Die gesellschaftlichen Veränderungen des Spätmittelalters spiegelten sich in der Turnierkultur wieder. Die militärische Bedeutung des Turniers rückte immer mehr in den Hintergrund und der sportlich-festliche Charakter trat hervor. So nennt der 1276 verstorbene Steiermärker Ulrich von Liechtenstein (Einordnung: das Interregnum von etwa 1250 bis 1273 gilt für das HRR als Zwischenphase vom Hoch- zum Spätmittelalter - Anm. von mir) fünf Motive, die ihn sich für das Turnier begeistern ließen: Freude am Kampf und Kräftemessen, Übung, Beute, Beifall von Seiten der Frauenwelt, Mehrung des persönlichen Ruhms.
Im späten 14. Jh. kam zu diesen Motiven noch eine politische Komponente hinzu: Das Turnier wurde zunehmend Instrument der restaurativen Adelskräfte. Die Regulierung der Teilnahme wurde bis zum Exzess geübt und diente der sozialen Abgrenzung. Der Begriff vom Turnieradel kam auf, vor allem, als Kaiser Karl IV. begann, Adelsbriefe an Unternehmer und andere für ihn nützliche Zeitgenossen auszustellen. Die alten edelfreien und ministerialen Geschlechter sahen in dieser Praxis einen Angriff auf die althergebrachte Ordnung und erkannten in der Exklusivität der Turniere ein Mittel, um sich vom Neuadel abzugrenzen...
Von besonderer Bedeutung waren die vom Adel seit dem 14. Jh. gegründeten Turniergesellschaften. Diese Adelsbünde besaßen eine zweifache Stoßrichtung: Einerseits sollten sie die Initiative der Fürsten ersetzen, die als spendable Ausrichter von festlichen Turnieren weitgehend ausgefallen waren; andererseits sollten sie den niederen und mittleren Adel unter dem Deckmantel geselliger Zusammenkünfte gegen die Ansprüche der Fürsten und Städte einen. Diese politische Bedeutung... verstärkte sich vor allem in der ersten Hälfte des 15. Jh., als sich die Spannungen zwischen den Territorialfürsten und dem Adel erheblich verschärften...
Waffentechnisch wurde das Turnei zunehmend durch das Kolbenturnier ersetzt. Statt mit Lanze und Schwert wurde mit einem hölzernen Kolben oder Schlegel gekämpft... Das Kolbenturnier kreierte einen eigenen Helm, den Spangenhelm, der als Oberwappen des Turnieradels heraldisch besondere Bedeutung gewann. Im 15. Jh. war es üblich, mit dem Kolbenturnier zu beginnen...
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Schließlich wurde auch die Zahl der den Ritter begleitenden Knechte reglementiert: Die Fränkische Turnierordnung von 1479 schrieb vor, daß jeder Ritter nur einen Waffenmeister bei sich haben dürfe. Die Zahl der weiteren Knechte war vom sozialen Stand des Kämpfers abhängig: Fürsten durften sich von vier Knechten, Grafen und Edelherren von drei, Ritter von zwei und Edelknechte nur von einem Knecht begleiten lassen.
Das Beutemachen entfiel ebenfalls in der alten Form: War es einst üblich, daß der Besiegte Rüstung und Pferd verlor oder willkürlich Lösegeld bezahlen mußte, wurde nun in den Turnierordnungen genau festgelegt, wie hoch ein Lösegeld ausfallen durfte... In England wurde der Turnierablauf gegen Ende des 13. Jh. (Einordnung: für England wird der Beginn des Spätmittelalters oftmals mit dem Beginn der Herrschaft von König Edward I. (1272) angesetzt - Anm. von mir) sogar gesetzlich geregelt.
Ansonsten gewann der Tjost, das Stechen, immer größere Bedeutung. Spätestens seit dem 15. Jh. wurden zuweilen Turniere abgehalten, die nur aus Gruppenstechen bestanden. Das Stechen wurde zudem wesentlich entschärft, indem das Reglement vorschreiben konnte, daß der Turnierer nur noch die Tartsche, einen erst im Spätmittelalter aus Italien eingeführten Turnierschild, treffen sollte...
Als Spätform des Stechens wurde im 15. und 16. Jh. das sogenannte Welsche Stechen betrieben (kursive Hervorhebung durch mich). Dieser Tjost unterschied sich vom herkömmlichen Stechen durch die Errichtung einer hölzernen Balustrade, die die Wege der beiden Kontrahenten trennte.
Überhaupt keinen mittelalterlichen Hintergrund besitzen Spiele, die heute verschiedentlich als Bestandteile von Ritterturnieren präsentiert werden: Ringstechen oder Kopfrennen, dei denen Mohren- oder Türkenköpfe aus Pappe gestochen werden, sind Erfindungen der frühen Neuzeit und kamen frühestens im Laufe des 16. Jh. auf.