Das Römerlager Aliso

Bei den Irrungen und Wirrungen dieses Threads komme ich nicht mehr so ganz intellektuell hinterher: was haben jetzt diese ganzen Verweise auf zur Landwirtschaft geeignete Gebiete rechtsrheinisch mit Aliso zu tun?

Steht dahinter die Überlegung, dass primäres Ziel und Zweck römischer Expansion die Sicherung landwirtschaftlicher nutzbarer Flächen jenseits des Rheins gewesen sein soll?
 
Bei den Irrungen und Wirrungen dieses Threads komme ich nicht mehr so ganz intellektuell hinterher: was haben jetzt diese ganzen Verweise auf zur Landwirtschaft geeignete Gebiete rechtsrheinisch mit Aliso zu tun?

Steht dahinter die Überlegung, dass primäres Ziel und Zweck römischer Expansion die Sicherung landwirtschaftlicher nutzbarer Flächen jenseits des Rheins gewesen sein soll?

Ja, genau. Das ist Legs These.

Und so findet man Aliso: Lössgebiet suchen, zentralen Punkt anpeilen, fertig.

http://www.geschichtsforum.de/779891-post460.html
 
Kürzlich hast Du noch die These vertreten: "Im Prinzip hat Haltern aber die angenommene Funktion von Oberaden fortgeführt" - nun lese ich, die Bedeutung sei nicht wirklich vergleichbar.

Laut Cassius Dio (54, 33, 1) hat Drusus eine Brücke über die Lippe geschlagen. Wo genau, wissen wir leider nicht.

Hier vergleiche ich andere Zeiten und damit andere Funktionen als dort.

Zudem ist es -außer bei Trollen und Politikern- gute Sitte bei allgemeinerer Nachfrage auch einmal die selbst vertretenen Hypothesen und Theorien beiseite zu lassen.

Und die Übernahme der Funktion des Standorts ist natürlich nicht 1:1 zu verstehen. Das wäre ja bei veränderter Konzeption und verändertem Ort nicht möglich. Was zu den Grundlagen gehört, die ich voraussetze. Und entsprechend habe ich formuliert. "Im Prinzip ... aber...".
 
Hier vergleiche ich andere Zeiten und damit andere Funktionen als dort.

Das klärt leider auch nicht, was genau Du vergleichen möchtest und was genau Du für "nicht wirklich vergleichbar" hältst.
Das möchte ich wissen, nichts anderes brachte mein Beitrag zum Ausdruck. Irgendwelche Theorien oder Hypothesen habe ich dort nicht vertreten, Dein Hinweis auf gute Sitten kann sich also nicht auf diesen Beitrag beziehen.

Und die Übernahme der Funktion des Standorts ist natürlich nicht 1:1 zu verstehen.
Hat auch, soweit ich sehe, niemand so verstanden.
 
CHLEPPVS CHRECKVS SALVTEM DICIT

Melde mich auch mal wieder zu Wort mit einem meiner etwas verbogenen Beiträge.

Zunächst noch mal vielen Dank an den Forumsteilnehmer (kann den Beitrag z. Zt. leider nicht bewerten), der mich in Zusammenhang mit meinem Fehlschlag "Aviso" auf die Karte des Ptolemäus verwiesen hat mit den beiden Einträgen Alisum und Alisus. Aber Alisus ist viel zu weit östlich

Es gibt ja noch eine zweite Karte, die von Ortelius, wenn auch sehr viel später erstellt.

Beide Karten zeigen Alisum bzw. Aliso in relativer Nähe zum Rhein.

Die Ptolemäus-Koordinaten liegen allerdings sehr weit südlich (es wurde hier Bergisch Gladbach als Ort genannt). Bei Ortelius liegt Aliso an der Issel (IJssel).

Für eine relative Nähe zum Rhein sprechen auch die Quellen:

1. Tacitus: Grenzwege zwischen dem Kastell Aliso und dem Rhein.

2. Cassius Dio: Ein Kastell hindert die Germanen, den Rhein zu überschreiten. Ausbruch der Besatzung, Asprenas kommt ihnen entgegen.

3. Velleius Paterculus: Lagerpräfekt Caedicius und seine Soldaten, in Aliso eingekesselt, schlagen sich zu den ihren durch.

4. Frontinus: Reliqui ex variana clade werden belagert. Der Primipilar Caedicus verhindert, daß das Lager angezündet wird.

Die vierte Quelle sagt natürlich nichts über die relative Lage zum Rhein, aber hier erfährt man (wenn Caedicus = Caedicius), daß sich Überlebende der Varusschlacht in Aliso aufhielten.

Jetzt lege ich erstmal willkürlich fest, was Nähe bedeutet. Ein Tagesmarsch = 20-30 km. Dann ziehe ich eine Linie von Kalkriese nach Xanten (140 km) und schaue nach, was innerhalb eines Kreisringes mit 20-30 km Durchmesser um Xanten (Vetera) in der Umgebung der Linie zu finden ist.

Und dort finde ich südlich von Borken zunächst die Kleinstadt Raesfeld und wieder etwas südlich davon das kleine Örtchen Erle (kein Witz!).

Erle ist 28 km von Xanten bzw. dem Rhein bei Xanten entfernt. Erle wird lt. Wikipedia erstmals 1017 als Horlon erwähnt. Die Issel-Quelle ist ganz in der Nähe, die Lippe ist nicht weit entfernt.

Also ich will nicht behaupten, daß genau dort Aliso war.

Jedoch, daß Aliso recht nahe am Rhein war, näher als bspw. Haltern, und somit eigentlich ein Vorposten der Rheinlinie, scheint mir schon bedenkenswert. Vielleicht ein noch unentdecktes Kastell bei Holsterhausen zusätzlich zu den dort gefundenen Lagern?

Kann natürlich sein, daß wir das alles schon hier behandelt haben und ich es bei meiner Suche im Forum nur nicht gefunden habe.

Nebenbei: In Erle steht die mit einem geschätzten Alter von 600 - 1500 Jahren vermutlich älteste Eiche Deutschlands. Aber da man nur schätzen kann, gibt es auch noch andere Aspiranten für diesen Titel.
 
Zu (Raesfeld)-Erle:

Anlässlich einer Schenkung Kaiser Heinrichs des II. wird Erle erstmals 1017 als „Horlon“ erwähnt.[8][9] Im 12. Jahrhundert soll im Gebiet des heutigen Dorfes ein großer, freistehender Drostenhof gestanden haben, dessen männliche Linie erlosch und die weibliche Erben verschenkten deshalb das gesamte Gut an den Freiherrn zu Raesfeld.[10] Josef Böckenhoff nennt im Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck von 1960 zehn Stammhöfe: Erlar in der Mitte der Hofgemeinschaft, Wissing im Westen, Tygard im Osten, Barkendal im Nordwesten, Westrick im Südwesten, Ordendorp im Nordosten, Sudendorp im Südosten, der Lütke, der Grote Hag in Werlo und am südlichen Rande Huxlo. Wobei der verlassene Hof Tygard im „ollen Garden“ am Teufelstein lag.[11]

Im Heberegister des Klosters Werden wird Erle in der Mitte des 12. Jahrhunderts als „Erlore“[1]:27ff, in einem anderen Register, in welchem die Einkünfte der kirchlichen Benefizien des Bistums Münster abgeschätzt werden, wird Erle im Jahre 1313 als „Herlere“ genannt.[12] Die Ritter zu Erle, die 1201 erstmals urkundlich erwähnt wurden und den Namen „von Ichorne“, also Eichhorn=Eichhörnchen, trugen, werden als die Gründer der im 12. Jahrhundert von Raesfeld abgetrennten Pfarrei St. Silvester (nach dem hl. Papst Silvester) angesehen[8] Daher auch die drei Eichhörnchen im Dorf-Wappen. Es ist möglich, dass der im Jahr 1201[13] urkundlich genannte Ritter Fredericus de Herlon identisch ist mit dem im Jahre 1193[14] und 1207 auftretenden Friedrich von Erlo[15] und das er und die in den Jahren 1246, 1256, 1259, 1270, 1281 und 1285 erwähnten Henricus de Erlo (auch Erler), Anoldus de Erler, Liudgerus de Erlo und Bernhardus de Erlo zu derselben Familie gehören und dass alle ihren Namen vom Dorf Erle herleiten.[1]:65ff[16] Ist dies richtig, dann ist das früh ausgestorbene Rittergeschlecht dieses Namens als Gründer der Kirche von Erle anzusehen.[17] Urkundlich erwähnt ist wohl, dass das Patronatsrecht über die Kirche von einer Familie mit diesem oder einem ähnlichen Namen auf die Familie von Willich vererbt wurde.[18]

https://de.wikipedia.org/wiki/Erle_(Raesfeld)#Vor-_und_Fr.C3.BChgeschichte


Also der älteste Beleg lautet Horlon. Gut, Namen ändern sich im Laufe der Zeit, zudem wir auch nicht wissen, wie gut der mutmaßliche germanische Name ins Lateinische bzw. Griechische übernommen wurde.

Aber von römischen Funden ist nirgendwo die Rede. Wenn mal irgendwann etwas gefunden worden wäre, wäre das sicherlich erwähnt worden. (Vor Überraschungen ist man andererseits nicht sicher, erst vor kurzem wurde ein neues Römerlager am Niederrhein entdeckt).

Bei der Ortelius-Karte, die hier schon häufiger erwähnt wurde, müssen wir sehr vorsichtig sein. Die Namenszuweisung zu antiken Örtlichkeiten sind wohl aufgrund lautlicher Ähnlichkeiten geschehen. Bei Asberg und Dormagen klappt das, aber bei anderen Namen ist das schon sehr zweifelhaft.
 
Es gibt ja noch eine zweite Karte, die von Ortelius, wenn auch sehr viel später erstellt.
Eben. Nach der Wiederentdeckung der antiken Quellen. Ortelius hat also nicht mehr wissen als wir sondern maximal genauso viel. Eher weniger. Auf seiner Karte können daher auch keine Herleitungen basieren, sie ist keine Quelle für die Situation in der Antike sondern für Antikerezeption im 16. Jhdt.
 
1. Tacitus: Grenzwege zwischen dem Kastell Aliso und dem Rhein.
Die Übersetzung "Grenzwege" für limites halte ich an dieser Stelle eher für irreführend. Gemeint sind in solchen Fällen in der Regel Schneisen - die Funktion "Grenzwege" ist sekundär, jedenfalls nicht automatisch mitgemeint: http://www.geschichtsforum.de/759098-post8.html

Das spricht dafür, dass es bewaldete Gegenden zwischen Rhein und Aliso gab, über Entfernungen ist damit eigentlich nichts ausgesagt.



Erle wird lt. Wikipedia erstmals 1017 als Horlon erwähnt.
Was dann eher gegen einen Zusammenhang mit der Erle und auch gegen einen Zusammenhang mit Aliso spricht.

Ob "Horlon" nicht eher mit altfränkisch *horila (schlammiges Gewässer), altsächsisch *horala (Morast), althochdeutsch *hurila (Sumpfbach) zusammengehört?



[Allerdings gibt es gleich bei Erle einen "Grenzweg" - sollte uns das nicht zu denken geben?]
 
Mit den Sueven sind nicht die Hermunduren in Mitteldeutschland gemeint, sondern die Sueven im Lippe-Gebiet, welche sich archäologisch auf 19(?) Fundplätze - ich müsste nochmal bei Eggenstein nachschauen, nachweisen lassen. Ptolemäus nennt sie Suebi Langobardi - zurecht, da das keramische Material (Situla) bis auf Farbgebung und Henkelform mit dem von der Niederelbe kongruent ist. Dazu B. Sicherl:

" Vielleicht genossen die Stämme des Elbegebietes aufgrund ihrer militärischen Überlegenheit in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. ein so großes Ansehen, dass militärische Bündnisse, diplomatische und familiäre Verbindungen mit ihnen vorteilhaft und u. a. die Situlen, eine der charakteristischsten Äußerungen ihrer Sachkultur, auch in Nordwestdeutschland nachahmenswert erschienen. Flächendeckend folgte man dem elbgermanischen Vorbild aber erst während der sogenannten „Übergangszeit“ in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr.

Bernhard Sicherl, Frühe Tonsitulen im Westen

Die Einwanderung in das Lippe-Gebiet muss um 80/70 v. Chr. erfolgt sein (Fibeln vom Typ Kostrzewski L).
Wobei Sicherl eine suebische Einwanderung in das Lippegebiet nicht wirklich vertritt. Er schreibt in dem zitierten Artikel:
So erscheinen die frühen Situlen in Westfalen als Vorboten einer kulturellen Neuausrichtung. Eine Einwanderung fremder Bevölkerung mit Überschichtung oder gar Verdrängung der einheimischen Bevölkerung ist zwar räumlich begrenzt möglich (bes. im Lippemündungsgebiet), aber zumindest für weite Teile Westfalens und des südlichen Niedersachsens wohl auszuschließen.
Zuvor hat er über den suebischen Einfluss auf die neue westfälische Situlenkeramik gesprochen, die ohne Vorbilder kaum denkbar sei, auf der anderen Seite aber auch die Unterschiede hervorgehoben, die die elbisch beeinflusste westfälische Kermaik von der elbischen Keramik unterscheiden.

Eine Schwäche seines Artikels ist imho die Erklärung dieser Übernahme aus politischen Gründen, nicht weil ich diese ausschlösse oder ablehnte, sondern weil mir hier die Argumentationskette etwas brüchig erscheint.
 
3 Möglichkeiten?

1-Einwanderung größerer Bevölkerungsteile
Edit 1: 2-Zuwanderung kleinerer Bevölkerungsteile
Edit 2: 3-Durchzug kleinerer Gruppen (a la Banden, Kaufleute)
Edit 3: 4-Durchzug größerer Gruppen (a la Ariovist)
Edit 4: 5-Übernahme kultureller Eigenheiten
Edit 5: Bin da eher für 4 oder 3, wobei dann auch Personen "hängengeblieben" wären.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Übersetzung "Grenzwege" für limites halte ich an dieser Stelle eher für irreführend. Gemeint sind in solchen Fällen in der Regel Schneisen - die Funktion "Grenzwege" ist sekundär, jedenfalls nicht automatisch mitgemeint: http://www.geschichtsforum.de/759098-post8.html

Das spricht dafür, dass es bewaldete Gegenden zwischen Rhein und Aliso gab, über Entfernungen ist damit eigentlich nichts ausgesagt.

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Zitat:
Erle wird lt. Wikipedia erstmals 1017 als Horlon erwähnt.
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Was dann eher gegen einen Zusammenhang mit der Erle und auch gegen einen Zusammenhang mit Aliso spricht.

Ob "Horlon" nicht eher mit altfränkisch *horila (schlammiges Gewässer), altsächsisch *horala (Morast), althochdeutsch *hurila (Sumpfbach) zusammengehört?



[Allerdings gibt es gleich bei Erle einen "Grenzweg" - sollte uns das nicht zu denken geben?]

Um die Sache etwas klarer zu machen, zerlege ich mal in zwei Aspekte.

1. Der Ortsname "Erle"

In einem vorherigen Beitrag hatte jemand, ich meine, es war El Quijote, einen möglichen Übergang von "Aliso" zu "Erle" skizziert, dem man auch noch bei einigem guten Willen folgen konnte.

Aber hier in diesem Fall müßte auch noch "Horlon" dazwischengesetzt werden, also
Aliso -> Horlon -> Erle

und da wird es doch schwierig.

Außerdem, ich hoffe, ich sage da nichts Falsches, ändern sich Ortsnamen im Normalfall nicht mit der Sprache mit, damit meine ich, Ortsnamen oder allgemein Namen bleiben meist in der alten Sprechweise und machen Lautverschiebungen nicht 1:1 mit.

Damit müssen wir wohl einen Namenszusammenhang dieser Art ausschließen.

Was immer noch sein könnte, wäre, daß sich die Gegend, wo Aliso war, in irgendeiner Weise durch einen besonderen Erlenbestand auszeichnete, und daß sich dies später wieder in einem entsprechenden Ortsnamen manifestiert hat.

Aber auch hier kommt einem wieder "Horlon" in die Quere. Obwohl, Erlen lieben sumpfige Gegenden!

Alles in allem: Nur ein Zufall?

2. Aliso in Rheinnähe oder nicht?

Hier ist an erster Stelle Cassius Dio zu nennen, der ja schreibt, ein Kastell habe die Germanen daran gehindert, den Rhein zu überschreiten.

Dieses Kastell sollte doch nahe am Rhein gelegen haben.

Dio berichtet weiter, aus diesem Kastell sei der Besatzung der Ausbruch gelungen, wobei ihnen Asprenas entgegenkam.

Velleius berichtet - und hier fällt der Name "Aliso" - dort eingekesslte Soldaten unter dem Lagerpräfekten Caedicius hätten sich zu den ihren durchgeschlagen.

Hier ist die Übereinstimmung doch frappant, so daß man davon ausgehen darf, daß beide Male dasselbe Ereignis beschrieben wird, daß also auch Cassius Dio von Aliso spricht.

Wenn man Tacitus in diesem Kontext liest, dann ist das Entscheidende nicht die Erwähnung der "Grenzwege" (die ja anscheinend nicht auf eine Grenze im landläufigen Sinne hindeuten, sondern vielmehr auf künstlich geschlagene Waldschneisen), sondern die Erwähnung des Rheins.

Aber jetzt stellt sich die Frage, wie ein einzelnes Kastell die Germanen am Rheinübergang hindern kann. Wo müßte es z.B. gelegen sein, damit dies möglich ist?

Und weiter: Sollten wirklich Überlebende der Varusschlacht sich in dieses Kastell geflüchtet haben, so müssen sie unter der Prämisse Kalkriese dann ca. 120 km zurückgelegt haben. Sie müßten trotzdem dort eingetroffen sein, bevor die Germanen den Belagerungsring "dicht" machten.

(Bem.: Das innere Zitat mußte ich selbst einfügen, darum sieht das etwas seltsam aus.)
 
2. Aliso in Rheinnähe oder nicht?

Hier ist an erster Stelle Cassius Dio zu nennen, der ja schreibt, ein Kastell habe die Germanen daran gehindert, den Rhein zu überschreiten.

Dieses Kastell sollte doch nahe am Rhein gelegen haben.


Bei Cassius Dio steht:

Und die Barbaren eroberten alle Kastelle mit einer Ausnahme; durch dieses Bollwerk aufgehalten, überschritten sie weder den Rhein noch fielen sie in Gallien ein.​

Internet-Portal "Westfälische Geschichte" / Arminius - Varus > 9. Quellen

Das Kastell mag nahe am Rhein gelegen haben, und es hielt die Germanen wie ein Sperrigel vom Rhein ab. Oder es lag irgendwo rechtsrheinisch mehr oder weniger weit vom Rhein entfernt, und die Germanen konzentrierten ihre Kräfte auf den Angriff auf Aliso, und marschierten deswegen nicht Richtung Rhein bzw. Gallien. Ich bin leider im Altgriechischen in keinster Weise bewandert, vielleicht kann jemand mit mehr Kenntnissen den entsprechenden Ausdruck, der bei Cassius Dio für "aufgehalten" steht, sich anschauen und mitteilen, ob das im Original klarer ist.
 
Außerdem, ich hoffe, ich sage da nichts Falsches, ändern sich Ortsnamen im Normalfall nicht mit der Sprache mit, damit meine ich, Ortsnamen oder allgemein Namen bleiben meist in der alten Sprechweise und machen Lautverschiebungen nicht 1:1 mit.
Turiacum > Zürich
Tolbiacum > Zülpich
Colonia > Köln

Wir sehen: hochdeutsche Lautverschiebung t > z
(Vgl. Getaal - Zahl, to tale - erzählen, tick - Zecke etc.)

Wir sehen Wegfall der Flexionsendung:
(colon-ia; tolbiac-um, Turiac-um)

Wir sehen regressive i-Umlautung:
Turiacum > Zürich, Colonia (vermutlich Zwischenstufe Colnia)> Köln

Wir sehen die Umlautung von [k] zu ​[⁠ç⁠] im Auslaut
ik - ich ([i⁠ç⁠])
Tolbiakum - Zülpich
Turiacum - Zürich
Juliacum - Jülich

Im Lipperaum, wo Aliso gelegen haben dürfte, ist die hochdeutsche Lautverschiebung allerdings nicht angekommen, sie liegt vollständig im niederdeutschen Sprachgebiet.

Was immer noch sein könnte, wäre, daß sich die Gegend, wo Aliso war, in irgendeiner Weise durch einen besonderen Erlenbestand auszeichnete, und daß sich dies später wieder in einem entsprechenden Ortsnamen manifestiert hat.
Dazu müsste man erstmal sichergehen, dass dieser Umstand sich nicht änderte. In der Frühen Kaiserzeit haben wir ein Klimaoptimum. 200 Jahre später kann der Bewuchsbestand völlig anders ausgesehen haben, somit wäre der namensgebende kennzeichnende Baumbestand auch nicht mehr gegeben. Es müsste dann schon eine kontinuierliche Besiedlung gegeben haben, damit der Name erhalten würde.

Und weiter: Sollten wirklich Überlebende der Varusschlacht sich in dieses Kastell geflüchtet haben, so müssen sie unter der Prämisse Kalkriese dann ca. 120 km zurückgelegt haben.
Das sind ca. vier Tage Marsch, sicher mehr, wenn man sich (zumindest auf den ersten Kilometern) vor Verfolgern verstecken musste.

Sie müßten trotzdem dort eingetroffen sein, bevor die Germanen den Belagerungsring "dicht" machten.
Wenn man der taciteischen Schilderung der Schlachtfeldbegehung durch Germanicus folgt, gab es ja noch auf dem Schlachtfeld eine Art Siegesfeier mit Reden der Heerführer und Marterungen der Gefangenen. Die Plünderungen werden auch im unmittelbaren Anschluss an die Schlacht geschehen sein, so, dass die Überlebenden sicher einige Tage Zeit hatten Vorsprung zu gewinnen.
 
Bei Cassius Dio steht:



Internet-Portal "Westfälische Geschichte" / Arminius - Varus > 9. Quellen

Das Kastell mag nahe am Rhein gelegen haben, und es hielt die Germanen wie ein Sperrigel vom Rhein ab. Oder es lag irgendwo rechtsrheinisch mehr oder weniger weit vom Rhein entfernt, und die Germanen konzentrierten ihre Kräfte auf den Angriff auf Aliso, und marschierten deswegen nicht Richtung Rhein bzw. Gallien. Ich bin leider im Altgriechischen in keinster Weise bewandert, vielleicht kann jemand mit mehr Kenntnissen den entsprechenden Ausdruck, der bei Cassius Dio für "aufgehalten" steht, sich anschauen und mitteilen, ob das im Original klarer ist.
Im Original lautet der Satz: καὶ τὰ ἐρύματα πάντα κατέσχον οἱ βάρβαροι ἄτερ ἑνός, περὶ ὃ ἀσχοληθέντες οὔτε τὸν Ῥῆνον διέβησαν οὔτ' ἐς τὴν Γαλατίαν εἰσέβαλον.
Auf Deutsch: Und die Barbaren nahmen alle Kastelle ein außer einem, und die herum Beschäftigten überschritten weder den Rhein noch fielen sie in Gallien ein.
Das Wort ἀσχοληθέντες besagt also, dass die Barbaren mit diesem einen Kastell beschäftigt waren.
Dass es in Rheinnähe lag, lese ich aus der Stelle auch nicht heraus. Denkbar wäre auch, dass die Germanen erst einmal sämtliche rechtsrheinischen Stützpunkte der Römer in ihre Gewalt bekommen wollten, wo auch immer sie lagen, ehe sie allenfalls einen Einfall in linksrheinisches Gebiet wagen wollten. Oder es besteht überhaupt kein Kausalzusammenhang zwischen Belagerung und Nicht-Rheinüberquerung, sondern Cassius sagt nur, dass die Germanen das Kastell belagerten und nicht den Rhein überschritten. Der in den deutschen Übersetzungen mehr oder weniger deutlich angedeutete Kausalzusammenhang aufgehalten -> daher keine Rheinüberquerung ergibt sich aus dem Original jedenfalls so nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Original lautet der Satz: καὶ τὰ ἐρύματα πάντα κατέσχον οἱ βάρβαροι ἄτερ ἑνός, περὶ ὃ ἀσχοληθέντες οὔτε τὸν Ῥῆνον διέβησαν οὔτ' ἐς τὴν Γαλατίαν εἰσέβαλον.
Auf Deutsch: Und die Barbaren nahmen alle Kastelle ein außer einem, und die herum Beschäftigten überschritten weder den Rhein noch fielen sie in Gallien ein.
Das Wort ἀσχοληθέντες besagt also, dass die Barbaren mit diesem einen Kastell beschäftigt waren.
Dass es in Rheinnähe lag, lese ich aus der Stelle auch nicht heraus. Denkbar wäre auch, dass die Germanen erst einmal sämtliche rechtsrheinischen Stützpunkte der Römer in ihre Gewalt bekommen wollten, wo auch immer sie lagen, ehe sie allenfalls einen Einfall in linksrheinisches Gebiet wagen wollten. Oder es besteht überhaupt kein Kausalzusammenhang zwischen Belagerung und Nicht-Rheinüberquerung, sondern Cassius sagt nur, dass die Germanen das Kastell belagerten und nicht den Rhein überschritten. Der in den deutschen Übersetzungen mehr oder weniger deutlich angedeutete Kausalzusammenhang aufgehalten -> daher keine Rheinüberquerung ergibt sich aus dem Original jedenfalls so nicht.

Danke* sehr für die Übersetzung und Interpretation.



*Hiermit sind alle Mitdiskutanten aufgefordert, den Beitrag von Ravenik ordentlich grün zu bebommeln. Ich kann ihn leider noch nicht bewerten.
 
hallo,

Aliso:

Die römische Reiterei wird beim Rückzug zum Rhein zerschlagen?
Den langsamen, angeschlagenen Fusstruppen
jedoch gelingt der Rückzug auf Aliso?
Was bedeutet Rückzug auf ein noch intaktes Lager?
Bedeutet das automatisch Rheinnähe, oder die Sicherheit von der aus die Operation begonnen wurde?

Aufmarschroute=Rückzugsroute?

Alle Quellen zur Schlacht haben Gemeinsamkeiten, und sei es nur der Fakt der Schlacht, einige sind umfangreicher als andere.

Einzig eine Sache der Interpretation.

Hildisvini



 
Die römische Reiterei wird beim Rückzug zum Rhein zerschlagen?
Das steht so eigentlich nirgends.
Velleius schreibt, dass Numonius Vala bei diesem Rückzug umgekommen sei. Schon möglich, dass die ganze Reiterei zerschlagen wurde, aber direkt berichtet wird das nicht.

Den langsamen, angeschlagenen Fusstruppen
jedoch gelingt der Rückzug auf Aliso?
Das steht so direkt auch nirgends...
 
Problematisch ist halt Frontinus' reliqui ex Variana clade. Die nächstliegende ÜS ist "die aus der Varusniederlage Zurückbleibenden". Das impliziert, dass sie zunächst auf dem Schlachtfeld und später im Lager waren.
 
Hallo,
Aliso:
Weshalb ich es auch mit Fragzeichen versehen habe.
Reiterei:
Ob durch römisches Schwert als Deserteur oder erfolgloser Deserteur durch germanisches Schwert- Sache der Interpretation.

Hildisvini
 
Wenn sich eine ganze Reiterei abzusetzen versucht, fällt das auf. Wenn sich einzelne Soldaten aufgeriebener Kohorten in den Wald schlagen und sich der Himmelsrichtung nach zum nächstgelegenen römischen Stützpunkt durchschlagen und sich auf dem Weg dorthin ggf. auch treffen und zusammentun, ist das etwas anderes. Also gesetzt dem Fall, die reliqui ex Variana clade waren tatsächlich auf dem Schlachtfeld anwesend.
 
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