Adoptivkaiser (humanitäres Kaisertum)? antoninische Dynastie

Du meinst also, dass in der HA aus reinem Zufall und völlig ohne Bezug zum künftigen Verhalten des Commodus das Gerücht auftaucht, er sei ausgerechnet der Sohn eines Gladiators?
 
Du meinst also, dass in der HA aus reinem Zufall und völlig ohne Bezug zum künftigen Verhalten des Commodus das Gerücht auftaucht, er sei ausgerechnet der Sohn eines Gladiators?

Wen interessierts? Ob er nun der Sohn eines Gladiators war oder nicht, ändert Null und Nix an der weiteren Geschichte. Wobei Commodus ein besserer Kaiser war, als er dargestellt wurde und immer noch wird. Das Einzige was ich ihm letztendlich vorwerfen kann, ist der Beginn der Münzverschlechterung. Und dass der junge Mann keinen genialen Einfall hatte wie man die Staatsausgaben und die Geldmenge angesichts des durch die Pest gesunkenen Bruttosozialprodukts wirksam reduzieren könnte. Commodus wusste ja nicht, dass er das unbedingt tun musste!

Und vielleicht, daß er die spätere Tschechoslowakei nicht provinzialiserte. Sofern das denn überhaupt jemals geplant war.

Im übrigen bin ich ebenfalls der Meinung, daß das Adoptivkaisertum mit Augustus begann! Nerva bis Marc Aurel war reiner Zufall ohne jedwede politische Intention. Im Gegenteil: es gab sogar eine durch (lockere) Blutsbande legitimierte antoninische Dynastie!
Es ist zu tiefst römisch. Wenn es keine natürlichen Erben gibt, dann adoptiert man. Und NIEMAND machte einen Unterschied zwischen leiblich und adopiert! Weder das römische Gesetz noch die römische Gesellschaft!!!
Anders als heute.
 
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Wie zuverlässig sind eigentlich die Berichterstatter über Commodus?
Cassius Dio hat ihn noch selbst erlebt und schildert besonders sein vollkommen irres Verhalten, wenn er die Arena selbst betrat aus eigener Ansicht der Szenen. Er schrieb sein Werk für Leser, die teilweise auch noch den Kaiser erlebt hatten. Folglich dürfte er keine vollkommenen Unmöglichkeiten über Commodus geschrieben haben, wenn er als Geschichtsschreiber ernst genommen werden wollte.
Fast alle "verrückten" römischen Kaiser hatten eine Gemeinsamkeit. Sie waren viel zu jung und ohne eigenes Verdienst zur Herrschaft gelangt. Commodus war 19, Nero 17 , Caligula 25 , Caracalla 23 und Heliogabalus war erst 14 Jahra alt als ihnen der Purpur zufiel. Alle noch im mehr oder weniger jugendlichen Rowdyalter. Domitian war mit 30 nicht mehr ganz so jugendlich , galt aber, trotz charakterlicher Schwächen, zumindest in den ersten Jahren seines Prinzipates als fähiger Regent. Sie waren alle nicht die Ersten einer Dynastie sondern die Herrschaft war ihnen mehr oder weniger in den Schoß gefallen. Sie dürften sich wie Kinder gefühlt haben, die sich im Süßwaren -und Spielzeugladen ungestraft bedienen durften. Da war überdrehtes Verhalten beinahe vorprogrammiert.
Auch Octavian war in seinen jungen Jahren ziemlich grausam und skrupellos ,musste sich aber den Weg zur absoluten Macht erst erkämpfen, sodass er sein Werk später nicht durch sinnlose Morde leichtfertig aufs Spiel setzte . Seneca schrieb ,sinngemäß in seiner Schrift über die Milde (Clementia) am Beispiel von Augustus ,dass er dessen gnädiges, späteres Auftreten nicht für Milde sondern nur für ausgetobte, ermüdete Grausamkeit hielt.
 
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Wobei Commodus ein besserer Kaiser war, als er dargestellt wurde und immer noch wird. Das Einzige was ich ihm letztendlich vorwerfen kann, ist der Beginn der Münzverschlechterung. Und dass der junge Mann keinen genialen Einfall hatte wie man die Staatsausgaben und die Geldmenge angesichts des durch die Pest gesunkenen Bruttosozialprodukts wirksam reduzieren könnte. Commodus wusste ja nicht, dass er das unbedingt tun musste!
Hast Du vollkommen neue Erkenntnisse über den Kaiser, dass Du derartige Aussagen treffen kannst. Wenn Zeitgenossen uns hinterlassen haben, dass er vom regieren überhaupt nichts hielt ,sondern diese Arbeit vollkommen seinen Freigelassenen , erst Perennis und nach dessen Ermordung Cleander überließ und selbst sich nur seinen Vergnügungen nachging, begreife ich nicht wie man dazu kommt, zu behaupten, dass er besser als sein Ruf war. Ein Kaiser, der zuließ, dass Cleander Posten , Senatorenstellen, Statthalterschaften und militärische Führungsposten an Meistbietende verkaufte, sodass es in einem Jahr 25 Konsuln gab, kann wohl kaum als fähiger Anführer gelten. Sein Größenwahn zeigt sich an den vollkommen albernen göttlichen Ehrennamen, wie ,die auch teilweise auf Münzen zu lesen sind. Mit Nero hat er gemeinsam, dass beide Rom umbenennen wollten . Der Eine in "Neropolis" der zweite in" Colonia Commodiana". Absolut lächerlich und kaum eines großen Kaisers würdig. Wenn es wahr ist, was Cassius Dio schreibt, dass er bei seinen nicht öffentlichen Gladiatorenkämpfen, gelegentlich seine Sparringspartner erstach, so war er auch noch ein echter Mörder und nicht nur ein Schreibtischtäter.
 
Wobei für mich noch immer ein Problem die Zuverlässigkeit der Quellen ist, selbst Zeitzeugnisse sind nicht hundertprozentig verlässlich, und das schon gar nicht, wenn es sich um Chroniken, Geschichtsschreibungen oder reelle bzw. vermeintliche Augenzeugenberichte handelt.

Genau berechtigt, ist es doch ca. 1600 Jahre her, dass es diesen Commodus gegeben hat. Sind aber schon die Zeitzeugen nicht über jeden Zweifel erhaben, die ihn noch gekannt haben, kommt noch die Sicht von vielen Generationen hinzu, wobei die meisten dem unterworfen waren, was ich als Zeitgeistmode bezeichne.

Ich behaupte nun keineswegs, dass Commodus ein besonders fähiger Herrscher war, dafür gibt es eindeutig keine Belege, aber es stellt sich doch die Frage, ob er im Vergleich zu anderen durchschnittlichen Herrschern, die es auch gegeben haben dürfte, wirklich so viel schlechter abschneidet.

Hinzu kommt noch, dass manches an der Grenze zum Klischee ist. Dass er z. B. die Arbeit seinen Freigelassenen überlassen hat, ist grundsätzlich kein Fehler, vor allem, wenn sie einfach wirklich dafür geeigneter gewesen wären.

Auf der anderen Seite stellt sich schon die Frage, warum es eigentlich immer die schwachen und unfähigen Herrscher sind, die eine Günstlingswirtschaft treiben, bösen oder unfähige Räte haben etc.

Ebenso wäre zu hinterfragen, was tatsächlich hinter dem zweifelhaften Sexualleben mehrere Frauen aus dem Kaiserhaus auf sich hatte. Bei Faustina d. J. ist nur von einem lockeren Lebenswandel die Rede, aber immerhin wird ihr auch der Ehebruch unterstellt, wenn Commodus (und auch andere Kinder) nicht von Marc Aurel waren. Bei anderen Kaiserinnen kommt mir das Ganze etwas seltsam vor. Da wäre Messalina d. J., die vielleicht tatsächlich Liebhaber hatte, aber die Beziehung, die ihr sozusagen das Leben gekostet hat, ist zumindest merkwürdig. Von einer Enkelin des Augustus erfahren wir, dass sie wegen Ehebruchs bestraft wurde, etwas seltsam ist allerdings schon, dass der in diesem Fall betrogene Ehemann wegen einer Verschwörung verurteilt wird ...

Wie steckt also wirklich hinter dem, was Zeitgenossen noch überliefert haben?
...
 
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Man kann das sicher so sehen, auch wenn El Quijote einige Gegenargumente gegen diese Sichtweise angeführt hat.

Ich hatte mich an diesem Thread noch gar nicht beteiligt. Du musst jemand anderen meinen.

Genau das ist die umstrittene Frage. Wie Dir schon aufgefallen sein wird, wird heute "Quellenkritik" gerne so betrieben, dass in etwa das Gegenteil dessen, was in den Quellen steht, wahr sei.
Bitte, Ravenik, das stimmt nicht. Quellenkritik ist eine wissenschaftliche Methode, welche zunächst einmal noch gar keine Aussage über den Wahrheitsgehalt einer Quelle macht. Sie gliedert sich in innere und äußere Quellenkritik. Auch ein Meilenstein oder eine Scherbe wird der Q-Kritik unterzogen.
Zunächst einmal fragt die Q-Kritik danach, wie die Quelle auf uns gekommen ist. Dann fragt sie danach, ob es eine Traditions- oder Überrestquelle ist. Und schließlich, insbesondere bei Traditionsquellen, fragt sie nach dem Wahrheitsgehalt bzw. nach dem Mitteilungsziel.
Was konnte der Urheber wissen?
Was wollte er mitteilen? (Ggf.: Wo stand er politisch?)
Was wollte er nicht mitteilen?
Wer war der Adressat?
Gibt es textimmanente Widersprüche?
Gibt es andere Quellen, die dasselbe mitteilen? In welchem Abhängigkeitsverhältnis stehen sie zueinander?
Stellen andere Quellen denselben Sachverhalt in erheblichen Maße anders dar? Lassen sich diese Widersprüche auflösen? Bei Aussage gegen Aussage: Welche Darstellung ist plausibler, hat weniger textimmanente Widersprüche?
Etc.
Danach kann man mitunter, im Extremfall, auch zu dem Ergebnis kommen, dass genau das Gegenteil dessen, was in der Quelle steht, richtig sei. Das muss sich dann aber schon sehr gut begründen lassen.
Der Normalfall ist das jedoch nicht, dass aus einer Quelle das glatte Gegenteil herausgelesen würde.

Du meinst also, dass in der HA aus reinem Zufall und völlig ohne Bezug zum künftigen Verhalten des Commodus das Gerücht auftaucht, er sei ausgerechnet der Sohn eines Gladiators?
Auch wenn ich nicht der Angesprochene bin: Nein, sicher nicht. Die HA entstand schließlich gut 100 Jahre nach Commmodus' Tod. Natürlich wird das Gerücht ex post verbreitet. Interessanter wäre, wir könnten das Gerücht nachweisen, bevor Commodus jemals als Gladiator aufgetreten wäre. Dann hätte es einen völlig anderen Quellenwert. Aber wir alle wissen doch, dass wir nur bedingt die Interessen und Talente unserer Eltern teilen. Insofern ist die Unterstellung, Commodus sei tatsächlich der Sohn eine Gladiators eine Pseudokausalität.
 
Ich hatte mich an diesem Thread noch gar nicht beteiligt. Du musst jemand anderen meinen.


Auch wenn ich nicht der Angesprochene bin: Nein, sicher nicht. Die HA entstand schließlich gut 100 Jahre nach Commmodus' Tod. Natürlich wird das Gerücht ex post verbreitet. Interessanter wäre, wir könnten das Gerücht nachweisen, bevor Commodus jemals als Gladiator aufgetreten wäre. Dann hätte es einen völlig anderen Quellenwert. Aber wir alle wissen doch, dass wir nur bedingt die Interessen und Talente unserer Eltern teilen. Insofern ist die Unterstellung, Commodus sei tatsächlich der Sohn eine Gladiators eine Pseudokausalität.

Tut mir leid, ich habe Dich mit Ravenik verwechselt!

Es ging mir aber genau um den Sachverhalt, den Du gerade dargelegt hast: Natürlich könnte der so gladiatorenbegeisterte Kaiser Sohn eines Gladiators sein, wie es in der HA kolportiert wird. Wahrscheinlicher ist aber, dass es sich um eine Behauptung handelt, die darauf beruht, dass die Autoren oder auch einige Zeitgenossen zwischen Marc Aurel und Commodus - zu Recht oder zu Unrecht sei hier einmal dahingestellt - kaum Gemeinsamkeiten entdecken konnten und deshalb einen Vater "erfanden", der besser zu seinem Sohn zu passen schien.

Es scheint mir daher keine übertrieben kritische Haltung zu sein, wenn man die entsprechende Angabe für ein reines Gerücht ohne historische Grundlage hält.
 
- übereilter Friedensschluss an der Nordgrenze

Ein Friedensschluss in einem Krieg, den der "große" Mark Aurel jahrzehntelang nicht gewinnen konnte, ist jetzt plötzlich "übereilt"?
Objektiv wissen wir doch wenig über die militärische Lage, ebensowenig können wir diese Aussage seiner Gegner bewerten

Vernachlässigung der Regierungsgeschäfte,
Günstlingswirtschaft (...), massiver Personenkult, diverse Justizmorde (...)

Könnte man nahezu jedem Kaiser vorwerfen

"Sanieren" ist eher relativ. Gleichzeitig gab er viel Geld für Volksbelustigungen aus.

Auf Kosten des Senates, der ihn daher beseitigen wollte und die Geschichtsschreibung über ihn dominierte.

So einfach kann man es sich nicht machen. Hadrian hatte (vor allem wegen diverser Hinrichtungen von Senatoren) auch ein schwieriges Verhältnis zum Senat, trotzdem kam er später in der Geschichtsschreibung (auch beim Senator Cassius Dio) relativ gut weg.

Was sagt Hadrians Bewertung über die des Commodus aus?

Natürlich ist beliebt, wer etwas springen lässt, das hat sich bis heute nicht geändert. Ob es gut für den Staat ist, ist eine andere Frage.

Und wer beurteilt das? Der Senat?

Mark Aurel gelang die Wiederherstellung der Donaugrenze, insofern war sein Krieg weder unergiebig noch erfolglos.

Eine sehr wohlwollende Bewertung. Wobei die Donaugrenze ja wohl letztlich erst durch die Siege im dritten Markomannenkrieg gefestigt wurde, welcher - als Erfolg des Commodus - in der Geschichtsschreibung aber eher totgeschwiegen wurde.
 
Wenn wir uns moderne Interpretationen Neros anschauen, können wir da auch Recht gut Commodus einordnen. Er sprach wohl einfach andere soziale Schichten an.

Und was den Frieden angeht, hatte er Kontakte zur Oberschicht der gegnerischen Ethnien geknüpft. So etwas erleichtert im Allgemeinen den Frieden und war von Marc Aurel vielleicht sogar gewünscht. Es entsprach natürlich nicht den Erwartungen senatorischer Geschichtsschreibung. Aber durchaus römischer Außenpolitik. Durch Beziehungen zur Oberschicht wird ein Klientelstaat geschaffen, den man im Zweifel übernehmen kann.

In diesem Fall ist nur die Frage, wie greifbar eine Provinz geworden war: Hatte Marc Aurel dies schließlich doch geplant, war zu früh gestorben und der Sohn sah sich der alten Linie verpflichtet? In dem Sinne, dass es zu Anfang seiner Herrschaft zu riskant schien, von dieser Linie abzuweichen. Wollte er sich das Volk verpflichten, musste er nach Rom. Die Senatoren hat er ja nicht zu stützen seiner Gesellschaft gemacht.

Was den Lebenswandel angeht, ist doch altbekannt, dass die senatorische Geschichtsschreibung wie Augustus ein Heilmittel für die Probleme der Gegenwart in der Restauration veralteter Moral sah. Man denke an die Tochter des Augustus. Diese kann dazu noch zum Topos geworden sein. Aber notwendigerweise mussten die Teile des Kaiserhaus es, die sich an die unteren Schichten Roms ablehnten, sich einer moderneren Lebensweise und Moral befleissigen. (Es geht hier ja nicht um abgehobene Philosophie. Das Ringen Marc Aurel um die Vereinbarung von Philosophie und Realität ist ja bestens bezeugt.)

Der dritte Nachtfalter (zu schön um die Autokorrektur zu beheben, gemeint ist Machtfaktor) war die Armee. Jahrelangen Krieg ohne Aussicht auf große Heute schnell beendet? Braver Kaiser! Auf eine Provinz verzichten, die langfristig zu einer Verkleinerung der Armee hätte führen können? Ganz ein braver, der Kaiser! Auch Mal Leuten eine Chance geben, die nicht zu den oberen Zehntausend gehören? Der Mann weiß, was die Armee will.

(Und fängt nicht wieder von Kosten einer Provinz an. Die gab es nicht. Kein neues Militär, exakt 2 oder 3 Beamte, die nicht bezahlt wurden. Gut, vielleicht ein paar Spitzel.)

Adoption? Wozu, es gibt doch einen Sohn. Und Adoptivsöhne neigen dazu, die leiblichen umzubringen. Denken wir an Nero. Aber der will sich auf andere Gruppen stützen?! Nach hundert Jahren vielleicht mal einen Gedanken wert.
 
Wobei für mich noch immer ein Problem die Zuverlässigkeit der Quellen ist, selbst Zeitzeugnisse sind nicht hundertprozentig verlässlich, und das schon gar nicht, wenn es sich um Chroniken, Geschichtsschreibungen oder reelle bzw. vermeintliche Augenzeugenberichte handelt..
Natürlich können wir nach so langer Zeit nicht beurteilen, ob Zeitzeugen vollkommen zuverlässig waren. Zuverlässiger als unsere ,fast 2 Jahrtausende späteren Schlaumeierei dürften sie aber allemal sein. Außerdem bleiben uns nur die antiken Autoren übrig, ohne diese wüssten wir so gut wie gar nichts über die einzelnen Kaiser. Nur von Münzen und Statuen ließe sich deren Charakter nicht ablesen.
Wenn Cassius Dio über Julius Caesar schrieb, konnte er nur auf Schriftliches zurückgreifen, wenn er aber über Kaiser, die er selbst erlebte berichtete, kann man ihm nicht unterstellen, dass er das nur vom Hörensagen her wiedergab. Als Senator dürfte er und einige seiner Leser den Kaiser aus ziemlicher Nähe erlebt haben. Er selbst schreibt, dass seine Recherchearbeit für sein Werk 10 Jahre in Anspruch nahm. Etwas Anderes tut ein heutiger Biograph auch nicht.
Ob Commodus der tatsächliche oder untergeschobene Sohn des Marc Aurel war, wird ohnehin nicht mehr nachweisbar sein und ist auch nicht wirklich wichtig, bei der Beurteilung der Regierungszeit des Kaisers.
 
Bitte, Ravenik, das stimmt nicht.
Natürlich war meine Aussage zugespitzt.

Was wollte er mitteilen? (Ggf.: Wo stand er politisch?)
Und hier wäre das Hauptproblem. Aus dem Umstand, dass ein Geschichtsschreiber der senatorischen Oberschicht angehörte, wird vorschnell geschlossen, er habe Kaiser, die mit dem Senat auf nicht so gutem Fuß standen, bewusst - und wahrheitswidrig! - schlecht gemacht.
Mit demselben Recht könnte man auch davon ausgehen, dass jeder demokratisch gesinnte heutige Historiker, der über einen Diktator schreibt, dessen Fehlverhalten und Übeltaten einfach erfunden hat.

Wer war der Adressat?
Zum Teil Zeitgenossen aus der gebildeten Oberschicht, die erkannt hätten, wenn eine Darstellung wenig mit der Realität zu tun hatte.

Man sollte nicht vergessen, dass Geschichtsschreibung als angesehene, ernsthafte, ehrenvolle Beschäftigung galt, durch die man sich einen guten Ruf und bleibenden Ruhm erwerben konnte. Um bei Cassius Dio zu bleiben, er hätte sein ganzes aufwändiges 80-bändiges Werk und seinen Ruf aufs Spiel gesetzt, wenn er in den letzten Bänden, die Zeitgeschichte enthielten, einfach Dinge behauptet hätte, von denen seine römischen Leser wussten, dass sie nicht stimmen.
Natürlich gab es trotzdem Autoren, die so manches an Müll schrieben, z. B. der Grieche Ktesias, aber er war entsprechend auch bereits in der Antike ausgesprochen übel beleumundet. Das war bestimmt nicht die Nachwirkung, die sich Cassius Dio erhoffte.

Was würdest Du von einem Historiker halten, der ein Buch über einen deutschen Politiker der jüngeren Vergangenheit schreibt und darin allerhand Sachen behauptet, die offenkundig nicht stimmen, nur um ihn in ein schlechtes Licht zu rücken - auch wenn Du selbst vom Politiker auch keine gute Meinung hast?

Könnte man nahezu jedem Kaiser vorwerfen
Na dann zähle einmal auf. Oder, da Du davon ausgehst, dass nahezu jeder Kaiser die Regierungsgeschäfte vernachlässigt hat, Günstlingswirtschaft und einen massiven Personenkult betrieben hat und Justizmorde veranlasst hat, ist es vielleicht einfacher, Du zählst die wenigen auf, auf die das nicht zutrifft.

Was sagt Hadrians Bewertung über die des Commodus aus?
Sie sagt aus, dass die postulierte Gleichung "Kaiser ist beim Senat unbeliebt"="Kaiser wird in der Geschichtsschreibung als Unhold dargestellt" (man könnte das = auch durch ein => ersetzen) nicht die behauptete Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen kann.

Auf Kosten des Senates, der ihn daher beseitigen wollte und die Geschichtsschreibung über ihn dominierte. [...] Und wer beurteilt das? Der Senat?
Ob Sparsamkeit oder Geldausgeben besser ist, ist bekanntlich bis heute umstritten. Geld für Volksbelustigungen auszugeben, dürfte allerdings nicht einmal einen sonderlich stimulierenden Effekt auf die Volkswirtschaft gehabt haben.

Eine sehr wohlwollende Bewertung. Wobei die Donaugrenze ja wohl letztlich erst durch die Siege im dritten Markomannenkrieg gefestigt wurde, welcher - als Erfolg des Commodus - in der Geschichtsschreibung aber eher totgeschwiegen wurde.
Bereits ab 172 hatte sich der Kriegsschauplatz in das Gebiet jenseits der Donau verlagert.
Im Übrigen zeigt der dritte Markomannenkrieg doch, dass Commodus etwas gar vorschnell nach Rom zurückgekehrt war und seinen Triumph feierte.
Was den Vorwurf des Totschweigens betrifft: Eine kaiser-zentrierte Geschichtsschreibung bringt es nun einmal mit sich, dass über Kriege primär dann berichtet wird, wenn der Kaiser selbst das Kommando führte. Wir wissen auch über die Kriege zur Zeit des Antoninus Pius (der das Kriegführen ebenfalls anderen überließ) kaum etwas. Mit bewusstem Totschweigen hat das nichts zu tun.

Der dritte Nachtfalter (zu schön um die Autokorrektur zu beheben, gemeint ist Machtfaktor) war die Armee. Jahrelangen Krieg ohne Aussicht auf große Heute schnell beendet? Braver Kaiser! Auf eine Provinz verzichten, die langfristig zu einer Verkleinerung der Armee hätte führen können? Ganz ein braver, der Kaiser! Auch Mal Leuten eine Chance geben, die nicht zu den oberen Zehntausend gehören? Der Mann weiß, was die Armee will.
Ganz so einfach war das nicht. Kaiser Severus Alexander wurde gestürzt und ermordet, weil seine Soldaten unzufrieden damit waren, dass er sich vor dem Germanenkrieg drückte.
Ein sich allzu kriegsunlustig gebärdender Kaiser war bei den Soldaten deswegen keineswegs automatisch populär.
 
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Mit demselben Recht könnte man auch davon ausgehen, dass jeder demokratisch gesinnte heutige Historiker, der über einen Diktator schreibt, dessen Fehlverhalten und Übeltaten einfach erfunden hat.

Wir verfügen heute über Internet und Fernsehen, sind weltweit vernetzt, haben also, so scheint es jedenfalls sogar viele Möglichkeiten, die Fakten selbst zu überprüfen. Trotzdem habe ich inzwischen den Eindruck, dass das, was uns alles heute als Fakt von den Medien präsentiert wird, wirklich zutrifft. (Und ich habe seit meiner Kindheit auch schon erlebt, dass Geschichte (darunter auch Dinge, die ich schon selbst erlebt habe), einige Male umgeschrieben wurde, und der tatsächliche Grund war keineswegs, weil der plötzlich etwas Neues entdeckt wurde.

Es gab eine Zeit, wo ich Tagebuch geführt habe, zum Glück muss ich heute sagen, weil mir das privat schon einige Male geholfen hat, zu überprüfen, ob meine Erinnerung stimmt, wenn wieder einmal ein Fall aus meinem Bekanntenkreis oder der Familie erzählt wird und mir gleich auffällt, wie sehr sich doch das ursprüngliche Geschehnis verändert hat.

Meine Erfahrung dabei ist, dass Menschen offensichtlich sehr rasch gewisse Dinge vergessen oder ihre persönliche Erinnerung an eine neue Sicht anpassen.

Warum soll das vor Jahrtausenden bzw. Jahrhunderten so anders gewesen sein? Woher wissen wir, dass zumindest eine gebildeten Oberschicht sicher erkannt hätte, wenn eine Darstellung wenig mit der Realität zu tun hatte, vor allem, wenn sie vielleicht selbst mit der geänderten Darstellung zufrieden war, gewisse Dinge vergessen wollte oder sich auf neue Verhältnisse eingestellt hat.

Dass Geschichtsschreibung als angesehene, ernsthafte, ehrenvolle Beschäftigung galt, durch die man sich einen guten Ruf und bleibenden Ruhm erwerben konnte, schließt das wirklich aus, dass ein Chronist davor gefeit war, letztlich das, was die Zeitgenossen hören wollten zu vermitteln, statt strikt bei dem zu bleiben, was er vielleicht selbst erlebt hatte, aber inzwischen längst nicht mehr als "zeitgemäße" Sicht galt.

Hinzu kommt noch, dass wir keine Originale besitzen. Können wir wirklich hundertprozentig ausschließen, dass spätere Abschreiber / Übermittler das 80bändige Werk eines als wichtig geltenden Historikers und Chronisten ohne Veränderungen abgeschrieben haben?

Außerdem kommt noch die Rolle des Erzählers hinzu. Chronisten und Geschichtsschreiber haben nicht nur Fakten übermittelt. Deutlich erkennbar ist, dass es ihnen da um mehr ging. Fakten werden nicht einfach aufgezählt, sondern in eine Form gebracht, Zusammenhänge werden hergestellt und das Ganze soll eine schlüssigen Text ergeben, und das wiederum setzt einen etwas freieren Umgang mit dem "Material" voraus. Hinzu kommt noch, dass diese Chronisten und Geschichtsschreiber sicher auch in der Absicht schrieben, um zu unterhalten, zu bilden etc., und sie haben wohl nicht nur für spätere Generationen geschrieben, sondern auch für Zeitgenossen und hatten wohl auch das zu berücksichtigen.

Hinzu kommt noch, dass geschriebener "Müll" nicht immer als solcher leicht zu erkennen ist. Nicht immer sind allerlei Sachen, die behauptet werden, aber nicht stimmen, tatsächlich als falsche Information erkennbar. (Und das sicher nicht, wenn die Leserschaft selbst das so sehen wollte oder sich Chronist und Leserschaft diesbezüglich einig waren.)

Beim Beispiel Commodus kommt noch hinzu, dass mit der Ermordung des Kaisers die Dynastie ausstarb. Nachfahren gab es keine, die vielleicht an einer Rehabilitierung von ihm Interesse gehabt hätten.

Dass Commodus Familienmitglieder und weitere Personen hinrichten ließ, ist sicher nicht zu bagatellisieren, aber es zeigt auch, dass seine Position als Kaiser bereits vor seiner Ermordung schwer angeschlagen gewesen sein muss und es da bereits einen Machtkampf gegeben hat. Die Ermordung und der Umstand, dass er in der Folge das hatte, was wir heute als schlechte Presse bezeichnen, zeigt jedenfalls, dass in diesem Machtkampf die Gegnerseite den Sieg davon getragen hat, und die hatten sicher großes Interesse an einem negativen Commodus-Bild, denn immerhin galt es ihr eigenes Handeln zurechtfertigen, und dazu gehörte eine Ermordung.

Selbst wenn Cassius Dio ein objektiver Berichterstatter war, mag er schon, um sich selbst zu schützen, die "Sicht" der Sieger übernommen haben.
 
@ Ravenik: Das war aber eine ganz andere Situation. Ein unter Kuratel gehaltener Kaiser, von dem erwartet wurde, dass er, sobald er zur Armee kam, die Macht selbst übernahm. Auf der anderen Seite eine seit längerem im Einsatz befindliche Armee.
 
Um bei Cassius Dio zu bleiben, er hätte sein ganzes aufwändiges 80-bändiges Werk und seinen Ruf aufs Spiel gesetzt, wenn er in den letzten Bänden, die Zeitgeschichte enthielten, einfach Dinge behauptet hätte, von denen seine römischen Leser wussten, dass sie nicht stimmen.

Vor allem hätte er den Erfolg seines Werkes aufs Spiel gesetzt, wenn er begonnen hätte, Dinge zu schreiben, die seine Leserschaft nicht wahrhaben und auch nicht lesen wollte.

Na dann zähle einmal auf.

Wo soll ich anfangen? Am besten am Anfang: Augustus, Tiberius....

Ob Sparsamkeit oder Geldausgeben besser ist, ist bekanntlich bis heute umstritten. Geld für Volksbelustigungen auszugeben, dürfte allerdings nicht einmal einen sonderlich stimulierenden Effekt auf die Volkswirtschaft gehabt haben.

Ich wundere mich etwas über dein Urteil hier. Was wissen wir tatsächlich über die Finanz- und Geldpolitik des Commodus, selbst wenn wir alle Berichte über ihn für bare Münze nehmen?

Im Übrigen zeigt der dritte Markomannenkrieg doch, dass Commodus etwas gar vorschnell nach Rom zurückgekehrt war und seinen Triumph feierte.

In wie fern? Er hatte mit Markomannen und Quaden Frieden geschlossen, danach Jazygen und Daker besiegt. Was war hier vorschnell? Vor allem auch aus dem Blickwinkel, dass auch du in der Folge schreibst, dass wir über die Feldzüge kaum etwas wissen?


Im übrigen will ich gar nicht behaupten, dass die Aussagen über Commodus nicht der Wahrheit entsprechen. Mein Punkt war, dass die Quellen hier mit größter Vorsicht zu betrachten sind, da die vorhandenen Quellen kaum als objektiv angesehen werden können. Was einfach heißt, dass wir mit Bewertungen sehr vorsichtig sein müssen, sowohl in die eine, wie auch in die andere Richtung.

Auffällig ist eben, dass Herrscher, die sich vom Senat abwenden und versuchen, "volksnah" zu regieren, praktisch immer als unfähige Versager oder als Irrre dargestellt werden.
 
Dass er z. B. die Arbeit seinen Freigelassenen überlassen hat, ist grundsätzlich kein Fehler, vor allem, wenn sie einfach wirklich dafür geeigneter gewesen wären.
Aufgaben zu delegieren muss natürlich kein Nachteil sein, oft ist es sogar von Vorteil - solange der Letztverantwortliche seine Verantwortung wahrnimmt und außerdem das Personal, an das er delegiert, sorgfältig auswählt und überwacht. Das war bei Commodus nicht der Fall.

Hinzu kommt noch, dass wir keine Originale besitzen. Können wir wirklich hundertprozentig ausschließen, dass spätere Abschreiber / Übermittler das 80bändige Werk eines als wichtig geltenden Historikers und Chronisten ohne Veränderungen abgeschrieben haben?
Von etlichen antiken Werken ist mehr als eine Handschrift erhalten. Trotzdem weichen die Handschriften in der Regel nur in einzelnen Worten voneinander ab, nicht in ganzen Passagen.
Bei Cassius Dio ist außerdem zu beachten, dass er von Zonaras und Xiphilinos verwendet wurde.

Beim Beispiel Commodus kommt noch hinzu, dass mit der Ermordung des Kaisers die Dynastie ausstarb. Nachfahren gab es keine, die vielleicht an einer Rehabilitierung von ihm Interesse gehabt hätten.

Dass Commodus Familienmitglieder und weitere Personen hinrichten ließ, ist sicher nicht zu bagatellisieren, aber es zeigt auch, dass seine Position als Kaiser bereits vor seiner Ermordung schwer angeschlagen gewesen sein muss und es da bereits einen Machtkampf gegeben hat. Die Ermordung und der Umstand, dass er in der Folge das hatte, was wir heute als schlechte Presse bezeichnen, zeigt jedenfalls, dass in diesem Machtkampf die Gegnerseite den Sieg davon getragen hat, und die hatten sicher großes Interesse an einem negativen Commodus-Bild, denn immerhin galt es ihr eigenes Handeln zurechtfertigen, und dazu gehörte eine Ermordung.
Aus dem Machtkampf ging schließlich Septimius Severus (der mit Commodus' Ermordung nichts zu tun hatte) als Sieger hervor, und er knüpfte bewusst an die Antoninen an. Er fingierte sogar eine Adoption durch Mark Aurel (wodurch Commodus sein "Bruder" wurde - er nannte ihn auch so). Noch Caracalla und Elagabal hießen "Antoninus", sogar der Usurpator Macrinus verpasste seinem kleinen Sohn und Mitkaiser Diadumenianus diesen Namen. Septimius Severus ließ den Commodus sogar vergöttlichen. Commodus wurde offiziell also in vollem Umfang rehabilitiert; insofern trug seine "eigene Seite" den Sieg davon. (Im Sinne der "Quellenkritik" könnte man also eher behaupten, dass Cassius Dio Commodus' Regierung noch geschönt hat ...)

Selbst wenn Cassius Dio ein objektiver Berichterstatter war, mag er schon, um sich selbst zu schützen, die "Sicht" der Sieger übernommen haben.
Cassius Dio beendete sein Werk unter Severus Alexander. Unter ihm gab es zwar einen Bruch mit seinem Vorgänger Elagabal, aber nicht mit den Severern generell.

Das war aber eine ganz andere Situation. Ein unter Kuratel gehaltener Kaiser, von dem erwartet wurde, dass er, sobald er zur Armee kam, die Macht selbst übernahm. Auf der anderen Seite eine seit längerem im Einsatz befindliche Armee.
Zwei Situationen sind zwar nie gleich, aber in diesem Fall auch nicht ganz verschieden. Unter Severus Alexander hatten die Römer gerade einen weitgehend erfolglosen und verlustreichen Krieg gegen die Perser hinter sich gebracht. Unter "Kuratel" stand Commodus zu Lebzeiten seines Vaters auch.
 
Was wollte er mitteilen? (Ggf.: Wo stand er politisch?)
Und hier wäre das Hauptproblem. Aus dem Umstand, dass ein Geschichtsschreiber der senatorischen Oberschicht angehörte, wird vorschnell geschlossen, er habe Kaiser, die mit dem Senat auf nicht so gutem Fuß standen, bewusst - und wahrheitswidrig! - schlecht gemacht.
Butter bei die Fische: Wo hast du eine entsprechende Stelle gefunden, die diesen Vorwurf rechtfertigt?

Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass Quellen natürlich im Rahmen der Q-Kritik mit anderen Quellen abgeglichen werden.

Gibt es andere Quellen, die dasselbe mitteilen? In welchem Abhängigkeitsverhältnis stehen sie zueinander?
Stellen andere Quellen denselben Sachverhalt in erheblichen Maße anders dar? Lassen sich diese Widersprüche auflösen? Bei Aussage gegen Aussage: Welche Darstellung ist plausibler, hat weniger textimmanente Widersprüche?
Mal als Bsp.: In der Historia Roderici wird berichtet, dass das Königreich Granada gemeinsam mit Kastiliern, welche Tribute von diesem eintreiben sollten, das Königreich Sevilla angriff. Der Cid, der als Tributeintreiber bei Sevilla war, habe daraufhin seine "Kollegen" aufgefordert den Kriegszug abzubrechen. Das ganze wird leicht pathetisch berichtet. Letztendlich seien beide Armeen dann bei Cabra aufeinander getroffen und der Cid habe die Truppen von Sevilla angeführt und seine kastilischen Kontrahenten gefangen genommen. Danach sei er vom König von Sevilla noch reicher beschenkt worden, als er eigentlich Tribute für den König habe mitbringen sollen. Keine andere Quelle außer der Historia Roderici berichtet über diese Schlacht. 'Abdallah ibn Buluggin hatte gute Gründe nicht darüber zu berichten (seine Erinnerungen sind eine vielbenutzte Quelle für das 11. Jhdt. in Spanien), aber er berichtet von einem anderen Ereignis, welches mit dem Thronwechsel von seinem Großvater auf ihn zusammenhing. Danach war Cabra eine Stadt des Königreichs Granada. Anhand dieser wissen, wir, dass in diesem Punkt das Ggt. von dem richtig ist, was die Historia Roderici berichtet. Nicht Granada war ins Territorium von Sevilla eingefallen, sondern Sevilla ins Territorium von Granada. Das passt nebenbei auch besser zur Expansion des Kleinkönigreichs Sevilla, welches beim Zusammenbruch des cordobeser Kalifats nur einen Teil des Guadalquivirtals beherrschte, zu seinem Ende aber bis auf das Königreich Granada-Málaga fast den gesamten Süden der iberischen Halbinsel, von der Lissabon bis Cartagena, beherrschte.
Insofern kann es durchaus sein, dass im Einzelfall das Ggt. von dem stimmt, was eine Quelle behauptet.

Mit demselben Recht könnte man auch davon ausgehen, dass jeder demokratisch gesinnte heutige Historiker, der über einen Diktator schreibt, dessen Fehlverhalten und Übeltaten einfach erfunden hat.
Unsere Quellen bestehen aus mehr als nur aus Historiographie. Die auf den ersten Blick am wenigsten aussagekräftigen Quellen sagen uns zum Teil am meisten: eine Rechnung oder ein Bauplan z.B. lügt nicht.

Was würdest Du von einem Historiker halten, der ein Buch über einen deutschen Politiker der jüngeren Vergangenheit schreibt und darin allerhand Sachen behauptet, die offenkundig nicht stimmen, nur um ihn in ein schlechtes Licht zu rücken - auch wenn Du selbst vom Politiker auch keine gute Meinung hast?
Nichts. Ich bin selbst sogar ein ausgesprochener Nestbeschmutzer, gehe mit denen, die mir politisch nahe stehen, äußerst streng historisch ins Gericht. Ich weiß aber nicht, was das mit unserer Diskussion zu tun hat.
 
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Vor allem hätte er den Erfolg seines Werkes aufs Spiel gesetzt, wenn er begonnen hätte, Dinge zu schreiben, die seine Leserschaft nicht wahrhaben und auch nicht lesen wollte.
Die wenigsten römischen Autoren schrieben aus kommerziellem Interesse heraus. Zu verdienen gab es nicht viel, und Cassius Dio musste als Senator von Haus aus reich sein.

Wo soll ich anfangen? Am besten am Anfang: Augustus, Tiberius....
Augustus hat seine Regierungsgeschäfte vernachlässigt und Günstlingen überlassen, um sich dem Vergnügen widmen zu können? Den Krieg gegen die Kantabrer führte er zeitweise persönlich.
Tiberius nahm in der ersten Hälfte seiner Regierungszeit seine Regierungsgeschäfte selbst wahr, erst später überließ er sie zeitweise Seianus. Einen massiven Personenkult betrieb er nie, für teure Volksbelustigungen war er nicht zu haben.
 
Augustus hat, wie fast alle Kaiser nach ihm, und aus verständlichen Gründen, wichtige Posten mit Leuten besetzt, die ihm genehm waren. Im weniger genehme Leute hat er beseitigen lassen. Unter seiner Herrschaft gab es umfangreiche Subscriptionslisten, der Beginn seiner Herrschaft war äußerst blutig.

Warum werden ihm seine politischen - und privaten - Morde nicht vorgeworfen? Warum nennt man seine willkürliche Besetzung wichtiger Ämter nicht "Günstlingswirtschaft"?
Es ist doch nur die Art der Berichterstattung, die hier den Unterschied macht.
 
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