Das Image der Kelten: Esoterik vs. Archäologie

El Quijote

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Wie kommt eigentlich das Image der Kelten in der esoterischen Szene als „Baumumarmer“ zustande. Gerade die Kelten mit ihrem Hunger nach Salz und Metall waren doch diejenigen, die als erste über Anbauflächen und Weiden hinaus großflächig Wälder gerodet haben.
 
Bei all dem sollte man sich nicht durch zuviel Faktenwissen stören lassen.
Also: Die Kelten leben in riesigen Eichenwäldern und ernteten ausschließlich Misteln.

Germanen ging halt nicht mehr, man ist ja schließlich kein Nazi.
Dann müssen stattdessen die Kelten herhalten. Oder die Indianer.
 
“Weil ohne Wald keine Wildschweine für die Feier!“, würde Obelix befinden, dem obendrein sein Idefix permanent ins Koma fällt wenn in Caesars zivilisatorischem Auftrag Bäume niedergemacht werden. Ergo muss dem Projekt Trabantenstadt mittels mirakulös manipulierter Eicheln umgehend begegnet werden.
Nachhaltige Comic-Sozialisation könnte womöglich ursächlich sein...:eek::D:cool:
 
Ihr seid sowas von unromantisch.... die 11.800 Festmeter Holz für den Murus Gallicus von Manching haben wir natürlich nachhaltig wieder aufgeforstet.

Okay.

Wegen der Wildschweine.....

th
 
Vielleicht, da die Druiden mit Wald und Bäumen in Verbindung gebracht wurden. Schon von Caesar. Ihre Ausbildung im 'Wald'. Und dann die Spekulation eines Zusammenhangs des Namens mit der Eiche. Ich meine, schon Markale, Die Druiden schreibt da einiges zu den modernen Mythen und ihrer Entstehung. Es ist aber lange her, dass ich es gelesen habe.

EDIT: Ansonsten sind da natürlich die historischen Dokumentationen zu den keltischen Helden Asterix und Obelix. Ich fand nur, dass mehr Belege besser sind.
 
Ihr seid sowas von unromantisch.... die 11.800 Festmeter Holz für den Murus Gallicus von Manching haben wir natürlich nachhaltig wieder aufgeforstet.
Was heißt hier unromantisch! Aufforsten ist übrigens ein prima Stichwort. Irgendwer, spätestens Goscinny&Uderzo müssen in Zentralgallien gleichfalls ordentlich misteltragende Festmeter aufgeforstet haben, denn Caesar weiß im Gebiet der Carnuten wo sich die Druiden alljährlich treffen nichts von einem Wald zu berichten (De bello gallico VI,13).
Oder aber baumumarmende Druiden huldigten Praktiken die dem heutigen Luftgitarrespielen ähnelten...
 
Zuletzt bearbeitet:
Was heißt hier unromantisch! Aufforsten ist übrigens ein prima Stichwort. Irgendwer, spätestens Goscinny&Uderzo müssen in Zentralgallien gleichfalls ordentlich misteltragende Festmeter aufgeforstet haben, denn Caesar weiß im Gebiet der Carnuten wo sich die Druiden alljährlich treffen nichts von einem Wald zu berichten (De bello gallico VI,13).
Oder aber baumumarmende Druiden huldigten Praktiken die dem heutigen Luftgitarrespielen ähnelten...
Julius Cäsar lügt wieder einmal, der Schlawiner! Hier unten siehst du den Sieger des Druidenwettbewerbs, er kommt eindeutig aus dem Karnutenwald!
goldener_hinkelstein.jpg
 
ich hatte mal eine Bekannte, die keltenmythisch unterwegs war. Liess sich nix davon irgendwie belegen. Aber genau das ist doch die beste Möglichkeit für Esos: die Kelten gibt es nicht mehr, die können also nicht widersprechen. Es gibt keine direkten schriftlichen Überlieferungen mangels Schrift, kann also niemand die Behauptungen der Esos widerlegen. Und in das Geheimnisvollle lässt sich alles hinein interpretieren, wer kann da belegt widersprechen?
 
Plinius der Ältere schreibt im Jahr 77 n. Chr. in seiner naturalis historia: »Denn nichts halten die Druiden – so nennen sie ihre Magier – für heiliger als die Mistel und den Baum, auf dem sie wächst, sofern es nur eine Eiche (robur) ist« (Plin. nat. 16, 249–251). Was Plinius über die Mistel schreibt, ist aus mehrfacher Sicht höchst fehlerhaft. Seine Sichtweise der Druiden ist offensichtlich tendenziös, was sich auch in der Verwendung des Begriffs magi als Beschreibung zeigt: Darunter versteht er in anderen Zusammenhängen nämlich keine angesehenen, gelehrten Männer, sondern »recht unterschiedslos jeden Praktikanten eines Aberglaubens« (Hofeneder 2007, 310). Es stellt sich die Frage, aus welcher Quelle seine Angaben zum Umgang der Druiden mit der Mistel stammen ...
(... Details bitte selber nachlesen...)
All die Ungereimtheiten bei Plinius, im Lichte der überwiegend ›unkultischen‹ Mistelbelege gesehen, lassen nach wie vor befürchten, dass Plinius viele der lebhaften Details seiner Berichte über den Mistelkult der Gallier entweder frei erfunden oder willkürlich aus anderen Elementen zusammengefügt und den Druiden zugeschrieben haben könnte.


https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&id_artikel=ART101824&uid=frei

Jutta Leskovar, Jg. 1972, ist Prähistorikerin am Oberösterreichischen Landesmuseum. Als Ölbaum ist sie entsprechend dem keltischen Baumhoroskop tolerant und heiter und »befindet sich gern in Gesellschaft kluger Menschen« (Mütsch-Engel 1985, 35). Andreas G. Heiss, Jg. 1978, arbeitet als Archäobotaniker am Vienna Institute for Archaeological Science (VIAS) und nimmt als Linde »ruhig und gelassen [...] an, was das Leben [...] bringt« und neigt »zu einer gewissen Wunderlichkeit« (ebd. 91).
:)
 
Hm, ich sei eine Eberesche, lebensfreudig und anpassungsfähig. Aber der Autor behauptet auch die lebensverlängernde Wirkung der Vogelbeeren.

Jedenfalls habe ich sehr gelacht: Das Baumhoroskop hat eine von deutschen Gerichten aufgedeckte Geschichte: Wikipedia.
 
Wie kommt eigentlich das Image der Kelten in der esoterischen Szene als „Baumumarmer“ zustande. Gerade die Kelten mit ihrem Hunger nach Salz und Metall waren doch diejenigen, die als erste über Anbauflächen und Weiden hinaus großflächig Wälder gerodet haben.
Ich vermute dahinter die Sehnsucht nach dem Ursprünglichen, vor allem Vor-Christlichen. (Das Christentum ist den Esoterikern schließlich ganz besonders verhasst und gilt als Wurzel aller Übel.) In einer ursprünglichen und vorchristlichen Welt finden auch Magie und sonstige esoterische Rituale ihren Platz. Ursprünglich und heidnisch (bzw. magisch) wird wohl irgendwie mit naturverbunden, weil vor-zivilisatorisch, gleichgesetzt. (Die Germanen wären zwar eigentlich auch prädestiniert, sind aber, wie Stilicho schon angemerkt hat, politisch nicht mehr akzeptabel. Vor 1945 war das noch anders, da stand auch noch allerhand "Urgermanisches" bei den Esoterikern hoch im Kurs.) Die Kelten sind das älteste halbwegs greifbare - aber auch nicht zu greifbare, sodass praktischerweise noch eine Menge Platz für Wunschdenken bleibt - Volk Mitteleuropas. Somit kann, wer mag, daran glauben, dass allerhand "echt Keltisches" Römer und Christentum überdauert habe.
Wer also zurück zu den Ursprüngen will, in eine Welt, die noch nicht von Christentum und moderner Zivilisation ruiniert/unterdrückt war, landet bei den Kelten. Dass sie auch Städte, Geldwirtschaft, Fernhandel etc. hatten, wird dann ausgeblendet, weil es nicht gut ins Bild vom Ursprünglichen passt. Stattdessen muss die Natur her, die für das Ursprüngliche steht und in der man sich leicht weise Männer und Frauen, die im Einklang mit Naturgottheiten irgendwelche Rituale vollziehen, vorstellen kann.
 
... und in der man sich leicht weise Männer und Frauen, die im Einklang mit Naturgottheiten irgendwelche Rituale vollziehen, vorstellen kann.

Dass es hier frei erfundene Rituale sein müssen, liegt wiederum in der Natur der Sache. Denn die in der antiken Literatur beschriebenen Rituale möchte man doch lieber nicht nachahmen (Zitate nach Andreas Hofeneder, Die Religion der Kelten in den antiken literarischen Zeugnissen, Band I: Von den Anfängen bis Caesar, Wien 2005).

"Auch machen sie Gebrauch von Wahrsagern, die sie großer Anerkennung für würdig halten. Diese sagen mit Hilfe der Vogelschau und des Opfers von Tieren die Zukunft voraus, und das ganze Volk gehorcht ihnen. Vor allem wenn sie über gewichtige Angelegenheiten Untersuchungen anstellen, haben sie eine befremdliche und unglaubliche Sitte: Sie weihen einen Menschen dem Tod und stoßen ihm an der über dem Zwerchfell liegenden Stelle ein Messer in den Leib, und während dieser getroffen niederstürzt, erkennen sie aus der Art des Falles, dem Zucken der Glieder und überdies aus dem Fluß des Blutes die Zukunft, im Vertrauen auf eine alte und langgeübte Beobachtung in diesen Dingen."
(Poseidonios)

"Auch von anderen Arten von Menschenopfern wird berichtet: Manche nämlich erschossen sie mit Pfeilen und (manche) hängten sie auf Pfählen in den Heiligtümern auf, oder sie verfertigten einen Koloß aus Stroh und Holz, steckten da Weidevieh, allerhand Wildtiere und Menschen hinein und verbrannten es zur Gänze."
(Strabon)

"Das ganze Volk der Gallier ist religiösen Angelegenheiten sehr ergeben. (2) Und aus diesem Grund opfern die, die an einer schweren Krankheit leiden oder sich im Krieg oder in Gefahr befinden, entweder Menschen statt Opfertiere, oder geloben, Menschen zu opfern. Dazu bedienen sie sich der Druiden als Opferpriester, (3) weil sie glauben, die Hoheit der unsterblichen Götter sei nur dadurch zu besänftigen, daß man für ein Menschenleben ein anderes opfert. Opfer dieser Art haben sie auch von Staats wegen eingerichtet. (4) Andere haben Gebilde von ungeheurer Größe, deren aus Weidenruten zusammengeflochtene Glieder sie mit lebenden Menschen füllen. Diese Gebilde zündet man an und die von den Flammen eingeschlossenen Menschen kommen um."
(Caesar)

"Die Leichenbegängnisse sind im Verhältnis zur Lebensweise der Gallier prächtig und aufwendig. Sie werfen alles ins Feuer, wovon sie glauben, daß es den Lebenden am Herzen gelegen hat, auch Tiere."
(Caesar)
 
Ich sehe ein, dass Keltentümelei auf einen ersten Blick vielleicht nicht so leicht an völkisches Gedankengut anknüpfbar ist, wie Germanentümelei. Auf einen zweiten Blick fallen dann aber recht schnell Triskele und - das eigentlich ja christliche - Keltenkreuz ein.
 
Ich sehe ein, dass Keltentümelei auf einen ersten Blick vielleicht nicht so leicht an völkisches Gedankengut anknüpfbar ist, wie Germanentümelei. Auf einen zweiten Blick fallen dann aber recht schnell Triskele und - das eigentlich ja christliche - Keltenkreuz ein.
...zu schweigen vom wunderlichen "Nazidruiden", welcher vor ein paar Monaten durch die Presse geisterte...
 
ich hatte mal eine Bekannte, die keltenmythisch unterwegs war. Liess sich nix davon irgendwie belegen. Aber genau das ist doch die beste Möglichkeit für Esos: die Kelten gibt es nicht mehr, die können also nicht widersprechen. Es gibt keine direkten schriftlichen Überlieferungen mangels Schrift, kann also niemand die Behauptungen der Esos widerlegen. Und in das Geheimnisvollle lässt sich alles hinein interpretieren, wer kann da belegt widersprechen?
Eigentlich kann die Wissenschaft widersprechen; interessant fand ich in dem Text, den Sepiola eingestellt hat, dass österreichische Wissenschaftler Gemeinden, die ein sogenanntes keltisches Baumhoroskop angepflanzt haben, erklärten, dass es kein genuin keltisches Baumhoroskop geben würde, und diese kein Interesse an einer wissenschaftlichen, kritischen Auseinandersetzung hatten - das erinnert mich an einen Text eines Professors der Romanistik, der konstatiert, dass in der Bretagne eine "neue Keltizität" entstanden ist, die nicht historisch authentisch ist - er betrachtet besonders die Musik - es wäre sozusagen ein moderner celtic sound entstanden, der jedoch nicht tausende Jahre alt ist, sondern seit den 70ern auf dem regen Austausch von Musikträgern zwischen Irland, Galizien, Schottland und der Bretagne innerhalb der Folk-Bewegung basiert. Hans Ingo Radatz stellt ähnlich wie die österreichischen Wissenschaftler fest, dass " Zwar kämpft die Keltologie heroisch gegen dieses „Pseudokeltentum” (Ternes 1993:275) an, doch lassen sich ästhetisch-emotionale Klischees erfahrungsgemäß nur bedingt mit rationalen Argumenten bekämpfen."

(PDF) Hans-Ingo Radatz (Bamberg) Wie keltisch ist die Bretagne?*. Available from: https://www.researchgate.net/public..._Radatz_Bamberg_Wie_keltisch_ist_die_Bretagne [accessed Oct 06 2018].
 
Denn die in der antiken Literatur beschriebenen Rituale möchte man doch lieber nicht nachahmen

Wobei nicht ganz klar ist, was von Römern und Griechen tatsächlich mit eigenen Augen beobachtet wurde, und was zum Schlechtmachen der »barbarischen« Kelten erfunden wurde. Caesar hat ja bekanntlich ziemlich viel bei Poseidonios abgeschrieben, ohne selbst Zeuge irgendwelcher Menschenopfer gewesen zu sein. Spätere Autoren scheinen den Bericht des Poseidonios dann ebenso unkritisch übernommen zu haben.

Speziell bei Strabon liegt der Verdacht der antikeltischen Greuelpropaganda nahe, da sich dieser in durchgehend abfälligem Ton über die Kelten äussert und auch nicht davor zurückschreckt, sie in ein zivilisatorisches Dämmerlicht zu rücken, was wie wir inzwischen wissen, nicht das Geringste mit der Wirklichkeit zu tun hat.

Solche Propaganda war für die Römer natürlich nützlich: dadurch liess sich die Eroberung Galliens prima rechtfertigen, und die Römer standen als Erlöser dar, welche die armen Gallier vom schrecklichen Joch der blutrünstigen Druiden befreiten.

Funde von enthaupteten Skeletten, wie etwa bei Acy-Romance (II. Jhd. v. Chr.) bezeugen noch keine Menschenopfer. Niemand kann mit Sicherheit sagen, dass diese Menschen nicht strafrechtlich (statt zu Opferzwecken) hingerichtet wurden. Namhafte Keltologen und Archäologen wie etwa Jean-Louis Bruneaux oder Jean-Louis Cadoux laden bei der Untersuchung antiker griechisch-römischer Quellen zur grössten Vorsicht ein; sie gehen davon aus dass es, wenn überhaupt, ab dem II. Jhd. nur noch in sehr seltenen Fällen zu Menschenopfern gekommen ist, da dies von den Druiden, die in engem Kontakt mit dem griechischen Kulturkreis standen, unterbunden worden wäre; zur Zeit Caesars stellten sie wohl (wenn es denn welche gegeben haben sollte) eine absolute Ausnahme dar.

Dabei darf man nicht vergessen (hier wird mir Biturigos gewiss nicht widersprechen) dass es ein Fehler wäre, von »den« Kelten zu reden; dass es sich bei den hypothetischen Menschenopfern folglich nicht um eine von allen gallischen, geschweige denn »gesamtkeltischen« Stämmen beobachtete Praxis gehandelt hat.

Der Brustton der Empörung der römischen Chronisten mutet jedenfalls, gelinde gesagt, etwas heuchlerisch an, bedenkt man was beispielsweise Plutarch im Leben des Marcellus zu berichten hat:

τότε τοῦ πολέμου συμπεσόντος ἠναγκάσθησαν, εἴξαντες λογίοις τισὶν ἐκ τῶν Σιβυλλείων, δύο μὲν Ἕλληνας, ἄνδρα καὶ γυναῖκα, δύο δὲ Γαλάτας ὁμοίως ἐν τῇ καλουμένῃ βοῶν ἀγορᾷ κατορύξαι ζῶντας· <ἐφ'> οἷς ἔτι καὶ νῦν ἐν τῷ Νοεμβρίῳ μηνὶ δρῶσιν <Ἕλλησι καὶ Γαλάταις> ἀπορρήτους καὶ ἀθεάτους ἱερουργίας.

Zu der Zeit, als dieser Krieg über sie hereinbrach, waren sie [die Römer] gezwungen, gewissen orakelhaften Geboten aus den sibyllinischen Büchern zu gehorchen und zwei Griechen, einen Mann und eine Frau, und ebenso zwei Gallier, an dem sogenannten Forum boarium, oder Viehmarkt, [lebendig] zu begraben; und im Gedenken an diese Opfer führen sie bis heute, im Monat November, geheimnisvolle und geheime Zeremonien durch.

(Plutarch, Leben des Marcellus, III, 3, 7)

Die gleiche Information findet sich auch bei Titus Livus. Und bei Seneca findet sich ein Bericht über 300 Senatoren und Equites, die Augustus angeblich bei der Einnahme von Perusia 40 v. Chr. auf dem Altar des Caesar geopfert haben soll. Siehe hierzu Jonathan Warner, Human sacrifice at Perusia.
 
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