DDR = Sozialismus?

Die Beurteilung eines solchen staatlichen Systems kann eigentlich nur Ökonomisch erfolgen.

Da die Produktionsmittel (Marx war schließlich Nationalökonom) durch die Partei in "Volkshand" waren, war die DDR ein Sozialistischer Staat.


Aber gilt das SED Regime als Volksvertreter? Oder anders gefragt: War das Volk in der DDR wirklich im Sinne des Sozialismus im Besitz der Produktionsmittel?

Und warum haben sich die "Volksvertreter" an dem Gewinn des Exportes über den durchschnittlichen Wohlstandes des Volkes bereichert?
 
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Ich sehe es umgekehrt : Nicht der inhalt ("Ideologie") einer Staatsform ist wichtig, sondern seine Struktur ("System").

Wenn das "System" nach den Prinzipien der Bürokratie aufgebaut ist, kommt eben mit der schönsten Ideologie nichts Gescheiteres dabei heraus als Bürokratie.

Ich gebe dir in 99% der Fälle recht, bei der DDR aber nicht. Meiner Meinung nach war die Legitimation durch den Sozialismus für die DDR deutlich wichtiger als für die anderen Ostblockstaaten, da es ja auch als Grund für die Existenz eines weiteren deutschen Staates gesehen wurde. Daher auch die lange Widerstandszeit gegen jegliche Reformen im Zuge von 89/90.
 
Es geht doch nicht um die Geschichte des Sozialismus sondern um die Frage ob der Sozialismus in der DDR existierte?
mit Verlaub: es gibt "den (einen einzigen) Sozialismus" nicht.

eine egalitäre Gesellschaft zu erreichen (sei es durch Reformen oder Revolution) ist Ziel solialistischer Sozialutopien - von einer egalitäten Gesellschaft war die DDR allerdings sehr weit entfernt. Das beantwortet deine Frage.

wenn SED-Parteiprogramme großartig tuteten, sie hätten den "real existierenden Sozialismus" quasi gepachtet, so operierten sie mit einem ideologisch mißbrauchten Sozialismusbegriff.
 
Die SED hat sich den Sozialismus als Gesellschaftsform oder Ideologie auf die Fahnen geschrieben, ob nun als real oder nicht, spielt doch dabei keine Rolle, so und ob dass jetzt wirklich der Fall war, ist hier meine Frage.
Sozialismus wurde in der DDR – und nicht nur dort - als Vorstufe auf dem Weg zum Kommunismus verstanden. Und dieser Kommunismus war und ist nur ein Ideal – jeder soll so viel arbeiten wie er kann, und so viel nehmen wie er braucht -, das man in der DDR und einigen anderen, sich sozialistisch nennenden Staaten ernsthaft anstrebte.

Auch die Bergpredigt stellt ein solches Ideal dar, und es gab auch weltweit ernsthafte Bestrebungen dieses Ideal zu verwirklichen, allein der Mensch ist nicht dafür geschaffen, solidarisch bis zur Selbstaufgabe zu handeln.

Wir sind durch die Evolution auf Egoismus getrimmt – und sind solidarisch nur dann, wenn wir Nutzen davon haben. Zuerst ich und die meinen, dann die übrige Sippe, dann Sippenverband, etc. Und wenn ich oder einer der meinen zur Macht kommt, dann ist selbstverständlich, dass man zuerst für sich und die eigenen sorgt. Das vor allem dann, wenn es nicht genug Ressourcen für alle gibt. Und genau das war und ist der Regelfall.

Ideale scheitern an Menschen, die sie verwirklichen wollen, aber nicht können. Aufgrund der genetischen Prädisposition nicht können – von wenigen Ausnahmen mal abgesehen. Zu der DDR bzw. der treibenden Kraft SED kann man sagen: Sie haben das Beste gewollt, aber scheiterten an sich selber. Man könnte auch sagen: Sie haben viel gewollt und nur wenig verwirklicht. Die Subventionierung der Lebensmittel und die niedrigen Mieten, um nur 2 Besonderheiten zu nennen, haben nur einen Ziel gehabt: Niemand soll darben, allen soll es gut gehen. Auf niedrigem Niveau zwar, aber alle sollten Arbeit und ihr Auskommen haben.

Die Unterschiede in der Bezahlung von Arbeit waren minimal, denn ein Fabrikdirektor verdiente nicht sehr viel mehr als ein Fabrikarbeiter. Jedenfalls nicht das 50 bis 100-fache wie in der Bundesrepublik jetzt. Das war schon nahe an dem Ideal: Jeder soll nach seinen Möglichkeiten arbeiten und dafür möglichst genau so viel bekommen, wie jemand, der dank seiner Intelligenz, für die er nichts konnte, und seiner Ausbildung (eine Folge seiner Intelligenz) in der Lage war, komplizierte, schwierige oder verantwortungsvolle Arbeiten zu erledigen. Das geht schon in die Richtung: Alle Menschen sind gleich geboren oder erschaffen.

Aber natürlich sind Menschen nicht alle gleich. Und sie wollen auch nicht gleich sein. Vielmehr ist jeder anders und will auch anders sein. Das kann man mit keinem staatlichen Programm ändern – vielleicht mal in der Zukunft, aber dann würden wir schon in der schönen neuen Welt des Aldous Huxleys sein.
 
Das Spekulieren, was denn nun Marx an aktueller Bedeutung für uns haben könnte, was zumindest R. Jaeggi im Rahmen eines Readers kompetent versucht [3], soll dahin gestellt bleiben.

Dennoch: Die DDR wird nahezu übereinstimmend in der entsprechenden Fachliteratur als autoritärer, totalitärer bzw. post-stalinistischer „Staatssozialismus“ bezeichnet [7].

Die Entwicklung zu diesem Endstadion der Degenation unter Honecker folgte dabei einem längerfristigen historischen Prozess, in dessen Kern eine autoritäre Vorstellung von Modernisierungsprozessen in den dreißiger Jahren stand. Diese Ideologie der Verbesserung von Lebenschancen der Arbeiterschaft stand dabei im Zentrum der Arbeits- und Sozialpolitik von Stalin in den dreißiger Jahren, wie Hoffman es sehr prägnant beschreibt [2a und 2b]. Sodass es zu diesem Zeitpunkt in der UdSSR auf der einen Seite Anstrengungen unternommen worden sind, die Krankenversorgung etc. zu erhöhen, um die Sterblichkeitsrate zu reduzieren und gleichzeitig starben in den Lagern Hunderttausende.

Dieses stalinistische Erbe wurde mit der Gründung der DDR implantiert und bildete einen Teil des Selbstverständnisses der Partei und ihrer Rolle bei der Organisation aller Bereiche durch die SED, wie bei Wolle beschrieben [9] und ist damit auch der Grundstein für ihr Scheitern [1].

Konzentriert man sich in der Darstellung der Entwicklung in der DDR auf die Phase unter Honecker, dann verschärfte sich in den siebziger Jahren in Europa insgesamt und auch in der DDR der Druck auf die Parteien, sich zu legitimieren und beim Bürger die notwendige Loyalität zu erzeugen (vgl. dazu die Ausführungen bei Meuschel [7,S. 229 ff]). Die Ursache für den erhöhten Legitimationsbedarf resultierte daraus, dass die Zielerreichung – als Reformprojekt – einer „“kommunistischen Gesellschaft der Gleichen und Freien“ [7, S. 230] unter Ulbricht nicht erreicht worden ist.

Das Nichterreichen der Utopie und das zunehmende Stocken der sozioökonomischen Dynamik der DDR-Wirtschaft konfrontierte die SED mit der Erkenntnis, dass sie einen doppelten „Utopieverlust“ politisch zu kompensieren hatte. „Angesichts des doppelten Utopieverlusts, der die Glaubwürdigkeit der zentralen legitimatorischen Werte auszuhöhlen drohte, stand die Parteiherrschaft im Schatten der Finalitätskrise.“ [7,S. 230]

Vor diesem Hintergrund mußte die SED eine Sinnstiftung dieseits der Utopie leisten und somit blieb die soziale Gleichheit die zentrale normative Kraft. Unabhängig von der Frage des anti-faschistischen historischen Konsens von Teilen der Gesellschaft.

Die Strategie, die man von Seiten der SED unter Honecker einschlug zielte auf die Verbesserung der Lebensbedingungen ab. Und in diesem Sinn bot die SED ihren Bürgern einen „sozialen Kontrakt“ an. „Sie (die SED) strebte den fortwährenden Verzicht auf Selbsttätigkeit seitens der Herrschaftsunterworfenen an; diese sollten im Gegenzug lediglich die parteistaatliche Fürsorge, Orientierungswissen und Zukunftsgewißheit erwarten dürfen. [7, S. 235]. Dieses politische Abhängigkeitsverhältnis weist, so Meuschel, „Züge eines diktatorischen Wohlfahrtsstaats“ auf.

Die Probleme, die dann zur Implosition des DDR-Staatssozialismus geführt haben, liegen einerseits auf der Ebene der staatlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik, bei der so Kopstein auch die Arbeiter als „Vetoplayer“ einen negativen Einfluss hatten [4], die zu einem Niedergang der volkswirtschaftlichen Infrastruktur führten, wie Kusch zeigte [5]. In diesem Sinne wurde der Wohlfahrtsstaat der DDR und somit ihre politische Legitimität durch den Raubbau an der Wirtschaftskraft der DDR finanziert. Dennoch erklärt dieses System zumindest teilweise, dass das politische System trotz massiver Systemkonkurrenz zum Westen eine gewisse Stabilität aufwies [8].

Andererseits verschärfte sich der Generationskonflikt, der dazu führte, dass gerade aus dem Umfeld enttäuschter junger Erwachsener eine immanente Kritik an der autokratischen Führung der SED aus dem Umfeld der Krichen etc. formuliert worden ist und die Legitimationsprobleme verschärften, da die Loyalität der Bürger untergraben wurde. [7, S. 240ff]

Dass überambitionierte Rüstungsprojekte das Ihrige dazu beigesteuert haben, sei am Rande erwähnt.

Letztlich wirkte sich das stalinistische Vermächtnis eines allmächtig agierenden Staates negativ für die DDR aus. Der Staatssozialismus konnte gewisse Formen der sozialen Absicherung bereitstellen und Formen der sozialen Gleichheit entwickelt und somit Aspekte einer "sozialistischen Gesellschaft" realisieren, aber hat dabei die komplexe Interaktion mit ökonomischen Aspekten nicht in den Griff bekommen. Und somit ist dieses „sozialistische Experiment“ eines „Staatssozialismus“ mehr oder minder friedlich an seinen eigenen Widersprüchen und Hybris gescheitert.

1. Glaeßner, Gert-Joachim (1993): Am Ende des Staatsozialismus - Zu den Ursachen des Umbruchs in der DDR. In: Hans Joas und Martin Kohli (Hg.): Der Zusammenbruch der DDR. Soziologische Analysen. 1. Aufl., Erstausg. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 70–92.
2a.Hoffmann, David L. (2003): Stalinist values. The cultural norms of Soviet modernity, 1917-1941. Ithaca: Cornell University Press.
2b.Hoffmann, David L. (2011): Cultivating the masses. Modern state practices and Soviet socialism, 1914-1939. Ithaca, N.Y.: Cornell University Press.
3.Jaeggi, Rahel; Loick, Daniel (Hg.) (2013): Nach Marx. Philosophie, Kritik, Praxis. 2. Auflage. Berlin: Suhrkamp
4.Kopstein, Jeffrey (2009): The Politics of Economic Decline in East Germany, 1945-1989. Chapel Hill: The University of North Carolina Press.
5.Kusch, Günter (1991): Schlussbilanz-DDR. Fazit einer verfehlten Wirtschafts- und Sozialpolitik. Berlin: Duncker & Humblot.
6.Malycha, Andreas; Winters, Peter Jochen (2009): Die SED. Geschichte einer deutschen Partei., München: Beck
7.Meuschel, Sigrid (1992): Legitimation und Parteiherrschaft. Zum Paradox von Stabilität und Revolution in der DDR, 1945-1989. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp
8.Port, Andrew I. (2010?): Die rätselhafte Stabilität der DDR. Arbeit und Alltag im sozialistischen Deutschland. Berlin: Links
9.Wolle, Stefan (2015): Die DDR. Eine Geschichte von der Gründung bis zum Untergang. Berlin: Ch. Links Verlag.
 
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zitat schrieb:
Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ (Ulbricht 1945, in: Leonhard 1990, S. 406 *)
Quelle: Realpolitik contra Demokratie | Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung

Wie ist diese Aussage in Zusammenhang der neuen Formung von Demokratie der Ostdeutschen Besatzungszone mit der politischen Basis der alten neuen Kommunistischen Partei zu werten bzw. gibt sie schon 1945 das hier genannte Ergebnis dar?
[...]Dennoch: Die DDR wird nahezu übereinstimmend in der entsprechenden Fachliteratur als autoritärer, totalitärer bzw. post-stalinistischer „Staatssozialismus“ bezeichnet [...]
 
Die Beurteilung eines solchen staatlichen Systems kann eigentlich nur Ökonomisch erfolgen.

Da die Produktionsmittel (Marx war schließlich Nationalökonom) durch die Partei in "Volkshand" waren, war die DDR ein Sozialistischer Staat.

Seh ich auch so. Wenn es aussieht wie eine Ente, watschelt wie eine Ente und quakt wie eine Enten ist es meistens auch eine Ente.

Die DDR war von allen sozialistischen Staaten ökonomisch sogar noch der erfolgreichste.

Und daran, dass der Sozialismus nur falsch umgesetzt wurde, glaubt doch hoffentlich niemand mehr. Oder will das einer von euch noch mal probieren?
 
Seh ich auch so. Wenn es aussieht wie eine Ente, watschelt wie eine Ente und quakt wie eine Enten ist es meistens auch eine Ente.

Die DDR war von allen sozialistischen Staaten ökonomisch sogar noch der erfolgreichste.
[...]

Das ist doch ein Widerspruch. oder was meinst Du genau? Das die DDR sich sozialistisch bezeichnet eine Ente war, aber zeitgleich war es ökonomisch der erfolgreichste sozialistische Staat?

Der Sozialismus wurde unter der DDR bzw. des SED Regimes falsch umgesetzt, aber was wollte die die SED?
Wir haben ja schon hier den Hinweis erhalten, daß es verschiedene Formen von Sozialismus gibt.
 
Die Beurteilung eines solchen staatlichen Systems kann eigentlich nur Ökonomisch erfolgen.

Da die Produktionsmittel (Marx war schließlich Nationalökonom) durch die Partei in "Volkshand" waren, war die DDR ein Sozialistischer Staat.

War denn die Partei das Volk oder war die Partei ein selbstherrlicher bürokratischer Apparat, der seine Arbeiter unterdrückte, ihnen das Streikrecht untersagte und ihnen Sollerhöhungen aufzwang?
 
War denn die Partei das Volk oder war die Partei ein selbstherrlicher bürokratischer Apparat, der seine Arbeiter unterdrückte, ihnen das Streikrecht untersagte und ihnen Sollerhöhungen aufzwang?

Der Aspekt mit dem Streikrecht ist ein spezieller Punkt, der sich ja durch die Organisation von Gewerkschaften für die Arbeiter gegen die Unternehmer richten kann. Kann dies Streikrecht aber aus dem Volkseigentum am PM, welches dann ja dem Arbeitern selbst gehört, auch noch als Druckmittel genutzt werden? Streikt dann nicht das Proletariat gegen sich selbst, im Umkehrschluß?

Okay, daß ist jetzt eine Grundsatzfrage zum Sozialismus ... aber der Spruch vom Ulbricht 1945 ist doch richtungweisend ...
 
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Und daran, dass der Sozialismus nur falsch umgesetzt wurde, glaubt doch hoffentlich niemand mehr. Oder will das einer von euch noch mal probieren?

Eine Antwort auf dieses politische Statement.

"Ja natürlich" und die Notwendigkeit besteht noch dringlicher denn je. Dazu müßte man sich - als Hintergrund - ein wenig in der Diskussion über die politischen Strukturen Westeuropa auskennen, wie von Streeck & Kitschelt (Germany. Boyond the stable State), Merkel, Giddens, Beck und anderen geleistet wurde. Immerhin ist der Befund der akademischen Profession der Politologen durchaus bedenklich, wenn beispielsweise ein W. Merkel die Frage aufwirft "Is capitalism compatible with democracy?". Und auf eine Reihe von empirisch darstellbaren Defiziten, wie beispielsweise "TINA", unserer repräsentativen Demokratie verweist.

Und die Vertreter dieser Diskussion kommen nicht aus irgendwelche "verrückten" linken Splittergruppen, sondern aus Max Planck Instituten, dem Wissenschaftszentrum Berlin bzw. einzelnen Universitäten. Und in dieser Funktion haben sie Spitzenpolitiker beraten, wie beispielsweise T. Blair.

Dieses ist eingebettet in eine Diskussion über die Zukunft der Industriegesellschaft im Rahmen von Web 2.0 und Industrie 4.0. Und verweist auf die Probleme im Spannungsfeld der digitalen Revolution und der damit zusammenhängenden Rationalisierung von Industrien und den daraus entstehenden neuen Formen von Arbeit, wie beispielsweise bei Brynjolfsson, McAfee (Race against the Machine.), Huws (Labor in the Global Digital Economy) oder Ford (The Lights in the Tunnel) ausformuliert sind.

Es stellt sich dringlicher denn je die Frage, wie die Entwicklung der Menschenrechte - historisch im Rahmen der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung (Federal Papers etc.) und der Französischen Revolution - angesichts der zunehmenden Dominanz ökonomischer Imperative garantiert werden kann und welche Formen von Demokratie in der Zukunft denkbar sind.

Und da mutet obige Formulierung - mit der Benutzung des Konstrukts "Sozialismus" - durch "steffen04" besonders merkwürdig an, da ihm in den vorherigen Beiträgen, vor allem auch durch die von "dekumatland", die Vielfalt des Begriffs "Sozialismus" deutlich gemacht wurde. Und die spezifische Verwendung des Konstrukts des "Staatssozialismus" für die DDR dargestellt wurde. Um dann in einem zielsicheren Fettnäpfchen Dreisprung - mit einem drohenden Unterton - dieses ambivalente Konstrukt "Sozialismus" erneut undifferenziert zu benutzen.

Es könnte mir eigentlich egal sein, wenn er es tut, aber es zielt in der Ambivalenz der Nutzung auch auf die institutionellen Vertreter eines "demokratischen Sozialismus", denn die gehören auch zum "Sozialismus", ab und damit sind sofort auch die demokratischen Parteien, wie die deutsche Sozialdemokratie, die schwedischen Sozialdemokraten oder die englische Labour Party gemeint.

Democratic socialism - Wikipedia, the free encyclopedia

Und an diesem Punkt hört meine Toleranz auf, da die implizit ebenfalls diskreditierten Parteien wesentlich diese Länder mit aufgebaut haben und durch "steffen04" wird sich niemand ein Denkverbot auferlegen lassen oder nicht mehr über alternative Politikformen nachdenken. Auch wenn sie den Begriff "sozialistisch" in seiner buntschillernden Vielfalt verwenden.

Sozialdemokratie ? Wikipedia
 
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wie Thane und andere richtig schreiben, gibt es mittlerweile eine solche Vielfalt zur Beschreibung des "Sozialimus", dass sich eine Diskussion ueber Sinn und Unsinn des Konstrukts kaum mehr lohnt.

Ich sehe nach wie vor in allen Definitionen Kollektivierung und einen starken Staat mit dem Ziel der Umverteilung als Grundsteine.

Das hat man nun ein Jahrhundert lang in allen Schattierungen ausprobiert, ohne ueberzeugende Ergebnisse zu erzielen. Und je sozialistischer ein Staat bewertet nach diesen Eckpunkten war, desto desastroeser waren die Ergebnisse. Weltweit, auf allen Kontinenten, ausgehend von ganz unterschiedlichen Gegebenheiten. Aktuellstes Beispiel ist vielleicht Venezuela, wo nicht mal das Backup der Oelfoerderung Versorgungsengpaesse vermeiden konnte.

Mir persoenlich reicht das eigentlich an Erfahrungen. Ich wuerde jetzt nicht sagen, dass ich mir hier ein Denkverbot auferlegt haette, wenn ich nicht mehr an grosse Erfolge glaube.

Und zum Thema Kenntnis der politischen Strukturen in Westeuropa: wir leben doch mittendrin und partizipieren taeglich aktiv und passiv, auf allen Ebenen von der Kommune bis zur EU. Ist es nicht arrogant, mir vorzuwerfen, dass ich von Politik nichts verstehe, weil ich die o.a. angefuehrten Autoren nicht kenne?
 
Vermutlich ist die begriffliche Vielfalt "Sozialismus" klar geworden, darauf ist auch oben verwiesen worden. Anfügen kann man, dass der Begriff auch von allen Lagern zur politischen Auseinandersetzung okkupiert wurde oder okkupiert werden sollte.

Der Ausflug in die Tagespolitik und politische Statements sollte damit beendet sein.

Zurück zur Fragestellung.
 
Das ist doch ein Widerspruch. oder was meinst Du genau? Das die DDR sich sozialistisch bezeichnet eine Ente war, aber zeitgleich war es ökonomisch der erfolgreichste sozialistische Staat?

Der Sozialismus wurde unter der DDR bzw. des SED Regimes falsch umgesetzt, aber was wollte die die SED?
Wir haben ja schon hier den Hinweis erhalten, daß es verschiedene Formen von Sozialismus gibt.

Ich glaube nicht, dass die DDR den Sozialismus falsch umgesetzt hat, ganz im Gegenteil. Sie hat ihn im Vergleich zu den anderen sozialistischem Staaten sogar recht erfolgreich umgesetzt. Und trotzdem war es eine Pleite.
 
Und die Vertreter dieser Diskussion kommen nicht aus irgendwelche "verrückten" linken Splittergruppen, sondern aus Max Planck Instituten, dem Wissenschaftszentrum Berlin bzw. einzelnen Universitäten.

Sorry, da muss ich schmunzeln und mir fällt die Frage ein: So wie Prof. Dr. phil. Lann Hornscheidt, Wissenschaftlerin für transdisziplinäre Geschlechterstudien, die vorschlug, aus Professor oder Professorin ein geschlechterneutrales Professx zu machen?
Dafür gibt es einen Begriff, mad scientist.
 
Ich glaube nicht, dass die DDR den Sozialismus falsch umgesetzt hat, ganz im Gegenteil. Sie hat ihn im Vergleich zu den anderen sozialistischem Staaten sogar recht erfolgreich umgesetzt. Und trotzdem war es eine Pleite.
Es war eine Pleite, weil man das Verhalten des Menschen nicht mit einer Revolution oder per Befehl grundsätzlich ändern kann. Revolutionen bewirken zwar eine Änderung, aber die ist nur kurzfristig.

Besser ist es auf Evolution des Verhaltens zu setzen. Dass die Sklaverei abgeschafft wurde, ist auf Evolution des menschlichen Verhaltens zurückzuführen. Das geschah ganz langsam durch Überzeugung und ökonomische und politische Zwänge.

Die Rückkehr des Mannchester Kapitalismus (im neuen Gewand) nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten war nur möglich, weil der politische Zwang, sich nicht allzu sehr ausbeuterisch zu verhalten, weggefallen ist.

Auch die Öffnung der Hochschulen im Westen für die Arbeiterklasse wurde durch einen solchen politischen Zwang, den Sputnikschock, ausgelöst. Zitat aus Wikipedia:

Diese technische Leistung stellte den bis dahin sicher geglaubten Überlegenheitsanspruch des Westens in Frage. Ursachen des westlichen „Nachhinkens“ wurden selbstkritisch vor allem im Bildungssystem gefunden. Die Reproduktion der herrschenden Verhältnisse in der Schule schloss nach Ansicht von Experten zu viele Menschen von einer Beteiligung am gesellschaftlichen Fortschritt aus.

Nachdem die sozialistische Konkurrenz weggefallen war – das war schon in den 80er-Jahren klar erkennbar -, hat man die BAföG-Förderungen wieder zurückgedreht – Zitat aus Wikipedia:

Durch zahlreiche Gesetzesnovellen in den 1980er und 1990er Jahren, die die Förderungsmöglichkeiten reduzierten, erreichte das BAföG im Jahr 1998 seinen Tiefpunkt. Das BAföG bildete nur noch für knapp 13 Prozent der Studenten eine (Teil-) Finanzierungsquelle.
 
DDR = Sozialismus!?
Gute Frage!

Diese komplexe Frage hier im Forum, aus meiner Sicht dazu ein paar wenige Gedanken.

In der DDR nannte man den Staat einen sozialistischen Staat der sich in Etappen zu einer kommunistischen Gesellschaft (klassenlose Gesellschaft) entwickelt.
Der Sozialismus wurde als Übergangsform zum Kommunismus (fußend auf Karl Marx/Gothaer Programm) dargestellt.

Zum Untergang befanden wir uns noch in der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ mit Merkmalen einer kommunistischen Gesellschaft.

Da man aber recht bald zur Kenntnis nehmen musste, es gibt auch andere Staaten die für sich den Sozialismus in Anspruch nehmen, führte man den Begriff „Real existierender Sozialismus“ ein (siehe 9. Tagung des ZK der SED, 1973).

Wenn ich mir so einiges erlebtes in dieser Zeit durch den Kopf gehen lasse, stelle ich fest, man war immer im Zugzwang zu begründen, dass man im Bündnis mit den Staaten des Warschauer Vertrages der wahre Erbe von Marx, Engels und Lenin ist.
Bis zum XX. Parteitag der KPdSU 1956 gehörte da auch noch der Stalin dazu.

Erinnern wir uns an die Zeit der 4 Klassiker, Karl Marx, Friedrich Engels, Waldimir Iljitsch Lenin und Josef Wissarionowitsch Stalin.

Auch nachdem man den Stalin mit seinen Ideen (siehe hierzu auch seine 12 Bändige Ausgabe) aus der Reihe der Klassiker herausgenommen hat (Gründe sind bekannt), blieb es bei:

· Der Diktatur des Proletariats (DDR, führende Rolle Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei, im Bündnis mit den Genossenschaftsbauern).
· Dem gesellschaftlichen Eigentum am Produktionsmitteln (VEB – Betriebe und Kombinate - und Sonderform LPG und VEG).
· Den Mehrparteien, die im Block der „Nationalen Front“ gleichgeschaltet waren.
· Der Zentralen staatlicher Planung.
· Amt für Preise.
· Handhabung der Gerichtsbarkeit.

Hier hätte man – vielleicht oder spätestens Mitte der 70iger – erkennen müssen, man reitet da ganz offensichtlich tote Pferde.

Und damit entwickelte sich dieser Sozialismus in den fortschreitenden Jahren immer mehr zum Hemmschuh der Menschen in der DDR.
Daran änderte auch nicht die 2. und manches mal sogar genannte 3. Lohntüte.

Bis hin zu den Massenprotesten 1989/1990 vergingen aber noch viele Jahre und bedurfte auch Glasnost und Perestroika. Was heißt, das damalige offizielle Russland zog sukzessive sich aus ihrer beanspruchten Vormachtstellung im Comecon zurück. Erinnert mich an H. Kohl. Sinngemäß, Gorbatschow schaute in Bücher und erkannte dass er pleite ist.

Ich meine Massenproteste.

Denn Proteste gabs immer und zu jeder Zeit in der DDR. Solche Proteste wurden aber i.d.R. im Keim erstickt und/oder je nach „Vergehen“ gab es für den Einzelnen recht drakonische Strafen (siehe hierzu BStU).

Den Begriff „Sozialismus“ heute als praktikable Alternative zu einen freiheitlich-demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu sehen...

Wer benutzt ihn (z.B. Kim Jong-un) und hat er außer Theorien auch eine Praxis in genannter Richtung (freiheitlich...) vorzuweisen?
 
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Sorry, da muss ich schmunzeln und mir fällt die Frage ein: So wie Prof. Dr. phil. Lann Hornscheidt, Wissenschaftlerin für transdisziplinäre Geschlechterstudien, die vorschlug, aus Professor oder Professorin ein geschlechterneutrales Professx zu machen?
Dafür gibt es einen Begriff, mad scientist.

Was soll denn das jetzt? Es ist vollkommen unnötig, in einem bissigen Seitenkommentar die Gender Studies anzugehen. Die Forderung geschlechterneutrale Endungen einzuführen ist schon ziemlich alt. Die Leute, die wie oben, gegen Gender Studies hetzen, glauben auch, dass die Grünen, wenn sie gewählt werden würden, an den Haustüren klingeln würden und einem die Geschlechtsteile abschneiden würden(1)

(1) geklaut bei der HeuteShow vom 01.05.2015
 
Auch die Öffnung der Hochschulen im Westen für die Arbeiterklasse wurde durch einen solchen politischen Zwang, den Sputnikschock, ausgelöst. Zitat aus Wikipedia:

Diese technische Leistung stellte den bis dahin sicher geglaubten Überlegenheitsanspruch des Westens in Frage. Ursachen des westlichen „Nachhinkens“ wurden selbstkritisch vor allem im Bildungssystem gefunden. Die Reproduktion der herrschenden Verhältnisse in der Schule schloss nach Ansicht von Experten zu viele Menschen von einer Beteiligung am gesellschaftlichen Fortschritt aus.

Nachdem die sozialistische Konkurrenz weggefallen war – das war schon in den 80er-Jahren klar erkennbar - [/I]

Danke, Dion. Ich finde es sehr wichtig, dass du nicht in den Kanon der Massenmedien einfällst, dass unsere politische Kaste nur in Legislaturperioden denkt.

Ich wusste bisher nicht, dass der Sputnikschock zu Maßnahmen im Bildungsbereich führte, die erste Jahrzehnte später greifen konnten.

Ich wusste bisher auch nicht, dass der Fall des Sozialismus oder symbolträchtiger der Mauer, vorhergesehen wurde. In den Mainstream-Medien liest man immer nur, dass sogar die westlichen Geheimdienste von der Entwicklung überrascht wurden. Hut ab vor unseren Bildungspolitiker und ihrer Weitsicht.
 
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