militärische Laufbahn begannen).

In diese Kreise hereinzukommen blieb für rein bürgerliche Offiziere sehr schwer! Da die Lebenshaltungskosten dort unvergleichlich hoch waren (meine Eltern kannten noch als >Sprichwort< „Schulden wie ein Stabsoffizier“), scheint man öfters in reiche bürgerliche Kreise hineingeheiratet zu haben. Beispiele für solche Ehen sind etwa die Mutter Otto von Bismarcks oder Paul von Hindenburg und umgekehrt (adelige Mutter) waren sicher für die Kinder bürgerlicher Väter von Vorteil (wie Ludendorff), da sie so in den Genuss der Protektion altgedienter Offiziere kommen konnten…


In besonderen Details kenne ich mich nicht aus. Es gibt sicher eigene Studien darüber. Man kann aber den „Abglanz“ dieser seltsamen Welt schon bei recht oberflächlicher Betrachtung ganz gut erkennen. Auch in einigen Kurzbiographien sielbst bei Tante Wike - wenn man darauf achtet. Im Zuge der Heeresvermehrungen dürften auch einige alte echte- oder beanspruchte Regimentsvorrechte angekratzt worden sein. Viele davon waren eher Tradition, denn verbrieftes Recht, welche den Personalstellen der Armee einiges Fingerspitzengefühl abverlangt haben dürfte.
 
....Einige alte Regimenter besaßen (oder beanspruchten wenigstens) besondere Privilegien, worunter auch das Recht gehören konnte, ein gewichtiges Wort bei der Besetzung freier Offiziersstellen mitreden zu können. Im Detail habe ich hier einiges wieder vergessen. Es war aber teils so, dass den bereits dort dienenden Offizieren Einflussmöglichkeiten eingeräumt worden waren. Eine Empfehlung aktiver oder ehemaliger Offiziere eines solchen Regiments war also mehr als nur von Vorteil. ..

War es nicht allgemein so, dass der Kommandeur eines Regiments sich die Offizieranwärter aussuchen durfte?

Was die Bürgerlichen betraf, haben die wohl überwiegend eher die "technischen" und "wssenschaftlichen" Laufbahnen gewählt (Artillerie, Genie, Fernmeldetruppe und Eisenbahner), da dort die Adligen weniger präsent waren.

Mein -bürgerlicher- Großonkel war im 1. WK Leutnant bei der Artillerie. Sein Großvater war noch Unteroffizier (Hoboist) gewesen und ist im Krieg 1866 verwundet worden, hat dann mit seiner Invaliden-Rente ein Gasthof in einer Garnisonsstadt eröffnet. Seine Tochter hat dann wieder einen Unteroffizier geheiratet, meinen Urogroßvater, der aber recht früh ins Zivilleben wechselte.

Mein Großonkel war dann nach dem Krieg im Zivilen Leben Beamter bei irgendeiner Pensionskasse und relativ wohlhabend (zum Teil auch durch seine Ehefrau). Es gab also anscheinend schon die Möglichkeit sozialen Aufstiegs über das Militär.
 
Zuletzt bearbeitet:
War es nicht allgemein so, dass der Kommandeur eines Regiments sich die Offizieranwärter aussuchen durfte?
...

Es gab also anscheinend schon die Möglichkeit sozialen Aufstiegs über das Militär.

@Bdaian

"War es nicht allgemein so, dass der Kommandeur eines Regiments sich die Offizieranwärter aussuchen durfte?"

Ja, die Eltern, die jungen Männer waren ja nocht nicht volljährig, fragten bei dem Regimentskommandeur an, ob ihr Sohn als Fahnenjunker eintreten kann. Vorher gab es natürlich eine informelle Anfrage, um sich einer etwaigen offiziellen Absage und sich so der damit verbundenen gesellschaftlichen Blamage zu ersparen. Dabei galt es sehr viele informelle/gesellschaftliche "Fallstricke" zu beachten. Wie z.B. Regimentstradition, Familientradition, Vermögen, das etwaige Verhältnis zu den Regimentschefs usw.

"Es gab also anscheinend schon die Möglichkeit sozialen Aufstiegs über das Militär"

Ja, ehemalige Unteroffiziere wurden bevorzugt in der Verwaltung eingestellt (Eisenbahn, Post, kommunale Verwaltungen etc.). Eine "Versorgungspolitik" die zur Militarisierung der deutschen Gesellschaft beigetragen hat.

M. :winke:
 
Von Wurzeln zum Werden des Kaiserreichs und seines Offizierskorps

@Versorgungswesen:
Ab 1825 wurde durch das Pensionsreglement für die Mannschaften die Zivilversorgung sicher gestellt, indem diese in bestimmten Stellen des Unterbeamtendienstes untergebracht wurden.

@Offiziersstellen
So völlig allgemeine Regeln für die Armee vor 1914 lassen sich wohl schwer aufstellen, da es eine Armee war, die aus den Kontingenten der Bundesstaaten zusammen gesetzt war. Neben der absolut dominierenden preußischen Armee (auf die ich mich im folgenden allein beziehen werde), hatten vor allem die Armeen Bayerns und Sachsens weitgehende Eigenständigkeit – und sogar eigene Kriegsministerien (inkl. Württembergs! Wobei etwa die Bayern noch im Weltkrieg auch eigenständige Ausrüstungswege beschreiten konnten, wie bei der Beschaffung und Typenauswahl der Flugzeuge im Laufe dieses Krieges noch erkennbar wird).

@Armee in Bürgerkrieg und Revolution:
Die Heeresreformen nach 1807 hatten in Preußen nicht länger ein „Söldnerheer“ hinterlassen, sondern durch allgemeine Wehrpflicht und Gliederung in drei Gruppen das ganze personelle Potential des Staates zumindest theoretisch erfasst.

Das stehende Heer umfasste nur einen Teil der Wehrpflichtigen zwischen 20 und 25 Jahren. Die Übrigen inklusive der „Reservisten“ aus dem stehenden Heer gehörten der Landwehr bis zu einem Alter von 39 Jahren an. Die Landwehr gliederte sich in zwei Aufgebote. Die Landwehr I. Aufgebots sollte im Kriegsfall gemeinsam mit dem Stehenden Heer in gemeinsamen Verbänden eingesetzt werden. Die Landwehr II. Aufgebots war für Besatzungs- und Befestigungsdienst vorgesehen und von minderer Qualität. Alle übrigen Männer zwischen 17 bis 50 Jahren wurden dem Landsturm zugeordnet, dessen Einsatz nur in speziellen Fällen der Landesverteidigung gedacht war. Dazu kamen die „Einjährig dienenden Freiwilligen“ (siehe Unten). Diese relativ starre Einteilung sollte zum späteren Verfassungskonflikt mit König Wilhelm und der Berufung Bismarcks führen, als der König eine Heeresreform anging.

Dem voraus war das Revolutionsjahr von 1848/49 ein Wendepunkt. Das Volk war sehr stolz auf die Landwehr, die ein hohes Ansehen genoss. Ihre Offiziere (siehe Unten) waren eher bürgerlich und wohlhabend, aber wenig ausgebildet, genossen dabei ebenfalls hohes gesellschaftliches Ansehen. Aus Sicht der “Royalisten“ versagte die Landwehr daher politisch völlig in den Revolutionsjahren. Als die Revolution ausbrach „…zeigten sich die Schwächen des Heeres an allen Ecken und Enden. Zwar zeigte sich das Verhalten der Linie [= stehendes Heer] … über alles Lob erhaben, aber die Landwehr versagte. Bei der Einziehung kam es vielfach zu Ausschreitungen. Zwei berliner Bataillone mussten entwaffnet werden. .. ihre Disziplin und Ausbildung waren ungenügend, ihre Führung versagte. Auch die Artillerie entsprach nicht den Anforderungen.“ [Müller-Loebnitz nach 1923].

Das Urteil Müller-Loebnitz zeigt eindeutig, dass die Landwehr sich vor allem als politisch unzuverlässig in inneren Konflikten gezeigt hatte. Das ist der größte Kritikpunkt bei allen offensichtlichen Mängeln ihrer Ausbildung, Führung und Gliederung. Die 1850 erfolgte Mobilmachung im Kontext mit neuer Verfassung und der Schleswig-Holstein-Krise und politischer Rückzieher in der Olmützer Punktation sah die preußische Armee in schlechter Verfassung. Preußische Nationalisten sprachen gar von der Olmützer Erniedrigung, da Österreich sich im Ringen um Vorherrschaft in Deutschland so offensichtlich durchsetzen konnte. Es gab also genügend Gründe für die Landwehr in einer kleinen Reform des Generals von Bonin wenigstens geringe, aktive Stämme und Offiziere zuzuordnen. Dazu wurden die Landwehrverbände nun eng an die aktiven Truppen angebunden. Die Landwehrbrigaden aufgelöst und je ein aktives Regiment bildete zusammen mit einem Landwehrregiment der gleichen Nummer eine gemeinsame Brigade, die auch gemeinsame Übungen abhielten. Die angestrebte, dreijährige Dienstzeit der Rekruten konnte nicht durchgesetzt werden, dabei wurden 1857 ohnehin nur rund 28 % der Wehrpflichtigen überhaupt eingezogen.

Das preußische Parlament (Abgeordnetenhaus) leistete gegen die Heeresreformen ab 1860 zunehmend Widerstand, da es die zusätzlichen Gelder bewilligen musste und die immer engere Anbindung „ihrer Landwehr“ an die Stammeinheiten mit Misstrauen sah. Bald schlug die Stunde des Gespanns König Wilhelms und seines Kanzlers Bismarck.
 
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