Die Eilshausener Gruppe an Mittelweser und im Ravensberger Land zwischen dem 3.Jahrh.

Biturigos

Aktives Mitglied
Die Eilshausener Gruppe an Mittelweser und im Ravensberger Land zwischen dem 3.Jahrh. BC bis 1.Jahrh. AD) – mögliche regionale Zuordnung?
Bernhard Sicherl unternahm 2006 auf der Konferenz „terra incognita?“ Den Versuch, eine archäologische Kulturgruppe abzugrenzen, die Eilshausener Gruppe, und diese einem aus den Schriftquellen bekannten Stamm zuzuordnen. Mein Eindruck ist, dass seine Hypothese, dass man die Eilshausener Gruppe den Angrivariern zuordnen könne, schon auf der Konferenz auf Widerspruch stieß. Jedenfalls wurde diese These nicht mehr wiederholt oder verfolgt, und auch jüngere Karten (Tausend 2009, Kehne 2011) bilden die Angrivarier traditionell nördlich der Cherusker ab. Und auch Sicherl selbst erwähnt seine These von 2006 in späteren Texten (2009, 2015) nicht mehr.
Für mich bleibt jedoch offen, ob diese Kulturgruppe mit einem anderen in den Quellen insbesondere im Zusammenhang mit den Cheruskern genannten Gentes verbunden werden kann. Die Foser, als vermuteter Klientelstamm, wird meistens nördlich des Harzes vermutet, ein anderer Kandidat sind die Chasuarier.
Falls die Fragestellung interessiert, würde ich die Kulturgruppe und Sicherls Argumente von 2006 gerafft zusammenfassen und vorstellen.

Unten im Text S. 36 ist eine Karte mit den verschiedenen archäologischen Fundgruppen abgebildet, Pos.2 die Eilshausener Gruppe

https://www.academia.edu/21425077/Zur_kulturellen_Gliederung_Westfalens_in_der_sp%C3%A4ten_Eisenzeit._In_J._Gaffrey_E._Cichy_M._Zeiler_Red._Westfalen_in_der_Eisenzeit_M%C3%BCnster_2015_33_37
 

Anhänge

  • 3-2304c5a0a6.jpg
    3-2304c5a0a6.jpg
    132,1 KB · Aufrufe: 507
Zuletzt bearbeitet:
Zuerst einmal die archäologishe Differenzierung und Zuordnung:
Die Eilshausener Gruppe
Geografisch grenzt Sicherl die Kulturgruppe folgendermaßen ein:
Nördlichster Fundort ist östlich der Weser bei Nienburg – nach Nordwesten bilden die großen Moore eine natürliche Grenze (Großes Moor bei Uchte, großes Moor bei Damme, Geestmmor usw), südwestlich bildet der Teutoburger Wald die Kulturgrenze, im Osten weitgehend entlang der Weser.
Sicherl konstatiert eine Übereinstimmung und Kontinuität in den Siedlungskammern Ravensberger Land und Mittelweser zwischen der mitteleisenzeitlichen Eilshausener Gruppe und der älterkaiserzeitlichen Siedlungskammer rheinwesergermanischer Provinz. Nördlich dieser Siedlungskammer beginnen an der Weser (Kreis Verden) die nordseegermanischen Fundgruppen, die hier den Chauken zugerechnet werden. Kontinuierlich wurden einige Gräberfelder genutzt (Hiddenhausen, Südlengern, Kr.Herford), ebenso der Mooropferplatz in Hille-Unterlübbe (Minden).
Sicherl differenziert die Eilshausener Gruppe nach Trachten (Fibelvarianten, Hängebroschen Typ Babilonie, Hohlbuckelringe), dem Grabritus (Brandgruben, ersetzen die Urnengräber der älteren Eisenzeit), im 3.Jahrhundert BC einsetzender Burgenbau von den benachbarten Kulturgruppen. Nach der Keramik ist keine Differenzierung möglich, da die Nienburger Keramik locker von der Aller bis zur Cloppenburger Geest streut.


Ich hoffe dies ist vorläufig ausreichend, ich skizziere hier auch nur neutral seine Hypothesenbildung nach. Sicherl betont in seinem Kongressbeitrag 2004
M.E. führt es hier nur weiter, die spärlichen geographisch konkreteren Schriftquellen den im Fundbild erkennbaren älterkaiserzeitlichen Siedlungskammern gegenüberzustellen. Im Fokus steht dabei im Folgenden die Siedlungskammer Ravensberger Land/ Mittelweser. Um Missverständnissen vorzubeugen, muss dabei betont werden, dass es daberi ausdrücklich nicht um eine ethnische Deutung einer Kulturprovinz mit einer rückschreibenden Stammesbenennung geht.
Terra incognita?. Die nördlichen Mittelgebirge im Spannungsfeld römischer und germanischer Politik um Christi Geburt. Akten des Kolloquiums im Lippischen Landesmuseum Detmold vom 17. bis 19. Juni 2004
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist ein sehr interessantes Thema. Die Frage, ob und inwieweit Zuordnungen von Gruppen der Kontaktzone zu Namen möglich sind, hatten wir schon ein paar Mal angeschnitten, ohne es wirklich zu diskutieren. Da ich immer noch kränkele, beschränke ich misch auf einige Stichpunkte:

- Die Grenzen sind im Text und auf der Karte verschieden angegeben, insbesondere was die Weser als Grenze betrifft.
- So eine Gruppe kann auch Zeugnisse mehrerer Ethnien enthalten.
- Zwischen Eilshausener Gruppe und den Schriftzeugnissen gab es große Veränderungen in Germanien.
- Angrivarier sind östlich der Weser bezeugt.

Wie begründet, bzw. stützt er seine Vermutung hinsichtlich der Angrivarier?
Und wo gibt es Informationen zu der angesprochenen Kontinuität? Bezieht sich die Wesergrenze nur auf diese? Wie sah es dann östlich der Weser aus?
 
Zuletzt bearbeitet:
In dem 3. Band des Ausstellungskatalogs 2000 Jahre Varusschlacht wiederholt Bernhard Sicherl S. 43-57 im Aufsatz Namenlose Stämme - Nordwestdeutschland am Vorabend der römischen Okkupation seine Ansichten zu den Angrivariern.

Er stellt hier die Quellen zu Nordwestdeutschland vor Beginn der Okkupationsphase vor. Als Schriftquelle wird zunächst "Die Ethnographie Caesars" vorgestellt (S. 44/45), bevor er auf die Archäologie eingeht, wobei er, wo sinnvoll auch Hinweise aus Schriftquellen und die Überlegungen von Linguisten erwähnt. Zunächst geht er auf "Latène- und Jastorfkultur" (S.45-48) ein, dann heißt das Thema "Zwischen Latène- und Jastorfkultur: die 'Kontaktzone' ". Dabei wird zunächst eine allgemeine Charakteristik gegeben (S.48-52), wonach er "Zur Binnengliederung der Kontaktzone" (S.52-55) die einzelnen Gruppen und Regionen charakterisiert und die unten aufgeführten Zuordnungen gibt. Abschließend geht er auf "Brüche, Wandel und Umgestaltung" ein. (S.55-57) Damit vermeidet er das Problem des zu geringen Platzes, indem er sich bei den Entwicklungen auf die beschränkt, "die letztlich die oben dargestellten großräumigen Kulturmodelle der Latène- und Jastorfkultur sowie der kleinräumigen archäologischen Gruppierungen der Kontaktzone auflösten und nach einer 'Übergangszeit' zur Entstehung der Kulturen der römischen Kaiserzeit führten." Das sind natürlich auch Faktoren, die 'Zuordnungen' zumeist allenfalls als beschränkt möglich erscheinen lassen. Ich schrieb schon einmal in irgendeinem Thread, dass man bezüglich Cheruskern oder Fosern und Pipinsburger Gruppe allenfalls von 'Protocheruskern' oder 'Protofosern' sprechen sollte, sehe aber ein, wenn wir das hier im Thread, so eindeutig, nicht ganz so streng handhaben.

Kommen wir zu den Identifikationen. Zunächst stellt er die Zuordnungen

Maas-Rur-Region (Nr.11 der Karte) zu Eburonen,
Betuwe-Issel-Region (Nr.9) zu Menapiern und
Lippe-Ruhr-Region (Nr.8) zu Sugambrern als sicher dar.

Für die Zuordnungen

Eilshausener Gruppe (Nr. 2) zu Angrivariern sowie
Pipinsburger Gruppe (Nr. 6) zu Cheruskern

sieht er "Indizien aus den Schriftquellen, nach denen um Christi Geburt in den Gebieten" ebenjene Stämme "ansässig waren." Bezüglich der

Dünsberg Gruppe (Nr.12) sei umstritten, ob Ubier oder Chatten/Bataver zuzuordnen seien.

Näher begründet wird die Zuschreibung an Angrivarier und Cherusker nicht. Für die Ubier bringt er zuvor Argumente bei der Beschreibung der Dünsberg Gruppe. Die Zuordnung von Eburonen und Menapiern erfolgt nach Caesar und die Sugambrer nach Caesar und Quellen zu den Drususfeldzügen.

Zu der Karte noch eine Bemerkung:

Es fehlen u. a. die Spuren der südlichen Nordseeanrainer, die in der fraglichen Zeit schon nachzuweisen sind. Das ist bei zu erwartenden Spekulationen zu bedenken.
 
Ich möchte jetzt wie angekündigt beginnen Sicherls Argumentation für eine Auslegung der Schriftquellen aus der Okkupationszeit zusammenzufassen.

Er entscheidet sich nur zwei Stämme als territorial gebundene politische Einheiten in Betracht zu ziehen, die Cherusker und die Angrivarier, meiner Ansicht nach grenzt er damit die Optionen zu sehr ein. Die Cherusker beginnt er in einem Ausschlussverfahren als mögliche Kandidaten für eine Verbindung mit der Siedlungskammer Mittelweser/Ravensberger Land zu widerlegen : Cäsar erwähnt sie als Nachbarn der Sueben B.G IV,10), Cassius Dio die Sugambrer und Brukterer als ihre westlichen Nachbarn (C.D 54,33,;55,1; 56,18), Drusus rückt 11 v.Chr. bis in das Gebiet der Cherusker an die Weser vor, überschritt sie aber nicht (C.D. 54,33,1 ff). Im Jahr 9 v.Chr. zog Drusus (äh, natürlich nicht alleine :still:) zum Gebiet der Cherusker, überschritt die Weser, und zog das ganze Land verwüstend bis zur Elbe (C.D. 55,1,2 ff). Aus diesen wenigen geographischen Angaben in den Schriftquellen schließt Sicherl, dass das Land der Cherusker zwar westlich der Weser im Weserbergland begann, aber im wesentlichen östlich der Weser angesiedelt war (im gleichen Tagungs-Band vertritt Peter Kehne die Lokalisierung der Cherusker als Gentilverband, der nicht gleichbedeutend mit seinem politischen Einflussbereich ist, im Weserbergland und Leinetal, die Pipinsburger Gruppe).
Zusätzlich erwähnt Sicherl die beiden Schlachtfelder des Germanicus 16 n.Chr., Idistaviso auf einer Ebene östlich der Weser, auf cheruskischen Gebiet, begrenzt durch den Fluss und Berge, laut Tacitus ermutigt Germanicus seine Legionäre damit, dass die Elbe schon näher als der Rhein sei (Tac. Annalen II,12-18), was Sicherl veranlasst über eine mögliche Lokalisierung am Weserbogen bei Bodenwerder zu spekulieren (nächster Weserpunkt zum Elbebogen bei Magdeburg). Zur Schlacht am Angrivarierwall wird die wenige Aussagekraft der Schilderung deutlich (Tac.Ann II, 19-22): auch hier begrenzen Fluss und die Berge die Römer bei der Schlacht ein, explizit sagt Tacitus nicht, dass es sich um die Weser handelt, allgemein geht man jedoch davon aus. Sicherl erwähnt zwar, dass der früher als vermutlicher Angrivarierwall bei Leese heute kritisch gesehen wird bzw. ausgeschlossen wird, dass das vorhandene Befestigungswerk mit diesem gleichzusetzen ist. Sicherl selbst glaubt, dass ein möglicher Wall zwischen Hameln und Rinteln zu suchen sei, auf einer schmalen Ebene zwischen Weser und Weserbergland. Weiter begründen tut er dies nicht: welchen Zweck hätte ein Grenzwall, wenn es sich um eine solche zwischen Angrivariern und Cheruskern handelt, an dieser Stelle?
Auch mit weiteren Argumenten schließt Sicherl die Cherusker als Kandidat für diesen Siedlungsraum aus (Aufmarschrouten der Römer entlang Lippe und Lahn Richtung obere Weser, Hilfeversuch der Cherusker für die Chatten, Entsatz des Segestes durch Germanicus aus dem Chattengebiet (Tacitus, Ann.I, 56-57) -alles spricht gegen ein weiter nördlich im Ravensberger Land und Mittelweser lokalisiertes Stammeszentrum.
Sicherl kommt dann zu den Angrivariern, nach ihrer militärischen Stärke könnte man sie nicht auf den schmalen Weserabschnitt zwischen Leese und verden eingrenzen, Tacitus erwähnt für den Triumph des Germanicus 17.n.Chr. nur die drei Stämme Chatten, Cherusker, Angrivarier, alle anderen Stämme werden nur summiert (Ann. II, 41). Eine Ansiedelung der Angrivarier in das Ravensberger Land lässt sich gut mit dem Bericht Tacitus vereinbaren, dass diese zusammen mit den Chamavern die Brukterer (an der Ems, Oberlauf) vollständig vernichtet hätten (Tac. Germania 33,35). Zusätzlich schreibt er, (Tac.Germania 36), dass die Cherusker zwischen den Chatten (im Südwesten) und den Chauken (im Norden) siedeln. Schließlich erwähnt er noch C.Ptolemaios, einen Ort "Munitio Angrivariorum" beim Weserdurchbruch bei Minden, rechts der Weser bei Dörverden einen Ort als "Tulifurdo Cauchorum Maiorum" (Chauken?), erwähnt noch dessen Völkerreihen von Nord nach Süd, und weist auf eine Namensähnlichkeit der Angrivarier mit den Engern aus dem Frühmittelalter hin.

Wahrscheinlich erkennt ihr auch die Schwachstellen seiner Argumentation:
warum sollten die Angrivarier nicht vor den Chauken im 1.Jahrhundert nach Südwesten zurückgewichen sein, und ihre Siedlungsgebiete östlich der Weser aufgegeben haben? Warum widerlegt er nur die Cherusker, die relativ sicher lokalisiert sind (Pipinsburger Gruppe), und erwähnt zum Beispiel die Chasuarier nicht als potentielle Kandidaten?
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn man die Schriftquellen zu den germanischen Stämmen wirklich ernst nimmt, wird eine Lokalisierung wirklich schwierig, denn die römischen Autoren beschreiben Wanderungen, Vertreibungen und Umsiedlungen diverser Stämme.
In Germanien ging es zu der Zeit drunter und drüber und die Stämme scheinen auch eher labil gewesen zu sein.

Insbesondere die Siedlungsgebiete der Sueben und Chatten haben sich um die Zeitenwende erheblich verlagert.
Wichtige Ereignisse sind die Westwärtsbewegung der Sueben unter Ariovistus, die Umsiedlung der Ubier, Sugambrer, römische Landzuweisung an die Chatten, Ansiedlung von Sueben am Neckar, Abwanderung der Makomannen usw., der immensum bellum usw. (chronologisch nicht geordnet)
Es klingt mehr als verwegen von den Chatten und Sueben auf das Siedlungsgebiet der Chersuker zu schließen.

Sicherl differenziert die Eilshausener Gruppe nach Trachten (Fibelvarianten, Hängebroschen Typ Babilonie, Hohlbuckelringe), dem Grabritus (Brandgruben, ersetzen die Urnengräber der älteren Eisenzeit), im 3.Jahrhundert BC einsetzender Burgenbau von den benachbarten Kulturgruppen.
Besonders interessant sind natürlich die Burgen, denn Burgen sind auch aus der schriftlichen Überlieferung bekannt. Es ist überliefert, dass Arminius die Burg des Segestes belagerte.
Daraus ist zu schließen, dass es im Siedlungsgebiet der Cherusker irgendwelche befestigten Fürstensitze oder dergleichen gegeben hat.



Schließlich erwähnt er noch C.Ptolemaios, einen Ort "Munitio Angrivariorum" beim Weserdurchbruch bei Minden, rechts der Weser bei Dörverden einen Ort als "Tulifurdo Cauchorum Maiorum" (Chauken?), erwähnt noch dessen Völkerreihen von Nord nach Süd, und weist auf eine Namensähnlichkeit der Angrivarier mit den Engern aus dem Frühmittelalter hin.
Geografische Bezeichnungen aus dem Mittelalter haben für die besprochene Zeit (nicht zuletzt wegen der ein oder anderen Völkerwanderung) nahezu keinen Quellenwert. Wenn die Cherusker Nachbarn der Sueben waren, so sollte man sie in der Nähe von Schwaben suchen.:rofl:
 
Ptolemaios schrieb schon im Altertum.

'Die' Sueben haben sich unter Ariovist nicht nach Westen bewegt. Es waren einige Sueben zusammen mit Angehörigen verschiedener Ethnien.

Der betrachtete Bereich ist auch nicht geschichtslos. Die Bewegungen und wichtige kriegerische Ereignisse werden von den Quellen berichtet und Sicherl scheint die Kontinuität der Funde zu betonen, die Eilshausener und Pipinsburger Gruppe in Verbindung mit Angrivariern und Cheruskern bringt.

Wie du schreibst, kann man Ereignisse in eine Chronologie bringen. Das erlaubt dann auch weitere Schlüsse. Zumal wir gerade bezüglich der Cherusker und Angrivarier Zeugnisse über ihr Schicksal haben.

Die Burgen wurden meist im 1. Jahhundert v. Chr. aufgegeben. Kleinere Befestigungen blieben zum Teil länger erhalten. Zudem gilt die Aussage für die gesamte Kontaktzone, soweit Gebirge betroffen waren.

Die Unsicherheiten in diesem Raum liegen eher in den kleineren Gruppen, über die selten berichtet wird.

Zudem ist ein guter Teil dessen, was Du schreibst, anachronistisch.

Dann übersiehst Du die archäologischen Quellen. Das Überschreiten der Weser und die Annäherung der Siedlung an den Osning ist durchaus zu beobachten.

Was auffällt ist:

- ,dass die behauptete Kontinuität nicht dargelegt wird. (Bisher, Biturigos ist ja noch nicht fertig.)
- ,dass die Angrivarier ausdrücklich östlich der Weser bezeugt sind.
- ,dass er bezüglich Engerns nicht die tatsächliche Ausdehnung im Frühmittelalter betrachtet, sondern nur Vorurteile wiedergibt. Tatsächlich muss er für das 'klassische' Engern bis zur Westgrenze des heutigen Kreises Paderborn gehen. (Vielleicht mit Ausnahme eines Teils von Delbrück.) Zudem sind die Engern noch weiter gewandert, so dass sie bis nach Hessen und an den Rhein gekommen sind, wo sich ihre Bezeichnung ebenfalls -wie auch im Sauerland- erhalten hat. Hinzukommt, dass ihrem Namen wie bei den Ampsivariern und Chasuvariern ein geographischer Name zugrunde liegen wird, also der Schluss von einer geographischen Bezeichnung auf ihre vermuteten damaligen Sitze nicht zulässig ist. Eine Verbindung des Namens Engern mit den Angrivariern wird aber in allenmapgeblichen Werken angenommen.
- ,dass die Veränderungen im 1. Jh. v.Chr. nicht genügend berücksichtigt sind. Im Gegensatz zu den von Maglor erwähnten Vorgängen sind diese nämlich nicht überliefert. Wie wirkten sich die Eroberung Galliens aus? Wie der nachgewiesene Aufschwung des Eisenabbaus? Wie die kulturellen Übernahmen und die nachgewiesenen Siedlungen der Pzreworsk-Kultur im Gebiet der Kontaktzone? Wie die Übernahme von Formen der Jastorf-Kultur (Stichwort Situlen)? Können wir in der Okkopationszeit noch von denselben Ethnien ausgehen?
- ,dass, wie Biturigos schon schreibt, auch andere Ethnien infrage kommen
- ,dass eine archäologisch fassbare Gruppe auch mehrere Stämme umfassen kann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn man die Schriftquellen zu den germanischen Stämmen wirklich ernst nimmt, wird eine Lokalisierung wirklich schwierig, denn die römischen Autoren beschreiben Wanderungen, Vertreibungen und Umsiedlungen diverser Stämme.
In Germanien ging es zu der Zeit drunter und drüber und die Stämme scheinen auch eher labil gewesen zu sein.

Insbesondere die Siedlungsgebiete der Sueben und Chatten haben sich um die Zeitenwende erheblich verlagert.
Wichtige Ereignisse sind die Westwärtsbewegung der Sueben unter Ariovistus, die Umsiedlung der Ubier, Sugambrer, römische Landzuweisung an die Chatten, Ansiedlung von Sueben am Neckar, Abwanderung der Makomannen usw., der immensum bellum usw. (chronologisch nicht geordnet)
Es klingt mehr als verwegen von den Chatten und Sueben auf das Siedlungsgebiet der Chersuker zu schließen.
Besonders interessant sind natürlich die Burgen, denn Burgen sind auch aus der schriftlichen Überlieferung bekannt. Es ist überliefert, dass Arminius die Burg des Segestes belagerte.
Daraus ist zu schließen, dass es im Siedlungsgebiet der Cherusker irgendwelche befestigten Fürstensitze oder dergleichen gegeben hat.
Geografische Bezeichnungen aus dem Mittelalter haben für die besprochene Zeit (nicht zuletzt wegen der ein oder anderen Völkerwanderung) nahezu keinen Quellenwert. Wenn die Cherusker Nachbarn der Sueben waren, so sollte man sie in der Nähe von Schwaben suchen.:rofl:

Entschuldigt, dass ich erst jetzt antworte. Zuerst, ich habe mich auf die Eilshausener Kulturgruppe beschränkt, und möchte nicht auf die Pipinsburger Gruppe eingehen, bzw. deren möglichen Übereinstimmung mit den Cheruskern, zu denen Peter Kehne im Band "Das latene-kaiserzeitliche Scheiterhaufengräberfeld bei Sorsum, Stadt Hildesheim" (2011, Isensee-Verlag) konstatiert:
Da immerhin die von Sprachwissenschaftlern, Archäologen und Althistorikern ermittelbaren Kernbereiche cheruskischer Siedlungen kongruent sind oder sich zumindest nicht ausschließen, steht die Forschung wenigstens im speziellen Fall der Chersuker einmal nicht vor den in zahlreichen anderen Fällen oft unüberwindbaren Schwierigkeiten, Namensverbreitungen, archäologische Fundgruppen bzw."Kulturprovinzen" und literarische Lokalisierungshinweise für germanische Stammesgebiete der frühen und hohen Kaiserzeit zur Deckung zu bringen....Eine Ursache dieser prinzipiellen Problematik ist für unseren Fall sehr wahrscheinlich darin zu sehen dass die Siedlungsgebiete der "ethnisch-gentilen" Cherusker nicht vollständig deckungsgleich mit dem Territorium des "politischen" Cheruskerstammes gewesen sein dürften und jenes nie mit ihrem politischem Machtgebiet kongruent war (vgl Peschel 1981,654ff, Kehne 2010,38ff.)
Das Scheiterhaufengräberfeld von Sorsum, dass ca. 400 Jahre genutzt wurde, von der Mittellatenezeit bis in die ältere Kaiserzeit hinein, und ursprünglich geschätzt 700 - 800 Bestattungen umfasste (von denen noch 300 bei den Ausgrabungen 1990 intakt waren), stellt exemplarisch eine Kontinuität der "frühen Cherusker" ,so Erhard Cosack, dar, einer mittellatenezeitlichen Bevölkerung, die um etwa 400 BC begann in der Mittelgebirgszone mit Wallanlagen als Fluchtburgen zu bauen (Cosack 2008).

Zurück zur Frage nach den Kontinuitäten innerhalb der Eilshausener Gruppe:
Sicherl ist da selbst defensiv. Er stellt einleitend fest, dass es vordergründig nur um die Übereinstimmung einer im 3.Jahrhundert BC sich entwickenden oder differenzierenden Kulturgruppe mit einer spätlatenezeitlichen und kaiserzeitlichen Siedlungskammer bzw. Bevölkerungsschwerpunkt handele, dem Ravensberger Land / Mittelweser. Er stellt zum Beispiel selbst fest, dass nur wenige der Wallanlagen kontinuierlich von Mittellatene bis in die römische Kaiserzeit genutzt worden sind. Das vormalige Gebiet der Eilshausener Gruppe liege innerhalb der rheinwesergermanischen Kultur, die aufgrund ihrer relativ einförmigen Fundmaterials bislang noch nicht in klar abgrenzbare Regionalgruppen gegliedert wurde, so Sicherl (S.56, Terra incognita?). Er erwähnt letztlich nur eine Verbreitungskarte frühkaiserzeitlicher Lochgürtelhaken vom Typ Voigt C, die abgesehen von Funden in römischen Militärkontexten und versprengten Stücken am Dünsberg und aus dem Leinetal vor allem innerhalb dieser Siedlungskammer
erscheinen (M.Zelle,2003, S.155-163). Zusammenfassend sagt er dann:

Die räumliche Deckung der mitteleisenzeitlichen Eilshausener Gruppe mit der älterkaiserzeitlichen Siedlungskammer Ravensberger land/Mittelweser ist umso bemerkenswerter, als in der kulturellen Entwicklung vom 3. vorchristilichen Jahrhundert zum ersten nachchristlichen Jahrhundert auch deutliche Brüche zu konstatieren sind. So scheinen nur wenige Burgen bis in die späte Eisenzeit genutzt zu werden. Zudem wird die kulturelle Entwicklung während der späten Eisen-bzw. frühen Kaiserzeit in weiten Teilen Nordwestdeutschlands besonders in der Region von Minden und an der Lippe durch starke Einflüsse aus der Jasdorfkultur überprägt. Von bemerkenswerter Konstanz ist im Gebiet der vormaligen Eilshausener Gruppe das Anlegen von Brandgruben. Dennoch gibt es kaum Gräberfelder, die kontinuierlich von der mittleren bis in die jüngere Eisenzeit belegt wurden. Eine Kontinuität ist in Nordostwestfalen nur in Hiddenhausen und Südengern, beide Kreis Herford, hinreichend nachgewiesen. Diese Gräberfelder überdauern ungebrochen bis zum Ende der Kaiserzeit. In den Gräberfeldern von Nienburg finden sich nach ältereisenzeitlicher Keramik Fibeln, die annähernd die Zeit von Frühlatène bis zur römischen Okkupation abdecken.Wichtig für die Kontinuitätsfrage ist auch der Mooropferplatz von Hille-Unterlübbe, Kr.Minden-Lübbecke, der mit einem starken Keramikniederschlag in der frühen vorrömischen Eisenzeit einsetzt, darüber hinaus aber vereinzelt kaiserzeitliche Keramik sowie eine frühe Augenfibel, Typ Almgren 45, und einen silbernen Gürtelbeschlag des vierten Jahrhunderts geliefert hat.
Zum letztgenannten Mooropferplatz von Hille stelle ich einen Text von 2009 ein, der zu einer kontinuierlichen Nutzung folgendes sagt:
Eine Hauptnutzungsphase in der frühen vorrömischen Eisenzeit kann aufgrund der Keramik als sicher gelten, ein Aufsuchen des Ortes zu anderen Zeiten ist durch weitere Funde belegt, eine Kontinuität in der Funktion aber nicht beweisbar.
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/aiw/article/viewFile/25073/18779

Zusätzlich noch einen Text von Jens Schulze Forster zum Burgenbau in der Mittelgebirgszone, der im 3.Jahrhundert eine zum Teil kurze Blüte erlebt - die Hünenburg bei Bielefeld oder die Schnippenburg enden mit der Vernichtung ihrer Mauern. Insbesondere im nördlichen Bereich brechen viele Burgen früh ab.
Die Burgen der Mittelgebirgszone. Eisenzeitliche Fluchtburgen, befestigte Siedlungen, Zentralorte oder Kultplätze? | Jens Schulze-Forster - Academia.edu

Danke Riothamus für den Hinweis auf den Ausstellungsband!
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben