Der Fall Eduard Spranger

A

Alpha

Gast
Ich bin Mitglied einer nach Eduard Spranger benannten Schule und habe von der Nähe Sprangers zu Teilen des Nationalsozialismus erfahren. Allerdings sind viele Personen mit denen ich gesprochen habe dafür den Namen beizubehalten, unter anderem auch deshalb weil Spranger sich auch teilweise gegen die Regierung stellte.

Könntet ihr mir einen Überblick über Sprangers Engagement für und gegen den Nationalsozialismus geben.
Besonders wichtig wäre mir der Inhalt seiner Rede "Der Jude als Problem".
 
Die Darstellung auf Wiki zu seiner Person klärt doch die ambivalente Position zum NS-System. Und es ergeben sich keine Hinweise, die eine Namensänderung notwendig erscheinen lassen würden.
 
»Man kennt also einige Wege zur Sicherung eines gesunden und – wenn nötig –
zur Ausmerzung eines kranken Nachwuchses.«
(1938)

»Jedes lebendig wirksame Moralsystem, besonders auf wenig individualisierten Kulturstufen, schließt aufgrund eines unverbildeten Moralinstinktes hygienische Normen ein, die sich auf Angelegenheiten der Volks-, Standes- und Familienhygiene beziehen; inhaltlich betreffen sie vor allem das Gebiet der Fortpflanzung, der Aufzucht des Nachwuchses, der Ernährung und der Körperpflege. In Zeiten einer differenzierten und rationalisierten Kultur werden auch diese Moralinstinkte der Gruppe schwach. Gesetzgebung muss dann sozialhygienisch nachhelfen« (aus einem Vortrag an einem med. Kongress, 1934)

»Der Erdball beginnt eng zu werden. Es fragt sich, ob die Nationen, die zum Kulturaufbau und zur
wertvollen Ausnützung von Bodenschätzen fähig sind, solchen, die dazu nicht fähig
sind, das unbedingte Verfügungsrecht über ihr Siedlungsgebiet lassen müssen.«
(1938)


Ausführlich in:
Benjamin Ortmeyer, Eduard Spranger und die NS-Zeit, 2008; PDF.
 
Hat mir mein Geschichtslehrer erzählt. Der ist übrigens trotzdem strikt gegen die Umbenennung. Ich hatte deine Frage eigentlich schon als Gast (Alpha-A) beantwortet, aber die Antwort wurde noch nicht veröffentlicht.
 
Dann frag doch bitte Deinen Geschichtslehrer, wo man die nachlesen kann.
Ich würde die gerne selber nachlesen.
 
Die Darstellung auf Wiki zu seiner Person klärt doch die ambivalente Position zum NS-System. Und es ergeben sich keine Hinweise, die eine Namensänderung notwendig erscheinen lassen würden.

Ich finde den wikipedia-Eintrag kann man in die Tonne kloppen. Da steht nur das Spranger Mitglied von DNVP und Stahlhelm war und die NS-Diktatur anfänglich begrüßte.
 
»Man kennt also einige Wege zur Sicherung eines gesunden und – wenn nötig –
zur Ausmerzung eines kranken Nachwuchses.«
(1938)

»Jedes lebendig wirksame Moralsystem, besonders auf wenig individualisierten Kulturstufen, schließt aufgrund eines unverbildeten Moralinstinktes hygienische Normen ein, die sich auf Angelegenheiten der Volks-, Standes- und Familienhygiene beziehen; inhaltlich betreffen sie vor allem das Gebiet der Fortpflanzung, der Aufzucht des Nachwuchses, der Ernährung und der Körperpflege. In Zeiten einer differenzierten und rationalisierten Kultur werden auch diese Moralinstinkte der Gruppe schwach. Gesetzgebung muss dann sozialhygienisch nachhelfen« (aus einem Vortrag an einem med. Kongress, 1934)

»Der Erdball beginnt eng zu werden. Es fragt sich, ob die Nationen, die zum Kulturaufbau und zur
wertvollen Ausnützung von Bodenschätzen fähig sind, solchen, die dazu nicht fähig
sind, das unbedingte Verfügungsrecht über ihr Siedlungsgebiet lassen müssen.«
(1938)

Könntest du mir die Quellen der Zitate nennen oder sind die im PDF enthalten?
 
Vielen Dank.

Aber kann mir einer von euch erklären wie es passieren konnte dass das Dokument erst dieses Jahr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erhält?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist so ungewöhnlich nicht. Nicht alles wird gleich gut untersucht. Auch für das 3. Reich braucht es Autoren und Historiker, die ein Thema bearbeiten. Zudem reden wir von einer gewaltigen Quellenfülle.

Ich hatte gerade wieder mit einem Fall von Überlieferung der Frühen Neuzeit zu tun, die, obwohl die Literatur übersichtlich ist und jeder Historiker, Archäologe und auch die meisten Laien den Fehler sofort erkennen würden, immer wieder abgeschrieben wurde. Weil das Thema für die Autoren nicht wichtig war, gingen sie nicht auf die Quellen zurück. Bei vielen war das keine Nachlässigkeit, sondern lag daran, dass die Zeit ein begrenztes Gut ist und mitunter eben eine Auswertung eher die Literatur erschließt.

Denn in der Neuzeit liegt oft eine gewaltige Quellenfülle vor, die zum Nationalsozialismus so groß ist, dass sie nicht einmal erhalten, geschweige denn so einfach erschlossen werden kann.

Als ich Wehrdienst leistete, wurden in der Kaserne Akten aus der Zeit gefunden. Ein Archivar des Staatsarchivs kam und sortierte über die Hälfte zur Entsorgung aus, was bei vielen Kameraden solches Befremden erregte, dass sie sich weigerten, die Papiere zu entsorgen und der Archivar nochmals anreiste, um zu erklären, dass eben nicht alles archivwürdig ist und auch vom Rest vieles wohl nie in der Forschung eine Rolle spielen würde.

Anderes ist bekannt, vielleicht sogar ediert, wird aber in seiner Bedeutung nicht erkannt oder aus irgendwelchen Gründen nicht als wichtig angesehen. Jemand kann auch eine Rede halten, um sich ein diktatorisches Regime vom Hals zu halten. Wie der Fall hier liegt, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls werden zum Nationalsozialismus auch in 100 Jahren noch Quellen 'auftauchen'.

Ein großer Verlust liegt darin, dass viele Schreiben in Deutscher Schrift und Sütterlin heute weggeworfen werden, weil die Nachfahren es nicht lesen können und Angst haben, dass darin etwas Belastendes zu Tage kommen kann. Wie es hierzulande eben ist, wird oft vorschriftsmäßig über die blaue Tonne entsorgt. Von einem Entsorgungsunternehmer weiß ich, dass schon ganze Säcke mit Schriftstücken vom 18. Jh. bis zur Mitte des 20. Jh. im Müll gefunden und verkauft worden sind. Wahrscheinlich wurden da Schuhkartons, Zigarrenschachteln und ähnliche in der Nachkriegszeit übliche Größen aufgebauscht.

Zu dem vorliegenden Fall kann ich, wie bei Diogenes, nichts sagen. Aber es hilft oft schon weiter, sich erst einmal die Umstände klar zu machen, mit denen man es zu tun hat. Das hilft dann oft, präzisiere oder andere Fragen zu stellen. Hier könnten es die Fragen sein, woher die Quelle kommt, ob sie zugänglich war und nicht doch schon berücksichtigt und der Inhalt aus welchen Gründen auch immer verworfen wurde.
 
Dann frag doch bitte Deinen Geschichtslehrer, wo man die nachlesen kann.
Ich würde die gerne selber nachlesen.

Ich hab nochmal mit meinem Lehrer gesprochen. Er hat die Rede selbst nicht gelesen sondern weiß nur das Spranger sie gehalten hat. Auszüge finden sich in der von Mashenka verlinkten PDF-Datei.
 
Schade. Es gibt da noch ein paar andere Lehrer die ich fragen könnte. Hoffentlich kann einer von ihnen deine Frage beantworten.
 
Ich hab heute nochmal nachgefragt. Keiner hat die Rede selbst gelesen und es scheint kaum noch Originale zu geben. Schade.
 
Ich hab heute nochmal nachgefragt. Keiner hat die Rede selbst gelesen und es scheint kaum noch Originale zu geben. Schade.
Habe gestern kurzerhand in Theodor Neu, Bibliographie Eduard Spranger, Max Niemeyer, Tübingen, 1958, nachgeschlagen und nichts über solch eine Rede finden können.(was das auch immer heißen mag…)
Hingegen aufschlussreich zu Sprangers antisemitischer Einstellung ist: Klaus Himmelstein, Die Konstruktion des Deutschen gegen das Jüdische im Diskurs Eduard Spranger, in: Gerhard Meyer-Willner (Hrg.), Eduard Spranger : Aspekte seines Werks aus heutiger Sicht, Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 2001, S 53ff.
 
Zurück
Oben