"Der größte Demagoge"

Sepiola

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Alfred Hugenberg, maßgeblicher Wegbereiter Hitlers, soll bereits einen Tag nach seiner Ernennung zum Minister für Wirtschaft, Ernährung und Landwirtschaft dem Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler anvertraut haben:

"Ich habe gestern die größte Dummheit meines Lebens gemacht; ich habe mich mit dem größten Demagogen der Weltgeschichte verbündet."
("handschriftliches Manuskript v. 9.7.1937")
Maximilian Terhalle, Deutschnational in Weimar (2009)


Der Historiker Volker Ullrich hegt Zweifel, jedenfalls was das Datum 31. Januar betrifft:

Dass der neue Superminister bereits am 31. Januar gegenüber dem Leipziger Bürgermeister Carl Goerdeler bekannt haben soll, er habe die "größte Dummheit" seines Lebens gemacht, indem er sich mit dem "größten Demagogen der Weltgeschichte" verbündete, ist wenig glaubhaft. Denn Hugenberg war wie Papen und die übrigen konservativen Minister davon überzeugt, Hitler nach den eigenen Vorstellungen lenken zu können.
Adolf Hitler: "Ruhig abwarten!" |*ZEIT ONLINE

Genau einen Tag später soll Erich Ludendorff Hitler als einen der "größten Demagogen aller Zeiten" bezeichnet haben.

Er soll laut Hans Frank an Hindenburg geschrieben haben:

"Sie haben durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler einem der größten Demagogen aller Zeiten unser heiliges deutsches Vaterland ausgeliefert. Ich prophezeie Ihnen feierlich, daß dieser unselige Mann unser Reich in den Abgrund stoßen, unsere Nation in unfaßliches Elend bringen wird, und kommende Geschlechter werden Sie verfluchen in Ihrem Grabe, daß Sie das getan haben."
Zit. nach Lothar Gruchmann: http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1999_4_4_gruchmann.pdf

Hans Frank schrieb dies in seinen Memoiren, 13 Jahre nach der Ernennung Hitlers. Von dem angeblichen Schreiben ist ansonsten keine Spur nachweisbar. "Erst mit der Veröffentlichung der Memoiren Franks im Jahre 1953 wurde somit das Schreiben Ludendorffs vom Februar 1933 'existent'.", meint Gruchmann.

Fast zur selben Zeit erschien eine weitere Fassung des angeblichen Zitats:

"Zwei Tage später, am 1. Februar 1933, ließ Ludendorff dem Feldmarschall mitteilen:
'Sie haben durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler unser heiliges deutsches Vaterland einem der größten Demagogen aller Zeiten ausgeliefert. Ich prophezeie Ihnen feierlich, daß dieser unselige Mann unser Reich in den Abgrund stürzen und unsere Nation in unfaßbares Elend bringen wird. Kommende Geschlechter werden Sie wegen dieser Handlung in Ihrem Grabe verfluchen.'"
Wilhelm Breucker, Die Tragik Ludendorffs, Stollhamm O. J. (1953), S. 136

Gruchmann geht offensichtlich davon aus, dass Breucker die Frank-Version sprachlich überarbeitet hat. Mir scheint das auch die plausibelste Annahme. Nur das Datum will nicht ganz passen. Breuckers Vorwort datiert vom "Frühjahr 1953". Waren da Franks Memoiren schon auf dem Markt? Hat Breucker das Manuskript noch vor Drucklegung geändert?
 
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