Der Schachautomat

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1783 machte im schweizerischen Neuenburg eine Attraktion halt, die in ganz Europa Tagesgespräch war. Hofrat Wolfgang von Kempelens „Schachautomat“ passte in eine Zeit, in der skurrile Erfindungen, sprechende Maschinen und lebende Bilder förmlich boomten. Der beturbante Türke, der, an einem Tisch sitzend, mit mechanischen Bewegungen die vertracktesten Schachpartien gewann, löste beim damaligen Publikum wohlige Schauer aus. Unter den erstaunten Blicken der neugierigen Eidgenossen meldete sich ausgerechnet der zwergenwüchsige Uhrmacher Gottfried Neumann, den Androiden herauszufordern. Sein Schöpfer erbleichte! Ein Toter war wiederauferstanden!
Vierzehn Jahre zuvor hatte von Kempelen den Türken konstruiert, um die Gunst seiner Regentin, der österreichischen Kaiserin Maria Theresia zu gewinnen. (Historische Notiz: Jahre später sollte Johann Nepomuk Mälzel, (der Erfinder des Metronoms), mit dem „Schachtürken“ die USA bereisen, ein Ereignis, das in die Weltliteratur einging. Kein Geringerer als Edgar Allen Poe lüftete 1836 in seinem berühmten Essay das Geheimnis um „Maelzels Schachspieler.“ Ein kleinwüchsiger Mensch bediente die Maschinerie im Innern des Spieltisches). -- An einem trüben Novembermorgen im Jahr 1769 hatte von Kempelen einen kleinen Gefangenen aus den Bleikammern Venedigs befreit. Tibor Scardanelli, ein vagabundierender Zwerg und Meister des königlichen Spiels, wurde zum idealen Werkzeug des Hofrats.

"Ein perfektes Buch für alle, die Das Parfum gelesen haben“, schreibt ein Amazon-Leser. Parallelen gibt es in der Tat. Präzise eingefangenes Zeitkolorit, quellende Mieder, dampfende Erotik und ein Held, der durchaus an den verzwergten Grenouille erinnert. Auch um den Schachtürken ranken sich blutige Dramen. Jeder will hinter sein Geheimnis kommen, Zwerg Tibor mutiert zum Darling der erotisch aufgeladenen Damen der k.u.k.-Gesellschaft, die Kirche wähnt Frevel. Als dann noch die Geliebte des Hofrats, die schöne ungarische Aristokratin Ibolya, bei einem mysteriösen Fenstersturz ihr Leben lässt, droht dem schweigsamen Muselman, der von der Puszta-Baronin auch schon mal aufs Lästerlichste zweckentfremdet wurde, das endgültige Schachmatt. Der Journalist Löhr hat die Wissenslücken um den berühmten Schachtürken kreativ gefüllt und ein Stück üppigster Historienmalerei abgeliefert! --Ravi Unger

Robert Löhr •Der Schachautomat • Piper • 2005 • 406 Seiten

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Leopold Bloom schrieb:
Wer sich dafür interessiert:
Hier finden sich 4 Spiele (darunter gegen Napoleon) des "Türken":

Aber Napoleon hat schlecht gespielt. Ich meine mal gelesen zu haben, er sei ein guter Schachspieler gewesen. Der "Türke" hatte jedenfalls nicht sehr viel Mühe mit Bonaparte. Oder war etwa sein Neffe, Napoleon III., der gute Schachspieler?:grübel:
 
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