Ariovist und die Archäologie

Hermundure

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Verdickt facettierte Ränder kamen zuerst bei der Przeworsk-Gruppe (Oder- Weichsel- Germanen) vor, welche im D2a nach Hessen einwanderten (Ariovist). Erst im D2b (Großromstedter Horizont) erfolgte die elbgermanische Einwanderung bis zum Niederrhein (Umsiedlung der Ubier durch Agrippa). Die mitteldeutsche Komponente hat auch von den Przeworsk-Leuten die Waffenbeigabensitte übernommen (Schkopau, Großromstedt). Die Sueben (Elb- Oder und Weichselgermanen) waren bis dato der stärkste Gegner der Römer. Das wusste auch schon Caesar. Erst mit Drusus 9 v. Chr. (Saale) und Tiberius 5 n. Chr. (Elbe) hat man diese Gefahr beseitigt.

Strabon sagt ja auch, dass die Langobarden und Hermunduren sich über die Elbe (und Saale) zurück gezogen haben. Das bestätigt auch das neu aufgefundene Gräberfeld von Profen bezüglich der Hermunduren.

Zu Zeiten des Varus wohnten am Südharz schon Cherusker und Chatten. Funde lügen nun mal nicht.
 
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Die Elbgermanen wohnten schon, so lange sie zu beobachten sind, großteils rechts der Elbe. Erst im 2. Viertel des Jahrhunderts erscheint Ariovist -nicht nur mit Elbgermanen- in Gallien. Auch an der Lippe östlich der Sugambrer mögen einige im Caesierwald hängengeblieben sein. (Marser? Oder haben sie sich den Sugambrern oder Brukterern oder Marsern assimiliert, oder sind sie nicht erwähnt?) Ariovists Germanen siedelten sich im von Helvetiern verlassenen Gebiet an, wie man es früher darstellte. Von ihnen zogen die Markomannen nach Böhmen, die elbgermanischen Stämme am Rhein blieben dort.

Die "Kabinenrede" stammt von Tacitus, nicht von Germanicus, ist aus einer Perspektive vom Ende des Jahrhunderts geschrieben. Zumindest ein Teil der Intention war, dabei zu glänzen, dem Germanicus eine möglichst tolle Motivationsansprache für seine Legionäre in den Mund zu legen.
 
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@ Riothamus,

die "Elbgermanen" der Lippe, es sind 34 nachweisbare Siedlungen, stammen von der unteren Elbe (Keramikvergleich). Heute wird von den Archäologen in BRB und SA ausgegangen das es sich um Langobarden handelt. Der einzige der darüber bescheid wusste war der Geograf Ptolemäus. Er nennt diese Suebi Laggobardoi (suebische Langobarden). Erst kürzlich wurde Keramik bei Garlitz/BRB (an der Elbe) gefunden, welche haargenau in Formengebung (mit gleichem Henkelansatz !!!) der von Oelde/NRW übereinstimmt (1. Hälfte 1. Jh. v. Chr.). Die Sueben des Ariovist haben nichts mit den Sueben von der Elbe zu tun. Erstere gehören archäologisch der Przeworsk-Kultur (alt Oder-Warthe-Gruppe) an, letztere der Jastorf-Kultur. Eine Verschmelzung beider fand zuerst in Mitteldeutschland statt. Die Lippischen-Langobarden (Jastorf) kannten keine Sitte der Waffenbeigabe. Diese setzte sich zuerst um 65 v. Chr. bei der mitteldeutschen Jastorfkultur durch (Schkopau, etwas später Großromstedt), nachdem die keltischen Teurier (Naumburger Gruppe) zusammen mit den Boiern aus Nordböhmen abgewandert sind. Die Lippischen Langobarden übernahmen aber den Totenkult der Einheimischen, welcher ohne Waffenbestattung üblich war.

Suebe ist nicht gleich Suebe, schon gar nicht archäologisch.

Grüße
 
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@Hermundure, Post#4976:

Wenn du es schon in lateinische Buchstaben überträgst, dann bitte gleich korrekt: Sueboi Langobardoi. (Das gg wird eben ng gesprochen, ist also kein Verschreiber.) Zudem lokalisiert Ptolemaios diese am Rhein, wenn ich mich richtig entsinne und der Eintrag wird auf ein Missverständnis zurückgeführt. Aber er mag ja auch durch Zufall das richtige Treffen.

Abgesehen davon stehen Deine Aussagen als Widerspruch zu aller mir bekannten Literatur. Lugier sind keine Sueben. Letztlich können nur Elbgermanen als Sueben benannt werden. Außer bei Tacitus. Woanders werden sie streng von diesen geschieden. Die Verlagerung ihrer Keramik ging nur sehr beschränkt mit Wanderungsbewegungen einher. Caesar benennt die Stammesangehörigkeiten der Gefolgschaft des Ariovist. Lugier erwähnt er nicht. Und die erwähnten Stämme sind Galliern, Jastorf-Germanen und Elbgermanen zuzuordnen. Schau Dir doch einfach mal die Kartierung elbgermanischer Funde an. Man sieht einen 'Rückzug' von der jütischen Halbinsel und eine 'Ausbreitung' in Thüringen, am Main (Ariovists Markomannen!), in Böhmen (Markomannen), an Neckar und Rhein (wieder Ariovist!) und ein kleines Gebiet östlich von den Sugambrern zwischem Lippe und Ruhr.

Einwanderer der Przeworsk-Kultur werden -bisher, siehe unten- nur für zwei Regionen angenommen: um Mittelbuchen, Kreis Hanau und um Nordhausen. Nur dort hat ihre Keramik einen größeren Anteil und dort konzentrieren sich ihre Grabgruppen. Es ist anzunehmen, dass es auch woanders noch nicht entdeckte Konzentrationen gab. Von diesen Siedlungsräumen verbreitete sich dann die fremde (oder exotische) Keramik. Es wird von Adaptionsprozessen gesprochen. Noch dazu ist das zeitlich von 180 v. Chr. bis 50 v. Chr. zu datieren. Eher wurden diese Einflüsse also von Ariovists Sueben verdrängt. Interessant wäre es, wenn Funde am Rhein nördlich der Lippemündung spät einzuordnen wären. Damit könnten dann Usipeter und Tenkterer gefasst werden.

Interessant ist, dass beide Kulturverlagerungen in ungefähr denselben Gebieten feststellbar sind. Doch stimmt der Verbreitungsbeginn der elbgermanischen Funde um 50 v.Chr. mit dem Untergang des Ariovist-Reiches in Gallien und der Landnahme seines Gefolges östlich des Rheins überein. Außerhalb jener Siedlungsgebiete, z.B. an der Lippe, äußert sich die Verbreitung der elbgermanischen Kultur anders. Wenig Gräber, ein geringerer Anteil der Keramik, Kontinuität steht im Vordergrund. Hier wird man eher wieder von einer Mode ausgehen. Ob man von einer Verbreitung auch nördlich der Lippe ausgehen kann, ist m.W. leider nicht systematisch untersucht.

Die Umwandlung der Kontaktzone in das Gebiet der Rhein-Weser-Germanen gilt als während der Germanienfeldzüge, je nach Autor vor 9 n.Chr. oder vor 16 n. Chr. abgeschlossen. Welche Faktoren lassen sich erkennen?

1- Partielle Einwanderung und kulturelle Beeinflussung (Gar eine 'Germanisierung'?) der sonst überwiegend durch die Latène-Kultur und ingeringerem Maße durch die Jastorf-Kultur beeinflussten Kontaktzone in ihrer Spätphase etwa 180-50 v.Chr. durch die Przeworsk-Kultur und eine geringe Zuwanderung aus dieser.
2- Eroberung Galliens durch Caesar. Der Latène-Einfluss entfällt. Elbgermanischer Einfluss, vielleicht auch durch Ariovist-Rückkehrer wird bestimmender. Auch die Wirtschaft muss sich umstellen. Eisen wird z.B. nicht mehr importiert, sondern selbst gewonnen.
3- Beeinflussung durch die Römische Besetzung.

Die schon eher an Kleinigkeiten und durch die Siedlungsräume zu unterscheidenden Gruppen und Regionen der Kontaktzone entwickelten sich durch diese gleichen Einflüsse zu einem gleichförmigen Kulturareal.

(Da sich so etwas häufig in Mythologischen Vorstellungen niederschlägt, mag hier die Ursache der Divergenz der Mannussage und überlieferter älterer Vorstellungen liegen. Dazu würde passen, dass die archäologisch feststellbare Aufteilung von Nordseegermanen, Elbgermanen und Rhein-Weser-Germanen nicht ganz mit der mythischen Vorstellung der 3 Mannusstämme übereinstimmt. So wäre eine Verbindung mit den anderen Bereichen deutlich gemacht. Dies ist keinesfalls zwingend, insbesondere mag es Überlieferungsmissverständnisse geben. Aber es bleibt eben eine Möglichkeit, dass eine Vorstellung einer 'Verwandschaft' der 'germanischen' Stämme hauptsächlich in den von der Römischen Besetzung besonders betroffenen Gebieten gab.)
 
Guten Abend,

@ Riothamus

Zitat: "Auf das Vorkommen der Ostelemente in Deutschland machte als erster K. Schumacher in der kurzen Bearbeitung der Funde aus Muschenheim, Lkr. Gießen, aufmerksam (Schumacher 1920). Die einzelnen Elemente im Stil der Przeworsk-Kultur, die aus dem erwähnten Gräberfeld kommen, hat dieser Autor mit der Migration der „wandalisch-lugischen“ Bevölkerung von Schlesien in Verbindung gebracht, die seiner Meinung nach mit den durch antike Schriftquellen bezeugten Wanderungen der germanischen Völker unter Ariovist zu tun hätte (Schumacher 1920, 77). Diese These von der Schlüsselrolle der Migration in der Verbreitung der Elemente der Przeworsk-Kultur wurde vielmals später von Forschern ausgedrückt und mit Publikationen weiterer Funde untermauert (u.a. Hachmann 1957; Godłowski 1977, 139 – 140; Peschel 1977, 1978, 1989; Seyer 1982; Dąbrowska 1988a, 152 – 167; 1988b; Meyer 1996; 2008; Seidel 2006)."

Quelle: Michał Kasiński - "Bemerkungen zu den Funden der Przeworsk-Kultur in Mitteldeutschland in der jüngeren vorrömischen Eisenzeit"; 2010

Erzähle bitte keinen Quatsch, dass Ariovist von der Elbe kam. Das ist absoluter Bullshit und archäologisch nicht vertretbar, weil es nicht stimmt. Sorry für die Deutlichkeit.

Grüße
 
Guten Morgen,

@ Riothamus,

Ariovist sagt zu Caesar, dass er und seine Leute seit 14 Jahren kein Dach über den Kopf haben (58 v.Chr.+14 Jahre = 72 v. Chr.). Einen Siedlungsabbruch am Ende von D1b (80-65 v. Chr.) finden wir nur in der Przeworsk-Kultur (Schlesien, Zentralpolen Mitteloder-Gebiet) und der Naumburger Gruppe, nicht jedoch bei der Jastorf-Kultur. Stufe Laténe D2a ist in Polen faktisch nicht vorhanden, bei den Jastorfern jedoch schon (Wahlitzer-Gruppe, Stratigrafie Schkopau Stufe I). Die These Schumachers wurde durch polnische und mitteldeutsche Archäologen schon lange bestätigt und es deckt sich hervorragend mit den Siedlungen in Mitteldeutschland. Die Großromstedter-Kultur der Elbgermanen bildete sich erst in Laténe Stufe D2b (ab 45 v. Chr.) aus. Da war Ariovist schon lange tot.

Grüße
 
Wir haben ja wirklich oft erklärt, dass Reden auf dem Mist der Geschichtsschreiber gewachsen sind. Cäsar nutzt nun bekanntlich zum Leidwesen aller Lateinschüler die indirekte Rede für seine Verhandlungen mit Ariovist. Dies soll den erfundenen Reden gegenüber einen genauen Bericht vorgaukeln. Für uns besitzt die zitierte Stelle somit keine Belegkraft. Er bestätigt damit einen Topos, bzw. ein Vorurteil antiker Ethnographie und stellt die Ariovist-Koalition als große und vor allem unberechenbare Gefahr dar, was ja noch heute ein Mittel der Propaganda ist. Caesar bricht einen Krieg gegen einen offiziellen Freund Roms vom Zaun und vernichtet ihn. Er tat gut daran eine Menge Nebelkerzen zu zünden.

In diesem Fall ist es sogar belegt, da längst nachgewiesen ist, dass eine "Wanderung" über 14 Jahre nicht möglich ist. Zudem hätte sich Ariovist damit um Kopf und Kragen geredet, wie man so schön sagt.

Darüber hinaus kann es sich bei einem Siedlungsabbruch nicht um Ariovists Gefolge handeln, da es sich nicht um einen geschlossenen Stamm handelt. Zudem ist die Zuschreibung der ihm folgenden Stämme bekannt, wie schon geschrieben. Es ist auch bekannt, dass sie wieder auf die andere Seite des Rheins zogen. Dort kommen nur die neuen Elbgermanischen Funde infrage, deren Datierung nicht so klar ist, wie Du es darstellst. U.A. bringt die Archäologie ja auch für den 'Umzug' der Markomannen 'falsche' Daten.

Und Großromstedt ist der Bestandteil der Elbgermanischen Funde, der eben nach den Schriftquellen nicht in Zusammenhang mit Ariovist steht.
 
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