Datierung und Anlass des Varuszuges

nun, Varus hatte den ganzen Sommer nichts weiter vor und so zog sich der Feldzug (oder das Sommerlager) hin. Respekt, wenn Du hier in der Lage bist, das baldige (oder schon erreichte) Ende des Sommers dort herauszulesen!

Trahebat aestiva, er verplemperte den Sommer. Kann man zur Kenntnis nehmen, kann man auch ignorieren,

Ist es nicht so, dass Paterculus an keinem Befehlshaber ein gutes Haar gelassen hat, ganz im Gegensatz zum angehimmelten Tiberius?
Er kritisiert doch nur, dass Varus, der eigentlich nur seinen Job machte, dadurch sorglos wurde und damit verantwortlich für das Abschlachten (trucidare) der Legionen!
Mag ja sein. Wir wissen alle, dass Velleius ein Tiberius-"Fan" war. Ändert aber nichts an dem Umstand, dass er Varus vorwarf, den Sommer mit Richtertätigkeiten verschleppt zu haben. Du kannst ihm nicht das Gegenteil beweisen, nur weil er varuskritisch war.

Frage, haben da nicht eigentlich drei Elitelegionen über Tage tapfer gekämpft? Wieso dann abschlachten? Das geht doch nur, wenn die Legionen arglos und dienstfrei im Lager herumlümmelten, nicht wahr?
Warum sollte man nur dienstfreie Legionen abschlachten können?

Nun kannst Du wieder Tacitus (Ann.II/46) anführen, der Marbod im Jahre 17 sagen lässt:
»vaecordem Arminium et rerum nesciam alienam gloriam in se trahere, quoniam tres vagas legiones et ducem fraudis ignarum perfidia deceperit,«
Ins Deutsche übersetzt: Der wahnsinnige und der Kriegsführung unkundige Arminius maße sich dagegen fremden Ruhm an, weil er drei verirrte Legionen und ihren vertrauensseligen Führer treulos hintergangen habe...
Manfred Millhoff hat (in: Die Varusschlacht) allerdings "bei Höfer (Die Varusschlacht, S.226) den Hinweis gefunden, dass Nipperdey es für richtiger hielt, das Handschriftliche „vacuas“ in der Originalabschrift lasse keine passende Erklärung zu. Er korrigierte es deshalb in vagas“ „umherirrend“."
Er besorgte sich also eine Ausgabe der Annalen, die zeitlich vor Nipperdeys Korrektur lag.
Tatsächlich, "in der Ausgabe der Annalen von Dr.W.Otto (Mainz Verlag 1854) war eindeutig und ohne Kommentar noch von „tres vacuas legiones“ die Rede.
( Tacitus P.Cornelius: Sechs erste Bücher (Annalen I-VI), Dr.F.W.Otto S.361, Mainz Verlag Florian Kupferberg 1854)"

Also hat, nach Marbod, der gute Arminius drei (dienst-)freie Legionen erledigt. Ja und wenn sie frei hatten, waren sie auch nicht auf einem Marsch, schließe ich das jetzt richtig oder polemisiere ich wieder?

Du wechselst vor allem das Thema. Im Übrigen ist vacuus durchaus mehrdeutig: leer, frei, ungeschützt, einsam, unkonzentriert, leer von, unbeschäftigt.

Du wirst allerdings auch den Kontext berücksichtigen müssen, in dem Tacitus das Marbod in den Mund legt. Während Arminius bei den pontes longi seinen Gefolgschaften zuruft: "Seht, die Legionen des Varus, wir machen sie genauso fertig, wie beim letzten Mal" (en, Varus et eodemque iterum fato vinctae legiones!), haben wir es hier, wiederum mit dem Vorgeplänkel einer Schlacht zu tun, Arminius und Marbod, die hier gegeneinander stehen, heizen ihre Gefolgsleute gegenseitig an, indem sie den Gegner kleinmachen.

Damit hätte ich dann auch die wiederholte Frage von Xander beantwortet, warum Varus mit paides (das sind eigentlich im alten Griechenland die Jungen am Gymnasion, man kann es aber auch mit Sklaven übersetzen) und gynaikes (was offenbar ein Kopistenfehler ist. ElQ, wie groß ist der Unterschied im Griechischen zwischen Gynaikes und Gymneten - Leichtbewaffneten?) losgezogen ist.
Auf welche Textstellen beziehst du dich? Ich finde bei Cassius Dio hauptsächlich die Bezeichnung στρατιωτῶν - Soldaten.
 
Lieber Sepiola,
Hirschfeld habe ich nicht gelesen, weiß nur, dass er den 3.August in 9 nicht als Ende des Illyrischen Aufstands gelten lässt, weil wohl danach noch weitere Kämpfe stattfanden.
Das soll Hirschfeld geschrieben haben?
Woher "weißt" Du das, wenn Du ihn gar nicht gelesen hast?


Wenn Du die Teilkapitulation der Pannonier aber für bedeutender ansiehst, na gut, mach das.
Dazu habe ich mich gar nicht geäußert.
Aber für abwegig würde ich diese Sicht nicht halten:

Im Jahre 8 gelang den Römern der entscheidende Erfolg in Pannonien, so dass Tiberius diesen Kriegsschauplatz verließ und den Oberbefehl an seine Legaten übergab. Es war ein voreiliger Schritt, denn in Dalmatien flammte der Krieg von neuem auf und rief den Thronfolger im Jahre 9 nochmals dorthin zurück. Für die Situation in Germanien war jedoch entscheidend, dass mit dem Jahre 8 die Donaugrenze wieder in römischer Hand war und Pannonien als ein Unruheherd, der sich nördlich der Donau auswirken konnte, ausgeschaltet war. Vor diesem Hintergrund scheint Varus seine vorsichtige Haltung in den vorangegangenen Jahren aufgegeben zu haben. Gegen Ende seiner Amtszeit nahm er sich offenbar vor, die römische Position im östlichen Teil seines Herrschaftsgebietes, im Raum zwischen Weser und Elbe zu stärken. Allein gegen diese Landschaften kann der berühmte Zug der drei Legionen, womit immerhin etwa die Hälfte der gesamten Rheinarmee aufgeboten wurde, gerichtet gewesen sein. Er muss wohl als eine mit großem Aufwand unternommene Machtdemonstration vor allem gegen Langobarden und Semnonen betrachtet werden. Der Demonstrationscharakter ergibt sich zum einen aus dem gewaltigen Aufwand, zum anderen aus dem Faktum, dass es vor dem September 9 zu keinen Kampfhandlungen gekommen ist. Zu diesen kam es erst auf dem herbstlichen Rückmarsch in die Winterquartiere am Rhein oder auch an der Lippe, als das Heer in ein angebliches Aufstandsgebiet gelockt wurde.
Klaus-Peter Johne
 
Aber nicht "umherirrend", stimmt's? Der Rest passt doch, die Legionen waren arglos, rechneten nicht mit dem Angriff.
Ja, ich bin vom Thema abgekommen, aber nicht ungern. Ich bitte um Verzeihung!
 
Einsam, schutzlos... Arglos passt aber auch zum Überfall auf den Marsch. Das ist halt die Schwierigkeit. Traduttore traditore.
 
Der Behauptung "Am Bathinus fand wahrscheinlich überhaupt keine Schlacht statt" stimme ich nicht zu - für eine solche Behauptung geben die Quellen keinen Anlass.

Es muss eine militärische Entscheidung gefallen sein; von den pannonischen Anführern wurde der eine gefangengenommen, der andere kapitulierte. Tiberius verließ das Feld als Sieger (victor).

Velleius Paterculus hielt das Ereignis immerhin für so bedeutend, dass er einen ausführlichen Bericht ankündigte: iustis voluminibus. (Genau dasselbe ein paar Seiten weiter - bei der Erwähnung der Varusschlacht...)

Ob die Entscheidung direkt am Bathinus gefallen ist oder ein paar Kilometer weiter, darüber gibt es natürlich keine Informationen.
Eigentlich bezog sich das mit meiner Zustimmung primär darauf, dass die Informationen einfach zu dünn sind. Dass eine Schlacht am Bathinus "wahrscheinlich" überhaupt nicht stattfand, würde ich in dieser Wahrscheinlichkeit nicht behaupten, aber direkten Beleg sehe ich auch keinen.

Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass Velleius leider gerade die Vorgänge rund um den Bathinus extrem gedrängt und summarisch darstellt, sodass meiner Meinung nach nicht klar gesagt werden kann, was wirklich gleichzeitig stattfand. Eigentlich gibt Velleius nur eine Art Inhaltsangabe des von ihm angekündigten ausführlichen Werkes.
Für mich geht aus der Stelle jedenfalls nicht eindeutig hervor, dass Bato und Pinnes wirklich (in einer Schlacht) am Bathinus gefangengenommen wurden bzw. sich ergaben. Aus Cassius Dio geht hervor, dass Pinnes von Bato verraten wurde. Das kann zwar auch im Rahmen einer Schlacht stattgefunden haben, ich würde das aber eher nicht vermuten.
Ausdrücklich gesagt wird nur, dass am Bathinus kapituliert wurde. Da damit der Aufstand in Pannonien zumindest formal endete, wäre es auch ohne Schlacht ein wichtiges Ereignis gewesen, und zum victor machte eine Kapitulation den Tiberius ohnehin. Eine große Entscheidungsschlacht deutet Velleius jedenfalls nicht an. Im (allerdings leider nur lückenhaft überlieferten) Bericht von Cassius Dio wird auch keine große Entscheidungsschlacht in Pannonien erwähnt. Bato scheint eher die Seiten gewechselt zu haben, denn er wurde von den Römern als Herrscher der Breuker anerkannt und später vom anderen Bato gefangen und hingerichtet. Hätte Bato bis zum Äußersten gekämpft, wären die Römer mit ihm wohl nicht so nachsichtig verfahren, sondern hätten ihn eher a la Vercingetorix behandelt. Für mich sieht das eher so aus, als hätte Bato den Eindruck gewonnen, dass er mit den Römern besser fährt, und sich daher mit seinen Männern ergeben. Den Pinnes hat er den Römern dann vielleicht als Geschenk übergeben.
Aber letztlich sind die Berichte sowohl bei Velleius als auch Cassius Dio zu vage, um wirklich Sicheres sagen zu können.

Damit hätte ich dann auch die wiederholte Frage von Xander beantwortet, warum Varus mit paides (das sind eigentlich im alten Griechenland die Jungen am Gymnasion, man kann es aber auch mit Sklaven übersetzen) und gynaikes (was offenbar ein Kopistenfehler ist. ElQ, wie groß ist der Unterschied im Griechischen zwischen Gynaikes und Gymneten - Leichtbewaffneten?) losgezogen ist.
Auf welche Textstellen beziehst du dich? Ich finde bei Cassius Dio hauptsächlich die Bezeichnung στρατιωτῶν - Soldaten.
Vermutlich den 2. Satz von 56,20.
Dort werden mit den paides aber ziemlich sicher keine Sklaven gemeint sein, denn die werden dann noch extra erwähnt: παῖδές τε οὐκ ὀλίγοι καὶ γυναῖκες ἥ τε ἄλλη θεραπεία συχνὴ - therapeia=Dienerschaft, also: nicht wenige Kinder und Frauen und zahlreiche sonstige Dienerschaft. Leichtbewaffnete passen überhaupt nicht in den Zusammenhang, da es in diesem Satz darum geht, dass Varus wie im Frieden zog, da passen Soldaten nicht in die Aufzählung des Friedenszubehörs.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Ravenik,
als einer, der im Altgriechischen überhaupt nicht belesen ist, nur Hinweisen anderer Quellen nachspürt, danke ich Dir erstmal herzlich für deine Hinweise.
Obwohl nicht im Thema (gerne verschieben EL Quijote), muss ich noch ein paar ungeklärte Probleme schildern.
Paides tauchen in meinen unzähligen Texten, die ich zum alten Griechenland durchforste, immer übersetzt als "Jungen" auf, ob bei der rituellen Opferung von Stieren, wo sie das Tier zum Opfern heranführen - kleine Jungen konnten das sicher nicht machen -, ob in der Kriegerausbildung in Sparta, ob beim Symposion, wo sie als Helfer (Mundschenke) und Lernende teilnahmen, oder bei den Initationsritualen. Hier grade taucht neben Paides für Jungen auch die Bezeichnung Parthenoi für Mädchen auf (die offenbar noch jungfräulich sind). ( Siehe: Angelo Brelich 1969 "Paides e Parthenoi". Auch Susanne Pfisterer-Hass im Jahrbuch Des Deutschen Archaologischen Instituts, Band 117;Band 2002)

Trotz obiger Selbstbeschränkung meiner sprachlichen Fähigkeiten, wage ich dennoch die Aussage, dass mit Paides bei Dio dann nicht allgemein Kinder gemeint sein können. Eher schließe ich hier auf Jungen im jugendlichen Alter und deren Tätigkeit als Helfer (Viehtreiber u.ä.?), die dann mit den Leichtbewaffneten und der sonstigen Dienerschaft (therapeia bedeutet nicht sowas wie "medizinischer Dienst/Sanitäter"?- Ich weiß, moderner Begriff...) aufgezählt werden.

Sagt man im Französischen nicht heute noch Garcon zu einem Kellner?

Der obige Satz bei Dio bezieht sich wohl mehr darauf, die ungeheure Länge des Heerzuges zu beschreiben, weniger auf das Losziehen mitten im Frieden, was nur die große Anzahl (wie mitten im Frieden) Wagen und Lasttiere im Satz davor veranschaulichen soll.

Beste grüße
Ostfale
 
Hallo zusammen,

es bleibt ja immer noch offen, welches Ereignis den Eintrag in den Antiatischen Kalender fand.
Es tut mir leid, aber auch bei mehrmaligen wohlwollenden Lesen der (übersetzten) Passage bei Paterculus kann ich keine Kampfhandlungen entdecken! Er schreibt (114/4):
"Wie nun jene grausigen jungen Krieger von so vielen Tausenden, die noch kurz zuvor Italien die Sklaverei angedroht hatten, die Waffen, welche sie benutzt hatten, beim Fluss Bathinus zusammentrugen und sich (dann) allesamt unsrem Feldherren zu Füßen warfen..."
Danach zählt er die weiteren Ereignisse auf und verweist auf seine ausführliche zukünftige Darstellung derselben.
Mich interessierte die Nacherzählung dieses Geschehens bei verschiedenen Historikern:

Karl Hoeck schreibt (Römische Geschichte vom Verfall der Republik, bis zur Vollendung ..., Teile 1-3, Verlag G. Westermann, Braunschweig 1841) auf Seite 81:
„In Pannonien geschah dasselbe durch den Verrat des Breuker Bato. Dieser, um den Dank der Römer zu gewinnen, nimmt seinen früheren Mitgenossen des Oberkommandos gefangen und überliefert ihn den Römern. Des Verrates Lohn zahlten aber nicht bloß diese, sondern auch seine Landsleute. Die Römer verliehen ihm die Herrschaft über die Breuker, seine pannonischen Stammgenossen, die er selber aufgewiegelt hatte. Aber Letztere bemächtigten sich seiner, und Bato, der Dalmatiner, weiht ihn, im Angesicht des Heeres dem Tode (Dio 55, 34 und Velleius II, 114).

Keine Bemerkung über Kampfhandlungen, interessant! Weiter:

"Nun erhoben sich wieder mehrere pannonische Stämme, vor allem die Breuker; doch Silvanus Plautius besiegt diese und führt bei anderen durch gütliche Überredung die Ruhe zurück. Bato gibt nun die Hoffnung für Pannonien auf und beschränkt seine Entwürfe auf Dalmatien. Er besetzt zu diesem Behuf die Pässe, welche aus Pannonien nach Dalmatien führten, und unternimmt von hier aus verwüstende Streifzüge in jenes Land.
So von Silvan und Bato zugleich gedrängt, nahm endlich ganz Pannonien den Frieden an, den jener ihm bot (Dio 55, 34). Die ganze Provinz war wieder römisch, als Tiberius im Herbst 761 das Heer die Winterquartiere beziehen ließ (Velleius II, 114)."


Also sind nach Bathinus mehrere pannonische Stämme zum Kampf angetreten, die Silvanus und der Dalmatier Bato besiegten. Dann war ganz Pannonien wieder römisch, als Tiberius im Herbst die Aktivitäten einstellte.
Macht, was ihr wollt, aber das liest sich nicht Frieden dort ab dem Ereignis am Bathinus!

Victor Gardthausen (in Augustus und seine Zeit, Erster Teil, Dritter Band, Leipzig Druck und Verlag von B. G. Teubner, 1904) schreibt über die Ereignisse in 9 auf Seite 1192f zu den Kämpfen um die letzte Festung der Dalmatier:

"Die römischen Überläufer aber, die auf Gnade vom Feinde nicht hoffen durften, waren entschlossen, die Festung bis aufs Äußerste zu verteidigen, und die fanatischen Weiber des Ortes traten auf ihre Seite. Es kam zu einem hitzigen Kampfe zwischen beiden Parteien, der mit dem Siege der Bürger endete. Die Ueberläufer waren theils gefallen, theils entflohen; die Weiber stürzten sich und ihre Kinder in den Fluss oder in die Flammen der brennenden Häuser, die Männer aber ergaben sich dem Germanicus, der bald darauf zum Tiberius zurückkehrte, es dem Statthalter der Provinz, Vibius Postumus, überlassend, die Unterwerfung des Südens zu vollenden. ( Velleius. 2, 116. Cass. Dio 56, 15. Florus 2, 25.)

Hier finden wir im letzten Satz einen Hinweis auch auf nachfolgende Kämpfe (?) in Dalmatien. Auch hier weiter:

„Mit der Siegesbotschaft, dass dieser langjährige Krieg beendigt sei, wurde Germanicus nach Rom geschickt, und der Senat wollte wieder ein ganzes Füllhorn von Ehren über die Leiter des Krieges ausschütten, aber Augustus wehrte ab. Tiberius durfte die Beinamen Pannonicus und Invictus nicht führen, erhielt dagegen, ebenso wie Augustus, den Imperatortitel, ferner das Recht des Triumphes und zwei Triumphbögen in Pannonien, Germanicus dagegen nur die Triumphalinsignien und den Rang eines Praetors. Seinen Triumph musste Tiberius allerdings wegen schlimmer Nachrichten aus Germanien verschieben; er begnügte sich zunächst damit, im Lorbeerkranz und in der Praetexta auf der Flaminischen Strasse seinen Einzug zu halten. In den Saepta stand das Tribunal, wo er mit dem Augustus zwischen beiden Consuln Platz nahm, um das Volk zu begrüssen, das ihm dann auf das Capitol das Geleit gab.
… So war nach mehr als dreijährigem Ringen dieser gefährlichste auswärtige Krieg, den die Römer nach den punischen zu führen hatten, für Rom glücklich beendigt.“( Cass. Dio 56, 17. Sueton Tiber. 17.)


Also ich bleibe dabei, mit dem diskutiertem Eintrag ist der 3. August im Jahre 9 (neun) gemeint - das offiziell mit vielen Auszeichnungen und Ehrungen zu feiernde Ende dieses "gefährlichsten auswärtigen Krieges" seit langem!

Beste Grüße
Ostfale
 
παῖς, παιδός ist mehrdeutig. Es kann sowohl maskulin als auch als generisches Maskulin gelesen werden, also für beide Geschlechter gleichermaßen. Es bedeutet in erster Linie 'Junge' oder 'Kind', es kann im Einzelfall 'Tochter' bedeuten und manchmal auch 'Sklave'. Da es bei der zitierten Stelle darum geht, zu dramatisieren, zu erklären, warum der Zug unnötig langsam vorankam, eben nicht wegen Leichtbewaffneten, sondern wegen Kindern und Frauen - παῖδές [...] καὶ γυναῖκες, sehe ich hier keinen Grund dafür, etwas anderes als "Kinder und Frauen" zu lesen, zumal sich das ja kurz darauf noch mal wiederholt, nämlich beim Ausbruch aus dem Lager [Aliso?], wo die zurückgelassenen γυναικῶν καὶ τῶν παίδων - Frauen und Kinder - nach den waffenfähigen Männnern riefen und damit den Ausbruchsversuch den Belagerern verrieten.
 
in wiefern ist denn diese angebliche Aussage des Marbod überhaupt zu glauben?
Denn sry, Marbod wird wohl, wenn den überhaupt, nicht auf griechisch gesprochen haben ...
Dann , wieso schreibt Tacitus das überhaupt auf griechisch???
 
Weder hat Tacitus griechisch geschrieben (außer mal einzelne Worte) noch hat irgendjemand behauptet, dass Marbod etwas auf griechisch gesagt habe. Tacitus schiebt seinen Protagonisten Reden unter, so wie das auch schon 500 Jahre früher Thukydides gemacht hat. Und dessen Prinzip war, dass eine Rede nicht wortwörtlich wiedergegeben werden müsse sondern ein Stilmittel ist, welches man als Geschichtsschreiber einsetzt. Die Reden müssen nicht grundsätzlich historisch sein, sie müssen nur historisch wahrscheinlich sein und wiedergeben, was wahrscheinlich gesagt wurde.
So wie heute ein Fußballtrainer in der Kabine noch mal die Taktik erklärt und die Mannschaft anfeuert, so haben auch damals die Feldherren (und Unterfeldherren, denn auf freien Feld verhallt eine Stimme doch recht schnell...) noch mal die Gelegenheit genutzt, ihre Mannschaften anzufeuern, sie vom Sieg, Nutzen und Grund der Schlacht überzeugt. Genau das macht Marbod vor einer Schlacht gegen Arminius im Jahr 17, indem er Arminius klein und den soeben einen Seitenwechsel vollzogen Inguiomer groß macht. Auf der anderen Seite spottet Arminius über Marbod, dass dieser ein Flüchtling sei. Den tatsächlichen Inhalt dieser Reden wird nie ein Römer erfahren haben.
 
Nein Wilfried,
da hab ich zwei verschiedene Autoren:
Dio mit dem griechischen Zitat und Tacitus auf Latein mit Marbod.
 
Danke El Qijote,
mich interessiert mehr der übliche Gebrauch dieser Vokabeln. Da hab ich für paides nur die männliche Version (Junge, Helfer) gefunden.
 
Alles gut und schön, aber als Quelle für den Varuszug in keiner weise brauchbar.

Tacitus meint, Varus wäre eventuell oder tatsächlich mit zu viel Troß und zu sorglos losgezogen und läßt das auch noch überzeichnet Marbod sagen.

Da ist dann das Lied "Als die Römer frechgeworden" eine Quelle für die Varusschlacht
 
...Da ist dann das Lied "Als die Römer frechgeworden" eine Quelle für die Varusschlacht

Danke für den wichtigen Hinweis Wilfried! :winke:

Geht doch aus dem dokumentarischen Liedgut hervor, dass Varus mit Rechtsgehilfen unterwegs war! Ein klares Zeichen dafür, dass die Legionen nicht auf einem Kriegszug waren! Vielmehr dürfte es sich um eine Geländeübung für Advokaten gehandelt haben!

"In dem armen röm´schen Heere
diente auch als Volontäre
Scaevola, ein Rechtskandidat,
Den man schnöd gefangen hat,
Wie die andern alle"
 
sry, das war nicht als Trollen gemeint, aber eine noch so gute, erfundene Geschichte ist nun mal allerhöchstens sowas wie ein Hinweis, eine valide Quelle ist es nicht. Und da ist es ziemlich egal, aber da in der Geschichte Sklaven, Knaben, Troßknechte oder Tänzerinnen dabei waren. Man kann es wie Taitus glauben oder auch nicht
 
Danke El Qijote,
mich interessiert mehr der übliche Gebrauch dieser Vokabeln. Da hab ich für paides nur die männliche Version (Junge, Helfer) gefunden.

Klarer als so kann ich nicht:

παῖς, παιδός ist mehrdeutig. Es kann sowohl maskulin als auch als generisches Maskulin gelesen werden, also für beide Geschlechter gleichermaßen. Es bedeutet in erster Linie 'Junge' oder 'Kind',...

Und einschränkend:
...es kann im Einzelfall 'Tochter' bedeuten und manchmal auch 'Sklave'.

Du kannst natürlich von den Vokabeln her mit größter Berechtigung annehmen, dass es nur Frauen und Jungen waren, die den Varuszug laut Cassius Dio verlangsamten und nur Frauen und Jungen, welche durch ihr panisches Geschrei den Ausbruch (aus Aliso?) verrieten. Aber Cassius Dio wollte wohl eher nicht ausdrücken, dass ausgerechnet Leichtbewaffnete die Hemmschuhe eines Zuges sind; und paides ist wohl eher mit 'Kinder' als nur mit 'Jungen' zu übersetzen, da aus der Lebenswirklichkeit anzunehmen ist, dass die Geschlechterverteilung der mitziehenden Kinder - ob real oder nur in der Vorstellung des Cassius Dio - etwa pari pari war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Okay, nehm ich zur Kenntnis.
Dio verwendet für die im Lager Schutzsuchenden die gleichen Vokabeln, damit hat sich mein Problem geklärt. Danke für die Hilfe!
 
es bleibt ja immer noch offen, welches Ereignis den Eintrag in den Antiatischen Kalender fand.
Es tut mir leid, aber auch bei mehrmaligen wohlwollenden Lesen der (übersetzten) Passage bei Paterculus kann ich keine Kampfhandlungen entdecken!
Es bringt nichts, über Kampfhandlungen zu spekulieren, und es ist auch gar nicht nötig.

Welches Ereignis im Kalender vermerkt wurde, ist ja klar: Ein Sieg des Tiberius.

Nun müssen wir nur noch schauen, wo Velleius Paterculus den Tiberius als Sieger (victor) bezeichnet.

Und da werden wir direkt im Anschluss an die Erwähnung der Kapitulation am Bathinus fündig:
... autumno victor in hiberna reducitur exercitus ...
 
Wilfried und Xander,
tatsächlich ist es sowieso egal, ob nun Frauen, Kinder, Sklaven oder wer auch immer mitzogen.

Man könnte das auch so sehen:

Dio´s phantasievolle Darstellung strotzt nur so von Unwahrscheinlichkeiten, militärischem Unsinn (mit Wagen und Tross durch schwer passierbares Gebirge - noch in "Friedenszeit"), dümmlicher Wetter- und Geländedarstellung (manche nennen das höflich Hyperbel), entbehrt aber vollständig der grundlegenden Informationen, die in eine ausführliche Schlachtdarstellung gehören.
Beispiele? Bitte:

1. Kein Datum oder Vergleichbares (wie oft bei Tacitus, Paterculus)
2. Keine militärischen Kommandos/Aktionen (wie fast ständig bei Tacitus oder Paterculus), das Verbrennen der Wagen ist Blödsinn! Wie will man sonst die zahlreichen Verwundeten transportieren?
3. Keinerlei Ortsangabe, nicht mal den Saltus (wie nebenbei Tacitus) nennt er!
4. Weglassen von bedeutenden Ereignissen (Flucht der Reiterei, Taten der beiden - noch lebenden - Lagerpräfekten)
5. Ständiges Herunterspielen der eigenen Stärke
6. Überhöhen der Gegner

Weder 5. noch 6. gehören in einen objektiv erstellten Schlachtbericht. Da ist ja Tacitus, trotz seiner Liebe zu Germanicus, wesentlich objektiver und genauer! Ebenso Paterculus!

Das beste Beispiel für eine ordentliche Schilderung liefert Dio gleich anschließend bei der Beschreibung der Belagerung des Lagers:
Bogenschützen halten den Gegner auf Distanz, die Germanen kannten keine Belagerungstaktik, zogen auf Nachricht vom Entsatz ab. Die Besatzung hält aus, so lange die Vorräte reichen, will dann fliehen, was fast scheitert. Die Gier der Germanen nach Beute und der Trick mit dem Trompetensignal helfen. Dann kommt Asprenas zu Hilfe.
Alles objektiv geschildert. Hier muss kein Unwetter herhalten, kein übermenschlicher Feind, etc.

Mir kommt es vor, als ob Dio für die Schlacht nur sehr allgemeine oder oberflächliche Informationen hatte. Kann aber auch möglich sein, dass er das tatsächliche Geschehen verschleiern wollte (die Dummheit von Varus im Lager und die Feigheit der Reiterflucht). MIr ist erinnerlich, dass Dio irgendwo am Anfang seiner Historia sich allgemein über völlig falsche und unzureichende Vorlagen, die sich auch teils widersprechen, beklagt, lieg ich da falsch?

Aber das obig Dargestellte ist nur so ein Gedanke, denn das kann ja nicht sein! Dio kann sich doch nicht einen ganzen mehrtägigen Feldzug aus den Fingern gesaugt haben (obwohl es sich so liest)! Falsch liegt dagegen definitiv Florus mit seiner Lagergeschichte, nicht wahr?

Wenn Paterculus vom Eingeschlossensein in Sümpfen und Wäldern spricht, kann er ja damit meinen, dass das Lager (und der Saltus) weiträumig von selbigen umschlossen war. Und wenn sich dort Tausende von Feinden aufhalten, ist man halt eingeschlossen und kann nicht ausbrechen, zumal man nach dem hinterhältigen Überfall im Sommerlager nur noch Gelegenheit hatte, innerhalb dieses (in einer Ecke?) ein Notlager zu beginnen?
Wieso findet Germanicus nur im Lager bzw. davor auf dem Campus - den Ünglücksstätten - die Gebeine der Toten, wie Tacitus berichtet? Dieser schreibt auch von Bäumen und in der Nähe liegenden Hainen, nur Moore sind grad nicht dabei im Saltus, wie denn auch?

Wie oben geschrieben, sind halt nur Gedanken, die einem so kommen...
 
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