Das Schönheitsideal im 18.Jh.

Das Schminken des Gesichtes scheint nicht nur im Adel verbreitet zu sein. Der reiche Kaufmannssohn wird in Gottsched „Tadlerinnen“ mit „weiß geschminktem Angesicht“ beschrieben. (a)
„Der Gebrauch von Wasser war verpönt, weil es als Reinigungsmittel der armen Leute galt.
Gerade deshalb konnte die reine, weiße Haut zum Ideal der Vornehmen werden, weil hier der Aufwand am größten war und Reichtum und Muße sich in einer aufwendigen Gesichtsmaske am besten ausdrücken ließen.“ (b)
Frey bezieht diese Aussage auf das die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts und ergänzt, dass diese Reinigungsvorstellungen, ausgehend vom Einfluss besonders des französischen Hofes, in ganz Europa im Adel und beim wohlhabenden Bürgertum verbreitet war. Da weißer Grund mit roter Schminke das verbreitete Ideal war, spricht Frey vom „System des `Rouge et Blanc`“. Die Bedeutung dieser Farbkombination taucht auch bei Maria Theresia auf, die nach dem Tode Franz I. das Schminken verbot. (c) Nach Frey dienten Schminke und Puder nicht nur der betonung des sozialen Status, sondern diente besonders auch als „Trockenwäsche“ von Haar und Gesicht.

Um die Jahrhundertmitte setzte sich im Bürgertum ein neuer Reinlichkeitskanon durch, der sich vom Adel abzugrenzen versuchte. So wurde das Pudern des Haares abgelehnt, die Perücke, da sie wärmte, aber noch empfohlen. Gesichtsschminke wurde abgelehnt und brachte Frauen in den Ruf der „Hurerey“. Der „gefärbten Schönheit“ wurde das Ideal der „ natürlichen Schönheit“ entgegengestellt. Ein weiterer Grund für die Ablehnung der Schminke in bürgerlichen Kreisen war, dass das Erröten als tugendhaft betrachtet wurde und nicht von Schminke „schamlos“ verdeckt werden sollte. Parfüm war ebenso wie schlechter Geruch verpönt: „Bürger riechen nicht.“ Exemplarisch für das neue Schönheits- und Reinlichkeitsideal (zu Wasser wurde geraten!) wird das „Tractat“ Platners von 1750 genannt.

Aus dem Gelesenen schließe ich, dass Gesichtsschminke und Haarpuder bei beiden Geschlechtern verbreitet war. Um 1750 setzte sich im Bürgertum ein eigenes Ideal durch, das auf Abgrenzung vom Adel beruhte, der zuvor als Vorbild diente.

(a) Frey, S. 73
(b) Frey, S. 74
(c) Carl Eduard Vehse: Geschichte des östreichischen hofs und adels und der östreichischen ..., Band 8, S. 42f
(d) Frey, S. 120ff.

Manfred Frey: Der reinliche Bürger, Vandenhoeck & Ruprecht 1997

P.S. Gottsched ist auch online verfügbar:
Die vernünftigen Tadlerinnen - Google Bücher

EDIT: Zu Racinet. So etwas dachte ich mir schon. Besonders der Text ist wenig hilfreich
 
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1.
Was meinst du hier mit uniform? Meinst Du, dass die Hofmode unter den Höfen uniform waren oder innerhalb eines Hofes.
Zu letzterem ist, wenn ich mich recht entsinne, Moser in seinem "Teutschen Hofrecht" recht deutlich, indem er angibt, dass man sich bei Hofe an den Beispielen auf Stichen und was man selber sähe zu richten habe.


OT: "Uniform" war nicht ganz das richtige Wort um die Hofmode zu beschreiben. Was ich meinte war, daß sich so weit ich das einsehen kann mehr internationale Trends erkennen lassen, die jedoch dann wiederum von lokaler Mode abgeändert und beeinflusst werden. Als Beispiel um zu verdeutlichen was ich meine fällt mir nur gerade ein modernes Beispiel ein. Und ich gebe zu, daß ich von gegenwärtiger Mode nicht gerade viel verstehe. Also, so weit ich das sehen kann sind gerade sowohl in Deutschland als auch in GB für Damen enge Hosen und Stiefel in Mode, oder waren es zumindest im Winter. So weit der von mir gemeinte internationale Trend. Die Art von Hose und wie sie kombiniert wird, und die Art von Stiefel scheinen sich jedoch je nach Lokalität zu unterscheiden, woran man dann eher die lokale Mode erkennen kann. Wie dem auch sei, wichtig ist das für den Thread nicht unbedingt, und sagt eigentlich nicht viel über lokale Schönheitsideale aus, sondern eher über verschiedene Geschmäker und das Warenangebot. Oder aber über scheinbar internationale Schönheitsideale anhand dessen was betont wird...



Zurück zum Thema und bezüglich der Gravelot Stiche:

Was mir an den Stichen als erstes aufgefallen ist waren die Beine der Herren. Ohne tiefergehende Studie der Materie, und aus dem Gedächtnis heraus stellt sich mir die Frage ob sich da auch das Ideal geändert hat, nicht unbedingt im 18. Jahrhundert sondern über längere Zeit. Ältere Abbildungen von Männern, bei denen mir die Beine aufgefallen sind, scheinen eher etwas stämmiger und muskulöser zu sein. Vgl: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:%27Equestrian_Portrait_of_the_George_Villiers,_1st_Duke_of_Buckingham%27.jpg

Das eingentliche Beispiel, welches ich suche und auf die schnelle nicht finde hängt im Schloss von Kalmar, in Schweden, wo man bei der Führung erzählt bekommt, daß die Beine auf dem Portrait eines Königs dessen Name mir auch noch entfallen ist, eigentlich einem der Wachsoldaten gehörten, da der König ein paar schöne muskulöse Beine auf seinem Bildnis haben wollte. Ohne greifbare Quelle für diese Geschichte stellt sich natürlich die Frage ob es wahr ist oder nicht, aber ich frage mich ob sich das Ideal dahin gewandelt hat, daß 'mädchenhaftere' Beine bei Herren in Mode kamen, oder ob es sich eher um die Jugend der bei Gravelot abgebildeten Herren handelt, die ihre Beinform bestimmen?
 
Um die Jahrhundertmitte setzte sich im Bürgertum ein neuer Reinlichkeitskanon durch, der sich vom Adel abzugrenzen versuchte. So wurde das Pudern des Haares abgelehnt, die Perücke, da sie wärmte, aber noch empfohlen. Gesichtsschminke wurde abgelehnt und brachte Frauen in den Ruf der „Hurerey“. Der „gefärbten Schönheit“ wurde das Ideal der „ natürlichen Schönheit“ entgegengestellt.

Änderte sich damit auch die Haarfarbe die in Mode war? Ich glaube gelesen zu haben, daß sehr zu Anfang des 18. Jahrhunderts bei Damen dunkles Haar besonders gefragt war, da es die bleiche Haut hervorhob. Zwischenzeitlich erscheint mir die Frage nach der Haarfarbe aufgrund der Praxis des Haarpuderns nicht ganz so wichtig, aber wie sah es bei dem Ideal der "natürlichen Schönheit" und den weiterhin empfohlenen Perrücken aus?
 
Aus dem Gelesenen schließe ich, dass Gesichtsschminke und Haarpuder bei beiden Geschlechtern verbreitet war. Um 1750 setzte sich im Bürgertum ein eigenes Ideal durch, das auf Abgrenzung vom Adel beruhte, der zuvor als Vorbild diente.
Beim Haarpuder gehe ich ganz mit.
Beim Schminken allerdings absolut nicht. Auch Lehndorff beschrieb einen Adeligen als absonderlich, da sich dieser schminkte. (müsste 1750er gewesen sein)

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OT: "Uniform" war nicht ganz das richtige Wort um die Hofmode zu beschreiben. Was ich meinte war, daß sich so weit ich das einsehen kann mehr internationale Trends erkennen lassen, die jedoch dann wiederum von lokaler Mode abgeändert und beeinflusst werden. Als Beispiel um zu verdeutlichen was ich meine fällt mir nur gerade ein modernes Beispiel ein.

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Zurück zum Thema und bezüglich der Gravelot Stiche:

Was mir an den Stichen als erstes aufgefallen ist waren die Beine der Herren. Ohne tiefergehende Studie der Materie, und aus dem Gedächtnis heraus stellt sich mir die Frage ob sich da auch das Ideal geändert hat, nicht unbedingt im 18. Jahrhundert sondern über längere Zeit. Ältere Abbildungen von Männern, bei denen mir die Beine aufgefallen sind, scheinen eher etwas stämmiger und muskulöser zu sein. Vgl: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:%27Equestrian_Portrait_of_the_George_Villiers,_1st_Duke_of_Buckingham%27.jpg

Das eingentliche Beispiel, welches ich suche und auf die schnelle nicht finde hängt im Schloss von Kalmar, in Schweden, wo man bei der Führung erzählt bekommt, daß die Beine auf dem Portrait eines Königs dessen Name mir auch noch entfallen ist, eigentlich einem der Wachsoldaten gehörten, da der König ein paar schöne muskulöse Beine auf seinem Bildnis haben wollte. Ohne greifbare Quelle für diese Geschichte stellt sich natürlich die Frage ob es wahr ist oder nicht, aber ich frage mich ob sich das Ideal dahin gewandelt hat, daß 'mädchenhaftere' Beine bei Herren in Mode kamen, oder ob es sich eher um die Jugend der bei Gravelot abgebildeten Herren handelt, die ihre Beinform bestimmen?
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Da muss man unterscheiden. Natürlich war grundsätzlich Frankreich, was die Hofmode anbelangte recht tonangebend. Nicht nur Stoffe, sondern auch fertige Stücke wurden wohl aus Frankreich importiert.
Dennoch gab es immer wieder regionale Besonderheiten wie in Schweden die Hofuniformen, welche Gustav III. in den 1770ern einführte und in England die Damenkleider, welcher ganz eigen waren.

2.
Ich kann nur sagen, dass es ein Paar Strümpfe mit eingenähten Polstern für die Waden in dem Kostümmuseum von Liverpool gibt.*
Wann der Trend der Beliebtheit schöner Waden einsetzte, kann ich schlecht sagen. Er hielt jedenfalls bis zum Empire meines Erachtens an.

Änderte sich damit auch die Haarfarbe die in Mode war? Ich glaube gelesen zu haben, daß sehr zu Anfang des 18. Jahrhunderts bei Damen dunkles Haar besonders gefragt war, da es die bleiche Haut hervorhob. Zwischenzeitlich erscheint mir die Frage nach der Haarfarbe aufgrund der Praxis des Haarpuderns nicht ganz so wichtig, aber wie sah es bei dem Ideal der "natürlichen Schönheit" und den weiterhin empfohlenen Perrücken aus?
Da muss man wahrscheinlich sehr zwischen Damen und Herren unterscheiden.

Bei beiderlei Geschlecht war das Pudern der Haare, v.a. in Grau oder Weiß, zumindest für die offiziellen Anlässe bis ins letzte Viertel des Jahrhunderts obligatorisch.
Verbote des Puderns richteten sich scheinbar vor allem gegen die Unterschicht, wenn diese dem Adel nachahmte.

Ich weiß aber nicht ganz, ob das Haarpudern soviel mit dem Schönheitsideal zu tun hat. Empfand man weiße Haare als schön?
Mir scheint bisweilen das mit den gepuderten Haaren als Teil des Gesamtkunstwerks Mode.

* Pauline Rushton: "18th Century Costume in the National Museums and Galleries of Mersyside " 1999, National Museums & Galleries on Merseyside, Liverpool
 
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Änderte sich damit auch die Haarfarbe die in Mode war? Ich glaube gelesen zu haben, daß sehr zu Anfang des 18. Jahrhunderts bei Damen dunkles Haar besonders gefragt war, da es die bleiche Haut hervorhob. Zwischenzeitlich erscheint mir die Frage nach der Haarfarbe aufgrund der Praxis des Haarpuderns nicht ganz so wichtig, aber wie sah es bei dem Ideal der "natürlichen Schönheit" und den weiterhin empfohlenen Perrücken aus?
Frey legt den Fokus auf die Reinlichkeitsvorstellungen und äußert sich dazu nicht. Das Haarpuder färbte die Haare weiß. Auf einer häuslichen Szene des 18.Jahrhunderts in England bei Racinet (S.390) tragen die Frauen Hauben und die Männer weiße Perücken. Beim Blättern im Racinet habe ich den Eindruck gewonnen, dass dunkle Haarfarbe (oder Perücken?) im 17. Jahrhundert verbreitet war, im 18. Jahrhundert aber weiß vorherrschte. Ich bin mir aber nicht sicher, wie aussagekräftig die „Costume History“ da ist.
Dass die Perücken, um den Kopf trocken und warm zu halten, empfohlen wurden, mag sich nur auf die Herren beziehen, da Frey dazu nur ausführt, dies sei mit der Forderung nach kurz geschorenem Haar verbunden gewesen, damit sich kein Ungeziefer einnisten könne. Ganz laienhaft betrachtet, kommt mir diese Forderung für Frauen komisch vor, also trugen vielleicht nur die Männer ihr Haar kurz mit Perücke.

EDIT: @ Brissont
Das Pudern der Haare galt wohl als Pflege der Haare (Frey spricht von "Trockenwäsche") und sollte das Fetten der Haare, das als unschön betrachtet wurde, verhindern. Hier scheinen also Hygienevorstellungen mit Schönheitsvorstellungen zusammenzutreffen.
Da mir klar ist, dass mein Hintergrundwissen über diese Zeit Deinem weit nachsteht, lasse ich mich gerne belehren. Mein Gedanke war nur, dass bei aller auch von Frey genannter Kritik am Pudern und Schminken das weißgeschminkte Gesicht bei Männern von den wohlhabenden Bürgern imitiert wurde (Gottsched). Daraus habe ich geschlossen, dass es (kritisierter) Usus war.
 
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Frey legt den Fokus auf die Reinlichkeitsvorstellungen und äußert sich dazu nicht. Das Haarpuder färbte die Haare weiß. Auf einer häuslichen Szene des 18.Jahrhunderts in England bei Racinet (S.390) tragen die Frauen Hauben und die Männer weiße Perücken. Beim Blättern im Racinet habe ich den Eindruck gewonnen, dass dunkle Haarfarbe (oder Perücken?) im 17. Jahrhundert verbreitet war, im 18. Jahrhundert aber weiß vorherrschte. Ich bin mir aber nicht sicher, wie aussagekräftig die „Costume History“ da ist.
Dass die Perücken, um den Kopf trocken und warm zu halten, empfohlen wurden, mag sich nur auf die Herren beziehen, da Frey dazu nur ausführt, dies sei mit der Forderung nach kurz geschorenem Haar verbunden gewesen, damit sich kein Ungeziefer einnisten könne. Ganz laienhaft betrachtet, kommt mir diese Forderung für Frauen komisch vor, also trugen vielleicht nur die Männer ihr Haar kurz mit Perücke.

Danke! Und 'tschuldigung für meine missverständliche Ausdrucksweise, das mit den Perrücken war eher auf die Männer bezogen, als auf die Frauen. :rotwerd:

Gibt es vielleicht Hinweise auf Haarfarben die weniger erwünscht waren, als das Pudern der Haare bei Damen aus der Mode kam? Ich erinnere mich an Beschreibungen großer Schönheiten, die dann zum Beispiel "trotz" dieser oder jener Mängel als solche angesehen wurden, was ja auch Hinweise darauf liefert wie das Ideal aussieht.
 
Na diese Stehkragen, Kragenspiegel würde man heute sagen.

Ohne greifbare Quelle für diese Geschichte stellt sich natürlich die Frage ob es wahr ist oder nicht, aber ich frage mich ob sich das Ideal dahin gewandelt hat, daß 'mädchenhaftere' Beine bei Herren in Mode kamen, oder ob es sich eher um die Jugend der bei Gravelot abgebildeten Herren handelt, die ihre Beinform bestimmen?
Die Beine sind mir auch als erstes aufgefallen :D Das dürfte aber eher am aktuellen Zeitgeist und dem durch die Medien vermittelten Männerbild liegen... Ich finde eher sie unterstreichen dieses knabenhafte, das auch im Gesicht wiedergegeben ist.

Änderte sich damit auch die Haarfarbe die in Mode war? Ich glaube gelesen zu haben, daß sehr zu Anfang des 18. Jahrhunderts bei Damen dunkles Haar besonders gefragt war, da es die bleiche Haut hervorhob. Zwischenzeitlich erscheint mir die Frage nach der Haarfarbe aufgrund der Praxis des Haarpuderns nicht ganz so wichtig, aber wie sah es bei dem Ideal der "natürlichen Schönheit" und den weiterhin empfohlenen Perrücken aus?
Trotz Pudern werden duch die Haare nicht komplett weiß, es schimmert doch immer auch die natürliche Haarfarbe durch, oder? Über Gesichter/Haarfarben etc. pp. zu reden fällt aber zumindest mir anhand von Portraits leichter.
 
1.
Frey legt den Fokus auf die Reinlichkeitsvorstellungen und äußert sich dazu nicht. Das Haarpuder färbte die Haare weiß. Auf einer häuslichen Szene des 18.Jahrhunderts in England bei Racinet (S.390) tragen die Frauen Hauben und die Männer weiße Perücken.
2.
Beim Blättern im Racinet habe ich den Eindruck gewonnen, dass dunkle Haarfarbe (oder Perücken?) im 17. Jahrhundert verbreitet war, im 18. Jahrhundert aber weiß vorherrschte. Ich bin mir aber nicht sicher, wie aussagekräftig die „Costume History“ da ist.
3.
Dass die Perücken, um den Kopf trocken und warm zu halten, empfohlen wurden, mag sich nur auf die Herren beziehen, da Frey dazu nur ausführt, dies sei mit der Forderung nach kurz geschorenem Haar verbunden gewesen, damit sich kein Ungeziefer einnisten könne. Ganz laienhaft betrachtet, kommt mir diese Forderung für Frauen komisch vor, also trugen vielleicht nur die Männer ihr Haar kurz mit Perücke.
4.
EDIT: @ Brissont
Das Pudern der Haare galt wohl als Pflege der Haare (Frey spricht von "Trockenwäsche") und sollte das Fetten der Haare, das als unschön betrachtet wurde, verhindern. Hier scheinen also Hygienevorstellungen mit Schönheitsvorstellungen zusammenzutreffen.
5.
Da mir klar ist, dass mein Hintergrundwissen über diese Zeit Deinem weit nachsteht, lasse ich mich gerne belehren. Mein Gedanke war nur, dass bei aller auch von Frey genannter Kritik am Pudern und Schminken das weißgeschminkte Gesicht bei Männern von den wohlhabenden Bürgern imitiert wurde (Gottsched). Daraus habe ich geschlossen, dass es (kritisierter) Usus war.
1.
Hauben, vor allem weiße, wurden überall im westlich orientierten Europa von den Frauen getragen, was durch die Schichten hindurch geht.
Das Haarepudern war bei beiderlei Geschlecht vebreitet. Von daher würde ich nicht davon sprechen, dass die Frauen Hauben statt der gepuderten Haare hatten. (auch wenn Du das nicht explizit so sagst)
Beispiele:
Wilhelmine von Bayreuth
http://de.wikipedia.org/w/index.php...e_Wilhelmine.JPG&filetimestamp=20071208100229
Maria Karolina Zofia Felicja Leszczyńska
File:Maria Leszczynska2.jpg - Wikimedia Commons
und selbst das englische Pärchen auf dem berühmten Bild von Gainsborough 1785:
Datei:Gainsborough-Morgen.jpg ? Wikipedia

2.
Repräsentativer ist wahrscheinlich "Lockenpracht und Herrschermacht".*
Dort finden sich sowohl graue, als auch weiße und auch braune Originalperücken.
Die grauen oder weißen Perücken musste man logischerweise nicht extra hell pudern.

3.
Ich weiß nicht mehr genau, aber ich glaube, erst eine Originalperücke für eine Dame gesehen zu haben. Neben dem Mangel an Realien deuten auch noch weitere Hinweise darauf hin, dass Perücken bei Damen unüblich waren. Man behalf sich aber sehr wohl mit kleineren Haarteilen, z.B. in die Haare steckbaren Locken. **
Grundsätzlich scheinen sich vor allem die englischen Männer die Haare abgeschnitten zu haben, soweit darüber Porträts mit Herren mit Hauskappen Auskunft geben können.
Andererseits gibt es auch Abbildungen aus Deutschland, welche die Mittelschicht zeigt, welche schlichte Firsuren bei Herren zeigt: schulterlange Haare, die offen getragen werden.

4.
Den Aspekt habe ich auch schon mehrfach gefunden. Das Problem war sicherlich, dass es Shampoo in der Form noch nicht gab und die Seife in den Haaren diese sicherlich auch eher angriff.

5.
Hm, oder das war ein Klischee, das es schon damals über den Adel gab. Selbst wenn dem Klischee nur wenige Adelige entsprachen, so gab es genug Gründe das auch gern auf den gesamten Adel zu übertragen.
Kennst Du eine Reihe von Abbildungen, welche deutlich erkennbar geschminkte adelige Herren zeigen?

* Regine Marth u.a.: "Lockenpracht und Herrschermacht" Koehler & Amelang, 2006
** vgl.: Garsault "L'art du perruquier" (1767)
 
Gibt es vielleicht Hinweise auf Haarfarben die weniger erwünscht waren, als das Pudern der Haare bei Damen aus der Mode kam? Ich erinnere mich an Beschreibungen großer Schönheiten, die dann zum Beispiel "trotz" dieser oder jener Mängel als solche angesehen wurden, was ja auch Hinweise darauf liefert wie das Ideal aussieht.

Da bei Frey dazu nichts steht und ich zu diesem Thema ohne Vorwissen aus dem Stand heraus recherchiere, kann ich Dir nur ein Buch nenne, das ich auf die Schnelle gefunden habe:

Haarfarben: eine Kulturgeschichte in ... - Google Bücher

Interessant für Dich vielleicht besonders S. 248ff, wo das Entstehen der Perückenmode Ende des 17. Jahrhunderts auf das Verdecken unerwünschter Haarfarben (bes. rot) zurückgeführt wird.

P.S. Wäre solche von Dir erwähnten Beschreibungen von Mängeln nicht sehr interessant für dieses Thema?
 
Na diese Stehkragen, Kragenspiegel würde man heute sagen.
Kann ich nicht erkennen.

Ich sehe einen kragenlosen Justaucorps wie er eigentlich typisch war für die Zeit.

Am Hals erkenne ich nur eine Halsbinde, welche auf Englisch Stock heißt. Siehe hier:
Halsbinde

Bei den beiden Stichen von Gravelot sieht es anders aus, aber ansonsten habe ich oft den Eindruck, dass diese Halsbinden den Hals optisch sogar strecken. Das wurde allerdings durch den Solitaire etwas abgemildert.
 
Von daher würde ich nicht davon sprechen, dass die Frauen Hauben statt der gepuderten Haare hatten. (auch wenn Du das nicht explizit so sagst)

Doch, das hatte ich tatsächlich so gemeint, daher Danke für die Richtigstellung.

Kennst Du eine Reihe von Abbildungen, welche deutlich erkennbar geschminkte adelige Herren zeigen?

Trotz Pudern werden duch die Haare nicht komplett weiß, es schimmert doch immer auch die natürliche Haarfarbe durch, oder? Über Gesichter/Haarfarben etc. pp. zu reden fällt aber zumindest mir anhand von Portraits leichter.

Das scheint mir ein guter Einwand zu sein. Ich werde heute Abend mal den Gottsched nach der betreffenden Stelle durchsuchen und mich sonst erst Mal auf das Sichten von Bildmaterial konzentrieren.
 
Da bei Frey dazu nichts steht und ich zu diesem Thema ohne Vorwissen aus dem Stand heraus recherchiere, kann ich Dir nur ein Buch nenne, das ich auf die Schnelle gefunden habe:

Haarfarben: eine Kulturgeschichte in ... - Google Bücher

Interessant für Dich vielleicht besonders S. 248ff, wo das Entstehen der Perückenmode Ende des 17. Jahrhunderts auf das Verdecken unerwünschter Haarfarben (bes. rot) zurückgeführt wird.

P.S. Wäre solche von Dir erwähnten Beschreibungen von Mängeln nicht sehr interessant für dieses Thema?

Sehr interessanter Link! Ich hab' mal drin rumgekramt und dachte, daß vielleicht ein paar Zitate daraus im Bezug auf modische Änderungen und Ideale bei den Herren passen können:

Auf Seite 270 steht da, daß das blonde und künstliche Haar ein Zeichen des adeligen Müßiggängers gewesen sei, und schon 1726 in einer bürgerliche gesonnenen deutschen Zeitschrift verspottet wurde. Blondheit in Kombination mit "weibischer Rhöte" betone das Unmännliche und Verweichlichte.

Auf der gleichen Seite steht über Spanien und Herren im 18. Jahrhundert, daß zuviel Aufhebens um das Äußerliche gemacht werde, wozu auch die Pflege der goldenen Lockenpracht gehört. Als Ausdruck der Männlichkeit hingegen gelte Bart und Körperbehaarung, wobei das Kopfhaar sauber aber nicht kosmetisch behandelt sein sollte.

Das alles hört sich stark nach einer (Neu-)Definierung bürgerlicher Männlichkeitsbilder und Ideale an, wobei der Spott überspitzt war, aber es erscheint ein Hinweis auf eine Vorliebe für blondes Haar bei Männern zu sein. Kennt jemand noch andere Beispiele oder Gegenbeispiele? :grübel:

Die erwähnten "Mängelbeschreibungen" kenne ich leider nur aus dem 16. und 17. Jahrhundert- im Bezug auf rotes Haar oder schlechte Zähne etc, aber ich fände es auch interessant, wenn sich jemand dazu im Bezug auf's 18. Jahrhundert äussern könnte.


OT @ Lili: Ein schönes Männerbein kann auch entzücken. ;) Nur bin ich mir nicht so sicher, daß wir da von den modernen Medien angestiftet werden, da ja wie schon @ Brissotin angemerkt hat, daß es ausgestopfte Herrenstrümpfe gab, die eine schöne Wade machen sollten. Ein paar stramme Waden als zeitloser Blickfang kann ich mir gut vorstellen. :winke:
 
Sehr interessanter Link! Ich hab' mal drin rumgekramt und dachte, daß vielleicht ein paar Zitate daraus im Bezug auf modische Änderungen und Ideale bei den Herren passen können:

Auf Seite 270 steht da, daß das blonde und künstliche Haar ein Zeichen des adeligen Müßiggängers gewesen sei, und schon 1726 in einer bürgerliche gesonnenen deutschen Zeitschrift verspottet wurde. Blondheit in Kombination mit "weibischer Rhöte" betone das Unmännliche und Verweichlichte.
Ich suche mal, ob ich die Tage besonders viele Bilder mit blonden Herren aus der Zeit finde.

Die Perücken waren wie gesagt zumeist grau oder weiß, aber auch in anderen Farben, aber nicht unbedingt mehrheitlich blond. Wobei man wohl dazu anmerken muss, dass sich so wenige erhalten haben, dass wir schwer eine Entwicklung anhand der Originale zeichnen können.
In Sachen modischer Entwicklung werden zumeist zu Vergleichen Darstellungen (Stiche, Plastiken, Gemälde) herangezogen. Die Perücken, die es noch gibt, illustrieren nur ein wenig, die Frisuren, welche wir durch Schriftquellen und Bilder etc. kennen.
 
Herren und Damen 1750-1790

Auf der gleichen Seite steht über Spanien und Herren im 18. Jahrhundert, daß zuviel Aufhebens um das Äußerliche gemacht werde, wozu auch die Pflege der goldenen Lockenpracht gehört. Als Ausdruck der Männlichkeit hingegen gelte Bart und Körperbehaarung, wobei das Kopfhaar sauber aber nicht kosmetisch behandelt sein sollte.
Heißt das, die Spanier hätten zu der Zeit Bart getragen?
An jedem Hof hätte man sie darum sicherlich angeschaut wie Hinterwäldler. Bärte waren ja das Symbol für Räuberrollen auf der Bühne.





Vielleicht scheint durch die Ausführungen von Linda Baumgarten ein bisschen das Schönheitsideal der Zeit durch.
"Body shape and posture have changed in the past two hundred years because of the combination of body-molding clothing, lessons in posture and habits of exercise.
... Stays were laced on the body over an linen shift. They pushed the fullness of the breasts up and urged the shoulders back and down, creating very erect posture. Those women who were considered beautiful had slim arms and sloping shoulders. Although a small waist was desirable, the ideal silhouette was not the constricted hourglass of the mid-nineteenth century. (Notice the waist of the gowns shown in this book.) The eighteenth-century ideal was a tapering line from midbust to waist. Fitted gowns were built over the smooth line of stays without the darts typical of the nineteenth-century clothing."
*
Ausgenommen die "slim arms" gehe ich da voll mit.
Schaue ich mir allerdings fast alle Bilder an, so sind die Arme der Damen eher rundlich genauso wie die Hände.
Wie bei der Pompadour:
Datei:Madame de Pompadour.jpg ? Wikipedia
Zu einem gewissen Widerspruch in diesem Schönheitsideal kommen wir sicherlich noch.

Bei den Ausführungen zum modischen Herren gehe ich aber voll mit:
"The fashionable man's body of 1750 to 1790 also had sloping shoulders, a narrow back, and slim, nonmuscular arms. Square shoulders were not considered desirable, and thick shoulder pads were not used in men's suits. Rather, padding enhanced (or created) a prominent chest. The cut of the suit also emphasized the chest and stomach by placing shoulder and underarm seams toward the back, strengthening the illusion."
**
Gerade was über die Arme ausgesagt wird, verdeutlicht, dass herkulische Figuren, wie sie August der Starke abgab zumindest um die Mitte des 18.Jh. nicht mehr im Zeitgeschmack gelegen haben können.

* Linda Baumgarten: "Costume close-up: clothing construction and pattern, 1750-1790"
The Colonial Williamsburg Foundation, Virginia, in association with Quite Specific Media Group Ltd., Hollywood, California, 2000
S. 5
** Ebenda
 
Heißt das, die Spanier hätten zu der Zeit Bart getragen?
An jedem Hof hätte man sie darum sicherlich angeschaut wie Hinterwäldler. Bärte waren ja das Symbol für Räuberrollen auf der Bühne.

Keineswegs :rotwerd:. Ich hätte verdeutlichen sollen, daß es sich bei dem Ausspruch um Haare um eine bürgerliche Reaktion gegen den Adel handelt, also eine Spottschrift in einer Zeitung. Der Autor hat sich da ausdrücklich gegen höfische Moden gestellt, und verspottet diese, genau wie er ausgelacht würde, wenn er mit frei spriessender Körperbehaarung verspottet worden wäre.

Der gegen die höfische Herrenmode gerichtete Spott passt ja eigentlich recht gut auf das von dir weiter unten angegebene Zitat über die modische Körpererscheinung der Herren, auch wenn diese etwas ungallant als 'weibisch' dargestellt wird, während die bürgerlichen Spötter darum bemüht sind die eigene Erscheinung als 'männlich' zu definieren.
 
1. Gottsched als Kritiker der Schminkpraxis und Vertreter einer bürgerlichen Gegenbewegung:

a) Der Mode wird die Vernunft entgegengesetzt:

„Eine lange Gewohnheit ist stärker, als die gründlichste Vorstellung aller Weltweisen: und die Mode, dieses phantastische Ungeheuer, ist vermögender, als alle Klugheitsregeln. Die Menschen wollen davon nichts hören und wissen.“
Tadlerinnen Nr.1, S. 215

b) Die vorherrschende Mode wird als unhygienisch charakterisiert:

„Sordine sieht nicht viel apetitlicher aus, als dieser Pedant. Auf ihrem Halse klebet eine zehnfache Pomade, welche eben so oft mit dickem Puder überschüttet worden. Unter ihrem Haarputze stecket ein alter Pantoffel, damit sich das Hinterhaupt, wie ein kleiner Thurm, in die Höhe strecken möge. Man sieht bisweilen an ihren Schultern das grobe
und schwarze Hemde, neben den feinsten Spitzen hervorgucken. Nach ihren Händen sollte man sie für eine Müllers Tochter halten; denn die Klenen [?], damit sie sich, anstatt der Kugelseife, wäschet, kleben ihr zwischen den Fingern. Doch trägt sie kein Bedenken, am Tische, im Vorschneiden, alles ohne Gabel, mit bloßer Hand, anzugreifen: in der festen Meynung, es werde den gegenwärtigen Mannspersonen alles besser schmecken, wenn sie es zuvor mit ihren Alabasterpfötchen angcfasset. Ihr Rock ist unten herum mit einer Spitze von trockenen Kothflecken verbrämet. Ihre Schuhbänder sind hanfene Bindfäden, und ihre Handschuhe wollen sichs durchaus nicht ansehen lassen, daß sie jemals weiß gewesen. Fürwahr, ich irre entweder; oder Sordine kann eine recht schmutzige Pedantinn heissen.“
Tadlerinnen Nr.2, S. 434

c) Besonders der Zeitaufwand wird aufs Korn genommen. Dem werden bürgerliche Tugenden entgegengestellt. Die tugendhafte Frau verwendet ihre Zeit für Bildung und häusliche Pflichten:

„Sie übt sich nicht bey jedem Worte, das sie sagt, eine besondere Bewegung mit dem Haupte oder mit den Händen zu machen: und ihre natürliche Artigkeit gefället doch jedermann. Sie verderbt ihre Zeit nicht mit unnützem Aus- und Ankleiden, Schmücken und Balsamieren, Waschen und Pudern; sondern kann sie zu Hausgeschäfften und Lesung nützlicher Bücher anwenden. Daher hält sie nun jedermann nicht nur für ein angenehmes, sondern auch für ein wohlgezogenes und tugendhaftes Frauenzimmer.“
Tadlerinnen Nr.1, S.57

„Corinna ist von ganz anderer Gattung. […]
Sie schläget die Haare bald so, bald anders aus. Jetzt kräuselt sie einen Busch derselben, sie schmieret ihn mit Jeßminöl, sie streuet den Puder darüber. Doch er steht nicht recht: sie kämmet alles wieder aus, und sangt von neuem an. Auch dieses geräth ihr nicht: allein sie wird nicht überdrüßig, drey bis viermal eincrley Arbeit zu thun. In anderthalb Stunden sind die Haare fertig. Darauf sieht sie nicht anders aus, als eines Müllers Magd, die einen halben Tag in dem dicksten Staube gestanden. Sie schabet den Puder mit Messern vom Gesichte, und wenn sie die Kleider ausschüttelt, wird der Boden ihres Zimmers weißer, als die Straße ist, wenn es eine Nacht durch geschneyet hat. Gefällt es ihr, ein schwarzes Fleckchen auf das Gesicht zu legen, so kostet es auch eine halbe Stunde, ehe sie mit sich selbst eins wird, wo es liegen soll.“
Tadlerinnen Nr.1, S. 57

Da sich die Schrift gerne des Mittels der Übertreibung bedient, muss man sich wohl Brissotin Einschätzung anschließen, dass hier Klischees geschildert werden.
Neben dem moralischen Zweig der Schminkkritik, der sich besonders in den Wochenzeitschriften wie den oben zitierten wieder findet, gab es laut Dane recht bald auch einen medizinischen Zweig in den „nützlichen Sammlungen“. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts finden sich vermehrt Rezepte für Schminken, die ausdrücklich als ungefährlich deklariert wurden. Als vollständigste Sammlung gilt Johann Bartholomäus Trommsdorffs „Kallopistria“ (1805).


2. Die Frage nach dem geschminkten Mann:

a) Es gibt eine bürgerliche Gegenbewegung zu dem Schönheitsideal des Adels. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Beschreibungen bei Gottsched stark überzeichnet sind. Eben Klischees, wie Brissotin schon anmerkte.

„Er bringet eine gute Zeit vor dem Spiegel zu, besieht bald den geschickten Fuß, bald das weiße Angesicht, bald die diamantnen Aermelknöpfe, bald die ganze Stellung des Leibes. Jetzo übet er sich, eine liebliche, bald eine spröde, bald eine verächtliche Mine zu machen.“
Tadlerinnen Nr.1, S. 82

„Die Männer wissen sich so gut als wir zu zieren,
Die meisten haben ja gezwungene Manieren,
Sie krausen ja das Haar, sie schminken, pudern sich.
Es ist mir allezeit gewiß ganz lächerlich,
Wenn ich ein Stutzerchen einmal recht in der Nähe,
Durchs Fenster nach dem Tackt ganz langsam gehen sehe.“
Schaubühne, S.401

„Es hatte nicht an Gegenbewegungen aus den neuen bürgerlichen Schichten gegen die höfische Stilisierung der äußeren Erscheinung gefehlt, in Frankreich weniger, stärker in Deutschland.“ Dane, S.76

b) In der Sekundärliteratur wird darauf hingewiesen, dass sich beide Geschlechter schminkten.


„Die Stilbildende Kraft des Hofes ließ die ausgeprägten Schminksitten im Adel überhaupt sowie im gehobenen wohlhabenden Bürgertum Einzug halten, und zwar bei beiden Geschlechtern.“ Dane, S.69


c) An Hand der Malerei lässt sich dies aber nicht wirklich belegen. Vielleicht, weil es ein „System der Blässe“ gab:
„Auch auf Gemälden der Zeit kann man sehen, daß Frauen in der Regel mit hellerer Haut abgebildet wurden als Männer, und daß die gesellschaftlich höher stehenden Frauen immer eine hellere Haut haben als ihre Dienerinnen.“ Dane, S. 69f.

Bei meiner Suche nach geschminkten Herren in der Kunst ist mir recht bald eine Hürde aufgefallen. Wie soll man an Hand eines Portraits „noble Blässe“ von geschminkter/gepuderter Haut unterscheiden? Der Maler würde doch einen schlecht geschminkten Herren, dessen Blässe auf einem Foto vielleicht sofort als nicht natürliche erkannt würde, dennoch so portraitieren, dass alle Mängel kaschiert werden.
Ich habe ein Pärchen gefunden, dass als Kandidaten für geschminkte Gesichter in Frage kommen. Beide Bilder sind 1790 entstanden stammen von dem englischen Maler Richard Cosway:

http://www.wga.hu/art/c/cosway/m_franks.jpg
http://www.wga.hu/art/c/cosway/gentlema.jpg

Bei der Frau kann man ja davon ausgehen, dass sie geschminkt ist. Vergleicht man sie nun mit dem „Gentleman“, stellt sich die Frage, woran man erkennen soll, ob dessen Blässe nun natürlich oder geschminkt ist.

d) Ich möchte auch gar nicht auf die Sekundärliteratur pochen. Das wäre ein schwaches, ein reines Autoritätsargument.
Was die Verbreitung des Verwendens von Schminke bei Herren betrifft, lässt sich doch aus der Funktion des Schminkens etwas ableiten. Da das Schminken nicht nur ästhetische, sondern eben auch medizinische Ursachen hatte. Da es nicht nur aus Gründen der sozialen Abgrenzung die Reinigung mit Wasser verpönt war, sondern eine regelrechte Angst vor Wasser beschrieben wird, blieb dem adeligen Herren doch nur die „trockene“ Gesichtspflege mit Schminken und Puder oder gar keine. Körpergeruch wurde aber als „Fäulnis“ gedeutet, die ein Anzeichen von Krankheit ist und damit unattraktiv macht. Demnach muss das Schminken bei Herren allein aus hygienischen Gründen (nach dem Verständnis von Hygiene dieser Zeit und Schicht) weit verbreitet gewesen sein.

„Nur durch Schminke konnten die sichtbaren Partien der Haut, an die ja kein Tropfen Wasser dringen durfte, rein und glänzend gehalten werden.“ Frey, S.74

„Die von den Medizinern wie den Theologen gleichermaßen verbreitete Angst vor einer inneren Verunreinigung des Leibes und vor den Gefahren der Fäulnis und des Gestanks des Leibes für seine Umgebung [..]“ Frey, S. 69

„ […] innerhalb der Eliten der damaligen Zeit zu sprechen. Die Angst vor dem Wasser war nicht nur in Frankreich, sondern auch in den deutschen Ländern des frühen 18. Jahrhunderts die Grundlage der Praxis der Körperpflege.“ Frey, S.75


3. Die Funktion von Puder, Schminke und Parfüm:

a) ästhetische Funktion

„Zur Schönheit des menschlichen, besonders des weiblichen Körpers gehörte es vor Allem eine helle, zarte und glatte Haut zu haben. Diese drei Signale galten als Signal für Jugendlichkeit.“ Nicht zuletzt dienten Schminke und Puder auch dem Verdecken von Schönheitsmängeln wie Pockennarben etc. Wo die Schminke nicht mehr reichte wurden Schminkpflästerchen benutzt. Besonders um die äußeren Anzeichen der Syphilis zu verdecken, kamen solche zum Einsatz.
Auch für den soziale Funktion ist wichtig, dass die Schminke laut Dane gar nicht natürlich wirken sollte (Dane, S.71).
Die weiße Farbe der Schminke als Synonym für Reinheit und Tugend (Frey, S.74) wird in der Schminkkritik interessanterweise komplett umgedeutet.

b) soziale Funktion

„Der Gebrauch von Schminken war eine von mehreren Möglichkeiten, sich in derselben sozialen Gruppe von anderen Mitgliedern zu unterscheiden und zugleich von anderen Gruppen abzugrenzen.“ Dane, S.73

Zum einen unterstützte die Schminke die „vornehme Blässe“, die von all denen unterschied, die im Freien arbeiten mussten. Zum anderen waren die benötigten Schminkutensilien recht teuer. So boten Schminken unterschiedlicher Qualität auch die Möglichkeit, innerhalb derselben Gruppe den Rang zu signalisieren. „Die einzelnen Symbole der Sauberkeit werden sichtbar am Körper getragen.“ (Frey, S.75) Damit ist jedoch nicht nur die Schminke selbst sondern auch das „Arsenal“ an Pflegeutensilien gemeint, das man mit sich führen musste und die auch gezeigt wurden.
Je aufwendiger die Toilette, desto höher der Rang, da nicht nur die zur Verfügung stehende Zeit, sondern auch Zahl der helfenden Diener ein entsprechendes Vermögen signalisierten.
Die Trockenwäsche der Adeligen hob sie außerdem von den Unterschichten ab, da Wasser als Reinigungsmittel der Armen verpönt war.


c) medizinische Funktion

Wenn ich das richtig verstanden habe, dienten Schminke, Puder und Duftwasser nicht nur der Reinigung des Körpers, sondern auch der Abwehr „fester und flüssiger Schmutzstoffe von außen.“ (Frey, S.70)
Und „da der Geruchssinn nicht nur auf unreine und sündige Orte und Gedanken aufmerksam machte, sondern schlechte Gerüche auch gesundheitliche Gefahren mit sich brachten“, ist auch der Schnupftabak als Schutz vor Krankheit aufzufassen. Da man sich für die anderen der Reinigung unterzog, ist vor diesem Hintergrund die Bedeutung von Zahnpulver und Parfümen verständlich. Und natürlich galt es durch Puder, Duftwasser, Schminke etc. dem „gefährlichen“ Wasser auszuweichen. Besonders die Schminke sollte eine Schutzschicht darstellen. Inwieweit das erfolgreich war, lässt die oben zitierte Kritik erahnen.


4. Wie wurde sich geschminkt?

Ich habe zwei Beschreibungen gefunden, die ziemlich miteinander übereinstimmen. Der Einfachheit halber habe ich die ellenlangen Texte nicht abgetippt, sondern als Bilddateien angehängt. Der erste Text ist von Frey, der zweite von Dane.

- weiß geschminkter Grund
- rote/rosa Highlights, besonders auf den Wangen
- schwarze Farbe zum markieren der Augenlider
- nachzeichnen der Äderchen mit blau



Links und Literatur:

Die vernünftigen Tadlerinnen - Google Bücher
Die vernünftigen Tadlerinnen - Google Bücher
Die Deutsche Schaubühne: Nach den ... - Google Bücher
Der reinliche Bürger - Google Bücher
Die heilsame Toilette: Kosmetik und ... - Google Bücher


Johann Christoph Gottsched: Die Deutsche Schaubühne, Band 6
Johann Christoph Gottsched: Die vernünftigen Tadlerinnen - Der erste Theil, 1726
Johann Christoph Gottsched: Die vernünftigen Tadlerinnen – Der andre Theil

Gesa Dane: Die heilsame Toilette, Wallstein, Göttingen 1994
Manfred Frey: Der reinliche Bürger, Vandenhoeck & Ruprecht 1997
 
Zuletzt bearbeitet:
Sehr schön gemacht! "Die Tadlerinnen" scheint mir aus mehreren Aspekten heraus interessant.

1.
b) Die vorherrschende Mode wird als unhygienisch charakterisiert:

„Sordine sieht nicht viel apetitlicher aus, als dieser Pedant. Auf ihrem Halse klebet eine zehnfache Pomade, welche eben so oft mit dickem Puder überschüttet worden. Unter ihrem Haarputze stecket ein alter Pantoffel, damit sich das Hinterhaupt, wie ein kleiner Thurm, in die Höhe strecken möge.

2.
Neben dem moralischen Zweig der Schminkkritik, der sich besonders in den Wochenzeitschriften wie den oben zitierten wieder findet, gab es laut Dane recht bald auch einen medizinischen Zweig in den „nützlichen Sammlungen“. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts finden sich vermehrt Rezepte für Schminken, die ausdrücklich als ungefährlich deklariert wurden. Als vollständigste Sammlung gilt Johann Bartholomäus Trommsdorffs „Kallopistria“ (1805).

3.
2. Die Frage nach dem geschminkten Mann:

a) Es gibt eine bürgerliche Gegenbewegung zu dem Schönheitsideal des Adels. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Beschreibungen bei Gottsched stark überzeichnet sind. Eben Klischees, wie Brissotin schon anmerkte.



„Die Männer wissen sich so gut als wir zu zieren,
Die meisten haben ja gezwungene Manieren,
Sie krausen ja das Haar, sie schminken, pudern sich.
Es ist mir allezeit gewiß ganz lächerlich,
Wenn ich ein Stutzerchen einmal recht in der Nähe,
Durchs Fenster nach dem Tackt ganz langsam gehen sehe.“
Schaubühne, S.401

„Es hatte nicht an Gegenbewegungen aus den neuen bürgerlichen Schichten gegen die höfische Stilisierung der äußeren Erscheinung gefehlt, in Frankreich weniger, stärker in Deutschland.“ Dane, S.76

4.
b) In der Sekundärliteratur wird darauf hingewiesen, dass sich beide Geschlechter schminkten.


„Die Stilbildende Kraft des Hofes ließ die ausgeprägten Schminksitten im Adel überhaupt sowie im gehobenen wohlhabenden Bürgertum Einzug halten, und zwar bei beiden Geschlechtern.“ Dane, S.69

5.
c) An Hand der Malerei lässt sich dies aber nicht wirklich belegen. Vielleicht, weil es ein „System der Blässe“ gab:
„Auch auf Gemälden der Zeit kann man sehen, daß Frauen in der Regel mit hellerer Haut abgebildet wurden als Männer, und daß die gesellschaftlich höher stehenden Frauen immer eine hellere Haut haben als ihre Dienerinnen.“ Dane, S. 69f.

Bei meiner Suche nach geschminkten Herren in der Kunst ist mir recht bald eine Hürde aufgefallen. Wie soll man an Hand eines Portraits „noble Blässe“ von geschminkter/gepuderter Haut unterscheiden? Der Maler würde doch einen schlecht geschminkten Herren, dessen Blässe auf einem Foto vielleicht sofort als nicht natürliche erkannt würde, dennoch so portraitieren, dass alle Mängel kaschiert werden.
Ich habe ein Pärchen gefunden, dass als Kandidaten für geschminkte Gesichter in Frage kommen. Beide Bilder sind 1790 entstanden stammen von dem englischen Maler Richard Cosway:

http://www.wga.hu/art/c/cosway/m_franks.jpg
http://www.wga.hu/art/c/cosway/gentlema.jpg

Bei der Frau kann man ja davon ausgehen, dass sie geschminkt ist. Vergleicht man sie nun mit dem „Gentleman“, stellt sich die Frage, woran man erkennen soll, ob dessen Blässe nun natürlich oder geschminkt ist.
1.
Besonders interessant, aber auch erstaunlich scheint mir das mit dem Pantoffel. Wäre die Quelle aus den 1760ern oder 1770ern würde ich denken: 'Na klar, der Pantoffel ist eine Art Unterlage/Zwischenlage für die Turmfrisur.'
Aber gerade in den 1740ern, die Quelle ist ja von 1748, gab es ja noch sehr niedrige Frisuren, die der Herren waren fast voluminöser als die der Damen.
War es also eine sächsische Eigenart vielleicht, deren Erklärung in der stadteigenen Tracht zu suchen ist?:grübel:

2.
Auch der zweite Band vom Werk der Löfflerin "Oekonomisches Handbuch für Frauenzimmer." von 1791 enthält Anleitungen für Puder, wahrscheinlich auch Schminke.
(Leider wird nur der erste Band als Reprint verlegt.:weinen:)
Interessanterweise hieß es dort zum Haarpuder, dass es bei den jungen modischen Leuten, was wohl auch Bürgerliche einschließt, wieder üblich sei, sich zu pudern. (Kann ich leider nur aus dem Gedächtnis sagen, da ich es nicht vorliegend habe.)

3. und 4.
Hm, das ist bei Gottsched auch wieder schwierig zu verstehen. Spricht er wiederum über ein Klischee oder wusste er es aus eigener Anschauung?

Auch die Sekundärliteratur könnte sich ja auf solche Aussagen wie die von Gottsched stützen.

Was mir fehlt als Beleg:
I) Selbstzeugnisse des Adels. Heißt: berichtet der Adelige in seinem Tagebuch oder in anderen Aufzeichnungen selber darüber, dass er sich schminkte?

II) Andere Realien. Extra für den Herren angefertigte Schminkasseccoires.
Es gibt ja wirklich viele Originale von Necessaires zum Nähen, Nagelpflege, Zahnpflege, Haarpflege etc., warum finden sich in diesen Sets keine speziellen Stücke zum Schminken?

III) Abbildungen. Warum sollten sich dann - das Selbstbewusstsein sollten die Herren doch gehabt haben, wenn es für sie usus gewesen wäre - nicht schminkend abgebildet haben?
Wir kennen Bilder von sich schminkenden Damen noch und nöcher. Z.B. von der Pompadour: File:Boucher, François - Marquise de Pompadour at the Toilet-Table.jpg - Wikimedia Commons
Warum, alles in der Welt, gibt es nicht ähnliche Gemälde von schminkenden Herren? (Vielleicht gibt es Karikaturen, weiß ich nicht.)
Herren, die rasiert wurden, oder Herren, die gepudert wurden, waren andererseits immer wieder Gegenstand der Genremalerei.
Obendrein finden sich auch, die selten Schönheitspflästerchen mal ausgenommen, auch keinerlei Schminkaccessoires auf den Toilettentischen auf den zahlreichen Abbildungen von denselben (wobei nicht selten die Eitelkeit der Herren auf's Korn genommen wurde).

IV) Niederschlag in der Alltagskultur
Wäre das Schminken üblich gewesen, hätte sich das auch wahrscheinlich auf das Lever und andere quasi-zeremonielle Abläufe ganz merklich ausgewirkt.
Ist das einleuchtend?

5.
Stimmt, Bilder sind schwierig.

Man sieht auf vielen Bildern ausgesprochen blasse Herren.
Es kann auch eine logische Erklärung wie Stubenhockerei geben. Zumindest die Jagd trieb zwar den männlichen Adeligen für gewöhnlich hinaus in die Natur, aber es gab auch durchaus Adelige wie der Dauphin, der Sohn von Louis XV, die der Jagd nicht viel abgewinnen konnten und recht viel drinnen blieben.

Die beiden Portraits der Cosways scheinen mir allerdings als Pastelle (?) recht wenig aussagekräftig, weil da doch sehr häufig die Töne luftig-hell sind. (Die "helle Malweise" scheint mir gerade bei den beiden Cosways recht typisch, wenn ich mich recht entsinne.)
Ich glaube übrigens, dass Mr. Cosway homosexuell war, wenn ich mich recht entsinne. Könnte das ein bisschen eine Erklärung sein? Ich weiß nicht, ob es damals sowas wie homosexuelle Vereinigungen oder einen gemeinsamen Geschmack gab? (Ist jetzt ganz ehrlich und keineswegs verächtlich gemeint!)


Zugegeben:
Schminkende Herren scheint jedenfalls ein ganz einprägsames Bild in den Köpfen zu sein, denn das wird immer wieder gern in den Schlossführungen untermauert - vielleicht eben, weil es Aufmerksamkeit erregt und zu einem Naserümpfen von Besuchern über den ach so dekadenten Adel verleitet.(?)

PS:
Äderchen:
Gibt es dafür zeitgenössische Anleitungen?
Ich habe diesen Hinweis mit dem Nachziehen der Äderchen auch schon mehrfach in Sekundärliteratur gelesen. Aber leider wurde nie eine Abbildung von einer Art Stift zum Nachziehen der Äderchen oder dergleichen mitgeliefert.
Und auf den Bildern sieht man auch (vgl. oben angeführtes Gemälde der Pompadour) keine Accessoires, die dafür gedient haben könnten.
Oder war das vielleicht nur eine kurze, ganz extreme Mode?
(Es wird ja, auch in "Fachliteratur" gern mal alles in einen Topf gehauen und z.B. die "Turmfrisur" zu DER Frisur des 18.Jh. der Damen deklariert. Die Zeit zwischen hohen Frisuren, also zwischen Fontange und 1770ern, wird dann bisweilen fast ignoriert.)
 
Haarepudern

Zum Haarepudern:

Es gibt sogar einen ausgesprochen frühen Beleg der Kritik am Haarepudern.

"Ich trag nicht lange krause Haar
und Pulver drein, das Geld ich spar;
den Staub vom Lande weht der Wind
des Sommers in meine Haar geschwind.
Traltiralla, drum geh ich gestutzet,
ob schon mein Haar ist vorne geputzet
."

Aus: "Ich bin ein freier Bauernknecht", 1679. (Den gesamten Text findet man hier: Ich bin ein freier Bauersknecht - Volksliederarchiv )


Meine Erklärung für die aufgeblassten Gesichter der Herren wäre noch eben das Haarpuder.
Man sieht zwar auf zeitgenössischen Stichen und Gemälden oftmals Pudermasken (ich habe auch eine daheim, Nachbau) und sie sind auch in der Encyclopédie von Diderot abgebildet, aber es gibt auch Gemälde und Stiche, welche ein Pudern ohne geschütztes Gesicht zeigen. Dadurch würde natürlich auch das Gesicht (ungewollt (?)) gepudert.
 
Kann ich nicht erkennen.

Ich sehe einen kragenlosen Justaucorps wie er eigentlich typisch war für die Zeit.

Am Hals erkenne ich nur eine Halsbinde, welche auf Englisch Stock heißt. Siehe hier:
Halsbinde
Dann eben das, verkürzt auf den Bildern jedenfalls den Hals.

OT @ Lili: Ein schönes Männerbein kann auch entzücken. ;) Nur bin ich mir nicht so sicher, daß wir da von den modernen Medien angestiftet werden, da ja wie schon @ Brissotin angemerkt hat, daß es ausgestopfte Herrenstrümpfe gab, die eine schöne Wade machen sollten. Ein paar stramme Waden als zeitloser Blickfang kann ich mir gut vorstellen. :winke:
Bliebe nur noch die Frage zu klären, was denn nun eine "schöne Wade" im Sinne des Zeitgeists gewesen ist.

Das alles hört sich stark nach einer (Neu-)Definierung bürgerlicher Männlichkeitsbilder und Ideale an,...
...bürgerliche Reaktion gegen den Adel handelt,...
1. Gottsched als Kritiker der Schminkpraxis und Vertreter einer bürgerlichen Gegenbewegung:
Für mich stellt sich hier grad die Frage, ob es dieses andere "bürgerliche" Schönheitsideal tatsächlich gab, oder ob das nur die Spöttelei weniger ist. Was haben also derartige Veröffentlichungen tatsächlich an Änderung des gängigen Schönheitsideals bewirkt? Hat man denn in bürgerlichen Kreisen wirklich umorientiert, oder war das doch nur Wunschdenken bzw. subkulturelle Erscheinungen? Nur weil sich jemand irgendwann mal gegen das gängige Schönheitsideal geäußert hat, führte das noch lange nicht zu einem gesellschaftlichen Umdenken. (OT: was mir bei der Lektüre der hier angegebenen Quellen grad auffällt ist das in meinen Augen schamlose übertreiben und überspitzen um das gängige Schönheitsideal möglichst zu verreißen. Erinnert mich irgendwie an meine Friseurlektüre, also Gala, Bunte und was da sonst so rumliegt, mit Artikeln wie "Fett aber glücklich, ich hab mein Wohlfühlgewicht" und auf der nächsten Seite dann die "an einem Wochenende 20 Kilo abnehmen Mega-Hollywood Diat" :D Wirkt auf mich einfach irgendwie unaufrichtig und aufgesetzt, insbesondere wenn man das mal mit zeitgenössischen Abbildungen vergleicht)

5.
Stimmt, Bilder sind schwierig.
Nö, Bilder sind einfach. In Anbetracht der beiden Cosways: blaß ist schick - entspricht also wohl dem gängigen Schönheitsideal. Ob die beiden dann wirklich so blaß waren, oder ob da künsterlisch nachgeholfen wurde ist bei einer Erarbeitung des gängigen Schönheitsideals doch zweitrangig, oder? (Genauso wie es in Anbetracht des Themas eigentlich schnurz ist ob Mann sich nun geschminkt hat oder nicht, wichtig ist doch viel eher: was wirkt betont/hervorgehoben, was nicht)

Zu einem gewissen Widerspruch in diesem Schönheitsideal kommen wir sicherlich noch.
Was mir auf Gemälden aus dem 18. Jahrhundert immer wieder auffällt ist diese Unnatürliche Kombination aus dick und schlank. Ich bleibe direkt mal bei dem Bild der Pompadour: betrachtet man nur das Gesicht und den Hals, so sieht man das Gesicht einer dicken Frau, die Schultern wirken dagegen eher schmal, genauso wie das Dekolleté, auch die Brust erscheint verhältnismäßig klein (diesen Schleifchenberg muss man sich halt wegdenken). Im Gegensatz zur Brust wirken Bauch und Taille schon wieder dicker (gerade die Taille lässt sich nur erahnen, weil man eben weiß wo sie theoretisch sein sollte), die Arme sind dick, die Hände regelrecht fett, die Beine - so wie sie sich durch das Kleid erahnen lassen wirken wieder schlank und sowohl die Füße als auch der Kopf im Verhältnis zum Körper sind irgendwie zu klein geraten.
 
Damenabbildungen

Was mir auf Gemälden aus dem 18. Jahrhundert immer wieder auffällt ist diese Unnatürliche Kombination aus dick und schlank. Ich bleibe direkt mal bei dem Bild der Pompadour: betrachtet man nur das Gesicht und den Hals, so sieht man das Gesicht einer dicken Frau, die Schultern wirken dagegen eher schmal, genauso wie das Dekolleté, auch die Brust erscheint verhältnismäßig klein (diesen Schleifchenberg muss man sich halt wegdenken). Im Gegensatz zur Brust wirken Bauch und Taille schon wieder dicker (gerade die Taille lässt sich nur erahnen, weil man eben weiß wo sie theoretisch sein sollte), die Arme sind dick, die Hände regelrecht fett, die Beine - so wie sie sich durch das Kleid erahnen lassen wirken wieder schlank und sowohl die Füße als auch der Kopf im Verhältnis zum Körper sind irgendwie zu klein geraten.
Das sehe ich genauso.

Wobei grundsätzlich die Damen auf den Nacktbildern der Zeit eher füllig sind, wenngleich nicht direkt fett.
Eines der berühmtesten Aktbilder des 18.Jahrhunderts, ist das, welches wahrscheinlich Louise O'Murphy zeigt: File:François Boucher 026.jpg - Wikimedia Commons
Das Modell war zu der Zeit noch sehr jung, etwa 14.
(Andererseits ist das auch das Alter vieler Protagonistinnen in der zeitgenössischen frivolen Literatur. Und das war durchaus schon das Heiratsalter beim Hochadel.)
Auffällig hier ist im Vergleich zu den Porträts, dass die Füße einmal nicht verkleinert abgebildet wurden.
(Aktbilder von wirklich zierlichen Damen kenne ich keine. Das sagt ja schon was aus über den Geschmack der Zeit.)

Speziell zur Pompadour: Die Widersprüche in den Proportionen des Körpers führen mich auch zu der Annahme, dass es mit der Porträtgenauigkeit, also Realitätsnähe nicht allzuweit her sein dürfte. Es gibt extrem zeitnahe Bilder wie das von Drouais, welche die Pompadour mit Doppelkinn und einer gewissen Matronenhaftigkeit wiedergeben. Vielleicht versuchte Boucher bei dem berühmten Bild von 1756 einen Spagat zwischen der jungen, eher zierlichen Pompadour aus der Zeit ihrer sexuellen Beziehung zum König und der tatsächlichen, eher pummeligen Hofdame der Mitte der 1750er. (Jedenfalls schätzte ihn die Pompadour für seine Schmeichelei scheinbar.)

Auf jeden Fall dürfte das Porträt der Pompadour die Ideale der Jahrhundertmitte ungefähr in einem Bildnis vereinigen (vielleicht auch um dem König als "Ferrarifahrer" zu schmeicheln, heißt: "Der König kann ja nicht Trabant fahren. Also malen wir ihm einen Ferrari.":pfeif:)

Der Widerspruch in den Proportionen bliebe aber.

Und dieser Widerspruch findet sich bei Herren- wie Damenabbildungen gleichermaßen - am extremsten allerdings wohl bei den Stichen der Modejournale, wo man freilich keine Rücksicht auf Porträtähnlichkeit nehmen musste.

1. Füße
Wie Du ganz richtig sagtest, man fand scheinbar kleine Füße besonders schön. Sieht man eigentlich auf vielen Bildern, dass die Frauen im Verhältnis zum Körper zu kleine Füße haben.

2. Arme
Meistens rundlich, was im Gegensatz zur weniger fülligen Oberweite (mag ja auch Ausnahmen geben) steht.

3. Kopfform
Meist auch rundlich, jugendlich.
Dadurch sind Herren und Damen gerade auf den Tableaux de Mode kaum zu unterscheiden. NGA - The Age of Watteau, Chardin, and Fragonard: The Declaration of Love

4. Taille
Die ist recht unterschiedlich. Bei manchen Porträts wirkt sie aber auch geschönt "verschlankt". Das klappt auch mit Kunstgriffen wie wenn man einen Teil in einem Schatten "verschwinden" lässt oder aber durch eine gewisse geschickte Drappierung z.B. von Hermelinumhängen bei Porträts von Herrscherinnen. Meines Erachtens ist das aber häufiger der Fall, wenn die Damen Hofkleider tragen, gerade bei deutschen Hofkleidern. (Habe auf die Schnelle leider kein bildliches Beispiel gefunden.)

...
 
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