Bewaffnung der Germanen zur Zeit der Varusschlacht

4- Die gefundenen Stücke werden als Jagdwaffen angesprochen. Wieso kann ich nicht sagen, ich hatte noch keine Zeit mich zu informieren.
Vielleicht einfach aufgrund des alten Vorurteils, die Germanen hätten den Bogen nicht benutzt, welches sich durch die Literatur geschlichen hat.
Das ist so ähnlich, wie die Behauptung, die in Spanien im 18. Jhdt. aufkam, Strabon hätte geschrieben, Spanien sei so bewaldet, dass ein Eichhörnchen von den Pyrenäen bis nach Gibraltar hätte wandern können, ohne nur ein einziges Mal den Boden zu berühren. Das ist auch zigfach kopiert worden, findet sich aber in keiner einzigen StrabonHS. So ist das auch mit dem Bogen bei den Germanen. Dass sie ihn nicht gebrauchten, steht in keiner einzigen Quelle, aber irgendwann kam das Gerücht auf, sie hätten es nicht getan und das ist abgeschrieben worden.
 
'Vielleicht' hilft nicht wirklich weiter und die Forschung wurde doch seit dem 19. Jahrhundert auf neue Grundlagen gestellt.

Nun, ich habe etwas gefunden und es scheint sogar die Benutzung für die Jagd in Frage zu stehen. Also sind eher die auch mir bekannten Notizen dazu Gerüchte aufgrund unserer Annahmen, die Jagd und Schusswaffen verbinden.

Manfred Teichert, Heinz Grünert, Jagd und Fischfang, in: Bruno Krüger u.a., Die Germanen Geschichte und Kultur der germanischen Stämme in Mitteleuropa, Band 1: Von den Anfängen bis zum 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, Berlin 1978, S.451 f: "In dem Bogen von Oberdorla haben wir - da die Funde von Bogen und Pfeilen aus dem Thorsberger Opfermoor nicht genau datiert sind- den bisher besten Nachweis dieser Waffe aus dem Beginn u.Z. Aus dieser Zeit fehlen sonst nicht nur die vergänglichen Bogen und Pfeilschäfte, sondern auch Pfeilbewehrungen aus Metall. Da weder Schriftquellen, die manches über Waffen aussagen (s.S. 334ff), noch Nachrichten über germanische Hilfstruppen, noch römische Bilddarstellungen die Bogenwaffe bezeugen, kam ihr in der germanischen Ausrüstung der ersten Jahrhunderte u.Z. offenbar keine große Bedeutung zu. Erst seit dem 3. Jh. mehren sich die gegenständlichen Hinweise auf ihren Einsatz wieder."

Bei dem Fund von Oberdorla handele es sich um "einen kleinen, gut gearbeiteten Bogen".

Das zweibändige Werk ist so etwas wie das Vermächtnis der DDR-Archäologie. Eines der dadurch bedingten Nachteile ist, das Ostgermanen und Lugier nicht berücksichtigt werden durften, was nur z.T, umgangen wurde. Aber das betrifft das betrachtete Gebiet ja nicht.
 
Zum Thema kann ich nicht direkt etwas beitragen, jedoch etwas zu einigen Randthesen -Nutzung in Mitteleuropa/ möglicher Einsatzzweck/wer waren mögliche Bogenschützen:
Julius Cäsar berichtet im Gallischen Krieg, Kapitel VII, 31, dass Vercingetorix nach dem Verlust von Avaricum das Aufgebot der zahlreichen Bogenschützen, die es in Gallien gab, zu sich schicken ließ. In der Schlachtbeschreibung um Alesia (VII,80-82) ist beim ersten Reiterangriff des Entsatzheeres explizit beschrieben, dass einige Bogenschützen unter den Reitern kämpften, beim nächtlichen Angriff aus dem Oppidum griffen die Gallier mit Pfeilen, Schleudern und Steinen an, um die Römer vom Wall zu treiben. Ähnlich auch beim entscheidenden letzten Angriff auf die römischen Belagerungswerke (z.B. VII,86).
Dementsprechend sind bei den Ausgrabungen in und um Alesia zahlreiche eiserne Pfeilspitzen gefunden worden, die Cäsars Bericht unterstützen (siehe Sievers,2008 : perspectivia.net .)
Wenn man dies kurz rekapituliert, könnte es sein, dass die gallischen Bogenschützen ein gesondertes Aufgebot waren - für die Verteidigung von Stadtmauern oder den Angriff auf Holzbefestigungen (auch Feuerpfeile?) speziell geeignet, ein Aufgebot, dass jedoch nicht immer (im Gegensatz zu Kavallerie und Nahkmapfinfanterie) herangezogen wurde. Der Umgang mit dem Bogen braucht Übung, da der Bogen in Gallien nicht als Waffe des Adels beschrieben wird, könnten es Berufsjäger sein, die zu diesem Waffendienst herangezogen wurden.
Cäsar lässt zum Schutz der Belagerungsarbeiten Gräben ziehen, 400 Fuß (ca.120 m) von den Schanzarbeiten entfernt, dies spricht dafür, dass die Gallier Bögen und Schleudern hatten, die nur unter dieser Reichweite wirkungsvoll waren.
Rechtsrheinisch wurden in spätlatenezeitlichen Oppida wie der Altenburg bei Niedenstein vier (Nordhessen,Fritzlarer Becken) oder dem Dünsberg (Mittelhessen) acht Pfeilspitzen gefunden. Einen funktionsuntüchtigen Bogen und drei verschiedene Pfeilspitzen (Tüllenpfeil, Blattpfeil mit Widerhaken, Dreieckiger Blattpfeil, zwischen 7,1-und 9,5 cm lang) fand man im Grab 1 am Glauberg (Wetterau, Frühlatene - 5.Jahrhundert BC), zusammen mit organischen Resten von Schäften (Esche, Obstbaum oder Feldahorn). Die Pfeile maßen, wenn man von der Köcherekonstruktion ausgeht, nur ca. 50 cm, der ebenso lange (unbrauchbare) Modellbogen (Laubholz) war ein mit Wasserdampf gebogener Recurvebogen - die Pfeillänge kann für die übliche Verwendung auf kurze Distanzen von ca. 25 Metern sprechen, was anscheinend eine effektive Jagdentfernung bei der Pirschjagd ist (ein Recurve-Bogen kann schnell und instinktiv kurz ausgezogen werden, ohne Ankerpunkt am Kinn, und kurze Pfeile zielgenau auf kleine Distanzen abschießen -heute sind Pfeile üblicherweise ca. 80 cm lang, ebenso lang sind die traditionellen Langbogenpfeile des Mittelalters). Mir ist allerdings nicht bekannt, ob der Glauberger Bogen der einzige mögliche Vorläufer ist, ich gehe davon aus, dass es einfache Stabbögen/Langbögen ebenso gegeben hat.
Eine Übertragung auf germanische Gesellschaften ist etwas spekulativ: sie erscheinen weniger ausgeprägt arbeitsteilig, eine Berufsgruppe der Jäger existierte wahrscheinlich nicht.
Der Angriff und die Verteidigung von Mauer-Befestigungen war wegen des Fehlens protostädtischer Strukturen weniger kriegswichtig, bleibt eventuell der Einsatz in einer Partisanentaktik.

Pfeil und Bogen. Eine archäologisch-technologische Untersuchung zu urnenfelder-und hallstattzeitlichen Befunden, H.Eckhardt, Internat.Arch.21,1996
Pfeil und Bogen in der römischen Kaiserzeit, Holger Riesch, 2017
 
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Hallo Forum,

jetzt schreib ich auch noch was dazu, ob die Germanen Pfeil u. Bogen als Kriegswaffe eingesetzt haben. Ich glaube, dass durch die Kriege gegen die Römer die Germanen gewusst haben, welche Waffen am effektivsten gegen sie wirken. Im Kampf geht es um Leben u. Tod, da schaut jeder Krieger, dass er mit der Waffe kämpft, die die meisten Aussichten auf Erfolg hat. Und wenn in den antiken Schriften steht, dass die Germanen mit Speeren, Wurfspeeren, Lanzen gekämpft haben, dann waren das die Waffen, die am Wirkungsvollsten gegen die Römer waren u. mit denen sie bevorzugt gekämpft haben. Ich kann mir vorstellen, dass gegen gut gepanzerte Legionäre mit Pfeilen einfach zu wenig auszurichten war od. gegen die Formation Schildkröte. Um einen gepanzerten Römer od. die Formation Schildkröte anzugreifen, braucht es einfach massivere Gegenstände, da muß man mit schwerem Gerät kommen.
Die Franken waren doch später so erfolgreich mit ihrer Axt, hat es die zu Römerzeiten noch nicht gegeben, die hat doch Franziska geheißen, von der die Franken ihren Namen haben?

Gruß
Oleger
 
Ob Wurfbeil oder Wurfspeer effektiver ist, wage ich nicht zu entscheiden. Die Trefferfläche bei dem Beil ist ja z.B. wesentlich größer.

Jedenfalls war die Franziska noch Zukunftsmusik.
 
da der Begriff Effektivität gefallen war:

Sphäre der Herstellung:
Stangen-Holz zu einem ausreichend stabilen Wurfspeer verarbeiten und Spitze im Feuer härten
- so was wäre mit Bordmitteln in jedem germanischen Weiler möglich

wieviel technisches Wissen ist notwenig, zum Schuss ausreichend balancierte Pfeile zu schnitzen? mit Pfedern so zu befiedern, dass das was nutzt? wieviel Fachwissen ist notwendig, um einen geeigneten Baum für einen leistungsfähigen Bogen auswählen zu können? Wie lange dauert die Formung zu einem Bogen?
ist dazu eine Werkstatt notwendig (Einspanngerüst, Wasserdampfquelle)?

kurzum, wo ist die Schwelle beim System Bogen, unterhalb dessen alle Mühe vergebens ist und ab welchem geringen Grade des Ressourceneinsatzes sind die wuchtigeren Wurfhölzer schon wirksam? Stichwort stumpfer Schlag gegen Panzerung/Helme

Sphäre des Gebrauches
es ist ja ein Zeitfaktor, sich eine ausreichende Übung mit seiner Waffe anzueignen. Wer Waffenübungen abhält, kann seinen Unterhalt nicht auf dem Feld/mit der Herde erwirtschaften.
Auch hier: wie schnell lassen sich Jungmannschaften mit Massenproduktions-Wurfhölzern so weit ausbilden, dass sie eine Wirkung hätten vs zu dem benötigten Training eines Bogenschützens

Spähre des bekämpften Ziels
römische Legionäre verfügten als schwere Infanterie über eine wirksame Rüstung+Helm+Schild.
Wie genau muss ein Pfeil treffen, um durch eine ungeschützte Stelle wirken zu können?
Wie nah muss der germanische Kurz oder Langbogenschütze überhaupt heran, um
a) mit Holzspitze den Panzer zu durchdringen?
b) mit Knochen/Geweih/Feuersteinspitze den Panzer zu durchdringen?
c) mit einer eisernen Pfeilspitze den Panzer zu durchdringen?

wie weit sind hier die ja massereicheren einfachen Wurfspeere schon per stumpfen Schlag wirksam?
bei welchen Reichweiten und welcher Anzahl an Geschossen, die der Jungmann zu seinem hit&run (den mehr kann diese Formation nicht leisten) mitnehmen kann?

neben den schwer gerüsteten Linienlegionären gab es ja auch romtreue Stammesaufgebote und Auxilia, wo der Rüstungsschutz nicht unbedingt das Niveau der schweren Infanterie errichen muss.
Es bleibt dementsprechend noch
- Wirksamkeit gegen leichtgerüste Hilfstruppen der römischen Armee
- Wirksamkeit gegen ungepanzerte Pferde

ich habe hier mit Absicht Fragezeichen dahinter gestellt. Denn unsere Quellen aus dieser Zeit liefern nicht genügend, um sie sauber zu beantworten und Fakten zu präsentieren. Es bleibt halt nur die Betrachtung, was technisch Möglich ist bzw. wieviele Ressourcen (etwa der eiserne Kopf einer Wurfaxt) ein solche Waffe frisst.

Ich erinnere auch an andere, die schon auf Schleudergeschosse aus Lesesteinen verwiesen haben. Sie wären nur in Ausnahmefällen als benutztes Geschoss zu identifizieren.

Rundgeschliffene Bachsteine für Schleuder bzw. Schleuderstab wären sehr schnell zusammensuchbar.
Übung zur Raubtiervergrämung rund um die Herden ebenfalls denkbar.
Erwähnung in den Quellen? Mir wäre jetzt dazu nichts geläufig.
 
Wieviel technisches Wissen ist notwenig, zum Schuss ausreichend balancierte Pfeile zu schnitzen? Mit Federn so zu befiedern, dass das was nutzt? Wieviel Fachwissen ist notwendig, um einen geeigneten Baum für einen leistungsfähigen Bogen auswählen zu können? Wie lange dauert die Formung zu einem Bogen?
Ist dazu eine Werkstatt notwendig (Einspanngerüst, Wasserdampfquelle)?
Den Bogen gab es seit dem Magdalénien, 18.000 - 12.000 v. Chr. Ein Selfbow besteht im Regelfall aus einem Stab, der sowohl Splint- (Bogenrücken) als auch Kernholz (Bodenbauch) umfasst. Der wird erst durch die Bespannung gebogen und die Sehne wird auch nur im Bedarfsfall aufgezogen.

Sphäre des Gebrauchs
Es ist ja ein Zeitfaktor, sich eine ausreichende Übung mit seiner Waffe anzueignen. Wer Waffenübungen abhält, kann seinen Unterhalt nicht auf dem Feld/mit der Herde erwirtschaften.
Auch hier: wie schnell lassen sich Jungmannschaften mit Massenproduktions-Wurfhölzern so weit ausbilden, dass sie eine Wirkung hätten vs zu dem benötigten Training eines Bogenschützens?
Ich darf hier wieder auf die britischen Inseln verweisen: Die hatten zwar eine entsprechende Gesetzgebung, die wir bei den Germanen in dieser Form und zu unserer Zeitstellung so nicht erwarten dürfen, aber der britische USUS (explizit nicht IUS!) zeigt, dass es überhaupt gar ein Problem darstellt, Menschen mit Bögen auszurüsten (gleichwohl: Das war in England natürlich standardisiert, auch das können wir für unsere diskutierte Zeitstellung ausschließen) welche sich im Gebrauch dieser Waffen übten.

Spähre des bekämpften Ziels
römische Legionäre verfügten als schwere Infanterie über eine wirksame Rüstung+Helm+Schild.
Wie genau muss ein Pfeil treffen, um durch eine ungeschützte Stelle wirken zu können?
Wie nah muss der germanische Kurz oder Langbogenschütze überhaupt heran, um
a) mit Holzspitze den Panzer zu durchdringen?
b) mit Knochen/Geweih/Feuersteinspitze den Panzer zu durchdringen?
c) mit einer eisernen Pfeilspitze den Panzer zu durchdringen?
Auch das haben wir schon besprochen. Im Hochmittelalter waren die Rüstungen wesentlich dichter und besser als die der Römer, trotzdem war der englische Bogen eine effektive und wirksame bzw. gefürchtete Waffe gegen französische Ritter. Es ist also kein Argument, den Bogen als Kriegswaffe der Germanen (im Einsatz gegen die Römer) auszuschließen, weil er nicht gegen die römischen Rüstungen genützt hätte. Im Übrigen kann eine Metallspitze eines Langbogenpfeils eine Panzerung durchaus durchdringen.
 
Auch das haben wir schon besprochen. Im Hochmittelalter waren die Rüstungen wesentlich dichter und besser als die der Römer, trotzdem war der englische Bogen eine effektive und wirksame bzw. gefürchtete Waffe gegen französische Ritter. Es ist also kein Argument, den Bogen als Kriegswaffe der Germanen (im Einsatz gegen die Römer) auszuschließen, weil er nicht gegen die römischen Rüstungen genützt hätte. Im Übrigen kann eine Metallspitze eines Langbogenpfeils eine Panzerung durchaus durchdringen.

Außerdem muss man bedenken, dass die römischen Legionäre zum Zeitpunkt der Varusschlacht noch überwiegend mit der Lorica hamata ausgerüstet waren. Die Lorica segmentata war zwar schon im Einsatz (man hat ja entsprechende Scharniere in Kalkriese gefunden, wenn ich mich recht entsinne), aber sicherlich noch nicht flächendeckend.

Einen mit Wucht abgeschossenen Pfeil hält auch das römische Geflecht aus gestanzten und genieteten Ringen nicht auf, der sprengt die Kettenglieder und geht durch. Da reicht schon ein Bogen mit ca. 40 Pfund Zuggewicht (zum Vergleich, die britischen Langbogenschützen des Hochmittelalters hatten Bögen mit einem Zugewicht von 80-100 Pfund).
 
Einen mit Wucht abgeschossenen Pfeil hält auch das römische Geflecht aus gestanzten und genieteten Ringen nicht auf, der sprengt die Kettenglieder und geht durch. Da reicht schon ein Bogen mit ca. 40 Pfund Zuggewich
danke an Sid.Callidus für das technische Detail. Auf welche Distanz?

hallo El Quijote
zeigt, dass es überhaupt gar ein Problem darstellt, Menschen mit Bögen auszurüsten (gleichwohl: Das war in England natürlich standardisiert, auch das können wir für unsere diskutierte Zeitstellung ausschließen) welche sich im Gebrauch dieser Waffen übten.
was ja erstmal nur beweist, dass es technisch möglich ist.
a) zu welchem logistischen Aufwand? In Sekundärquellen wird auf Handelsauflagen, die Zölle in Form von Eibenrohlingen für Englandfahrer verwiesen. Das klingt schon nach einem erheblichen Verbrauch von Ressourcen, der aus dem eigenen Gebiet nicht zu decken war. Ebenso die Arbeitsteilung für das Waffensystem Langbogen, damit auch genügend gut ausbalancierte Pfeile zur Verfügung standen
b) mit welcher Wahrscheinlichkeit hat Tacitus beim Schreiben der Germanica diesen logistischen und organisatorischen Aufwand "übersehen"?

Im Übrigen kann eine Metallspitze eines Langbogenpfeils eine Panzerung durchaus durchdringen.
Metallspitze ist jetzt etwas arg pauschal.
Weich-Eisen, gehärtetes Eisen oder gar Stahl?
Wer heute in einen Test moderne leistungsoptimierte Stahlspitzen gegen ein Kettengeflecht aus ausgesuchtem Weicheisen einsetzt, wird sein gewünschtes Ergebnis schon bestätigt kriegen ;)

Also: welcher Leistungsklasse gehören aufgefundene Pfeilspitzen an und auf was für einen Ressourcenzentrierung lässt das schließen?

So wie aus Rekonstruktionen der wenigen Bogenfunde auf Zugstärke geschlossen wird, so kann man ebenfalls solche militärtaktischen Überlegungen bei den Pfeilspitzen anlegen.

Es gibt nun mal Formen, die bei ungeschützten Fleisch großflächig zerschneiden und schmale Formen, die tiefer eindringen. Dreikant für Kettenbrecher; kurzum,
haben wir Funde von hochspezialisierten Kriegsformen mit hohem Fachwissen in der Schmiedearbeit
oder nur Fell&Schwarte -Formen wie für die Jagd auf Wild?
Fell&Schwarte-Spitzen wären aber auch geeignet, die Pferde der römischen Kavallerie abzunutzen.

am Ende eines solchen methodischen Vorgehens hat man verschiedene Wahrscheinlichkeiten für einzelne Szenarien
 
Ihr schreibt in gewisser Weise naiv und mit der 'Überzeugung des Ingenieurs'.

1. Tacitus hatte genügend Erfahrung als Militär und in der Verwaltung, um sich mit solch einfachen Dingen auszukennen. Sonst wäre er auch in jener Zeit nicht Konsul geworden.
2. Wir wissen nicht, was für fiktive Pfeile und was für fiktive Bögen für fiktive germanische Bogenschützen anzusetzen sind.
  • Im Zweifel die einfachsten. Die kann jeder bauen, der eine Sehne besitzt, was in Germanien sicher kein Problem war. Laut immer wiederkehrenden Angaben ist damit die Jagd auf 20 m möglich.
  • Im anderen Extremfall vom Römer mitgebrachte militärisch optimierte Kompositbögen. Der Nachschub liefe dann über den Gegner.
  • Irgendetwas in der Mitte.
3. Die Werkstatt der beim Zimmern geübten Germanen dürfte ganz sicher ausgereicht haben, um einen Bogen zu bauen. So hoch sind die Voraussetzungen nicht.
4. Es gibt keine "Rekonstruktionen der wenigen Bogenfunde", da es nur einen gefundenen Bogen gibt, wenn seit 1980 keiner dazugekommen ist. Ob dieser nur in Germanien geopfert wurde, oder ob es ein germanischer ist, sind zwei verschiedene Dinge.
5. Die Machbarkeit ist das eine, die Anwendung das andere. Erstaunlich oft folgt das letztere nicht rationalen Erwägungen. Auch heute noch. In älteren Zeiten natürlich wesentlich häufiger.

Anders ausgedrückt: Das etwas effektiv und möglich ist, heißt nicht, dass das auch gemacht wurde.

Und damit entbehrt die Rede von germanischen Bögen der Zeit um Christi Geburt des Rückhalts in den Quellen. Damit gehört sie aber in den Bereich der fiktiven Geschichte: Was wäre, wenn?

Das ist nun nett für Gedankenexperimente, benötigt dann aber zunächst keine Untersuchung von Machbarkeit und Effektivität.

Wenn dem so wäre, müssten wir zunächst einige Quellen verwerfen, die die germanische Bewaffnung beschreiben, was aber ohne Beleg nicht statthaft ist.
Wenn dem so wäre, müssten wir die fehlenden Pfeilspitzen erklären, sonst recht häufige Funde.
Wenn dem so wäre, müsste es der Verlauf der beschriebenen und ausgegrabenen Gefechte wiederspiegeln. Das tun diese aber nicht. Die viel zitierten Pfeile von Kalkriese, auch wenn El Quijote die Zitate ignoriert, müssten zudem verschwunden sein.
Wenn dem so wäre, müsste erst einmal geklärt werden, ob überhaupt eine Notwendigkeit für diese Annahme, die doch recht komplexe Probleme hervorruft, besteht.
 
Ich bin sicher kein Spezialist für germanische Kriegsführung, aber bei dem hin und her über die Bögen wird irgendwie zu wenig über die Schützen geredet. Otto Normalgermane wird in einem gewissen Umfang den Bogen als Jagdwaffe genutzt haben und konkurriert mit dem Speer. Jetzt haben wir eine Gruppe von Tausenden Germanen, die sich zu einem Kampf gegen die Römer verabreden. Einige Germanen können den was über die römische Kriegsführung erzählen, ältere Germanen erzählen von ihren eigenen Erfahrungen und es wird ein Kriegsplan entwickelt (muss alles nicht sonderlich geordnet geschehen sein). Würde jetzt jeder Germane einfach so antreten, wie groß ist die Chance auf Bogenschützen? Oder würde sich genügend Jäger zu Bogen finden, die anfangen Kriegspfeile statt Jagdpfeilen zu schnitzen? ;)

Die Frage ist also nicht nur die nach der Verbreitung des Bogens als Jagdwaffe, es muss zusätzlich der Schritt vom Nahkämpfer zum Fernkämpfer kommen, zweifelsohne auch eine Frage des Prestiges. Ähnliches gilt auch für andere Plänkler. Mehr als maximal drei Wurfspeere kann man kaum zusätzlich zu einer guten Nahkampfausrüstung tragen, ansonsten wird man im Relation zur Rüstung zu träge. Dies kann man für die Zeit kurz vor einem Kampf kurzfristig ignorieren, das geht aber zu Lasten der Logistik. Wie schnell fand sich im Wald passendes Holz und wie lange dauert die Vorbereitung (schnitzen, härten im Feuer usw.) und wer konnte das gut genug (alle? ein Teil? ein sehr spezieller Teil?)?

Wenn Pfeile relativ nahe beim Gegner abgeschossen werden mussten (Sichtweite, Durchschlagsweite), dann ist die Gefahr einer Verwicklung in den Nahkampf groß. Ständiges Plänkeln wie die Hunnen zu Pferd kommt da nicht Frage. Speere, die neben einer Verwundung auch durch Beschädigung des Schilds hindern konnten, sind relativ klar im Einsatz, bei Bögen auf die kurze Entfernung kann ich mir ständige Salven ganzer Pfeilbündel irgendwie nicht vorstellen.
 
"Was das Erlernen des Bogenschießens an Jahren braucht, braucht das Armbrustschießen an Monaten und das Schießen mit dem Feuergewehr an Tagen." frei zitierter Spruch der Frühen Neuzeit.

Noch dazu hat sich die Vermutung des Bogens als Jagdwaffe als ebenso nicht zu belegen erwiesen, wie als Kriegswaffe.
 
Ihr schreibt in gewisser Weise naiv und mit der 'Überzeugung des Ingenieurs'.

1. Tacitus hatte genügend Erfahrung als Militär und in der Verwaltung, um sich mit solch einfachen Dingen auszukennen. Sonst wäre er auch in jener Zeit nicht Konsul geworden.
2. Wir wissen nicht, was für fiktive Pfeile und was für fiktive Bögen für fiktive germanische Bogenschützen anzusetzen sind.
  • Im Zweifel die einfachsten. Die kann jeder bauen, der eine Sehne besitzt, was in Germanien sicher kein Problem war. Laut immer wiederkehrenden Angaben ist damit die Jagd auf 20 m möglich.
  • Im anderen Extremfall vom Römer mitgebrachte militärisch optimierte Kompositbögen. Der Nachschub liefe dann über den Gegner.
  • Irgendetwas in der Mitte.
3. Die Werkstatt der beim Zimmern geübten Germanen dürfte ganz sicher ausgereicht haben, um einen Bogen zu bauen. So hoch sind die Voraussetzungen nicht.
4. Es gibt keine "Rekonstruktionen der wenigen Bogenfunde", da es nur einen gefundenen Bogen gibt, wenn seit 1980 keiner dazugekommen ist. Ob dieser nur in Germanien geopfert wurde, oder ob es ein germanischer ist, sind zwei verschiedene Dinge.
5. Die Machbarkeit ist das eine, die Anwendung das andere. Erstaunlich oft folgt das letztere nicht rationalen Erwägungen. Auch heute noch. In älteren Zeiten natürlich wesentlich häufiger.

Anders ausgedrückt: Das etwas effektiv und möglich ist, heißt nicht, dass das auch gemacht wurde.

Und damit entbehrt die Rede von germanischen Bögen der Zeit um Christi Geburt des Rückhalts in den Quellen. Damit gehört sie aber in den Bereich der fiktiven Geschichte: Was wäre, wenn?

Das ist nun nett für Gedankenexperimente, benötigt dann aber zunächst keine Untersuchung von Machbarkeit und Effektivität.

Wenn dem so wäre, müssten wir zunächst einige Quellen verwerfen, die die germanische Bewaffnung beschreiben, was aber ohne Beleg nicht statthaft ist.
Wenn dem so wäre, müssten wir die fehlenden Pfeilspitzen erklären, sonst recht häufige Funde.
Wenn dem so wäre, müsste es der Verlauf der beschriebenen und ausgegrabenen Gefechte wiederspiegeln. Das tun diese aber nicht. Die viel zitierten Pfeile von Kalkriese, auch wenn El Quijote die Zitate ignoriert, müssten zudem verschwunden sein.
Wenn dem so wäre, müsste erst einmal geklärt werden, ob überhaupt eine Notwendigkeit für diese Annahme, die doch recht komplexe Probleme hervorruft, besteht.

Ja, da geb ich Dir Recht. Das ist in der Tat sehr experimentell. Grundsätzlich halte ich germanische Fernkämpfer-Verbände in der Varusschlacht auch für sehr unwahrscheinlich. Fundlage und Quellen geben das nicht her. Dass einzelne Germanen mit Bogen ausgestattet waren, ist sicher anzunehmen. Auch ein ordentlicher Jagdbogen sollte zumindest die Fähigkeit gehabt haben (wenn er nicht nur zur Kaninchenjagd eingesetzt wurde), einen römischen Legionär zumindest zu verwunden oder wenigstens in Deckung zu zwingen. Eine große Rolle dürften Bögen in der Varusschlacht auf germanischer Seite allerdings kaum gespielt haben.

Hier noch ein Link zu einer Seite, auf der Beschussexperimente auf römische Rüstungen ausführlich und wissenschaftlich beschrieben werden:
http://www.milites-bedenses.de/Schutz.htm
 
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Ich finde das Thema interessant, vielleicht könnten wir auch in der Technikgeschichte einen Thread eröffnen, ich habe keinen zur Entwicklung dieses Werkzeugs / der Technik gefunden. Beim Stöbern im Internet bin ich auf allamannische Bögen aus dem Gräberfeld von Oberflacht gestoßen (545 bis 605 n.Chr). Meine Fragestellung war, ob sich eine "nordische" Werkstattlinie / Technikentwicklung nachvollziehen lässt. Zu den Nydambögen, die noch etwas früher zu datieren sind (100 bis 350 n.Chr.), habe ich leider keine technischen Untersuchungen gefunden. Es handelt sich hierbei um schlanke Stabbögen von 178 bis 187 cm Länge die bereits an die späteren englischen Langbögen erinnern. Die relativ spitz zulaufenden Wurfarmenden haben bereits Verstärkungen (Tips) aus Horn. Bei einem dieser Bögen ist sogar eine Verstärkung aus Eisen erhalten. Unzweifelhaft gehörte der Bogen im Endneolithikum und in der Bronzezeit noch zu den herausgehobenen Grabbeigaben (Bogenschütze von Amesbury – Wikipedia ).
Jetzt zu den allamannischen Bögen: spannend fand ich einige technische Daten, die dem stärkeren Bogen, der experimentiell an römischen Rüstungen getestet wurden, sieh den Beitrag von Sid.Callidus über meinem, etwa entsprechen. Auch diese Bögen bestehen aus Eibenholz, und nutzen, was EQ oben erwähnt hat, die technischen Eigenschaften von Kern - und Splintholz (Kernholz an der Innenseite, hält hohem Druck stand, Splintholz an der Außenseite, dehnbarer und zäher). Weitere technische Besonderheiten:
Die Mitte des Bogens ist verstärkt und bildet den Griffbereich. Die Griffbereiche der Oberflachter Bögen sind länger als die anderer bekannter vor- und frühgeschichtlicher Bögen. Dadurch werden sie beim Spannen in die Krümmung mit einbezogen, was wiederum eine erhöhte Steifigkeit des Bogens zur Folge hat. Zusätzlich wird die aktive Wurfarmlänge verringert. Der Bogen nimmt damit bei Aufziehen mehr Energie auf und kann diese beim Abschuss an den Pfeil weitergeben. Der Querschnitt des Bogens – dies gilt für alle drei genannten erhaltenen Bögen aus Oberflacht – zeigt, dass er an den verschiedenen Partien des Wurfarms unterschiedlich gestaltet ist. Dabei bleibt der Querschnitt in seiner Grundform immer annähernd fünfeckig. Berechnungen zu verschiedenen vor- und frühgeschichtlichen Bogentypen haben ergeben, dass ein Bogen mit fünfeckigem Querschnitt beim Schuss mehr Energie abgeben kann als einer mit rundem, ovalem oder D-förmigem Querschnitt. Wurfarme mit höherem und sich veränderndem Querschnitt sind
zudem weniger anfällig für störende Schwingungen. Der Nachteil liegt bei dieser Konstruktion allerdings in einer erhöhten mechanischen Belastung beim Bogenspannen.
Oberhalb der Sehnenkerbe des einen Wurfarms sind bei dem Bogen aus Grab 7 zwei gegenüberliegende Kerben eingearbeitet, mit denen möglicherweise ein sogenannter Sehnenhalter fixiert werden konnte, d. h. ein Faden, der die Sehne mit dem Wurfarm oberhalb einer der Nocken verbindet, damit im nicht
gespannten Zustand die Sehnenschlaufe nicht am oberen Wurfarm herunterrutscht.
Kurz zu weiteren technischen Daten: Zuggewicht etwa 35 kg (entspricht etwa 80 lbs), Schußweite 170 m, beste Schußentfernung zwischen 10 und 40 Metern. Bogenlänge ca. 171 cm, Pfeillängen 58 cm. Pfeile und Bögen wurden in sogenannten Baumsärgen gefunden (sie gehören zur frühgeschichtlichen Dauerausstellung des germanischen Nationalmuseums).
Mir erscheint als Laie dieser Bogen als hochentwickeltes Werkzeug, das nicht jeder Bauer nachbauen kann,
sondern tradiertes Spezialwissen erfordert, frei verfügbare Arbeitzeit, Materialkunde und spezielle Werkzeuge und Geräte, Erfahrungsautausch und Experimentieren. Dies sind keine von Jugendlichen geschnitzte Stecken. PDF auf der Seite der Uni Heidelberg,
KulturGut - Aus der Forschung des Germanischen Nationalmuseums
Artikel von 2011
Konzept von Pfeil und Bogen entschlüsselt
Holger Riesch, Pfeil und Bogen zur Merowingerzeit. Eine Quellenkunde und Rekonstruktion
des frühmittelalterlichen Bogenschießens. Wald-Michelbach 2002, S. 21 f.,
S. 22, Abb. 7. - Riesch 52005, S. 109, Abb. 4.
Rudolf Schmand, Untersuchungen zum statischen und dynamischen Verhalten von
historischen Langbögen mit der Methode der finiten Elemente. FH Bingen, Fachber.
Maschinenbau, Dipl.-Arbeit 1996 (unveröff. Korrekturexemplar), vgl. Riesch 52005,
S. 109.
 
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Was mir aufgefallen ist, so wurde in der Archäologie nur über römische Pfeilspitzen geschrieben. Warum sollten die Germanen nicht auch, über Händler, an römische Pfeilspitzen gekommen sein ? So könnte man sich die hohe Funddichte von röm. Pfeilspitzen auf den "Schlachtfeldern" erklären. Es steht ja nicht auf den Pfeilspitzen von welchem Bogen sie abgeschossen wurden. Ich kann mir auch kaum vorstellen das die Germanen mit, im Feuer gehärteten, hölzernen Speeren über die schwerbewaffneten Römer her fielen.
 
Geschossspitzen sind nicht unbedingt Pfeilspitzen. Am Harzhorn hat man bspls.weise vor allem Bolzengeschosse von Torsionsgeschützen nachgewiesen (allerdings auch dreiflügelige Pfeilspitzen, die v.a. syrischen und nordafrikanischen Hilfstruppen zugeordnet werden).
 
Die Römer sind eine einfache Erklärung für Pfeilspitzen auf Schlachtfeldern.

Die Framen hatten durchaus normale Eisenspitzen. Es geht nur um einen Teil der Wurfspieße.
 
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