Alteuropäische Kultur

Ich kenne von Haarmann jetzt nur die hier angeführten Zitate und möchte mich auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber was mir bei Haarmanns Darstellungen fehlt, das sind die stichhaltigen Argumente pro Schrift. Bisher lese ich nur Behauptungen. Es verlangt ja auch niemand, dass Haarmann das Rad neu erfindet, also einen schon geführten Beweis neu führt, aber er könnte immerhin darauf hinwiesen, welcher Forscher den Beweis geführt haben soll.
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In seinem Standardwerk „Universalgeschichte der Schrift“ (1998) nennt Haarmann weitere Autoren:


»Die Anfänge der Schriftverwendung in Alteuropa gehen auf das Ende des 6. Jahrtausends v. Chr. zurück. Damit steht fest, dass es sich bei der altbalkanischen Schrift nicht um einen sumerischen 'Import' handeln kann, zumal die Zeichen dieser Schrift keine nennenswerte Ähnlichkeit mit den Symbolen der altsumerischen Bilderschrift haben (vgl. Kap. 4). Dank einiger Spezialstudien aus neuerer Zeit (Winn 1981, 1986, Masson 1984, Haarmann 1989b, c) ist inzwischen geklärt, dass die alteuropäische eine bodenständige ist, die in einem deutlichen zeitlichen Abstand zu den Anfängen der Schrift in Mesopotamien steht. « (Haarmann, Harald: Universalgeschichte der Schrift, Sonderausgabe 1998, S. 73)
 
Wenn ich die Textstelle lese, scheint sie mir allerdings unausgesprochen von der Vorannahme auszugehen, dass es sich bei den Vinča-Zeichen um Schrift handelt und es bei den genannten Untersuchungen nur darum ging zu untersuchen, ob die Einzelzeichen eine morphologische Ähnlichkeit mit der Sumerischen Schrift hätten. Das Ergebnis wäre demnach, dass keine morphologische Ähnlichkeit zur sumerischen Schrift besteht. Falsch ist daraus zu schließen, dass es sich dann um europäische Schrift handeln müsse, da dies ein Zirkelschluss wäre. Bewiesen ist also nur, dass es sich nicht um einen Ableger der sumerischen Schrift handelt, nicht, dass es sich um Schrift handelt.
Wenn du mir anhand des Literaturverzeichnisses noch die einzelnen Titel aufdröseln könntest, bin ich aber gerne bereit mir die genannten Studien anzusehen und mich vielleicht doch davon zu überzeugen, dass es sich bei den Vinča-Zeichen um Schrift handelt.
 
Wenn ich die Textstelle lese, scheint sie mir allerdings unausgesprochen von der Vorannahme auszugehen, dass es sich bei den Vinča-Zeichen um Schrift handelt und es bei den genannten Untersuchungen nur darum ging zu untersuchen, ob die Einzelzeichen eine morphologische Ähnlichkeit mit der Sumerischen Schrift hätten. Das Ergebnis wäre demnach, dass keine morphologische Ähnlichkeit zur sumerischen Schrift besteht. Falsch ist daraus zu schließen, dass es sich dann um europäische Schrift handeln müsse, da dies ein Zirkelschluss wäre. Bewiesen ist also nur, dass es sich nicht um einen Ableger der sumerischen Schrift handelt, nicht, dass es sich um Schrift handelt.
Wenn du mir anhand des Literaturverzeichnisses noch die einzelnen Titel aufdröseln könntest, bin ich aber gerne bereit mir die genannten Studien anzusehen und mich vielleicht doch davon zu überzeugen, dass es sich bei den Vinča-Zeichen um Schrift handelt.

Das sind die Arbeiten, die Haarmann angibt:

Winn, M. M. (1981), Pre-Writing in Southern Europe: The Sign System of the Vinča Culture, ca. 4000 B. C. Alberta (Canada)
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Winn, M. M. (1986), The Signs of the Vinča Culture: An Internal Analysis; their Role, Chronology and Independence from Mesopotamia. Ann Arbor, Michigan (gedruckte Fassung einer maschinenschriftlichen Dissertation von 1973)

Masson, E. (1984), L’écriture dans les civilisations danubiennes néolithiques, in: Kadmos 23 (1984), 89-123


H. Haarmann (1989b), Hieroglyphen- Linearschriften: Anmerkungen zur alteuropäischen Schriftkonvergenzen, in: Kadmos 28 (1989), 1-6


H. Haarmann (1989c), Writing in Old Europe and Ancient Crete – A Case of Cultural Continuity, in: Journal of Indo-European Studies 17 (1989), 251-277


Hier hat Haarmann einige Argumente dafür, dass es sich um eine Schrift handelt:
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»Es lassen sich etwas mehr als zweihundert individuelle Zeichen unterscheiden, einschließlich solcher Symbole, von denen man annehmen kann, dass sie Zahlenwerte und Maßeinheiten angeben. Eine Anzahl dieser Zeichen finden sich auf dem Boden von Tongefäßen als isolierte Symbole eingeritzt, so dass man sie auf den ersten Blick für Töpfermarken halten konnte (Abb. 29). Dass solche Symbole aber eigentliche Schriftzeichen sind, wir in mehrfacher Hinsicht deutlich. Einerseits treten die isoliert verwendeten Zeichen auch in Kombination mit anderen Symbolen an verschiedenen Stellen auf, beispielweise am oberen oder unteren Rand von Tongefäßen, und auch an deren Außenseite. Diese Kombinatorik von Zeichen in Gruppen sowie ihr Vorkommen an verschiedenen Stellen schließt bereits die Funktion von Töpfermarken aus. […] Ein weiteres Argument für den Schriftcharakter ist das Fehlen beschrifteter Gegenstände an alteuropäischen Siedlungsplätzen, also gerade einer Umgebung, wo die Herstellung von Tonware und die Verwendung von Töpfermarken – dort wo eine solche Tradition besteht – zum Alltagsleben gehört. Alles spricht dafür, dass in den alteuropäischen Regionalkulturen keine Töpfermarken in Gebrauch waren, und dass der kulturhistorische Stellenwert der verwendeten Symbole nur im Schriftgebrauch eine sinnvolle Erklärung findet. Die meisten Inschriften sind kurz und bestehen aus der Kombination einiger weniger Schriftzeichen. Aus dem Umstand, dass Beschriftungen, die nur zwei oder drei Zeichen umfassen, haben einige Forscher die Schlussfolgerung gezogen, dass es sich bei der alteuropäischen Schrift um die entwicklungsmäßige Vorstufe einer eigentlichen schriftlichen Fixierung von Texten handelt. So spricht Winn (1981) von einem Vorläufer der Schrift (pre-writing) und Masson (1984, 123) von einem Vorstadium der Schrift (stade précurseur de Pécriture). Aus verschiedenen Gründen ist eine solche Annahme nicht stichhaltig. Denn bei aller Kürze vieler Beschriftungen darf nicht übersehen werden, dass es auch eine ganze Anzahl längerer Inschriften gibt. « (Haarmann, Harald: Universalgeschichte der Schrift, Sonderausgabe 1998, S. 74ff.)
 
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Außer Herrn Haarmann gibt es niemand, der die Hypothese einer Vinca-Schrift vertreten würde. Und so lange kein Wort dieser angeblichen "Schrift" entziffert ist, bleiben solche Behauptungen pure Spekulation.


Auch die Indus-Schrift konnte bisher nicht entziffert werden. Trotzdem geht die Wissenschaft davon aus, dass es sich dabei um eine Schrift handelt. [FONT=&quot] [/FONT]
 
Wenn ich diesen Thread richtig verstanden habe, erscheinen die Zeichen auf Töpferwaren, also Becher, Töpfe etc.
Bitte , wer schreibt auf Tassen oder Töpfe etwas anderes als Namen, oder die Funktion dieses "Topfes". Und wenn das da drauf steht , muß der Käufer das auch lesen können, d.h. es muß eine Alphabetisierung der Bevölkerung geben. Damit müssen auch andere beschriftete Artefakte zu finden sein. Die Zeichen gibts aber scheinbar nur auf Tonwaren.

Es gab mal Bandstahl für den Export in wenig alphabetisierte Gegenden, in den Tiersymbole fü Gewicht und Güte eingeprägt waren, also Löwe+Gazelle +Längenmarkierung= xKg der y Legierung.fortlaufend bis 6m. Es gab dann also Löwenstahl, Elefantenstahl usw. Als Schrift würde ich das nun nicht bezeichnen
 
Wenn ich diesen Thread richtig verstanden habe, erscheinen die Zeichen auf Töpferwaren, also Becher, Töpfe etc.
Bitte , wer schreibt auf Tassen oder Töpfe etwas anderes als Namen, oder die Funktion dieses "Topfes". Und wenn das da drauf steht , muß der Käufer das auch lesen können, d.h. es muß eine Alphabetisierung der Bevölkerung geben. Damit müssen auch andere beschriftete Artefakte zu finden sein. Die Zeichen gibts aber scheinbar nur auf Tonwaren.

Das ist interessant. Du hast also auf all deinen Haushaltswaren eine Produktbezeichnung stehen?
 
Auch die Indus-Schrift konnte bisher nicht entziffert werden. Trotzdem geht die Wissenschaft davon aus, dass es sich dabei um eine Schrift handelt.

Nein, da gibt es auch eine Fraktion, die nur von Symbolen, nicht aber einer Schrift ausgeht.

So lange niemand beweisen kann, dass die Zeichen auf der Vinca-Keramik eine Schrft sind, bleibt es das, was man in der Wissenschaft zu einem ungelösten Problem sagt: eine Hypothese!
 
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Nein, da gibt es auch eine Fraktion, die nur von Symbolen, nicht aber einer Schrift ausgeht.

So lange niemand beweisen kann, dass die Zeichen auf der Vinca-Keramik eine Schrft sind, bleibt es das, was man in der Wissenschaft zu einem ungelösten Problem sagt: eine Hypothese!


Die Mehrheit der Wissenschaftler geht aber wohl davon aus, dass es sich bei der Indus-Schrift auch um richtiges Schriftsystem handelt. Das es sich bei der alteuropäischen Schrift auch wirklich um eine Schrift handelt, ist nach Harald Haarmann aber keine Hypothese, sondern schon Stand der Wissenschaft.
 
Die Mehrheit der Wissenschaftler geht aber wohl davon aus, dass es sich bei der Indus-Schrift auch um richtiges Schriftsystem handelt. Das es sich bei der alteuropäischen Schrift auch wirklich um eine Schrift handelt, ist nach Harald Haarmann aber keine Hypothese, sondern schon Stand der Wissenschaft.

Also welche Mehrheit meinst du denn, die Lehrmeinung (also der akzeptierte Stand der Wissenschaf) geht davon aus das es sich um Symbole handelte, nicht um Schrift.

Nur weil H. Haarmann postuliert das es sich dabei um eine Schrift handelte, ist das nicht der Stand der Wissenschaft, sondern eben nur eines unter einigen Postulaten zu dem Thema. Es bleibt damit eine Hypothese.
 
Einwände hin oder her, Hypothese aber man kann diskutieren.
Merkwürdigerweise wurden aber noch keine Literaturhinweise angegeben, in denen Kritik an der Haarmann- oder meinetwegen auch Gimbutas-Schrifthypothese zur Donauzivilisation geübt wird - beim Googeln habe ich nicht gefunden. Helft doch einem Spekulanten mal auf die Sprunge - ich warte gerne!
 
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Also welche Mehrheit meinst du denn, die Lehrmeinung (also der akzeptierte Stand der Wissenschaf) geht davon aus das es sich um Symbole handelte, nicht um Schrift.

Kannst du belegen, dass die Mehrheit der Wissenschaft davon ausgeht, dass sich bei der alteuropäischen Schrift nicht um eine Schrift handelt?
 
Kannst du belegen, dass die Mehrheit der Wissenschaft davon ausgeht, dass sich bei der alteuropäischen Schrift nicht um eine Schrift handelt?

Er hat dir doch seriöse Quellen und Historiker genannt, die das belegen.

Noch einmal: So lange keine Beweise für eine Schrift vorliegen, solange ist das eine Hypothese oder noch weniger: eine Spekulation!
 
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Genau genommen hat DerGeist wenigstens im Gegensatz überhaupt eine Quelle genannt, die Haarmanns (nicht Gimbutas!) Schrifthypothese rezipiert! Wenn auch mit dem Hinweis, daß diese Hypothese nicht von allen Schriftexperten geteilt wird; allerdings verweist die Autorin bezüglich der von dir (Dieter) verterenen Lehrmeinung auf Literatur der 50er und 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts!

Daneben zitiert sie einen Dozenten namens Helmut Glück (Sekundäre Funktion der Schrift. in Wende: Über den Umgang mit der Schrift - Google Bücher - allerdings S. 100) und im fortlaufenden Text einen gewissen Douglas Fear nach persönlicher Mitteilung (p. c.), daß Haarmanns Position nicht opinio communis sei.

Was Glücks Kritik Haarmann betrifft, erscheint sie mir allerdings oberflächlich, wenn er gleich nach Namensnennung Haarmanns darauf als Argument zwar die Lesbarkeit eines bemalten Bisonfells eingesteht, es aber nicht als beschriftet gelten läßt. Mitnichten hat Haarmann aber das Gegenteil behauptet.

Ferner zitiert Christa Dürscheid in ihrer Einführung in die Schriftlinguistik Haarmans Schrifthypothese poitiv, um einen Eindruck zu vermitteln, daß in der Schriftgeschichte eben noch ein paar offene Fragen seien. Und als Resüme jedenfalls der dankenswerterweise von DerGeist verlinkten Einführung würde ich an dieser Stelle sagen, daß Haamanns These nicht so umstritten ist, wie es manch einer hier gerne hätte.
 
Er hat dir doch seriöse Quellen und Historiker genannt, die das belegen.


Standardwerke zur Schriftgeschichte oder Facharbeiten über die alteuropäische Schrift, die Haarmann widerlegten, wurden bisher nicht genannt. Die vom Benutzer @ DerGeist verlinkten googlebooks-Bücher wurden von Autoren verfasst, die, soweit ich das nach kurzer Recherche feststellen konnte, in der Linguistik keine mit der von Haarmann vergleichbare Reputation vorzuweisen haben.
 
Leute, was bringt es denn, hier über Autoren zu diskutieren? Fakten sind gefragt. Argumente statt Autoritäten.
 
Forscher, die sich intensiv mit den Fundstücken befasst haben, sind sich einig, dass es sich bei den Zeichen weder um dekorative Motive noch um magische Symbole handelt. In ihrer Vielfalt weichen diese außerdem von den religiösen Grundsymbolen Alteuropas ab, so dass als Identifizierung dieser Zeichengruppen nur eine alternative Deutung bleibt: es handelt sich um Schrift. Dies bedeutet, dass die Anfänge der Schriftgeschichte weit zurückverlegt werden müssen. Die alteuropäische Schrift ist rund zweitausend Jahre älter als die sumerische.

Das heißt aber doch im Umkehrschluss nicht zwingend, dass es sich um Schrift gehandelt haben muss.
Denkbar wäre auch z.B. die von A. Zeeb-Lanz vorgestellte Deutung (Vgl.A. Zeeb-Lanz, Keramikverzierungsstil als Kommunikationsmittel: Ein Bsp. aus dem frühen Jungneol. SW Deutschlands. Tübinger Archäologischer Taschenbücher Band 4(2003), 245ff.).
Sobald ich Zeit habe kann ich mal eine kleine Zusammenfassung schreiben, ansonsten selbst lesen.
 
Nehmen wir nur Steinmetzzeichen oder Brandzeichen bei Vieh: Weder dekorativ, noch magisch, noch semantisch.
 
Nehmen wir nur Steinmetzzeichen oder Brandzeichen bei Vieh: Weder dekorativ, noch magisch, noch semantisch.
Übertrage ich dies auf z.B. auf die Keramik, dann müssten die Muster, mglw. Herstellungsstempel sein.
Das geht so überhaupt nicht auf, schau dir einfach mal bei den verschiedenen neol. Gruppen die Gefäßverzierungen an, die Unterschiede sind beträchtlich, aber auch Gemeinsamkeiten im Formenschatz sind vorhanden.
Für Herstellungsmarkierungen ist die Varianz mir deutlich zu hoch.
 
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