DDR = Sozialismus?

Aber gerade das ist doch nicht praktikabel. Alles gehört allen, das funktioniert noch nicht einmal in der harmonischsten Familie, geschweige denn unter den unschuldigsten Menschen, den Kindern. Früher oder später werden sich eigenständige Strukturen (Klüngel) bilden, denn dort, wo alle gleich sind, entsteht ein Machtvakuum. Ein solches will immer ausgefüllt werden.

Bei Produktionsmitteln wäre vielleicht statt dem Spruch "alles gehört allen" der Spruch "Produktionsmittel denen die damit arbeiten" angemessen.
Ansonsten triffst du teilweise ideologische Aussagen (z.B.: "nicht praktikabel", "entsteht ein Machtvakuum welches immer ausgefüllt werden will"), welche hier nicht Thema sind (zur näheren Information über selbstverwaltete Produktion kannst du aber mal zum Thema selbstverwaltete Firmen in Griechenland googeln, da gibt es ein paar interessante Beispiele, an denen siehst du, dass es doch nicht so unpraktikabel ist).
 
Ob das praktikabel ist oder nicht, ist doch für den Befund egal, dass die DDR eigentlich nie im marxistischen Verständnis sozialistisch war.

Die DDR hat durchaus sozialistische Ansätze verwirklicht und versucht, einige Institutionen entsprechend aufzubauen. Dazu zählen z.B. Kollektivierung, Verstaatlichung von Betrieben, Planwirtschaft usw.

Leider hat das ganze nicht zufriedenstellend funktioniert - ebenso wie in anderen Staaten anderer Weltgegenden - was zu der Frage führt, ob die Theorie des Marxismus überhaupt in die Lebenswirklichkeit (oder "Realität") der Menschen umsetzbar ist.
 
Die DDR hat durchaus sozialistische Ansätze verwirklicht und versucht, einige Institutionen entsprechend aufzubauen. Dazu zählen z.B. Kollektivierung, Verstaatlichung von Betrieben, Planwirtschaft usw.

Ist das denn wirklich schon sozialistisch? Für meine Begriffe ist das nichts anderes, als das was ich bereits schrieb: kapitalistisch orientierte Unternehmer durch planwirtschaftliche (aber deshalb nicht unbedingt sozialistisch) denkende Parteibürokraten, eben ohne, dass einer der Arbeitnehmer dadurch auch nur einen Deut mehr zu sagen hatte als vorher(!), zu ersetzen. Die Parteibürokraten haben sich doch überhaupt nicht für die Belange der Arbeiter interessiert, deshalb hat es doch '53 geknallt.
 
Ist das denn wirklich schon sozialistisch? Für meine Begriffe ist das nichts anderes, als das was ich bereits schrieb: kapitalistisch orientierte Unternehmer durch planwirtschaftliche (aber deshalb nicht unbedingt sozialistisch) denkende Parteibürokraten, ...

Der gedankliche Ansatz war durchaus sozialistisch.

Leider hat die Umsetzung aus verschiedenen wohlbekannten Gründen nicht funktioniert. Ich sagte bereits: Aus der "Diktatur des Proletariats" wurde eine Diktatur bürokratischer Eliten.
 
Der gedankliche Ansatz war durchaus sozialistisch.

Leider hat die Umsetzung aus verschiedenen wohlbekannten Gründen nicht funktioniert. Ich sagte bereits: Aus der "Diktatur des Proletariats" wurde eine Diktatur bürokratischer Eliten.

Ich sehe nicht, dass es jemals eine Diktatur des Proletariats (der Begriff ist im Übrigen von Marx anders gemeint) gegeben hat. Wie denn auch, wo ein Proletariat niemals die Gelegenheit hatte, die Macht an sich zu reißen. (Ob es diese Gelegenheit jemals gehabt hätte, ist wiederum eine Frage, die ich tendeziell mit nein beantworten würde.) Es ist ja auch nicht so, dass die bürokratischen Eliten sich in einem Prozess der Machtfindung herauskristallisiert hätten, wie in dem von Rurik gezeichneten Szenario, nein, sie wurden von der sowjetischen Siegermacht als solche ungefragt eingesetzt.
Klar, die SU hatte als Siegermacht die Macht das zu tun. Sie hatte sicherlich auch, nachdem sie von Hitlerdeutschland überfallen worden war und es gemeinsam mit den Alliierten besiegt hatte, auch das Recht, hier Souveränität auszuüben, keine Frage. Nur kann sich aus einer aufoktroyierten Regierung aus einem Parteiapparat, welche die Arbeiter, die sie zu vertreten behauptet, überhaupt nicht an den betrieblichen Entscheidungen partizipieren lässt beim besten Willen überhaupt kein Sozialismus enwickeln. Wie soll das gehen?
 
Ob das praktikabel ist oder nicht, ist doch für den Befund egal, dass die DDR eigentlich nie im marxistischen Verständnis sozialistisch war.
Die Mitglieder der SED sahen sich nicht als Sozialisten. Das hätte sie wohl auch zu nahe an die Sozialdemokraten gerückt. Sie führten ihren Klassenkampf immer als Kommunisten. Die DDR wäre demnach eine kommunistische Parteidiktatur gewesen.
Mit dem Sozialismus könnte man es wie mit dem Geldfälschen sehen, selbst der Versuch…
In der DDR hat man immer propagiert, dass man den Sozialismus aufbaut. Niemand hat dort behauptet, man sei damit fertig.
Wenn es für den Sozialismus keine klare Definition gibt, dann hatte die DDR durchaus das Recht, eine ihr eigene Art des Sozialismus zu proklamieren. Für sich nahm sie in Anspruch, dass sie auf dem marxistischen Weg zur klassenlosen Gesellschaft war (wenn auch im Stechschritt). Die Diktatur unter einer Partei war für sie nötig, um die Klassenfeinde bekämpfen zu können, bis es eben zu dieser klassenlosen Gesellschaft kommen würde, in der sich dann der Staat auflöst. Für sie nannte es sich Einheit der kommunistischen Gesellschaft. Diese bestand aus zwei Phasen, dem Sozialismus und dem Kommunismus. Der Sozialismus unterteilte sich dann nochmals in eine heranreifende und eine herausbildende Phase. Die DDR sah sich in der Situation des heranreifenden Sozialismus. Um den Sozialismusbegriff bildlich auf die DDR anzuwenden, auch ein Säugling ist ein Mensch, auch wenn er noch nicht sprechen kann.


Ich persönlich habe die DDR als industriellen Feudalismus empfunden. Man war Leibeigener des Staates.
 
Ansonsten triffst du teilweise ideologische Aussagen (z.B.: "nicht praktikabel", "entsteht ein Machtvakuum welches immer ausgefüllt werden will"), welche hier nicht Thema sind (zur näheren Information über selbstverwaltete Produktion kannst du aber mal zum Thema selbstverwaltete Firmen in Griechenland googeln, da gibt es ein paar interessante Beispiele, an denen siehst du, dass es doch nicht so unpraktikabel ist).
Das mag für kleine Büchereien oder Schreinereien mit wenigen Angestellten zutreffen Ergrautes Ideal oder wie in Griechenland aus der puren Not heraus geschehen. Am Ende dümpeln diese Betriebe jedoch nur vor sich her.
Innovationen enstehen so jedenfalls nicht, sondern eher mittelalterliche Produktionsverhältnisse, denn was fehl, sind Risikobereitschaft des Einzelnen und Investitionen. Letztere kommen ohne Kapital nicht zustande und dann sitzt die Banken mit im Boot.
 
Ich sehe nicht, dass es jemals eine Diktatur des Proletariats (der Begriff ist im Übrigen von Marx anders gemeint) gegeben hat.

Natürlich hat es die NICHT gegeben, wie ich bereits mehrfach betont habe. Theorie und Praxis klafften eben weit auseinander.

Auf jeden Fall aber existierte das Ziel, eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen. In den Anfangsjahren der SBZ/DDR bildete die "sozialistische Umwälzung" die zweite und entscheidende Etappe auf dem Weg in die sozialistische Gesellschaftsordnung der DDR. In der Präambel zur Verfassung von 1968 werden die "Errungenschaften der antifaschistisch-demokratischen und der sozialistischen Umwälzung der gesellschaftlichen Ordnung" ausdrücklich als Grundlage der DDR hervorgehoben.

Entsprechend der marxistischen Philosophie war das Ziel aller Maßnahmen im Zuge der soziualistischen Umgestaltung die Entmachtung des Individuums und seine Einordnung in das Kollektiv der sozialistischen Gemeinschaft, insbesondere der Produktionsgemeinschaft. Bekannt ist vor allem die sozialistische Umgestaltung der Wirtschaftmit mit ihren verhängnisvollen, bis heute nachwirkenden negativen Folgen.

In den ersten Jahren betrafen Enteignungen und Kollektivierungen zunächst Großgrundbesitzer und Industriebetriebe, dann aber auch die bäuerlichen Familienbetriebe. Später wurden auch kleine Betriebe, Geschäfte, Gaststätten umgestaltet, hinzu kamen Kultur-und Sportpolitik. Die Betriebe übernahmen familiäre Funktionen durch Sozialeinrichtungen, kulturelle Einrichtungen, Freizeitgestaltung, Ferienplanung, Wohnungsvergabe, Vorsorge, Zuteilung von Mangelwaren usw. und wurden so zu Lebensmittelpunkten der "Werktätigen" ausgebaut. Die Pflicht zur Arbeit tat ein übriges, die Bedeutung des Betriebs im Sinne der marxistischen Anthropologie zu stärken und die Familie als selbstständigen Faktor einzuschränken. Auch die Möglichkeiten, über die Ausbildung der Kinder zu entscheiden, waren eingeschränkt. Die sozialistische Umwälzung betraf also mehr oder weniger alle Strukturen, in denen menschliches Leben abläuft.

Ideologische Grundlage dieser Veränderungen waren das marxistische Menschenbild, die marxistische Philosophie, der Marxismus-Leninismus und die hieraus abgeleitete "Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit".

Beim Rückblick zeigt sich, dass die "sozialistische Umwälzung" erstaunlich genau die Vorgaben befolgte, die Karl Marx und Friedrich Engels bereits im Kommunistischen Manuifest von 1848 entwickelt hatten. Die von ihnen angemahnten Aufhebungen von Strukturen und Einrichtungen der bürgerlichen Gesellschaft reichten u.a. von Forderungen nach Enteignungen des Privateigentums an Produktionsmitteln über Verstaatlichungen von Banken und Verkehr, Aufhebung von Familie und Ehe, Arbeitszzwang für alle bis zur einheitlichen Erziehung der Kinder.

Gescheitert ist das sozialistische Experiment dennoch.
 
Natürlich hat es die NICHT gegeben, [...] Theorie und Praxis klafften eben weit auseinander.
Aber eben nicht nur in dem, was am Ende herauskam, sondern bereits von Anfang an.

Auf jeden Fall aber existierte das Ziel, eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen.
Unbestritten.

In der Präambel zur Verfassung von 1968 werden die "Errungenschaften der antifaschistisch-demokratischen und der sozialistischen Umwälzung der gesellschaftlichen Ordnung" ausdrücklich als Grundlage der DDR hervorgehoben.
Du weißt aber auch, wie viel du auf Selbstdarstellungen diktatorischer Regime geben darfst. Ob das nun Goebbels oder Chemie-Alis Wunderwaffen sind oder die Behauptung ideologisch an den Marxismus angebundener Regime, sie wären auf dem Pfad ins Paradies der Werktätigen. Das war im Falle der DDR auch gleichzeitig die Rechtfertigung des anhaltenden Machtanspruchs.

Entsprechend der marxistischen Philosophie war das Ziel aller Maßnahmen im Zuge der sozialistischen Umgestaltung die Entmachtung des Individuums und seine Einordnung in das Kollektiv der sozialistischen Gemeinschaft, insbesondere der Produktionsgemeinschaft.
Ich kriege langsam eine Ahnung, warum ein Mitbewohner, der Star-Trek-Fan war, mir die BORG(?) mal als kommunistisches Projekt zu erklären versuchte.
 
Ich kriege langsam eine Ahnung, warum ein Mitbewohner, der Star-Trek-Fan war, mir die BORG(?) mal als kommunistisches Projekt zu erklären versuchte.
Über die Erwähnung der Borg-Gesellschaft (das Modell einer totalitären, nichthierarchischen Gesellschaft) komme ich auf eine Aussage des Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch: „Die alles gleichmachende Gerechtigkeitsgesellschaft ist eine glücklose, eine unsinnliche, unerotische, ganz und gar unfreundliche Gesellschaft.“
Na ja, die DDR war alles davon. Wie in allen sozialistischen Ländern sollte der ideologisch gefestigte Sowjetmensch geschaffen werden, mit dem sich dann Sozialismus und Kommunismus erst aufbauen ließen. Insofern ist der Vergleich Borg = Sozialismus auch nicht ganz abwegig.
 
Bei Produktionsmitteln wäre vielleicht statt dem Spruch "alles gehört allen" der Spruch "Produktionsmittel denen die damit arbeiten" angemessen.
Das hätte nichts geändert, denn selbst in Unternehmen, die ganz den Mitarbeitern gehören funktioniert das nicht oder nur bis zu einem gewissen Grad, z.B. wenn das Unternehmen klein ist und sich alle untereinander kennen. Sobald das nicht mehr der Fall ist, werden von den aus der Belegschaft gewählten Vertretern in der Unternehmensführung in der Regel Entscheidungen getroffen, die dem (kurzfristigen) Wohl der Beschäftigten und nicht dem Unternehmen als Ganzes dienen.

Konkret: Die erwirtschafteten Gewinne werden zum größten Teil ausbezahlt – Motto: Besser ein Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach -, nur was übrig bleibt ist für die Wartung und Investitionen. Ist es wirtschaftlich (aus welchen Gründen auch immer) geboten, Belegschaft zu verkleinern, wird das einfach nicht gemacht, weil man niemand weh tun will. Umorganisationen im Unternehmen und/oder Umstellungen in der Produktion gestalten sich schwierig, weil sie die Besitzstände der Mitarbeiter gefährden. Um sie doch durchzusetzen, müssen teure Kompromisse geschlossen werden, was die Herstellungskosten nach oben treibt. etc.

Führung eines Unternehmens durch die eigene Belegschaft gestaltet sich auch deswegen schwierig, weil die Verantwortung auf vielen Schultern liegt. In der Praxis bedeutet das, dass am Ende niemand verantwortlich ist und die notwendigen (personellen) Konsequenzen nicht gezogen werden.
 
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