Besondere Heilkräfte durch Mumie/Mumia

SRuehlow

Mitglied
Im 15. Jahrhundert kommt die Mumie als besonderes Heilmittel in der gebräuchlichen Volksmedizin auf. Man unterscheidet drei verschiedene Sorten, die im Handel und auf dem Schwarzmarkt kursieren. :autsch:

Die "persische" Mumie - Sie besteht aus einem paraffinhaltigem Erdöl (Asphalt, Bitumen und Erdpech), das in der Antike ursprünglich in Persien und Mesopotamien gewonnen wurde. Die zerstossene Mumie dient, in persischer Form, als Heilmittel gegen Bessenheit und als Abwehr gegen Krankheiten, die durch Dämonen verursacht werden. Die paraffinhaltige Arznei wurde hauptsächlich aus am Toten Meer gewonnen und 1500 v.Chr. nach Ägypten zum Einbalsamieren verkauft.
Die "ägyptische" Mumie - Seit etwa dem 1. Jahrtausend vor Christus nennen die Araber das erdölhaltige Produkt, das sogenannte Totenpech, mûm oder lat. mumia. Die sogenannten ägyptischen Leichen werden insgesammt als Mumien bezeichnet. Das Totenpech soll eine Heilwirkung enthalten, vor allem, wenn Kochen der Mumie oder Leichenteile in der zubereiteten Arznei enthalten sind. So werden die Mumien als begehrtes Medikament von den Arabern nach Europa exportiert. Die pharmazeutische Bezeichnung ist mumia vera Aegyptica.
Die "frische" Mumie - Schließlich stellte man im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit heilkräftige Mumie aus frischen Leichen ohne Totenpech her. Vor allem die Leichen von Hingerichteten werden zur Mumie verarbeitet (z.B. Pulver des Knochenschädels eines Geköpften zur Anwendung als Waffensalbe). Auch aus Fehlgeburten stammende Kinderleichen werden getrocknet und in der Apotheke als Mumie verkauft, ebenso wie Körpersäfte und Exkremente. :autsch:

Mumia soll angeblich vor zweitausend Jahren das erste Mal verwendet worden sein. Es sollte gegen so gut wie jede Krankheit helfen. Es war auch ein wirksames Liebesmittel. Man schluckte es, rieb es auf die Haut oder tat es direkt auf die Wunde.
Pro Mumia - Leo Tolstoi propagierte Mumia in Russland als wachstumsförderndes Remedium.

Kritik: Der berühmte Arzt und Hexenkener Paracelsus (1493-1541) bezweifelt die Wirksamkeit der Leichen-Mumie. Er empfiehlt dahingehend eine magnetisch wirkende Mumie aus Menschenblut, die in einem Ei ausgebrühtet wird, das sogenannte synaptische Ei, das die Krankheitsstoffe aus dem Körper ziehen soll. wie ein Magnet. Wichtiger allerdings ist sein Begriff der inneren Mumie, des inneren Balsams, der soviel wie Lebens- und Heilkraft im Menschen bedeutet... :grübel:

Zum Nachdenken: Bis in die 1920er Jahre wurde Mumia in den Apotheken verkauft. Wie viele Mumien wurden bis dahin mutwillig zerstört und wieviele Menschen wurden unfreiwillig zu Mumia verarbeitet? Das will man sich nicht wirklich vorstellen oder?
 
Brrr, und alles nur wegen einer Fehldeutung.

Das eigentliche Mumia, also Bitumen, wird heute noch als Heilmittel verwendet, als Bad oder Tinktur für schlecht verheilende Wunden.
 
SRuehlow schrieb:
Zum Nachdenken: Bis in die 1920er Jahre wurde Mumia in den Apotheken verkauft. Wie viele Mumien wurden bis dahin mutwillig zerstört und wieviele Menschen wurden unfreiwillig zu Mumia verarbeitet? Das will man sich nicht wirklich vorstellen oder?

Zusätzlich soll es um 1900 auf festlichen Veranstaltungen ein beliebtes Spielchen gewesen sein, Mumien auszuwickeln. Besonders wohl in England, wo der Nachschub aus Ägypten leicht zu beschaffen war.
Wäre das eine Idee für das nächste Forentreffen: Mumienwickeln..? :S
 
Arne schrieb:
Zusätzlich soll es um 1900 auf festlichen Veranstaltungen ein beliebtes Spielchen gewesen sein, Mumien auszuwickeln. Besonders wohl in England, wo der Nachschub aus Ägypten leicht zu beschaffen war.
Wäre das eine Idee für das nächste Forentreffen: Mumienwickeln..? :S

Da hast Du eigentlich recht! Habe zum Thema Mumie als Partygag diesen schönen Artikel gefunden:
http://www.discovery.de/mumienwoche/grabraeuber.shtml


Touristen-Boom in Ägypten

Jeder, der es sich leisten konnte, zog nun als Tourist nach Ägypten. Lokale Händler fanden dankbare Abnehmer für ihre geplünderten Grabbeilagen in all denjenigen, die sich nicht selbst mit Schaufel und Spitzhacke auf die Suche machen wollten. Der Grabraub wurde erneut zu einem lukrativen Geschäft. Von den Touristen musste niemand ohne Andenken zurück in die Heimat. Der sich in dieser Zeit neu entwickelnde Rationalismus, gepaart mit kolonialistischer Arroganz, ließ jeglichen Pietismus ersterben. Die Mumie wurde zum Party-Gag.


Mumien als Party-Gag

Das Auswickeln von Mumien wurde im 19. Jahrhundert zum angesagtesten Party-Gag. Lord Londesborough imponierte 1850 in London seinen Gästen mit einem Dinner, dessen Höhepunkt das Auswickeln einer ägyptischen Mumie "at half-past two" bildete.
Auch der Hohenzollernprinz Friedrich-Karl legte 1883 in seinem Jagdschloss eine von seiner Ägypten-Reise mitgebrachte Mumie auf den Billardtisch. Unter großer Spannung wurde sie ausgepackt, doch die anwesenden Gäste zeigten sich enttäuscht. Es fand sich nämlich weder ein Amulett, noch ein Schmuckgegenstand oder wenigstens eine Papyrusrolle am Leib der Leiche. Die Sensation verflog schnell. Es geht das Gerücht, die enttäuschende Leiche sei im Kamin verfeuert worden. Die Kartonagehülle wurde als wertvoller eingestuft und dem ägyptischen Museum in Berlin übergeben.


 
SRuehlow schrieb:
Ich denke, dass es ein durchaus historisches Thema ist, dass man diskutieren kann, vorallem, weil es Einfluss bis in die Neuzeit hat, wie man sieht... :rofl:

Ja, ich habe doch nur eine Frage gestellt.
Was kann ich dafür, wie du sie interpretierst.
 
florian17160 schrieb:
Ja, ich habe doch nur eine Frage gestellt.
Was kann ich dafür, wie du sie interpretierst.

Man kann die Frage interpretieren, wie man will, nur scheint es mir, als ob es keine sehr sachliche Frage war.

Und nun bitte zurück zum Thema!
 
Mir ist da noch etwas interessantes in die Hände gefallen, dass Ihr sicher schon alle kennt.

Kaufleute und Pilger, die während des Kreuzzuges (und später) im heiligen Land und im Nahen Osten unterwegs waren, kauften die Kinderleichen des bethlehemitischen Kindermordes unter Herodes, der bis heute noch nicht bewiesen ist und von Historikern strickt abgeleht wird.
Die Kinderleichen waren getrocknete Säuglinge, teils aus dem Wüstensand gezogen, teils für das lukrative Geschäft eigens angefertigt. Zudem wurden pulverisierte Föten, die vorher mumifiziert wurden, an die Pilger als wertvolle Waffensalbe verkauft.

Quelle: Erich Staehle: Templer und Johanniter, S. 108f.
 
Ganz spontan hab' ich hier an Schüsslersalze denken müssen :) . Schade um all das, was dadurch verloren ging.
Bye
Suedwester, der früher selbst genug Leichen aus dem Keller gebuddelt hat
 
Mir fällt in diesem Zusammenhang noch etwas aus der Neueren Geschichte ein:
Nachdem die Atombombe über Hiroshima abgeworfen wurde und tausende Überlebende mit dem Überleben oder dem Strahlentod zu kämpfen hatten, gab es etwas, was den Opfern Hoffnung auf Linderung und Heilung von der bis dato unbekannten Strahlenkrankheit versprach - die Knochen der Toten. Man schabte die Knochen der Verstorbenen, die beim Abwurf der A-Bombe, ums Leben gekommen waren, ab und zerrieb die Splitter zu Staub. Man bestreute mit diesem Knochen-Staub die Wunden der Strahlenopfer großflächig oder gab es ihnen in oraler Form, endweder unter einer Speise, die meinstens nicht vorhanden war, oder in konderminiertem Wasser zu trinken. Dadurch wurde die hohe Strahlendosis im Körper noch mehr angereichert, sodass der Mensch unweigerlich auf qualvollste Art und Weise verstrab... als er hätte ohnehin schon sterben müssen. Es ist kein Fall bekannt, bei dem Knochenstaub der Hiroshima-Opfer anderen Überlebenden der Katastrophe geholfen hätte... Ich bin mir aber sicher, dass dieses Verabreichen eines "Medikaments" nur innerhalb der Bevölkerung seine Runden machte und nicht von Ärzten oder ausgebildetem Krankenhauspersonal verabreicht wurde.
Dieser Wunsch, eine Heilung mit Leichenteilen zu erzeugen finden wir in den unterschiedlichsten Ausprägungen und Formen. Nehmen wir mal das christliche Abendland: Hier wurden Berührungsreliquien als Heilmethode eingesetzt - hierbei berührte man die Reliquie mit einem Gegenstand, der widerrum die kranke Stelle berührte und dadurch Heilung bringen sollte. Ich will diese Methode nicht abwerten, denn der Glaube an die Fähigkeiten, um zu heilen, ist manchmal das Einzige, was dem Kranken noch bleibt...
Interessant finde ich, dass dieser Glaube an die Berührungsreliqiuen heute noch in Polen existiert. Ich konnte dies auf einer Reise beobachten... Das fand ich in höchstem Maße interessant...
 
Habe hierzu eine interessante Textstelle in Thorau, Peter: Die Kreuzzüge, 2004. entdeckt:

Der Autor berichtet, dass Saladin 1173/74 in Alexandria Handel mit den Niederlassungen von Pisa und Venedig trieb, bzw. erlaubt, trotz massivem Protest von Seiten der Muslime und Roms.

Er benötigte dringend Schiffsbauholz und Waffen für eine starke Schiffsflotte, die im Begriff war, zu entstehen. Durch den Friedensvertrag mit Richard Löwenherz erlaubte er den italienischen Stadtstaaten Pisa und Venedig Niederlassungen in Alexandria zu gründen. Dorthin importierten die Italiener Holz und Eisenwaren, die man im Vorderen Orient nicht ausreichend zur Verfügung hatte, um hochseetaugliche Schiffe zu bauen. Saladin hingegen lies Alaun, begehrte Gewürze und Zucker exportieren. Aber der Handelsschlager schlechthin waren Mumien - ganze, am Stück, oder zu Pulver zerstoßen, um den riesigen Bedarf in Europa in Apotheken zu decken.

Interessant wäre hier die Frage nach der islamischen Problematik des Grabraubs, bzw. der Leichenschändung. Im Grunde genommen verstiess dieser Handel gegen den Koran... Das lässt ein paar Thesen zu:
1. Waren die verstorbenen Ägypter nach islamischem Recht Ungläubige und durften durch Muslime exhumiert werden?
2. Ist der Handel mit Leichen nicht durch den Koran geschützt? Wenn ja, warum konnte man ihn so einfach und in solch großem Ausmaß umgehen?
 
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