Der Angrivarierwall

Eine Schlacht an der Weser ist doch m.E. leicht unwahrscheinlich. Es gibt keinerlei Grabungsbefunde und der Bach ist zu breit für Schlachten. Da müsste eine Pionierbrücke gebaut werden für Schlachten.

Ohne eine neue Theorie aufstellen zu wollen. Ich würde auf das Eggetal im Wiehengebirge (Börninghausen, Holzhausen) tippen. Militärisch glänzend geeignet. Bitte Beiträge zusammenfassen. Ist mir später eingefallen.
 
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Ave Angrivarier,

Angrivarier schrieb:
Eine Schlacht an der Weser ist doch m.E. leicht unwahrscheinlich. Es gibt keinerlei Grabungsbefunde und der Bach ist zu breit für Schlachten. Da müsste eine Pionierbrücke gebaut werden für Schlachten....


Yep, der casus knaktus. Sehe ich genauso. Eine historische Theorie lässt sich durch drei Dinge untermauern: Erstens durch Funde, Zweitens durch Funde, Drittens durch Funde....

Und an den beiden meistens vorgeschlagenen Orten Raum Leese/Steinhuder Meer(Angrivarierwall) und Raum Rinteln/Weser(Idistaviso) gibt es bislang nichts von Belang zu finden.

Angrivarier schrieb:
...Ohne eine neue Theorie aufstellen zu wollen. Ich würde auf das Eggetal im Wiehengebirge (Börninghausen, Holzhausen) tippen. Militärisch glänzend geeignet. Bitte Beiträge zusammenfassen. Ist mir später eingefallen.....


Also dein Tipp. Naja, aber auch da gibts es meines Wissens nichts passendes zu finden. Ausserdem ist die Stelle ein richtiges Loch, und ein viel zu kleines dazu auch. Da geht keiner freiwillig rein um sich wie Thunfische im Netz massakrieren zu lassen, militärisch macht man um diese relativ kleine Stelle ehr einen Bogen. Wären dort tatsächlich bis zu 150.000 Kämpfer beider Seiten gewesen, dass hätte so gerappelt dass man heute dort jedemenge Zufallsfunde haben müsste. Auch hätte Tacitus diesen kleinen Trichter (die innere Fläche ist gerade kaum 2 km breit und kaum 5 km lang) sicherlich als Besonderheit erwähnt. Weiterhin: Der Ort liegt deutlich westlich der Weser, dann hätte man nach Idistaviso aber einen erneuten Weserübergang machen müssen. Tacitus erzählt davon jedoch nichts, im Gegenteil, er berichtet das die Cherusker bereits die Flucht über die Elbe(!) vorbereiten, als sie beim Angrivarierwall dann doch noch die Römer gestoppt bekamen.

Immerwieder neue Theorien über die eine oder andere Schlacht aus dem Boden zu stampfen hat wenig Sinn. Man sollte sich erstmal die bereits vorhandenen (Zufalls-)Funde anschauen und statistisch auswerten.

Was ich daher letztes Jahr u.a. gemacht habe ist, sämtliche bis-augusteiische/frühtiberische Münzfunde des Weserberglandes und Niedersachsens zusammen zu suchen und in eine statistisch auswertbare Karte einzutragen. Wäre im Grunde eine triviale Arbeit gewesen, wenn es brauchbare Datenbanken dazu gäbe. So musste ich dass aus den verschiedenen Veröffentlichungen mühsam raussuchen und die Fundortkoordinaten bestimmen etc. pp., eine ziemlich nervige Aufgabe.

Dann wird das Bild aber klarer, man kann ein gutes Bewegungsbild der damailigen Zeit erkennen. Es sind nach meiner Zählung 282 Fundorte, wobei man auch in etwa den Varus- und Germanicushorizont trennen kann. Einschränkend muss man natürlich zugeben, dass solche Münzfunde statistisch dünn sind, so dass zweifellos Interpretationsspielräume bleiben. Aber es gilt auch: Wo tatsächlich etwas zu finden ist, da ist die Wahrscheinlichkeit eines gesuchten Ereignisses nunmal bedeutend höher als da wo nix zu finden ist.

Was man unter dieser Einschränkung sagen kann ist aber folgendes: Der Germanicushorizont, der uns hier interessiert, scheint an drei Stellen erkennbar zu sein:

(a) Raum Bückeburg, also Ostufer der Weser bei Minden
(b) die Gegend von Gehrden, also zwischen Deister und Leine bei Hannover
(c) die Gegend um den Höhenzug des Ith, also das Gebiet östlich von Hameln zwischen Weser und der Leine bei Gronau.

Mein mutmasslicher Befund ist zur Zeit daher:

(a) Die Schlacht am Weserübergang
(b) Angrivarierwall
(c) Idistaviso

Das lässt sich auch sehr gut mit den Quellenangaben des Tacitus in Übereinklang bringen sowie mit den taktischen Notwendigkeiten des Germanicusfeldzuges des Jahres 16.

In einigen Diskussionen mit dem "echten Cherusker" hatte ich ja schon mal was dazu erzählt. Die detailierten Ausführungen muss ich allerdings einer zukünftigen Veröffentlichung anheim stellen.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Hier wird unter u.a. davon ausgegangen, dass Idistaviso und die Schlacht am Angrivarierdamm ein Sieg der Römer war. Ich denke diese Annahme ist falsch.

Wir werden Germanicus und dem römischen Heer im Kampf um den Angrivarierdamm schon einen Erfolg zuerkennen müssen. Es war ein tatktischer Erfolg, da es den Römern gelang, den Wall zu nehmen. Es war ein strategischer Erfolg, da sie sich damit die Bewegungsfreiheit (wieder) erkämpft sowie die Rückzugs- und Versorgungslinie gesichert haben. Allerdings zeigt dieser Erfolg auch, wie gering die Ansprüche Roms in diesem Krieg mittlerweile geworden waren. Denn Germanicus war angetreten, Arminius zu vernichten und die germanischen Stämme zwischen Rhein und Elbe vollständig und endgültig zu unterwerfen. Von einem Alesia konnte aber weder bei Idistaviso noch am Angrivarierdamm die Rede sein.

Denn es gelang am Angrivarierdamm offensichtlich nicht, den Widerstand der Germanen entscheidend zu brechen. Im Gegenteil, die Germanen leisteten bis zum Einbruch der Dunkelheit erbitterten Widerstand. So blieb der Feldzug, ja der ganze Krieg letztlich ohne Ergebnis, was für Germanicus und Rom einer Niederlage gleichkam. Zwischen den römischen Erfolgsmeldungen lässt sich zweifelsfrei herauslesen, dass es den Germanen im Laufe des Feldzuges immer wieder gelang, die Initiative an sich zu reißen und in die Offensive zu gehen. Ganz offensichtlich diktierte Arminius über weite Strecken dieses Feldzuges und des ganzen Krieges das Kampfgeschehen.

Rom wurde durch den Krieg gegen Arminius militärisch, moralisch und finanziell zerschlissen. Mehrere User haben in diesem Thread bereits darauf hingewiesen. Wir können uns gut vorstellen, wie bereits nach dem Niedermetzeln der Marsen in Rom gefeiert worden war. Aber schon bald wird man sich in Rom gefragt haben, was denn Germanicus eigentlich noch in Germanien macht und warum er nach immer neuen Truppen und neuem Geld verlangte. Während Germanicus es wohl bis zuletzt nicht wahrhaben wollte, erkannte Augustus klar, dass man mit diesem Gegner auf dem Schlachtfeld einfach nicht fertig wurde. Allein diese Erkenntnis war ausschlaggebend für den Abbruch des Feldzuges seitens Augustus. "Es war die überlegene politische Einsicht des Kaisers, welche den Truppen und Geld verzehrenden Kriegen in Germanien wenn nicht das Ende, so doch eine Unterbrechung auferlegte." (Felix Dahn)

Den Ausgang des Krieges hat Tacitus trefflich bewertet: „In den Schlachten kämpfte er (Arminius) mit wechselndem Glück. Im Kriege aber blieb er unbesiegt."


Gneisenau
 
Ave Gneisenau,

deinen Ausführungen kann ich im grossen Ganzen zustimmen, aber ich finde du orientierst dich noch zu sehr an den römischen Quellen.

Zwar setzte sich Tacitus durchaus kritisch mit dem römischen Engagement in Germanien auseinander, aber er ist natürlich klar pro-römisch und gibt im wesentlichen die offizielle römische Interpretation der Geschehnisse wieder. Dieser römischen Sichtweise hatten sich in der Vergangenheit auch viele Historiker mangels unabhängiger germanischer Quellen angeschlossen, aber insbesondere Jahn 2001 hat in seiner Dissertation doch klar herausgearbeitet, dass man sich die Sache nicht so einfach machen kann.

Aus den Tacitusberichten lässt sich bestenfalls ein Unentschieden herauslesen, und dass ist immer noch geschönt. Tatsächlich war der Feldzug ein Fiasko. Germanicus hat weder seine taktischen, geschweige denn seine strategischen Ziele erreicht. Seine Taktik kam sowohl bei Idistaviso als am Angrivarierwall zum stehen, er konnte die Kerngebiete der Cherusker nicht einnehmen. Und seine Strategie war die endgültige Vernichtung der Cherusker gewesen, um die Provinz Germanien wieder in den Griff zu bekommen. Das gelang noch weniger.

Nach dem Scheitern in der Entscheidungsschlacht (auch das Unentschieden war kein Erfolg) musste er sich überstürzt zurückziehen und verlor in der Flottenkatastrophe seine komplette Armee. Das Desaster ist durchaus mit der Varuskatastrophe zu vergleichen, wenn gleich der Verlust an Legionären wegen der professionellen Vorbereitung und Durchführung des Feldzuges vergleichsweise gering ausfiel, das immense Kriegsmaterial und die gigantische Flotte war aber an Weser und Wattenmeer versunken. Germanicus hatte wahrlich einen Untergang erster Klasse hingelegt.

Das ganze erinnert mich etwas an die neuzeitlichen Kriege gegen Russland, sei es nun Napoleon oder Hitler. Die Germanen unter Arminius nahmen die spätere Strategie der Russen vorweg: Will man eine militärisch überlegene Armee bezwingen, so biete ihnen nicht so schnell einen offenen Kampf, sondern weiche so weit wie möglich zurück und locke sie in die Tiefe eines weiten unwegsamen Landes bis sie logistisch weit ausgesetzt und ausgepowert auf verlorenem Posten stehen. Der fällige Rückzug kann dann nur noch katastrophal werden.


Gneisenau schrieb:
...Wir werden Germanicus und dem römischen Heer im Kampf um den Angrivarierdamm schon einen Erfolg zuerkennen müssen. Es war ein tatktischer Erfolg, da es den Römern gelang, den Wall zu nehmen. Es war ein strategischer Erfolg, da sie sich damit die Bewegungsfreiheit (wieder) erkämpft sowie die Rückzugs- und Versorgungslinie gesichert haben. ...

Falls man es als Erfolg bezeichnen kann, wenn man acht Legionen und 1000 Schiffe braucht um einen Wall zu erobern. Aber Strategie ist ein höheres Ziel, und das war zweifellos der bedingungslose Sieg über die Cherusker. Wenn ihm jetzt der Rückzug, also das Retten von Kopf und Kragen, plötzlich als Strategie erscheint, dann muss ihm aber schon der kalte Schweiß auf der Stirn gestanden haben.


Gneisenau schrieb:
...Allerdings zeigt dieser Erfolg auch, wie gering die Ansprüche Roms in diesem Krieg mittlerweile geworden waren. Denn Germanicus war angetreten, Arminius zu vernichten und die germanischen Stämme zwischen Rhein und Elbe vollständig und endgültig zu unterwerfen.. ...

Genau, und die geringen Ansprüche Roms dürften sich erst nach dem Fiasko eingestellt haben und dann so kommuniziert worden sein. Der Triumphzug für Germanicus war von Tiberius ja schon vorher vereinbart worden und da darf man ein Fiasko ja nicht ein Fiasko nennen. Um ein Haar hätte man sich in Rom aber den teuren Umzug sparen können.


Gneisenau schrieb:
...So blieb der Feldzug, ja der ganze Krieg letztlich ohne Ergebnis, was für Germanicus und Rom einer Niederlage gleichkam. Zwischen den römischen Erfolgsmeldungen lässt sich zweifelsfrei herauslesen, dass es den Germanen im Laufe des Feldzuges immer wieder gelang, die Initiative an sich zu reißen und in die Offensive zu gehen. Ganz offensichtlich diktierte Arminius über weite Strecken dieses Feldzuges und des ganzen Krieges das Kampfgeschehen. Rom wurde durch den Krieg gegen Arminius militärisch, moralisch und finanziell zerschlissen...

Ganz richtig, denke ich auch. Und Arminius dürfte ganz verbissen gekämpft haben, schließlich war es erst ein Jahr her, das Germanicus seine Frau und Kind geklaut hatte. Was hätte er wohl mit Germanicus gemacht, wenn er den in die Finger bekommen hätte?




Beste Grüsse, Trajan.
 
Hallo Trajan,

Deiner Gesamtbeurteilung des Feldzuges kann ich voll und ganz zustimmen.

Die Lage am Angivarierdamm beurteile ich allerdings nach wie vor anders. Für Germanicus ging es an diesem Tag nicht mehr darum, das ursprüngliche Kriegsziel zu erreichen, sondern den Rückzug zu erkämpfen. Denn zweifellos war Germanicus mit seinem Heer damals in eine aussichtslose Lage geraten. Insofern ist der Vergleich mit Napoleons Russlandfeldzug zutreffend. In einer solchen Lage geht man zurück, um unnötige Verluste zu vermeiden bzw. der Vernichtung zu entgehen und die Freiheit zu neuen Operationen zu gewinnen. Diesbezüglich zeigte Germanicus an der Weser mehr Kompetenz als Hitler 1942 an der Wolga. Und am Angivarierdamm gelang Germanicus, was Napoleon 1812 an der Beresina nicht gelang. Schließlich war es der Untergang seiner Flotte und keine Niederlage auf dem Schlachtfeld, welche aus dem bis dahin gelungenen Rückzug des Germanicus eine Katastrophe machte.

Schon 1883 hat Felix Dahn erhebliche Zweifel an der römischen Sichtweise geäußert. Auch hierin zeigt sich wieder einmal die militärische Kompetenz des Reserveoffiziers Dahn. Er folgt zwar mangels anderer Quellen bei der Schilderung des Feldzuges bis ins Detail römischen Berichten, zieht dann aber seine eigenen Schlußfolgerungen: "Germanicus hat die Elbe nie gesehen ....... er konnte nicht daran denken, die Völker zwischen Rhein und Elbe zu unterwerfen ....... und das durchzogene Land dauerhaft zu behaupten." Aber natürlich ist Deine Kritik an einer teilweise heute noch zu treffenden Anschauung berechtigt, nach der es praktisch unvorstellbar ist, dass ein Barbarenhaufen sich der römischen Armee überlegen gezeigt haben soll.

Zu der Strategie der "Verbrannten Erde" hat Heinrich von Kleist in seinem Drama "Die Hermannschlacht" die richtige Beschreibung gefunden, indem er seinen Helden sagen läßt: "Wollt Ihr zusammenraffen Weib und Kind. Und auf der Weser rechtes Ufer bringen, verheeren Eure Fluren, Eure Herden erschlagen, Eure Plätze niederbrennen, so bin ich Euer Mann." Tatsächlich sehen wir 1812 in Russland dieselbe Strategie. Clausewitz schreibt: "Die Russen hatten ihre Vorräte vernichtet, ihr Vieh weggetrieben, ihre Häuser und Mühlen in Brand gesteckt ........ auch die Brücken wurden zerstört und den Werstpfählen die Nummern ausgehauen, wodurch ein sehr gutes Orientierungsmittel verlorenging."

Was nun die Frage zu Thusnelda und Germanicus betrifft: In diesem Punkt gehe ich davon aus, dass Arminius den römischen Feldherrn Germanicus als Gegner auf dem Schlachtfeld betrachtet hat. Sein Schwiegervater Segestus dagegen war für Arminius ein persönlicher Feind und es hätte ihm sicherlich große Befriedigung verschafft, blutige Rache zu nehmen.

Gneisenau
 
teilweise heute noch zu treffenden Anschauung berechtigt, nach der es praktisch unvorstellbar ist, dass ein Barbarenhaufen sich der römischen Armee überlegen gezeigt haben soll

Wieso eigentlich? Zwar ist es unbestreitbar, daß die professionellen römischen Armeen in der offenen Feldschlacht gewöhnlich einen Vorteil besaßen, aber der Aufstand in Britannien etwa war nur wenige Jahrzehnte später und die entscheidende Schlacht gewannen die Römer auch nur aufgrund des vorteilhaften Geländes, das eine Entfaltung der britischen Kräfte unterband.
 
Ave Gneisenau,
Ave Elysian,

Gneisenau schrieb:
...Die Lage am Angivarierdamm beurteile ich allerdings nach wie vor anders. Für Germanicus ging es an diesem Tag nicht mehr darum, das ursprüngliche Kriegsziel zu erreichen, sondern den Rückzug zu erkämpfen.....

Da wirst Du in der Sache sicherlich Recht haben. Aber Tacitus schreibt das anders, er schreibt das so, als würden die Germanen die Kämpfe vorgeben „..so bot Arminius die Schlacht an...“ und so weiter. Er wollte wohl den Eindruck wegnehmen, dass Germanicus der Agressor war und stattdessen dem Arminius diesen Part zuschreiben. Überhaupt ist die Beschreibung des späten 16er Feldzuges durch Tacitus ziemlich verworren, und Zweifel und Kritiken an der Quelle erscheinen berechtigt.

Gneisenau schrieb:
...Denn zweifellos war Germanicus mit seinem Heer damals in eine aussichtslose Lage geraten. In einer solchen Lage geht man zurück, um unnötige Verluste zu vermeiden bzw. der Vernichtung zu entgehen und die Freiheit zu neuen Operationen zu gewinnen. Diesbezüglich zeigte Germanicus an der Weser mehr Kompetenz als Hitler 1942 an der Wolga. Und am Angivarierdamm gelang Germanicus, was Napoleon 1812 an der Beresina nicht gelang. ....

Ja, und wenn ich mir die Agressoren Germanicus, Napoleon und Hitler anschaue, so fällt mir auf dass sowohl Germanicus als auch Napoleon selbst vor Ort waren. Während Germanicus und Napoleon in aussichtsloser Lage zum Rückzug geblasen haben, war es der im weit entfernten Kommandostand sitzende Hitler der seine Truppen in Stalingrad gnadenlos verheizte. Wäre es um seinen eigenen Kopf und Kragen gegangen, so hätte der Gröfaz sicher noch rechtszeitig zum Rückzug, äh Verzeihung....zur Frontbegradigung, gerufen.

Gneisenau schrieb:
...Schließlich war es der Untergang seiner Flotte und keine Niederlage auf dem Schlachtfeld, welche aus dem bis dahin gelungenen Rückzug des Germanicus eine Katastrophe machte. ....

So steht es geschrieben, in der Tat. Aber müssen wir das wirklich glauben? Die Römer kannten das Wattenmeer und seine Besonderheiten ganz genau, schliesslich waren sie seit fast 30 Jahren dort regelmässig und erfolgreich unterwegs. Der Germanicusvater Drusus hatte dort die Erfahrungen gemacht und auch den Drususkanal gebaut, der einen schnellen Zugang zum Wattenmeer ermöglichte. Diese regelmäßigen Wattenmeerfahrten garantierten insbesondere die unverbrüchliche „Freundschaft“ mit den Stämmen der Nordeutschen Tiefebene. Man denke aber auch an die Flottenexpedition des Tiberius, die sogar bis zur Nordspitze Dänemarks vorstiess. Sie kannten also daher den aussergewöhnlichen Tiedenhub und auch die üblichen Herbststürme des Wattenmeers zu genüge.

Wenn nun trotzdem Germanicus und seine Admirale dort die komplette Flotte versemmeln, dann zeugt das von einem Rückzug alla Hals über Kopf und nicht vom Unbill der Natur. Bei einem geordneten Rückzug hätte man das Wissen und die Zeit gehabt, den bestens bekannten Gefahren aus dem Weg zu gehen, zum Beispiel durch rechtzeitiges Ankern und Abwarten des Sturmes. Auch dieses Versagen musste man angesichts des bereits angesetzten Triumphzuges anders darstellen und so stand es bestimmt auch in den Senatsakten und Quellen, die Tacitus benutzte und die letztlich auf den Aussagen des verantwortlichen Feldherrn Germanicus selbst basierten.


Gneisenau schrieb:
...Was nun die Frage zu Thusnelda und Germanicus betrifft: In diesem Punkt gehe ich davon aus, dass Arminius den römischen Feldherrn Germanicus als Gegner auf dem Schlachtfeld betrachtet hat.....

Naja, ich denke wenn er ihn lebend in die Hände bekommen hätte, dann hätte er seinen Kopf wohl nicht als neuerliches Koalitionsangebot nach Böhmen geschickt sondern einen Gefangenenaustausch mit Rom versucht. Aber acht Legionen, die konnte er in Schach halten aber nicht matt setzen. Da musste er sich schon noch was anderes überlegen.


elysian schrieb:
...Wieso eigentlich? Zwar ist es unbestreitbar, daß die professionellen römischen Armeen in der offenen Feldschlacht gewöhnlich einen Vorteil besaßen, aber der Aufstand in Britannien etwa war nur wenige Jahrzehnte später und die entscheidende Schlacht gewannen die Römer auch nur aufgrund des vorteilhaften Geländes, das eine Entfaltung der britischen Kräfte unterband. ....

Ich schätze, das lag einfach an der im Vergleich zu modernen Waffen geringen Effektivität der antiken Ausrüstung. So kämpften die Germanen zum Teil sogar mit Holzwaffen gegen Legionäre und waren damit keineswegs erfolglos. Der Unterschied in der Wirksamkeit der verschiedenen Waffen war nicht so gravierend wie heute. Massenvernichtungswaffen, wie das Maschinengewehr, die eine vorschnelle Entscheidung herbeiführen konnten, gab es nicht. Hier waren am ehesten noch die Pilumsalven der Römer zu nennen, denn nur diese entfalteten gleichzeitig sowohl eine enorme Kadenz als auch Durchschlagskraft. Trotzdem mussten in der Regel die Gegner mühsam Mann gegen Mann abgemetzgert werden und das ist schrecklich viel schreckliche Arbeit, zumal wenn der Gegner nicht dumm ist und sich auch noch heftig wehrt.

Ein weiteres tut Aufklärung und Logistik hinzu: Waren die Römer erstmal weit ausgesetzt, so wurden diese kriegsentscheidenden Elemente schnell Mangelware während der barbarische Gegner auf eigenem Gelände zunehmend in Vorteil kam. Entscheidend dabei dürfte aber immer gewesen sein, nach Möglichkeit der von Rom so meisterlich beherrschten offenen Feldschlacht aus dem Wege zu gehen. Letztere war für die vergleichsweise undiszplinierten und schlecht ausgerüsteten Barbarenheere kaum zu gewinnen.

Diese Erkenntnis dürfte auch dem strategischen Plan des 16er Feldzuges zu Grunde gelegen haben. Im vorangegangenen 15er Feldzug nämlich dürfte dem Germanicus klar geworden sein, dass selbst große römische Heere im unwegsamen Weserbergland ständig am Abgrund marschierten, wobei der anschließende Beinaheverlust des vier Legionen starken Caecinaheeres seine Wirkung tat. Ursächlich dafür sicherlich auch, dass die gesicherte Lipperoute nicht mehr verfügbar war und die Logistik damit nicht mehr gewährleistet.

Im 16er Feldzug wählte er daher einen ganz anderen Ansatz: Unter Umgehung des Weserberglandes über die Nordsee- und Flussroute war ein Angriff direkt auf den Kern der cheruskischen Siedlungsgebiete östlich der Weser im Raume Hildesheim möglich. Dort ist das Gelände dann auch wieder vergleichsweise offen und kommt damit der römischen Kampftaktik entgegen. Hätte man die Cherusker aufgerieben und über die Elbe vertrieben (sowie Marbod vom Main nach Böhmen), dann hätte man in 17 darangehen können die Lippeachse wieder aufzubauen um dann ohne die gefährlichen Cherusker bis zur Elbe wieder alles klar zu machen.

Das dürfte auch dem Arminius angesichts des acht Legionenheeres klar gewesen sein, die Vorbereitung der Flucht über die Elbe werden von Tacitus erwähnt. Trotzdem hat er es geschafft die Germanen zum erbitterten Widerstand zusammen zu halten und den Römern einen taktisch gewieften Kampf zu bieten, bestimmt eine Meisterleistung der Kriegs- und Motivationskunst.


Beste Grüsse, Trajan.
 
Hallo, ich bin neu hier und habe eine Frage zum Angrivarierwall.
Kennt jemand die Hypothese von Hermann Kreye / Hünermund & Heller,
welche die Lage des Angrivarierwalls zwischen Nordrand des Deisters und Steinhuder Meer vermuten?

siehe: Der Lange Damm zwischen Steinhuder Meer und Deister

Ich halte es nicht für sehr abwegig. Es ist auch vorstellbar, daß sich südlich des jetzigen Ufers des Steinhuder Meeres in früheren Zeiten vor der Durchführung von Meliorationsmaßnahmen ein sumpfiges Gebiet angeschlossen hat, welches den zu sperrenden Raum zwischen Steinhuder Meer und Deister weiter verengt haben könnte. Kennt jemand Literatur zur Landschaftsentwicklung?

Was haltet ihr davon? Wie sieht es mit Bodenfunden/Münzfunden in diesem Raum aus? Könnte die Bückethaler Landwehr in diesem Gebiet auf eine Vorgängeranlage zurückgehen? Ich bedanke mich bereits jetzt für Antworten!
 
Die germanischen Konfliktparteien bei der Schlacht am Angrivarierwall

Ist bekannt, ob Hattuarier oder Hasuarier an der Schlacht am Angrivarierwall beteiligt waren?
 
Da unsere Quelle zur Schlacht, Tacitus, sie nicht erwähnt: nein. (Also nein im Sinne von: es ist nicht bekannt; nicht im Sinne von: sie haben nicht teilgenommen.)

Strabon erwähnt zwar, dass unter den germanischen Kriegsgefangenen, die am Triumphzug des Germanicus 17 n. Chr. teilnehmen mussten, auch Chattuarier waren, aber das muss natürlich nicht bedeuten, dass sie ausgerechnet in der Schlacht am Angrivarierwall gefangen genommen worden waren. Das ist sogar unwahrscheinlich, da Germanicus in dieser Schlacht befohlen hatte, keine Gefangenen zu machen.
 
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Guten Morgen,

warum wird immer von einem "Wall" der Angrivarier zu den Cheruskern ausgegangen? Warum nicht von einem Knüppeldamm oder einer Uferböschung (siehe dazu Übersetzung Langenscheid 2014). Was ein vallum (Wall, Erdwerk) ist, zeigt ganz konkret ein Republikdenar des Münzmeisters Gaius aus der Gens Numonia, welcher 41 v. Chr. unter ihm geprägt worden ist. Vaala ist die ältere Form von Vala. Auf Münzen des Sulla findet sich auch Feelix statt Felix.

PS: Knüppeldämme gab es im nördlichen Deutschland reichlich
 

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Vaala scheint mir eher der Münzmeister gewesen zu sein, der sich namentlich und mutmaßlich eine Heldentat eines Vorfahren bildlich auf der Münze verewigt hat. Das ist auf den Münzen der römischen Republik normal.

Edit: kann es sein, dass ich dich missverstanden habe und du gar keine Zusammenhang zwischen Vaala und Wall herzustellen versuchst? Dann entschuldige, denn auf diesem Missverständnis basiert meine Antwort. Über die Münze haben wir im Forum irgendwo schon mal diskutiert.
 
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Guten Morgen ELQ,

das das Cognomen sich auf eine Heldentat eines Vorfahren des Vala bezieht steht außer Frage. Selbst beim renommierten Münzhaus Künker (siehe Anhang) wird es mittlerweile so eingepflegt. Allerdings wurde hier mit 43 v. Chr. datiert.

Mir geht es aber darum, was Tacitus mit aggere (agger) meint. Einen "künstlich" erschaffenen Wall (vallum) der zwei Stämme abgrenzt schließe ich aus. Viel eher ist doch anzunehmen, dass ein Knüppel(damm)/dämme die Cherusker von den Angrivarier trennte. Nichts ungewöhnliches für die Regionen nördlich der Mittelgebirgszone. 16 n. Chr. befinden wir uns zwischen Weser/Werra und Elbe/Saale, damit fällt Kalkriese schon mal aus dem Raster. Das zeigen auch die Münzfunde.
 

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Und mit welchem Argument schließt Du die Möglichkeit eines Grenzwalls aus?

Es wird berichtet, dass sich die Ethnien in der Germania Magna durch unbewohnte Landstreifen abgrenzten. Wenn nun irgendwo östlich der Weser die Gebiete von Angrivariern und Cheruskern über eine bestimmte Strecke aneinanderstießen wäre ein Wall eine naheliegende Möglichkeit.

Ein Grenzweg wie mittelalterliche Schnaden und römische Limites wohl auch. Gerade die mittelalterlichen Schnaden sollen ja -nebenbei bemerkt- nach manchen Autoren geradezu die Aktualisierung der Wildnis zwischen zwei Orten sein, was durch Sprache, Brauchtum und vage Nachrichten der Quellen belegt werden soll. Mir scheint das Verschneiden von Bäumen und Sträuchern zur Grenzmarkierung zur Erklärung der 'Schnade' einleuchtender. Aber zumindest zeigt es, dass auch das kein unmöglicher Gedanke ist.

Nur sehe ich nicht, wie hier ein Wall ausgeschlossen werden kann.

EDIT: Wälle bedingen normalerweise auch einen an ihnen entlang laufenden Weg. Ob nun davor, dahinter oder darüber, soll ja jede Stelle erreichbar sein.
 
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Guten Morgen ELQ,

das das Cognomen sich auf eine Heldentat eines Vorfahren des Vala bezieht steht außer Frage. Selbst beim renommierten Münzhaus Künker (siehe Anhang) wird es mittlerweile so eingepflegt. Allerdings wurde hier mit 43 v. Chr. datiert.

Mir geht es aber darum, was Tacitus mit aggere (agger) meint. Einen "künstlich" erschaffenen Wall (vallum) der zwei Stämme abgrenzt schließe ich aus. Viel eher ist doch anzunehmen, dass ein Knüppel(damm)/dämme die Cherusker von den Angrivarier trennte. Nichts ungewöhnliches für die Regionen nördlich der Mittelgebirgszone. 16 n. Chr. befinden wir uns zwischen Weser/Werra und Elbe/Saale, damit fällt Kalkriese schon mal aus dem Raster. Das zeigen auch die Münzfunde.

Salve,
stellst Du das so vor, wie z.B. das große Bruch? Dort gab es über eine Länge von ca. 50 km nur wenige verbindende Dämme...
 
Mir geht es aber darum, was Tacitus mit aggere (agger) meint. Einen "künstlich" erschaffenen Wall (vallum) der zwei Stämme abgrenzt schließe ich aus. Viel eher ist doch anzunehmen, dass ein Knüppel(damm)/dämme die Cherusker von den Angrivarier trennte.

Wir werden das im Detail nicht klären können, allenfalls wie die Römer das Bauwerk wahrnahmen. Und da haben wir als einzigen Textbeleg Tacitus:

postremo deligunt locum flumine et silvis clausum, arta intus planitie et umida silvas quoque profunda palus ambibat nisi quod latus unum Angrivarii lato aggere extulerant quo a Cheruscis dirimerentur.

Schließlich wählten sie einen vom Strom und Wäldern eingeschlossenen Ort mit einer flachen und feuchten Enge darin, von Wäldern und auch einem tiefer Sumpf umgeben und auch nicht breit. Die Angrivarrier hatten dort einen breiten Wall ausgehoben, der sie von den Cheruskern trennen sollte. Ein Bohlenweg hat genau die gegenteilige Funktion, er soll nicht trennen, er soll verbinden.

Tacitus schriebt weiter, dass Germanicus der Aufbau des Schlachtfeldes nicht verborgen blieb und nennt den Wall jetzt ausdrücklich agger, murum und vallum:

...quis inpugnandus agger, ut si murum succederent, gravibus superne ictibus conflictabantur. [...] primus Caesar cum praetoriis cohortibus capto vallo dedit impetum in silvas; ...

...die, welche den Wall bekämpften, dass sie ihn (die Mauer) erreichten, wurden von oben von scheren Hieben heimgesucht/getroffen. [...] Caesar mit den prätorischen Kohorten gab, als er den Wall erobert hatte den Anstrum auf die Wälder (frei).
 
Hallo Marcus Antonius,

die Dendro-Daten aus den 60er Jahren bezüglich des großen Bruches weisen in das 3. Jh. n. Chr. - aber so stelle ich mir das vor.

@ ELQ

jedoch heißt dirimere außer trennen auch auseinandernehmen, auseinander reißen. Auch in Kalkriese war der Bohlenweg nachweislich zerstört worden.
 
jedoch heißt dirimere außer trennen auch auseinandernehmen, auseinander reißen.
Grammatik ist kein Aufgeratewohl. Wer getrennt werden sollte (Konjunktiv Imperfekt 3. Person), liegt im Passiv Plural vor, nämlich die Angrivarier von den Cheruskern (a Cheruscis). Die Angrivarier wurden von den Cheruskern durch den Wall auseinandergehalten. Weder sind die Cherusker im Nominativ noch das Verb im Aktiv.
 
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