Der Grassodenwall von Kalkriese

@Widukind:

1. Die Legionäre trugen Schanzwerkzeug am Mann.
2. Die Legionäre führten auch Proviant für mehrere Tage mit sich.
3. Auch im Frieden.
4. Sie waren darin geübt, in jedem Gelände Befestigungen zu errichten.
5. Sie passten Verschanzungen dem Gelände an. Mitunter ließen sie den Wall Weg. Oder auch den Graben. Hier gibt es nur einen Drainagegraben, abschnittsweise improvisiert, wie El Quijote es irgendwo anschaulich erklärt hat. Daraus kann gefolgert werden, dass kein Graben geplant war. Die Erklärung liegt nicht in der Arbeit, sondern eher von der größeren Sicherheit hinter dem entstehenden Wall. Vielleicht ging man auch wegen der Steine von einem dafür ungeeigneten Boden aus. (Dabei setze ich eine römische Arbeit voraus. Die Anomalien wären dann Zeugnisse des Drucks unter dem gearbeitet wurde.)

hallo Riothamus

1.
Das Werkzeug wurde am Mann getragen - und war dementsprechend hinderlich im Kampf.
A) Marschgepack ablegen - Hände frei
B) Schild vom Rücken nehmen (Helm auf) etc.pp
C) Gefechtsbereit ins Scharmützel gehen
D1) nach erfolgreich durchgestandenem Scharmützel zurück zum Marschgepäck, aufnehmen und weitermarschieren
D2) nach schlecht durchgestandenem Scharmützel sieht das schon anders aus.
- abgeschnitten von dem Ablagepunkt?
- so viele Verwundete zum Tragen, dass Ausrüstung dafür liegen bleiben muss?
ich setze hier bewusst Fragezeichen. Verlust/Aufgabe von Ausrüstung ist immer ein Zeichen des Druckes, unter welchem die Truppe steht.
Man kann die schriftlichen Quellen als großen Druck interpretieren.

2. und 3.
mehrere Tage Proviant kann alles und nichts aussagen. Dio spricht vom 4. Tage. Selbst bei der Frage, wie lange nun die Römer in diesem Vernichtungskampf durchhielten, sind wir nicht zu 100% sicher.
Die schriftlichen Quellen sagen zum Theman letzte Verproviantierung gar nichts aus. Es gibt keinerlei Hinweis auf Hunger und Versorgungsengpässe.
Daher immer mit Fragezeichen. :friends:
Militärtechnisch aber niemals aus den Augen verlieren :winke:

4.
Übung ist nicht gleich Zeit und Ressourcen sind am Oberesch verfügbar.
Sachzwänge eines laufenden Gefechts können dem planmäßigen Bau eines vorschriftsmäßigen Legionslagers im Wege gestanden haben.
Ohne Feinddruck sehe ich hier auch kein Problem.
Wissen wir aber schon, wie sehr die Germanen die Legionäre beim Lagerbau bedrängten?
Pontis longi beschreibt etwa, dass sie in dieser Phase Druck ausübten.

5.
bei 5. fällt mir kein Widerrede auf.
Etwas nicht planen, weil der Aufwand zu groß wäre für den Schutzgewinn zu den von mir aufgeführten Faktoren, die zu dem Aufwand führen (könnten).
 
Informieren Dich doch erstmal grundlegend zur Römischen Armee. Hm, solche Bemerkungen mag ich nicht. Mal sehen, ob ich Zeit finde, selber etwas zu erklären.

Soviel schon mal: Wenn es irgendwo schlecht ausging, konnte man da nicht mehr schanzen.
 
Es gibt noch unerfreulich viele "Wenns" bei dem ganzen, aber wenns so ist, dann...

  • ist der germanische "Drainagegraben" am Oberesch der römische Wallgraben
  • ist der gewellte Verlauf am Oberesch wohl nicht taktisch bedingt, sondern topographisch
  • sind alle anderen Theorieren (insbes. pontes longi, Angrivarierwall sowieso) vom Tisch, weil das Caecina-Heer da nicht reinpasste
  • muss das nördliche Moor ziemlich weit nach Süden gereicht haben, denn warum sollte man das Lager sonst so nah an den Berg klatschen?
  • hatte Schlüter 2011 sowas von recht
Bleibt nur noch die Frage, warum Varus seine Legionen nicht per Schiff transportiert hat, der Mittellandkanal ist doch definitiv befahrbar! :pfeif:

Wer weiß, vielleicht war Schlüters Meinungsumschwung 2011 sogar der Grund für die jetzige neue Grabung. Könnte ja sein.
 
Würde ich mal annehmen, mit Bestimmtheit sagen kann ich es dir nicht. Jedenfalls sind Beiträge (oder ein gemeinsamer Beitrag?) von Ortisi und Rappe mit drin.
 
Eigentlich meinte ich eine offizielle Zusammenfassung des Vortrages (also die Ergebnisse der Grabung mit der Entdeckung des Walles). Oder ist dies in der Publikation enthalten?

Meine Frage an Rappe, ob der präsentierte Foliensatz verfügbar ist, wurde verneint. Eine Veröffentlichung ist erst später geplant. Dass die Ergebnisse bereits in einer Publikation enthalten sind, halte ich deshalb für unwahrscheinlich, weiß es aber natürlich nicht sicher, da ich die Publikation nicht kenne.
 
danke für die Info. Wir müssen wohl auf "später" warten. Einen "Nachhall" des Vortrags in der Presse habe ich bisher auch noch nicht gefunden (zumindest im online-verfügbaren Bereich).
 
Würde ich mal annehmen, mit Bestimmtheit sagen kann ich es dir nicht. Jedenfalls sind Beiträge (oder ein gemeinsamer Beitrag?) von Ortisi und Rappe mit drin.

Ich bin morgen geschäftlich in Bramsche. Werde gegen mittag mal in Kalkriese vorbeischauen. Diese Publikation wird wohl im Museumsshop erhältlich sein.
 
Ich bin morgen geschäftlich in Bramsche. Werde gegen mittag mal in Kalkriese vorbeischauen. Diese Publikation wird wohl im Museumsshop erhältlich sein.

Schon was gefunden?

Übrigens ist der neue Varuskurier erschienen: http://varusforschung.geschichte-multimedial.net/documents/Varus-Kurier_18.pdf


Auf S. 11 findet sich zur Interpretation der Ausgrabungen 2016 folgende Aussage:

Die drei parallel verlaufenden Befunde
könnten die Ausgangsthese, es könne
sich bei der Anlage am Oberesch
um eine römische Umwehrung handeln,
unterstützen. Allerdings sind die
bisherigen Sondagen noch zu punktuell,
um weiterführende Aussagen zu
machen. Wir haben die begründete
Hoffnung, dass uns die Grabungssaison
2017 der Lösung zumindest dieses
Rätsels näher bringen wird.
 
@Carolus:

Leider nichts gefunden. Ich war zwar dort, wußte aber nicht, daß Museum und Shop in den Wintermonaten montags geschlossen sind. Somit stand ich vor verschlossenen Türen.:weinen:

Und wie immer:

Danke für den Link!
 
Interessant ist, dass eine römische Umwehrung die Ausgangsthese ist und nicht der germanische Wall. Es muss ja versucht werden zu falsifizieren, was man annimmt. Die Interpretation scheint sich verändert zu haben.

Die Ausrichtung des Walls nach Norden macht allerdings eine germanische Herkunft noch nicht unmöglich, wenn auch unwahrscheinlich. Da macht es hibbelig auf die diesjährige Ausgrabung und Bekanntgaben dazu zu warten.

Interessant auch die Aussagen zum Goldmünzenfund, Ein einfacher Legionär wird nicht ausgeschlossen. Und der Fund ist relativ isoliert. Was ich immer sage: Man darf nicht nur planmäßig aufgrund wissenschaftlicher Fragen graben, man braucht auch immer zufällige Stichproben. Dass ein Legionär oder Zenturione eine größere Summe mit sich führte, ist eine Möglichkeit, die auch Auswirkungen auf die Interpretation anderer Grabungen hat.
 
Die These vom Römerlager vertreten Schlüter, Ortisi und Rappe (der ehem. Kreisarchäologe von OS, ehem. Archäologie-Prof der Uni OS, Grabungsleiter der letztjährigen Grabung) Wilbers-Rost vertritt die Germanenwallhypothese. Es scheint sich herauszukristallisieren, dass die Germanenwallhypothese ad acta zu legen ist und die Lager-Hypothese gestärkt wird. Warten wir also die Ergebnisse der in diesem Jahr anstehenden Grabung ab, welche an die Grabung vom letzten Jahr anschließt und deren Beobachtungen entweder bestätigt oder eben auch nicht.
 
Muss man sich bei der Römerlager Hypothese die Verteidigung des südlichen Lagerwalls durch die Römer dann wie folgt vorstellen?
 

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Natürlich nicht. Das ist ein uraltes Foto von einer Veranstaltung die jahrelang her ist, wo die Germanenwallhypothese dargestellt wurde.

Die Germanenwallhypothese ist für den Augenblick erschüttert aber noch nicht ad acta. Das werden die Grabungen in diesem Jahr vielleicht ändern. Sie werden entweder zu dem Ergebnis führen, dass die Germanenwallhypothese ad acta zu legen ist (und damit die Lager-Hypothese stärken) oder umgekehrt, dass sie die Germanenwallhypothese doch stimmt (und damit die Lagwerhypothese ad acta legen).
 
Die Germanenwallhypothese ist für den Augenblick erschüttert aber noch nicht ad acta.

Wodurch wurde die Germanenwallhypothese denn erschüttert? Da ist doch eigentlich nur eine andere nämlich die Römerlagerhypothese dazugekommen?

Es ist ja auch sehr gut möglich dass beide Interpretationen richtig sind derart, dass der Obereschwall Teil eines germanischen Hinterhalt was, und der neuentdeckte nördliche Wall der Nordwall eines Römerlagers war, u. U. das Lager des Germanicus bei der Bersichtigung des Varusschlachtfeldes, welches auf Grund der dort gegebenen natürlichen Drainage direkt an den Hang des Kalkrieser Berges gesetzt worden wäre. Die Überreste des Germanenwalls wären dazu in diesem Bereich eingeebnet worden.

Ich zitiere aus dem letzten Varuskurier: "Erschwerend kam hinzu, dass der extrem feuchte Boden keine feste Oberfläche für schwere Maschinen bot. Das bedeutete, es war bereits abzusehen, dass der Bodenaufbau und die archäologischen Befunde durch die Baufahrzeuge völlig zerstört werden würden." Für mehrer Legionen mit Ausrüstung und Wagen hätte der Boden gleichermaßen keine feste Oberfläche geboten. Die Alternative wäre der Bau des Lagers in den Hang hinein gewesen.
 
Wodurch wurde die Germanenwallhypothese denn erschüttert? Da ist doch eigentlich nur eine andere nämlich die Römerlagerhypothese dazugekommen?
Die beiden Hypothesen schließen schon in ihrer Idee einander aus. Entweder hatten Wilbers-Rost/Rost Recht oder Schlüter/Ortisi/Rappe. Es ist ja nicht so, dass man zufällig auf einen zweiten Wall gestoßen wäre und dann eilig überlegt hätte, was man nun mit diesem macht, sondern umgekehrt, es ist von Schlüter - aufgrund einer Tacitussstelle, die aber nur indirekt mit der Varusschlacht etwas zu tun hat - überlegt worden, was wäre, wenn die Germanenwallhypothese nicht stimmt.
Ich halte Schlüters Überlegungen diesbezüglich (nur Wälle an zwei Seiten mit offenen Kopfenden) im Übirgen für wenig plausibel, aber das nur am Rande)

Es ist ja auch sehr gut möglich dass beide Interpretationen richtig sind derart, dass der Obereschwall Teil eines germanischen Hinterhalt was, und der neuentdeckte nördliche Wall der Nordwall eines Römerlagers war, u. U. das Lager des Germanicus bei der Bersichtigung des Varusschlachtfeldes, welches auf Grund der dort gegebenen natürlichen Drainage direkt an den Hang des Kalkrieser Berges gesetzt worden wäre. Die Überreste des Germanenwalls wären dazu in diesem Bereich eingeebnet worden.
Nein, da gerätst du in den (historischen) Sumpf. Abgesehen davon wäre das schon ein sehr arger Zufall, dass man, als man die 2016er Grabung anleierte, um die 2011 von Schlüter formulierte Lagerwallhypothese auf ihre Substanz zu prüfen, dann tatsächlich auf einen mutmaßlichen aber bis dato noch nicht sicher nachgewiesenen Lagerwall gestoßen wäre, wohingegen der früher als Germanenwall angesprochene Wall tatsächlich ein Germanenwall gewesen wäre. (Hilfe, jetzt wird's verwirrend!)

Im Übrigen, wenn du mit deiner Hypothese - Germanenwall+Römerlager - recht hättest, dann wäre entweder der südlicher gelegene Wall der Nordwall des Lagers oder aber der nördliche Wall der südliche des Lagers. Beides würde neue Fragen aufwerfen:
1.) Wenn das Lager nach Süden gelegen hätte, also den Hang des Kalkrieser Berges hoch: Warum finden sich in dem Gebiet kaum noch römische Funde? Von Einzelstücken abgesehen finden sie sich alle nördlich des Walls mit einer dichten Konzentration direkt davor, was mittlerweile als Sammel- und Verschrottungsplatz (womöglich nach der Errichtung eines germanischen Tropaions) angesprochen wird.
2.) Wenn das Lager nach Norden gelegen hätte - ich sprach es oben schon an - hätte das Lager im Sumpf gelegen, oder formulieren wir etwas weicher, in einer Zone mit einem extrem ungünstigen Grundwasserspiegel.

Eine Harmonisierung beider Hypothesen (Lager- und Germanenwall) bietet das Fund- und Befundbild also nicht. Es bleibt beim Entweder-Oder und idealerweise wird die diesjährige Kampagne darüber Aufschluss geben.
 
Im Übrigen, wenn du mit deiner Hypothese - Germanenwall+Römerlager - recht hättest, dann wäre entweder der südlicher gelegene Wall der Nordwall des Lagers oder aber der nördliche Wall der südliche des Lagers.

Südlicher Wall wär Germanenwall und nördlicher Wall wär nördlicher Römerwall. Der südliche Römerwall wär südlich des Germanenwalls, aber noch auf der Nordseite des Kalkriese Bergs. Alles klar? :)

1.) Wenn das Lager nach Süden gelegen hätte, also den Hang des Kalkrieser Berges hoch: Warum finden sich in dem Gebiet kaum noch römische Funde? Von Einzelstücken abgesehen finden sie sich alle nördlich des Walls mit einer dichten Konzentration direkt davor, was mittlerweile als Sammel- und Verschrottungsplatz (womöglich nach der Errichtung eines germanischen Tropaions) angesprochen wird.

Man sieht es ja bei Kneblinghausen, es bleibt etwas erhalten oder auch nicht, das hängt vom Zufall ab.
 
Südlicher Wall wär Germanenwall und nördlicher Wall wär nördlicher Römerwall. Der südliche Römerwall wär südlich des Germanenwalls, aber noch auf der Nordseite des Kalkriese Bergs. Alles klar? :)
Nicht wirklich. Demnach hätte dein Germanenwall mitten im Römerlager gelegen.
Aber ist auch egal, da obsolet.

Man sieht es ja bei Kneblinghausen, es bleibt etwas erhalten oder auch nicht, das hängt vom Zufall ab.
Damit machst du es dir zu einfach. Für vieles kann man den Zufall verantwortlich machen. Aber bzgl. der Chemie der Funde und des Bodens gelten dieselben Grundsätze. Sprich vor dem Wall Funde die in die abertausende gehen zu finden und hinter dem Wall bis auf ein paar Einzelstücke (am prominentesten die dolabra) gar nichts mehr, ist extrem erklärungsbedürftig. Das kann man nicht mit Zufall abtun.
 
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