Argumente für und wider der Annahme, Corvey sei römisch

Kennzeichen römischer imperialer Bauinschriften ist immer, dass der Titel (IMP CAES AUG...) genannt wird und häufig auch nach Consulatsjahren datiert. Das fehlt bei dieser angeblichen augusteischen Bauinschrift,


Das ist auch eines meiner absoluten Hauptargumente gegen eine römisch-kaiserzeitlichen Datierung der Inschrift. Die Argumentation von Klabes, warum es dennoch eine römische Inschrift sein soll mit Bezug auf Augustus, ist nicht wirklich überzeugend.
 
Klabes übersetzte angelus mit Bote, ignorierend oder schlicht nicht wissend, dass es sich um ein kirchenlateinisches Wort handelt, welches man in Rom zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht kannte.
 
Zu retten wird das versucht dadurch, dass es angeblich bei Seneca oder so verwendet wurde. Allerdings scheint dies schon längst widerlegt zu sein, dass das Wort da verwendet wurde. Zudem ist auch Seneca schon mal 50 Jahre zu spät. Und würde auch nichts daran ändern, dass die Inschrift in keinster Weise wie eine römische Bauinschrift zu Ehren eines Kaisers aussieht.

In einem anderen Forum haben wir uns da vor nicht allzu langer Zeit auch mal genau über diese Frage gestritten. Und keiner der Klabes-Fans konnte auch nur eine Vergleichsinschrift vorbringen, die einem Kaiser galt, ohne dass dieser mit Namen oder Titulatur erwähnt wurde, wie dies in Corvey der Fall gewesen wäre.
 
Die Ausmasse dieses Tempels sind ungefähr vergleichbar mit dem Klosterkomplex in Corvey.

Bei solchen Aussagen stellt sich mir immer die Frage, wie viel Unterschiede denn noch erlaubt sind, um dennoch eine ungefähre Ähnlichkeit als Beweis oder Indiz heranzuziehen und ab welchen Unterschieden das dann nicht mehr der Fall sein soll.

Klar scheint zu sein, dass die Ausmaße im unteren Bereich des Bildes, vor allem bei der Ausdehnung in die Breite schon interessant sind. Aber je weiter nach oben es auf dem Bild geht, umso größer werden die Unterschiede. Warum zählen die dann nicht?

Und wenn man jetzt ein - sagen wir - barockes Gebäude findet, das im unteren Bereich ähnlich gut passt, wird Corvey dann zu einem barocken Bauwerk?
 
Ich möchte in dem Zusammenhang in Erinnerung rufen, dass die karolingische Architektur nicht aus dem Nichts entstanden ist, sondern auf antiken Vorbildern beruht. Sie stellt eine Fortführung und Weiterentwicklung der römischen Architektur dar. Das Kloster Corvey wurde von Mönchen aus dem Kloster Corbie (Nordfrankreich) gegründet. Sie dürften also mit der gallorömischen Architektur ihrer Heimat vertraut gewesen sein.

Ähnlichkeiten mit antiker Architektur sind also nicht zufällig.
 
Nur sind die Kapitelle des Westwerks alles andere als augusteisch, geschweige denn überhaupt kaiserzeitlich.
 
Ähnlichkeiten mit antiker Architektur sind also nicht zufällig.

Zitate:
Die Feststellung, dass es zur Vermittlung des Inhalts einer Inschrift nicht unbedingt eines durchgängig lesekundigen Publikums bedarf, erklärt jedoch noch nicht die besondere Form der Corveyer Fassadeninschrift, ihre antiken Merkmale sowie ihre formvollendete Ausführung. Mag sich technische Perfektion noch unmittelbar mitteilen, so ist doch unwahrscheinlich, dass sich unter den vorrangigen Adressaten der Inschrift, den sächsischen Adligen im Umkreis der Abtei, auch nur einer befand, der in der Lage gewesen wäre, den dezidiert klassisch-antiken Charakter der Inschrift und ihre epigraphische Korrektheit als solche wahrzunehmen und zu würdigen.

Außer in Corvey sind Monumentalinschriften mit eingelegten Metallbuchstaben für das ganze Mittelalter sonst nur noch in Süditalien bekannt, und zwar aus Salerno.

Die Fassadeninschrift von San Vincenzo Maggiore ist daher in Bezug auf die geringe Sorgfalt der Ausführung, die zu vermutende Anbringungsweise und eine oberflächliche Antikenrezeption … mit der wesentlich anspruchsvolleren Corveyer Inschrift kaum vergleichbar.

Dabei scheinen epigraphischer Anspruch und Antikenverständnis in Corvey, wo man mit der eigens für Monumentalinschriften entwickelten Capitalis quadrata auch die der Inschriftenart gemäße Schriftform wählte, diese vollkommen stilsicher umsetzte und damit unmittelbar an die antike Kunst der frühen Kaiserzeit anknüpfte, noch ausgeprägter gewesen zu sein als in Süditalien.

(Kristina Krüger / Verborgen, unsichtbar, unlesbar – zur Problematik restringierter Schriftpräsenz)

Wibald von Stablo und Corvey, der uns über 6000 zweifelhafte Urkunden hinterlassen hat und auch Kaiser Friedrich I. mit manchem getürkten Schriftstück helfen konnte wird doch als ehemaliger Abt von Monte Cassino auch die Möglichkeit und das Wissen gehabt haben diese perfekte Inschriftentafel nach antikem Muster herstellen zu lassen. Und bei der Beurkundung passieren auch mal kleine Fehler, wie der, dass man Karl den Großen 789 auch noch Rügen erobern und verfügen ließ, dass die entsprechenden Tribute nach Corvey abzuliefern seien. Corvey war aber zu diesen Zeitpunkt noch gar nicht gegründet/erfunden worden!

Aber natürlich haben Römer in Corvey nicht eine Mauer errichtet:

Wiki: "Denn wer in Ostwestfalen von römischen Siedlungen spricht, wird von den Amtsarchäologen grundsätzlich als Scharlatan abgetan - und ignoriert. Rechts des Rheins gibt es keine Mauern römischer Herkunft, so lautet das Dogma, auf das die gesamte Zunft eingeschworen ist. Und wer behauptet, in Corvey hätten Römer eine Tempelanlage gebaut, "der kann genauso gut sagen, dass hier Außerirdische gebaut haben", sagt Professor Dr. Uwe Lobbedey."

Der konnte schon immer nur von einem genuin karolingischen Gebäude Kloster Corvey schwärmen:
"Über den Mauerbögen dieses Obergeschosses liegt an acht Stellen das Mauerwerk bloß. Und darauf sind deutlich rote Striche zu sehen, tatsächlich: Umrisse von mehr als meterhohen Figuren. Sie kamen erst in den 90er-Jahren ans Licht. Kurze Zeit darauf kramten Lobbedey und Claussen aus dem Bodenschutt einige Stuckbrocken, die sich exakt auf diese Zeichnungen setzen ließen. "Es war wie beim Puzzle, wenn plötzlich das Teilchen einrastet", sagt Lobbedey. Der europaweit erste Nachweis karolingischer Stuckfiguren war gefunden.“

Und zu den antiken Malereien:
Denn wie sollten die Karolinger die Skylla malen, wenn sie nicht einmal Homer kannten und die Darstellungen der Skylla im 5. Jh. endeten [Claussen 1999, 583]?
Und dann die „täuschend" antiken Delfinreiter und die römischen Glasfliesen. Natürlich als karolingische Zweitverwendung.

Man muß schon sehr quellengläubig sein!
 
Die 'DNE'-Kürzung der Corveyer Inschrift scheint antik nicht belegt zu sein. Dass ich kein Beispiel gefunden habe, muss nichts heißen, aber auch im Capelli wird sie nicht aufgeführt.

(Der Capelli bezieht sich auf Antike und mittelalterliches Italien, was nur im Mittelalter nördlich der Alpen vorkam, findet man bei ihm daher nicht.)

Mal schauen, was ich zur N-E-Ligatur finde.
 
Mag sich technische Perfektion noch unmittelbar mitteilen, so ist doch unwahrscheinlich, dass sich unter den vorrangigen Adressaten der Inschrift, den sächsischen Adligen im Umkreis der Abtei, auch nur einer befand, der in der Lage gewesen wäre, den dezidiert klassisch-antiken Charakter der Inschrift und ihre epigraphische Korrektheit als solche wahrzunehmen und zu würdigen.

Aber wenn wir einen römischen Ursprung annehmen, dann stört das natürlich überhaupt nicht, dass die Römer auf jeden Fall gemerkt hätten, dass die Inschrift wie keine einzige andere römisch-kaiserliche Bauinschrift aussieht.

Und ganz offenbar stört es die Illig-und-co-Gläubigen in keinster Weise, dass hier den Römern die Produktion einer ganz und gar unrömischen Inschrift unterstellt wird!
Wibald von Stablo und Corvey, der uns über 6000 zweifelhafte Urkunden hinterlassen hat und auch Kaiser Friedrich I. mit manchem getürkten Schriftstück helfen konnte wird doch als ehemaliger Abt von Monte Cassino auch die Möglichkeit und das Wissen gehabt haben diese perfekte Inschriftentafel nach antikem Muster herstellen zu lassen.

Aber die Kenntnis vom Inhalt römischer Inschriften wird ihm dann aber wieder nicht zugesprochen, denn er hätte zwar eine formal perfekte antike Inschrift hinterlassen, aber vom Inhalt her eine komplett unrömische.
Und zu den antiken Malereien:
Denn wie sollten die Karolinger die Skylla malen, wenn sie nicht einmal Homer kannten und die Darstellungen der Skylla im 5. Jh. endeten [Claussen 1999, 583]?

Da sich die Franken auf die Trojaner bezogen haben, sind die Mythen nicht zwingend unbekannt gewesen.
Und dann die „täuschend" antiken Delfinreiter

Warum sollten die Franken keine Delfine malen können?
und die römischen Glasfliesen. Natürlich als karolingische Zweitverwendung.

Man muß schon sehr quellengläubig sein!

Mann muss schon sehr Illig-gläubig sein, wenn man den ganzen längst widerlegten Unsinn weiterhin schön brav glaubt.
 
Die 'DNE'-Kürzung der Corveyer Inschrift scheint antik nicht belegt zu sein. Dass ich kein Beispiel gefunden habe, muss nichts heißen, aber auch im Capelli wird sie nicht aufgeführt.

(Der Capelli bezieht sich auf Antike und mittelalterliches Italien, was nur im Mittelalter nördlich der Alpen vorkam, findet man bei ihm daher nicht.)

Mal schauen, was ich zur N-E-Ligatur finde.

Die NE-Ligatur fand in der Antike offenbar für Nero Verwendung. [Quelle]

Als Diskussionsgrundlage für dieses Thema sollten übrigens Horst Leiermanns "Kritische Bemerkungen" noch erwähnt werden. Seine Deutung der Inschrift ist allerdings auch nicht überzeugend.
 
Zu retten wird das versucht dadurch, dass es angeblich bei Seneca oder so verwendet wurde. Allerdings scheint dies schon längst widerlegt zu sein, dass das Wort da verwendet wurde. Zudem ist auch Seneca schon mal 50 Jahre zu spät.

Welcher Seneca, der Ältere oder sein Sohn, der Erzieher Neros?

Zumindest der Jüngere hat ja noch die neroianischen Christenverfolgung in Rom miterlebt und hätte evtl. von Christen ein christliches Wort kennenlernen können. Wobei er dann wahrscheinlich nicht mehr viel Zeit gehabt hätte, dieses Wort auch in sein Opus aufzunehmen, da er ja noch in demselben Jahr aufgrund seiner angeblichen Teilnahme an der Pisonischen Verschwörung zum Selbstmord gezwungen wurde. Sein Bruder aber, Lucius Junius Gallio Annaeanus kommt sogar in der Bibel vor (Apg 18). Gallio weigert sich dort, als Vertreter der römischen Staatsmachte eine Anklage gegen Paulus anzunehmen, weil es sich dabei um innerjüdische Konflikte handele, in die sich die römische Staatsmacht nicht einmische. Also rein theoretisch könnte Gallio von Paulus das Wort angelos gehört und an seinen Bruder weitergeleitet haben. Nicht, dass ich das wirklich für wahrscheinlich hielte, aber entsprechende Möglichkeiten hätte es gegeben.

Ich habe gestern in der Latin Library die Schriften der beiden Seneca (die des Jüngeren sind allerdings unvollständig) nach "angel" durchforstet, aber nichts gefunden. In eine wissenschaftliche Datenbank lateinischer Texte, wie die LLT-A oder die LLT-B komme ich von zuhause nicht heran. Dort sollte auch der jüngere Seneca vollständig erhalten sein.
 
Die NE-Ligatur fand in der Antike offenbar für Nero Verwendung. [Quelle]
Im CIL finde ich Nero entweder ausgeschrieben oder NER abgekürzt.
Aber selbst wenn es tatsächlich eine NE-Abkürzung für Nero gegeben haben sollte, ändert die nichts daran, dass es sich bei der Bauinschrift um ein Zitat aus einem Kirchenlied handelt und angelus erst mit dem Christentum ins Lateinische kam. Der Anachronismus in diesen Umdeutungsversuchen bleibt ein solcher und entlarvt sie als schlicht stümperhaft.
 
Es geht auch um die Form der Ligatur, Divico.

Wenn man eine Inschrift hinsichtlich der Zeitstellung beurteilen will, muss man auch die Auffälligen Merkmale betrachten. Dazu gehören Kürzungen wie DNE und Ligaturen wie die hier benutzte N-E-Ligatur.

Dann wären da noch die Befestigungen für die Metallbuchstaben. Bei antiken Inschriften habe ich recht große gesehen. Hier sind sie recht klein. Stammen sie evt. erst aus neuerer Zeit, als der Fürstabt und Kanzler ihrer Majestät per Galliam die Bedeutung Corveys mit entsprechender Ausstattung betonen wollte? (Meine Einzelbeobachtungen sollen nicht als Beweis dienen, sondern nur aufzeigen, was alles geprüft werden sollte, bevor man die Inschrift datiert.)

Die Inschrift ist auch nicht regelmäßig, die Buchstaben weichen teilweise sehr deutlich von der angeblich streng eingehaltenen klassischen ab, z.B. beim 'A' zu Beginn der dritten Reihe. Manche 'V' beginnen über der Linie, die Linien selbst wechseln in der Mitte der Zeilen und wie man an den 'T's und 'N's deutlich sehen kann ist die Schrift eine Mischung aus Capitalis quadrata und Capitalis rustica.

Der Knick in den Linien ist sogar mit bloßem Auge zu sehen. Wer es nicht glaubt, lasse sich das oben gepostete Bild anzeigen und lege ein Bildschirmlineal darunter. Nach unten wird es besser und in der untersten Zeile bin ich mir nicht ganz sicher.

Alles nachzuschlagen dauert etwas, zumal ich nicht alle Hilfsmittel hier habe.
 
Corvey war eine fränkische Gründung. Die überlieferte origo gentis der Franken war der Troja-Mythos, wonach die Franken nach der Verrat des Odysseus an Priamos (so tatsächlich in einigen mittelalterlichen Texten, im Unterschied zur eigentlichen Handlung der Illias) aus Troja geflohen sich eben am Niederhrein, in anderen Quellen auch zwischen Rhein und Donau ansiedelten.
Die von Trajan gegründete CUT (Colonia Ulpia Traiana) wurde in diesen Mythos miteinbezogen, in dem das Traiana ätiologisch umetymologisiert wurde, die CUT war demnach keine Gründen des Traian mehr sondern der Trojaner.
Insofern ist ein Auftauchen von Szenen aus der Odyssee oder der Illias in einem Gebäude fränkischer Gründung jetzt nicht weiter verwunderlich.

Das ist mir bekannt. Nur wird hier nicht der Trojamythos zitiert (real oder fränkisch) sondern Odysseus mit Scylla oder Herakles mit Cerberus.
Ich persönlich tendiere zu Herakles wegen der Hundekopfe.
Corvey
05_ni_corvey_kloster_karolingische_wandmalerei_roland_rossner_05_08_3_452x.jpg
Rotfigurige Keramik:
kerberus.jpg

Mit Aeneas hättest Du mich wahrscheinlich überzeugt. Aber mit den griechischen Superhelden Herakles und/oder Odysseus in einem fränkischen Gotteshaus habe ich erhebliche Probleme. Vor allem deshalb, weil sie in einem römischen Altar-Kontext absolut im Rahmen des Erwarteten stehen, in einem fränkisch-Sakralen Kontext aber unpassend sind weil heidnisch.
Und ich werden deshalb auch nicht müde und zitiere ein weiteres mal den Andreas Grüner mit seiner wunderschönen Arbeit über antike Grenzmarkierungen durch Altäre sowie die Herakles und Alexander-Rezeption römischer Kaiser.

In diesem Kontext dürfen zwei Tacitus Zitat nicht fehlen.
Germ. 3,3
Ja man habe sogar einen Altar, den Odysseus geweiht habe, mit dem Namen seines Vaters Laertes darauf, an der gleichen Stelle vor Zeiten gefunden, und Denkmäler und eine Art von Grabmälern mit griechischen Inschriften seien im Grenzgebiet von Germanien und Rätien noch jetzt vorhanden.
Tac. ann. 2,7,2
Den Altar stellte er wieder her und hielt zu Ehren seines Vaters mit den Legionen – er selbst an ihrer Spitze – den feierlichen Waffenlauf. Den Grabhügel wieder aufzurichten fand er nicht gut. Das Land zwischen dem Kastell Aliso und dem Rhein ließ er überall durch neue Grenzwege und Dämme sichern.
Sicherlich können das Wiederherstellen des Altars und die Errichtung von Grenzwegen voneinander unabhängige Ereignisse beschreiben, aber im Sinne von Grüner und den Schriften der Gromatici besteht eine römische Grenzziehung aus der Limitierung UND einem Altar am Extrempunkt des centurierten Gebietes.
grenzziehung.jpg
siehe dazu auch John Peterson
Für die Position eines hypothetischen augusteischen Grenzaltares wäre es also sogar notwendig ihn an einem exponierten Punkt zu suchen. In Corvey am Ende der Lippetrasse direkt an einem Fluss gelegen ? Bei der Vorliebe der Römer für nasse Grenzen absolut passend!

Mal abgesehen davon, dass die Ähnlichkeit der Gebäude (also der Grundrisse, das ist schon klar) doch eher fraglich ist, ist ein anderer Unterscheid völlig frappant: Augustus reorganisierte die hispanischen Provinzen, aus den zwei Provinzen Hispania Citerior und Hispania Ulterior machte er drei Provinzen: Baetica (+/- Andalusien), Lusitania (+/- Portugal und Extremadura) und Tarraconensis (der Rest der iberischen Halbinsel). Tarraco war die Hauptstadt dieser schon seit 200 Jahren romanisierten Provinz. Das Weserufer bei Corvey, wenn es dort überhaupt römische Aktivitäten gab, lag dagegen irgendwo im Nirgendwo. Da Hauptstadt - dort nichts.
Ich glaube nicht dass Augustus vor hatte zunächst 200 Jahre Romanisierung abzuwarten bevor er den Kaiserkult in Germanien einführte.
Im Gegenteil wird er am Ende seines Lebens unter Druck gestanden haben, die Provinz Germanien soweit zu sichern, dass deren Erwerb für das Römische Reich auf ewig mit seinem Namen verbunden sein würde, wie Asien mit Pompeius, Africa mit Scipio oder Caesar mit Gallien.

Wobei du munter punktuelle Ereignisse, kurzfristige Einrichtungen und wohl längerfristige Einrichtungen und alles über einen Zeitraum von ca. 250 Jahren verteilt sehr großzügig als Beleg heranziehst, das womöglich augustuszeitliche Lager Wilkenburg, das flavische Lager Hachelbich oder gar eine Schlacht die vermutlich unter Maximus Thrax geschlagen wurde.
Wieso empfindest Du das als ungewöhnlich? Am Anfang der Lippetrasse(Hellweg) in Neuss hat es während der gesamten römischen Präsenz am Rhein Legionslager gegeben. Es liegt also nahe, dass die Römer in dieser gesamten Zeit (auch?) über den Hellweg nach Germanien eindrangen. Wenn die römischen Funde aller Zeiten östlich des Rheins um eine vermutete Weserfurt bei Corvey streuen, dann deutet das doch daraufhin, dass dieser hypothetische Altar eben nicht irgendwo im Nichts gestanden hätte, sondern an einem zu allen Zeiten verkehrsgeographisch wichtigen Punkt.

Der römische Fundplatz Bevern ist mir nicht bekannt.

Ist ein bisher nur durch Luftbilder bekanntes Lager im Raum Holzminden, dass Herr Moosbauer in einem Vortrag erwähnte.

Wenn du selbst eines der Hauptargumente Klabes' für eine augusteische Vordatierung Corveys verwirfst, warum hältst du dann daran fest?

Weil ich dem Mann nicht den Sachverstand eines Architekten absprechen möchte, nur weil er kein Latein kann und wie man hoffentlich sehen konnte auch selbst ein paar Überlegungen angestellt habe.

Gruss
jchatt
 
In diesem Kontext dürfen zwei Tacitus Zitat nicht fehlen.
Germ. 3,3

Nun ist dir aber auch klar, dass Tacitus das a) als Gerücht darstellt und b) deutlich macht, dass er nicht daran glaubt. Demnach wäre der dem Ulixes geweihte Altar keine römische Arbeit sondern eine einheimische.

Was das Zitat zum Drususaltar hier soll, ist mir schleierhaft.
https://www.academia.edu/8238667/Map_conventions_in_some_diagrams_of_the_agrimensores
Ich glaube nicht dass Augustus vor hatte zunächst 200 Jahre Romanisierung abzuwarten bevor er den Kaiserkult in Germanien einführte.
Das hat auch niemand behauptet. Aber dazu ab es die ara Ubiorum: Köln. Dort - und nicht irgendwo anders - war auch Segimundus Segestesson.
Du versuchst hier das eigentlich Problem, welches sich deiner These stellt, nicht zu lösen sondern zu umgehen: Tarraco war die Hauptstadt einer Provinz. Das Weserufer bei Corvey war eben das Weserufer bei Corvey. Von römischer Besiedlung keine Spuren außer den mit Gewalt zu römisch erklärten karolingischen Gebäuden.

Wieso empfindest Du das als ungewöhnlich? Am Anfang der Lippetrasse(Hellweg) in Neuss hat es während der gesamten römischen Präsenz am Rhein Legionslager gegeben. Es liegt also nahe, dass die Römer in dieser gesamten Zeit (auch?) über den Hellweg nach Germanien eindrangen.
Was ich als ungewöhnnlich empfinde? Weder das Eindringen der Römer über den Hellweg (habe ich auch nrigends gesagt!) noch irgendetwas anderes richtiges und logisches.

Was ich für seltsam erachte, ist, dass du als Beleg für eine römische Gründung in Corvey punktuelle Ereignisse und nur ein bis drei Tage belegte Marschlager heranziehst, die z.T. bis zu 235 Jahre +/- auseinanderliegen. Wenn Corvey von festen, dauerhaften römischen Einrichtungen umgeben wäre, dann könnte man darüber sprechen. Aber wir reden hier von Marschlagern und Schlachten.

Weil ich dem Mann nicht den Sachverstand eines Architekten absprechen möchte, nur weil er kein Latein kann und wie man hoffentlich sehen konnte auch selbst ein paar Überlegungen angestellt habe.
Klabes war Ingenieur für Hoch- und Tiefbau. Als ich meinem Vater, der im Übrigen dieselbe Ausbildung wie Herr Klabes hat, vor einigen Jahren anlässlich eines gemeinsamen Corvey-Besuchs von der Klabes-Hypothese erzählte, hatte der nur ein ungläubiges Kopfschütteln dafür übrig.

Was nun allerdings das "nur weil er kein Latein kann" angeht: Die Inschrift ist eines seiner Hauptargumente für die römische Gründung gewesen, neben dem "Ziegelkleinmörtel". Ziegelkleinmörtel ist ein typisch karolingisches Kennzeichen, die Inschrift als vorchristlich zu deuteln schlicht stümperhaft. Das hätte jedem, der ehrlich an die Sache geht, sofort auffallen müssen.
Das Mauerwerk des Quatrifrons (Feldstein) ist auch nicht wirklich römisch (Quader). Die Verschmischung unterschiedlicher Säulenordnungen an Basen und Kapitellen ist auch kein Kennzeichen für eine römische Bauweise.

Alles, was Klabes als römisch identifiziert, löst sich bei näherer Betrachtung in Luft auf.
 
Mit Aeneas hättest Du mich wahrscheinlich überzeugt. Aber mit den griechischen Superhelden Herakles und/oder Odysseus in einem fränkischen Gotteshaus habe ich erhebliche Probleme.

Aus einem Brief des 9. Jahrhunderts:

Praeterea in ingressu refectorii, ubi cervi figuram ex utraque parte vidi depictam, visa est michi illa superscriptio quasi muta; non enim in aliquo vel audientes aedificat. Operae pretium duxi ob memoriam mei subiectos vobis mittere versiculos, ut vobis familiari veritatis tramite a vobis correcti et iudicio vestro forsitan probati scriberentur ibi, si forte placeret fratribus una cum domno decano, sub hora dum taxat Cerbero depicto. Poterit autem istud esse, si forte vestro sederit sano consilio et adiudicaveritis non indignum quod dico. Alioquin, peto, deleantur et nemini res pandatur. Per omnia nempe et in omnibus credulus sum magnae et sincerissimae fidei vestrae.

Cerberus et cervus distincti pragmate verso
Humanum signant lapsum pariterque regressum.
Namque alter cedens tris sortes reddit ab urna,
Debita pandit et hinc operis quoque cordis et oris,
Atque triceps quod captat ovans sub lege vorandi,
Est mortis laqueus redigens in pulvere corpus.
Alter sed rediens cursu petit astra polumque,
Pascitur illa avidus, requiem sectatus in ipsis,
Inque caput simplex oculos defigere nitens,
Angues proturbat, donec sua iura reposcat.

Pictor Apelleas cupiens aequare figuras,
Sub cephali simplum varioque tricorpore cervum
E regione canis Cocyti stagna tenentis
Finxit et in simili numero luctamen agonis
Longe dissimile et quanto celumque chaosque;
Ergo movens inhiat mortis tria Cerberus ora.
Haec, lector, dum posse subest, vitare memento
Ac cervi de more fugax depelle venena
Serpentis, repetens rivum fontemque salutis.
Christus ad haec virtus, cursus requiesque suorum .
 
Klabes übersetzte angelus mit Bote, ignorierend oder schlicht nicht wissend, dass es sich um ein kirchenlateinisches Wort handelt, welches man in Rom zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht kannte.
Die Bedeutung "Boten" ergibt im Rahmen der Inschrift doch gar keinen Sinn: "Du umgib diese Stadt, Herr, und deine Boten mögen ihre Mauern bewachen."????

Ich habe gestern in der Latin Library die Schriften der beiden Seneca (die des Jüngeren sind allerdings unvollständig) nach "angel" durchforstet, aber nichts gefunden.
Es geht anscheinend um den 20. Brief an Lucilius (= der 8. des 2. Buches). Dort ist eine Lesart unsicher und umstritten. In der Latin Library steht: "Nec ego, Epicure, an +gulus+ [si] iste pauper contempturus sit divitias". Andere Lesarten lauten jedoch: "Nec ego Epicuri angelus scio, an pauper iste contempturus sit ..." oder dergleichen.
Die Lesart "angelus" ergibt aber nicht wirklich Sinn, da man dann übersetzen müsste: "Nicht weiß ich als Bote Epikurs, ob ... " Der Stoiker Seneca müsste sich also gleichsam als Epikureer bezeichnen.
 
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