Das "Hippodrom" nahe der Villa Domitiana am Albaner See- Garten oder Circus?

Scorpio

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Vor einiger Zeit stieß ich eher zufällig auf die Villa Domitiana. Domitians Palast nahe des Albaner Sees diente dem Kaiser als Sommerdomizil, und es wird die Palastanlage von verschiedenen Zeitgenossen erwähnt.

Nahe der Villa befand sich auch ein Hippodrom. Ich frage mich nun, was ich mir genau darunter vorstellen muss: Handelt es sich dabei um eine Gartenanlage oder eher um einen Palast-Circus, der als Trainingsstätte für den kaiserlichen Hof und Amateurrennen dient? Ähnlich wie der Circus Vaticanus (Circus Gai et Neroni) oder später der Circus des Maxentius.

Ich weiß, dass die Römer unter Hippodrom eher eine Gartenanlage verstanden, wo Buchsbaum oder Taxushecken so zugeschnitten wurden, dass sie an einen Circus erinnerten.

Daher meine Frage an Experten, die mehr davon verstehen:

Was kann man sich unter dem "Hippodrom" nahe der Villa Domitiana am konkretesten darunter vorstellen, eine Gartenanlage oder eher einen Rennplatz für vornehme Amateure?

Der jüngere Plinius schreibt in seinen Briefen V, 6, 32-40 auch über sein "Hippodrom". Dabei wird es sich wohl um eine Reitbahn gehandelt haben, wo Taxus oder Buchsbaumhecken so gestutzt wurden, dass sie an einen Circus erinnerten. Aber man wird sich darunter wohl kaum eine Circus-Anlage, einen Rennplatz für Amateurrennen vorstellen dürfen, sondern eine Gartenanlage. Plinius macht sich in einem Brief über den Fanatismus der Rennparteien lustig.

Bei einer Palastanlage wie der Villa Domitiana scheint es zumindest nicht völlig abwegig, dass ein Rennplatz für Amateure und Palastrennen genutzt wurde.

Wer weiß mehr darüber?
 

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Plinius der Jüngere beschreibt in einem Brief an Domitius Apollinaris seine Villa am Fuße des Apennin in der Toskana (archäologisch nicht lokalisiert), darunter ein Hippodrom (Reitbahn) auf dem Gelände derselben wie folgt:

"Diese hübsche Anlage der Gebäudlichkeiten wird noch weit, weit von derjenigen der Reitbahn übertroffen. Diese ist in der Mitte offen und bietet sich dem Blick des Eintretenden sogleich ganz dar. Sie wird von Platanen eingesäumt; diese sind mit Efeu bewachsen, und wie ihre Wipfel von eigenem Laub grünen, so ihr Fuß von fremdem. Der Efeu überzieht Stamm und Äste und rankt sich als Verbindung von einer Pflanze zur anderen. Dazwischen wächst Buchsbaum; die äußeren Buchsbaumhecken umgibt Lorbeer, dessen Schatten sich mit dem der Platanen mischt. Die gerade Linie der Reitbahn geht am Ende in einen Halbkreis über und ändert ihr Aussehen; sie wird von Zypressen umgeben und von einem dichteren Schatten bedeckt und ist deshalb eher dunkel und finster. Die inneren Kreise - es hat nämlich mehrere - empfangen ungebrochenes Tageslicht. Daher wachsen dort auch Rosen, und die Kühle des Schattens wird von angenehmem Sonnenschein abgelöst. Nachdem dieser mannigfaltig und vielfach gekrümmte Weg zu Ende ist, wird er wieder gerade, verläuft aber nicht nur in einer einzigen Bahn; denn mehrere Pfade sind durch dazwischenliegende Buchsbaumhecken getrennt. Hier entdeckt man eine kleine Wiese, dort den Buchsbaum selbst, der tausend Formen, bisweilen auch Buchstaben zeichnet, die bald den Namen des Besitzers ergeben, bald den des Künstlers. Da tauchen kleine Spitzsäulen auf, dort sind Obstbäume gepflanzt, und in dieser Anlage von höchster städtischer Eleganz ist plötzlich ein Bild unverfälschter Ländlichkeit anzutreffen. Der Mittelteil wird durch zwei Reihen kleinerer Platanen geschmückt. Hinter ihnen ist da und dort weicher und biegsamer Akanthus, dann folgen wieder zahlreiche aus Hecken geschnittene Figuren und Namen."
(Plinius Sämtliche Briefe V, 6; Übersetzung André Lambert)

Klingt eher nach einem Ort für Erholung und ästhetisches Empfinden. Nicht ein einziger Hinweis auf eine mögliche Nutzung als Reitsportanlage, lediglich die namentliche Anlehnung an eine solche.

Edit:
Bin googlend auf diese Publikation zum Hippodrom der Domus Augustana gestoßen:
Kristine Iara (2015): Hippodromus Palatii. Die Bauornamentik des Gartenhippodroms im Kaiserpalast auf dem Palatin in Rom. Palilia Bd. 30. Wiesbaden: Reichert.

Aus dem Summary:

"(...) Der Hippodrom mit einer flavischen und einer severischen Hauptbauphase ist eine der größten Gartenanlagen des Palastes. Er ist zum Teil in aufgehendem Mauerwerk, zum Teil in rund 900 fragmentierten Marmorbauteilen erhalten. Im ersten Teil der Arbeit werden diese Bauteile und ihre Ornamentik erstmals vorgelegt und analysiert. Auf dieser Grundlage wird die Rekonstruktion der Architekturdekoration des Hippodroms unternommen. Der zweite Teil der Arbeit ist der Gesamtbewertung der Baudekoration und des Bauwerks gewidmet. Typologisch gehört es zu den hippodromi, einer bestimmten Ausprägung römischer Gärten aus der Villenarchitektur. Die Analyse seiner Architekturdekoration und seine Bewertung innerhalb der Palastanlage insgesamt sowie im Kontext der Garten- und Villenarchitektur der Kaiserzeit führen zu einem neuen Verständnis des Bauwerks und seiner Integration in den stadtrömischen Kaiserpalast. Der Gartenhippodrom auf dem Palatin ist ein herausragendes Exemplar dieses Bautypus. Er zeigt die aus der aristokratischen Villenarchitektur übernommene Bauform in einer gesteigerten, raffinierten Version. Die Integration einer bekannten, in der Villenarchitektur bereits etablierten Bauform in den Palast des Kaisers hatte größtmögliche Wirkung bei gleichzeitiger Akzeptanz in der Bevölkerung zum Ziel: Durch die Bekanntheit des Bautypus wurde der Eindruck von Extravaganz vermieden, zugleich aber war bereits mit dem Namen hippodromus die Großartigkeit einer solchen Anlage gewiss und verwies auf den Bauherrn, den Kaiser. Aufgrund der Bauform, der Ausstattung und der damit verbundenen Konnotationen bedeutet die Errichtung eines Hippodromgartens im stadtrömischen Palast kaiserliche Repräsentation auf höchster Ebene."
 
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Vielen Dank für die ausführlichen Informationen!

Also dann wohl eher eine Garten/Parkanlage und eben kein Circus! Ich habe auch gesehen, dass auf dem zweiten Plan den ich anhängte Nr. 5 Hippodrom ausdrücklich als "garden" bezeichnet wurde. Die Römer hätten einen Rennplatz wohl auch als "Circus" bezeichnet wie der Circus des Maxentius oder der Circus Gai et Neroni (Circus Vaticanus).
 
Vielleicht waren in römischen Garten-"Reitbahnen" mitunter ja Steckenpferde reitende Kinder oder irrsinnig gewordene bärtige Aristokraten unterwegs, und somit namensgebend für diese Form von Prunkgärten. Lästige Pferdeäppel wären dabei jedenfalls nicht angefallen. ;)

Horaz zu (kindlichen) Spielvergnügungen "(...) aedificare casas, plostello adiungere muris, ludere par inpar, equitare in harundine longa - siquem delectet barbatum, amentia verset. (...)"
(Sermones, II, 3)

"(...) Hütten bauen, Mäuse an kleine Wagen zu spannen, Gleich oder Ungleich spielen, auf einem langen Rohr reiten – wenn das einen bärtigen Mann erfreut, dreht ihn der Irrsinn umher. (...)"
 
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