Brecht der Pazifist

Mercy

unvergessen
@Mercy: Brecht hat viele Kluge Dinge gesagt, z.B. auch den hier: Stell dir vor es ist Krieg und niemand geht hin, dann kommt der Krieg zu dir !
tönte es mir hier einmal entgegen.

Der zwischenzeitlich verstorbene (damals noch westdeutsche) Brechtverleger Siegfried Unseld hat vor Jahren diese weit verbreitete falsche Darstellung profund berichtigt:

„Stell Dir vor, es gibt Krieg"

In der F.A.Z. vom 18. Februar [1991] wurde ein Leserbrief veröffentlicht. Der Wiesbadener Verfasser schreibt, „zum Golfkrieg sei auch Bertolt Brecht einmal genau und zu Ende zitiert". Dann zitiert er: „Stell dir vor, es kommt Krieg und keiner geht hin. Dann kommt der Krieg zu euch." Der Verfasser verweist auf die Suhrkamp-Ausgabe „Die Gedichte von Bertolt Brecht in einem Band", 1981, Seite 503.
Hat der Briefschreiber wirklich das Gedicht auf Seite 503 nachgeschlagen? Hätte er es getan, müsste er feststellen, daß die von ihm zitierten Zeilen dort nicht stehen. Das hat seinen Grund, sie stammen nicht von Brecht. Das Gedicht auf Seite 503 trägt den Titel der ersten Zeile ,,Wer zu Hause bleibt; wenn der Kampf beginnt" und lautet: „Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt / Und läßt andere kämpfen für seine Sache / Der muß sich vorsehen: denn / Wer den Kampf nicht geteilt hat / Der wird teilen die Niederlage./ Nicht einmal den Kampf vermeidet / Wer den Kampf vermeiden will: denn / Es wird kämpfen für die Sache des Feinds / Wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat."

Zu Brechts Gedicht „Wer zu Hause bleibt" wurden die obigen drei Zeilen in den siebziger Jahren montiert; die ersten zwei Zeilen variieren in der Montage: Manchmal heißt es „Es kommt der Krieg", manchmal „Es gibt Krieg", manchmal steht der Satz im Konjunktiv. Immer wieder wurde danach (von Graf Lambsdorf im Bundestag, von Löwenthal im ZDF-Magazin) behauptet, Brecht würde von der Friedensbewegung und von den Grünen zu Unrecht herangezogen, er habe das Gegenteil gemeint. Liest man die obigen drei Zeilen genau, wird deutlich, daß durch diese Vorschaltung das Gedicht für kriegsinitiierende Zwecke in Anspruch genommen werden - „Dann kommt der Krieg zu euch". Der für Brecht gültige Sinn seines eigenen Gedichts kehrt sich diametral um; man darf ihn aber so nicht vereinnahmen. Später wurden diese Zeilen zu einem Spruch der Kriegsgegner umfunktioniert, und so hat er sich auf Wänden und Aufklebern erhalten und wird immer wieder zitiert.

Die Tatsachen: Die ersten beiden Zeilen stammen aller Wahrscheinlichkeit nach von Carl Sandburg und dessen Satz „Sometime they'll give a war and nobody will come". Die dritte Zeile stammt von einem unbekannten Erfinder der Textcollage. Bei Brechts Gedicht handelt es sich um einen Teil der fragmentarisch gebliebenen „Koloman-Wallisch-Kantate". Diese Kantate, 1948 geschrieben, bezieht sich auf den Arbeiteraufstand in Wien und in anderen Städten Österreichs; im Februar 1934 gegen das Regime von Engelbert Dollfuß, das durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen ist und einen autoritären, diktatorialen Kurs steuerte. Koloman Wallisch, sozialistischer Bürgermeister von Bruck an der Mur, ist einer der Führer des Aufstands in der Provinz. Anna Seghers widmete ihm eine Erzählung „Der letzte Weg des Koloman Wallisch (Neue Deutsche Blätter Nr. 10, Prag 1934). Hanns Eisler sollte auf Wunsch Brechts die Kantate vertonen, aber dazu ist es nicht gekommen. Die Kantate ist abgedruckt in der Werkausgabe Brecht, Supplementband IV, Seite 385 bis' 395; sie wird im Band 15 der neuen Berliner und Frankfurter Ausgabe aufgenommen und ausführlich kommentiert sein.

Dr. Siegfried Unseld, Frankfurt
FAZ Leserbrief 12.3.1991

Zwei andere Hinweise zu diesem Thema:
http://zeus.zeit.de/text/2002/06/200206_stimmts_brecht_xml

http://www.zum.de/Foren/politik/threads/thread284.php

Zum Text des Gedichtes in Gedichtform
http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=112323&postcount=101:
 
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