Die Inquisition als Grundlage unseres Rechtssystems?

Battlefrog

Neues Mitglied
Ich habe vor kurzem gelesen, dass die Inquisitionstribunale die ersten Gerichte waren mit Anklage, Verteidigungsplädoyer etc. Alles was heute (abgesehen von den Anwälten) in unseren Gerichten passiert basiert auf der frühen Inquisition. Stimmt das ?
 
Battlefrog schrieb:
Ich habe vor kurzem gelesen, dass die Inquisitionstribunale die ersten Gerichte waren mit Anklage, Verteidigungsplädoyer etc. Alles was heute (abgesehen von den Anwälten) in unseren Gerichten passiert basiert auf der frühen Inquisition. Stimmt das ?
Ja, das ist mehr oder weniger korrekt, aber um Missverständnisse zu vermeiden - der Begriff Inquisition ist historisch ja ziemlich belastet - sollte man eher vom Inquisitionsprozess als Basis unseres Rechtssystem sprechen.

Im Wort Inquisition steckt der lateinische Stamm quaerere für fragen, suchen drin und die Neuerung des Inquisitionsprozess war die Wahrheitssuche durch Befragung, sei es den Angeklagten oder Zeugen. Diese Befragung als Mittelpunkt der Sachverhaltsermittlung löste die bisher überwiegend Zufällen (wie Gottesurteile) überlassene Art der Ermittlung ab. Eine weitere Neuerung war die Festlegung eines einheitlichen und standardisierten Prozessverlaufs.
Der größte Unterschied zu heutigen Prozessen ist aber die Position des Richters, dieser übte meist gleichzeitig neben der richterlichen Funktion auch die Rolle das Anklägers (unseres Staatsanwaltes sozusagen) aus und natürlich die Option der "peinlichen" Befragung, dh. Androhung bzw. Einsatz der Folter doch sah man diese als Teil des Befragungsprozesses an.

So absurd es klingen mag war die Inquisition zu Anfang ein Fortschritt in den Bereichen Prozessführung und Rechtsvereinheitlichung. Und auch unsere heutige Rechstsprechung ist eigentlich eine Weiterentwicklung des Inquisitionsprozesses.
 
Zuletzt bearbeitet:
römisches Recht?

Battlefrog schrieb:
Ich habe vor kurzem gelesen, dass die Inquisitionstribunale die ersten Gerichte waren mit Anklage, Verteidigungsplädoyer etc.

Ich bin mir nicht sicher, ob man die Prozesse in der röm. Republik auch als Gerichte bezeichnen kann, aber meines Wissens nach gab es sicher auch schon damals Anklage und Verteidigung (und eigentlich auch sonst beinahe alle Bestandteile, die auch bei einem heutigen Gericht vorkommen).

Vielleicht baut das heutige Rechtssystem direkt schon auf den Inquisitionsverfahren auf, da diese einfach näher zurück liegen und sich dann weiterentwickelt haben bis heute.
Als Grundlage unseres Rechtssystems würde ich jedoch das römische Recht bezeichnen, da sich auch schon die Inquisition das römische Recht und dessen Ketzer-Gesetzgebung als Vorbild nahm.
 
FireAgle,
von einem roemischen Richter konntest Du freigesprochen werden, wenn ihm die Zeugenaussagen nicht schluessig erschienen.
Rhetorik war deshalb ein wichtiges Studienfach.
Spaeter musste ein Richter den beklagten verurteilen wenn "Zeugen" das Vergehen "bezeugt" hatten, selbst wenn es faktisch unmoeglich war.

Was aber anders war, ist die Zurechnung Deines Handelns als Ursache fuer den Schaden: Schaden da - Du haftest.

Bei den Hexenprozessen wollte man erstmals herausfinden, welche Absicht, Schuld, Gesinnung beim Taeter vorlagen.

Der Blick auf persoenliche Umstaende haben wir den Hexenprozessen zu danken.
Gruesse
Ralf
 
Also eins sollte hier schon betont werden.
Die Inquisition wurde ursprünglich eigeführt um der Katharerpriester Herr zu werden.
Dabei wurde ursprünglich NUR die Befragung und KEINESFALLS die Folter eingesetzt. Geständnisse unter Folter waren nicht zulässig.

Erst in spätere Zeit wurden Befragungen "outgesourct". Nämlich zu den weltlichen Autoritäten. Die folterten ohne Hemmungen.
Ausserdem wurde dann auch noch die Vollstreckung in weltliche Hände gelegt, die für Majestätsverbrechen wie z.B. Zauberei nur die Todesstrafe anwendeten.
Ähnliches ist dann auch bei der spanischen Inquisition zu beobachten.
Keinesfalls hat der Hexenwahn der Neuzeit irgendetwas mit der Inquisition zu tun.
Auch wenn es sich bei den Verfassern des Hexenhammers um Priester handelte.
Leider wird im Volk heute Inquisition gern mit den Hexengreuel vermischt.

An und für sich ist das Inquisitionsverfahren, das das Ordalrecht ablöste ein ziemlich modern anmutendes Verfahren und stellte einen echten Fortschritt dar.
Im weitesten Sinn kann man tatsächlich vom Vorläufer unseres Rechtsystems reden.

mfg
 
hideyoshi schrieb:
Erst in spätere Zeit wurden Befragungen "outgesourct". Nämlich zu den weltlichen Autoritäten. Die folterten ohne Hemmungen.

Auch weltliche Autoritäten folterten nicht ohne Hemmungen. Der Einsatz der Folter folgte bestimmten rechtlichen Vorgaben, die vom (neuerlichen) Aufkommen der Folter im 13. Jhd. an zunehmend enger gezogen wurden. Auch den Zeitgenossen war durchaus klar, wie unzuverlässig die Folter in Hinblick auf die Aufklärung tatsächlicher oder vermeintlicher Verbrechen war. Nichtsdestotrotz konnte das spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Rechtssystem nicht auf die Folter verzichten, weil der Inquisitionsprozess anders als der ältere Akkusationsprozess übereinstimmende Zeugenaussagen oder ein Geständnis erforderte. Die Folter musste also eine strukturelle Schwäche des Rechtssystems kompensieren, war damit aber zugleich in ein Umfeld eingebettet, das eine hemmunglose Anwendung dieses Mittels obsolet machte. Anders als Folter im Kontext moderner totalitärer und diktatorischer Systeme war Folter in der Vormoderne (bei aller kritischen Distanz zu einer für heutige Begriffe inhumanen Form der Rechtsfindung) im Allgemeinen methodisch schwächer (bereits Präsentation der Werkzeuge zählte als Form der Folter) und diente durch Erlangung eines Geständnisses der Rückkehr des Büßers in die christliche Gemeinschaft und durch die so bewiesene Reue der Abwendung schärfster weltlicher Strafen.

Nennenswerte Ausnahme zu dieser Regel sind dann tatsächlich die Hexenprozesse, weil hier unter der Prämisse eines crimen exceptum, eines außerordentlichen Verbrechens, sämtliche rechtliche Schranken niedergerissen und sonst wirksame Schutzmechanismen außer Kraft gesetzt wurden. Wie richtig gesagt wurde, hat das dann aber wenig mit der Inquisition zu tun.
 
Hallo allerseits,

in meiner Weiterbildung habe ich gelernt, dass das römische Recht Grundlage unserer Rechtsprechung ist (BRD).

Soweit ich weiß, probierte die Kirche das Inquisitionsverfahren zuerst am Templerorden aus.
LG
Fog
 
Hallo Hulda,

Grundlage in der Hinsicht, dass Person und Gegenstand getrennt waren in der römischen Rechtsprechung.
Fog
 
Vielleicht baut das heutige Rechtssystem direkt schon auf den Inquisitionsverfahren auf, da diese einfach näher zurück liegen und sich dann weiterentwickelt haben bis heute.
Als Grundlage unseres Rechtssystems würde ich jedoch das römische Recht bezeichnen, da sich auch schon die Inquisition das römische Recht und dessen Ketzer-Gesetzgebung als Vorbild nahm.

Dem stimme ich zu. Im 13. Jahrhundert erlebte das römische Recht in Frankreich eine Art Comeback. Die Könige förderten das R.R. um die Gerichtsbarkeit des Lehnsadel zurück zudrängen um die eigene königliche Justiz zu stärken. In dieser Zeit viel auch die Organisierung der Inquisition, die zwar nach den Albigenserkriegen von der römischen Kirche gegründet wurde, aber maßgeblich unter französischen Einfluß stand.
 
Zu einer anderen Sache noch:

Soweit ich weiß, probierte die Kirche das Inquisitionsverfahren zuerst am Templerorden aus.

Das stimmt nicht.
Das Inquisitionsverfahren wurde zuerst in Auseinandersetzung mit den Katharern umgesetzt - fast 100 Jahre früher. Außerdem wurde das Inquisitionsverfahren gegen die Templer vom französischen König instrumentalisiert.
 
Ich habe mal eine Arbeit mit der Überschrift: "Die Bedeutung der Folter im frühneuzeitlichen Inquisitionsprozeß" geschrieben und möchte hier einen Auszug nämlich ein Kapitel abtippen, das für den Thread hilfreich sein könnte. Bis zu dem Zeitpunkt, da ich diese Arbeit schreiben musste, habe ich Inquisition auch nur mit der Heiligen Inquisition verbunden, doch musste ich feststellen, dass der Inquisitionsprozess im Recht wirklich zur einer "Verbesserung" führte, auch wenn die Folter für die Urteilsfindung ein sehr schlimmes Übel war, das man nicht schön reden kann.

»II.1. Entwicklung und Grundzüge des Inquisitionsprozesses

Vor der Entwicklung des Inquisitionsprozesses war im deutschen Raum der Akkusationsprozess üblich, bei dem das Verfahren erst dann in Gang gesetzt wurde, wenn der Geschädigte selbst oder jemand aus seiner Familie bzw. ein Freund Anklage erhoben hat.1 Hier ging es in einem Verfahren einzig und allein darum, einen Streit zwischen zwei Parteien in geregelten Bahnen zu einem Ziel zu lenken, ohne dass daraus eine ausufernde Auseinandersetzung entstand. Da man davon ausging, ein Straftäter begehe lediglich an dem Geschädigten beziehungsweise an der Sippe des letzteren ein Verbrechen und nicht an der Allgemeinheit, interessierte sich die Obrigkeit kaum an den Ausgang eines solchen Verfahrens.2
Diese Situation änderte sich aber als die Gesellschaft komplexer wurde und die Sippenverbände mehr in den Hintergrund traten.3 Vor allem die Städte des Spätmittelalters, die sich mit der vermehrten Zahl der „landschädlichen Leute"4, welche den Handel und das alltägliche Leben gefährdeten, konfrontiert sahen, hegten nun großes Interesse an der Verbrechensbekämpfung.5 Die aus diesen Umständen erste resultierende Veränderung war, dass nicht mehr Privatkläger vonnöten waren, sondern die Obrigkeit selbst die Verfahren einleitete – ohne dass es überhaupt einen Ankläger geben musste. Um gegen die Bedrohung von Handel und Leben anzukommen, ging es fortan nämlich nicht mehr nur darum eine Auseinandersetzung zweier Parteien zu einem Ausgleich zu bringen, vielmehr sollte wieder Ordnung geschaffen und die Straftäter sollten ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Aus dem neuen Verständnis der Obrigkeit als Schützer des Gemeinwohls 6, musste daher ein Verbrecher belangt werden, auch wenn es keinen privaten Kläger gab.7
Man wollte folglich den wahren Täter ausfindig machen und dafür musste man die Wahrheit herausfinden. In der Prozessform, die sich aufgrund dieser neuen Problematik herausbildete und die als Rezeption des römischen Rechts und der geistlichen Rechtsprechung gilt8, wurden Verfahren durch die Obrigkeit eingeleitet und der Sachverhalt der Tat wurde, um die Wahrheit herauszufinden, zur Not unter Zuhilfenahme der Folter erforscht respektive inquiriert – daher auch der Name Inquisitionsprozess.9
In der Forschung wird diskutiert, inwiefern sich die Folter aufgrund der Rezeption des römischen Rechts und durch die Aufnahme der Folter in der geistlichen Rechtsprechung, die den Inquisitionsprozess schon früher kannte als die weltlichen Gerichte, in Europa etabliert hat. Die Gegner dieser These sehen den Grund für das Aufgreifen der Folter vorrangig in der neuen gesellschaftlichen Situation, die eine neue strafrechtliche Praxis – den Inquisitionsprozess – erforderte, wie weiter oben dargestellt.10
Für die Form des Inquisitionsprozesses ist wichtig zu erwähnen, dass es im Grunde gleich war, ob ein Richter oder aber ein Beauftragter des Landesherrn das Urteil fällen sollte, weil es keine richterliche Unabhängigkeit gab. Im Zweifelsfall entschied immer der Landesherr oder der Stadtrat. Und die Gerichtssitzung, die die Öffentlichkeit zu sehen bekam, nachdem die Untersuchungen durchgeführt wurden und nachdem ein Urteil schon gefällt war, kann man als ein Schauspiel bezeichnen, bei dem die Schöffen zur Urteilsfindung beitragen und der Richter im Nachhinein das schon längst gefällte Urteil nochmals im öffentlichen Raum verkündet.11
Bloß zwei Augenzeugen, die die Straftat beobachtet haben12, oder ein Geständnis konnten die Wahrheit beweisen und so zur einer Verurteilung führen; andere Mittel standen der damaligen Kriminalistik nicht zur Verfügung.13

1 Baldauf, Dieter: Die Folter. Eine deutsche Rechtsgeschichte. Köln u.a. 2004, S. 60-63 (im Folgenden zitiert als: Baldauf, Die Folter).

2 Baldauf, Die Folter, S. 60.

3 Der an dieser Stelle angesprochene Wandel der Gesellschaft und das Verblassen der zusammenhaltenden Sippenverbände kann mit der Herausbildung des Städtewesens verbunden werden, in dem neue Lebensformen entstanden und dadurch die Sippen, die traditionell eine Sicherungsfunktion für ihre Mitglieder hatten, nicht mehr griffen. – vgl. Irsigler, Franz/ Lassotta, Arnold: Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker. Außenseiter in einer mittelalterlichen Stadt. Köln 1300-1600, München 2001, S. 20.

4 Landschädliche Leute bzw. nocivi terrae „bildeten ein teilweise organisiertes Gewerbs- und Gewohnheitsverbrechertum“, das im Spätmittelalter gefährliche Ausmaße annahm. - vgl. Baldauf, Die Folter, S. 59.

5 Mit Blick auf die vermehrte Kriminalität ist auch auf einen Aufsatz von Ernst Schubert zu verweisen, der unter anderem deutlich macht, dass die Armut in den spätmittelalterlichen Städten zu nahm und daraus auch eine höhere Kriminalitätsrate resultierte. Leider werden die Hintergründe der vermehrten Armut nicht eingehend beleuchtet, auch wenn doch in einigen Fallbeispielen darauf hingewiesen wird, dass mitunter die fehlende Unterstützung durch Familienverbände Schuld trug. - vgl. Schubert, Ernst: Gauner, Dirnen und Gelichter in deutschen Städten des Mittelaters, in: (Hrsg.) Cord Mecksepper/ Elisabeth Schraut, Mentalität und Alltag im Spätmittelalter, Göttingen 1991, S. 97-128.

6 Eine zusätzliche Erklärung ist die postulierte Einheit von Herrschaft und Recht, die schließlich die Verbrechensbekämpfung zu einem Aufgabengebiet der Obrigkeit werden lässt. – vgl. Lexikon der Aufklärung, Werner Schneiders (Hrsg.), München 1995.

7 Baldauf, Die Folter, S. 66f.

8 Peters, Edward: Folter. Geschichte der Peinlichen Befragung, Hamburg 1991, S. 68 f (im Folgenden zitiert als: Peters, Folter).

9 Baldauf, Die Folter, S. 63-65.

10 vgl. Peters, Folter, S.80f.; Baldauf, Die Folter, S. 50f.; Trusen, Winfried: Gelehrtes Recht im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Domenico Maffei u.a. (Hrsg.), Bibliotheca Eruditorium, Bd. 23, Goldbach 1971, S. 84 (im Folgenden zitiert als: Trusen, Gelehrtes Recht).

11 Baldauf, Die Folter, S. 66.; S.98-100.

12 Hier gilt der Lehrsatz: „Unus testis – nullus testis“.– vgl. Mitteis, Heinrich/ Lieberich, Heinz: Deutsche Rechtsgeschichte (14. Auflage), München 1976, S. 294. (im Folgenden zitiert als: Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte).

13 Baldauf, Die Folter, S. 63.«
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch weltliche Autoritäten folterten nicht ohne Hemmungen. Der Einsatz der Folter folgte bestimmten rechtlichen Vorgaben, die vom (neuerlichen) Aufkommen der Folter im 13. Jhd. an zunehmend enger gezogen wurden.

Hier kann ich Herold nur zustimmen. Zum einen kann man nicht nur auf die rechtlichen Vorgaben verweisen, sondern auch auf überlieferte Beispiele.
In einem Fall wiesen Indizien darauf hin, dass ein Zimmermädchen an einem Raub von Geld aus der Kriegskasse beteiligt war. Sie wurde gefoltert, hat aber dennoch geleugnet. Das Gericht erkannte sie als unschuldig.
Der Adlige nun, in dessen Besitz sich die Kasse befunden hatte, als Geld daraus entwendet wurde, verlangte nun, dass sie nochmals gefoltert werden sollte, was die Stadt jedoch verneinte und sich dabei auf die Constitutio Criminalis Carolina berief. Wenn man aufgrund eines Indizes gefoltert wurde und die Folter konnte kein Geständnis erbringen, so konnte eine weitere Folter nur dann ausgeführt werden, wenn ein neues Indiz gefunden wurde.
Damit soll nicht die Folter und ihre Anwendung schön geredet werden, die Folter ist zu verurteilen; hier muss sie aber historisch und nicht moralisch betrachtet werden; man sollte deshalb nicht immer von willkürlichen Akten grausamer Herrscher und Richter ausgehen, wie wir es uns oft vorstellen, wenn von Inquisitionsprozess und Folter die Rede ist.
Gleichzeitig muss man natürlich auch auf die Missstände aufmerksam machen und aufzeigen, dass es durchaus auch willkürliche Folterungen gab. So wird zum Beispiel auch von einem Fall berichtet, wo die Richter während der Anwendung der Folter zum Mittag essen geganen sind, so dass der Folterknecht unbeobachtet seine grausame Arbeit verrichten konnte. Auch wurden Menschen zu Tode gefoltert!
Doch das war nicht Ziel dieses Werkzeugs, mit dem man die Wahrheit herausfinden wollte.
Hier erlaube ich mir nochmals aus meiner Arbeit zu zitieren:

»Zu einer festgelegten Regel wurde die Prüfung von Geständnissen erstmals durch die Bamberger Halsgerichtsordnung und nachher durch die Constitutio Criminalis Carolina, auf die später noch eingegangen werden muss.1 Das Geständnis war kein Ersatz für ein Urteil, es erleichterte jedoch dem Richter die Urteilsfindung, da es ihn absicherte.2
Es ist allerdings nicht nur problematisch zwei Augenzeugen zu finden, auch ein Geständnis würde man nur in den seltensten Fällen von dem Angeklagten erwarten dürfen, wenn hier nicht ein anderes Mittel zum Einsatz käme: Die Folter war oftmals die einzige Möglichkeit ein Geständnis zu erlangen. An dieser Stelle muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Folterung, die zur Erzwingung eines Geständnisses vorgenommen wurde, nicht dazu gedacht war, willkürlich einen Unschuldigen verurteilen zu können; man wollte mit Hilfe der Tortur den wahren Täter finden.3
Ein Geständnis, das außerhalb des Gerichts abgelegt wurde oder ein Geständnis, das während der Folter gemacht wurde, galt nur in dem Fall, wenn es im Nachhinein freiwillig vor dem Richter wiederholt wurde.4 «

1 Baldauf, Die Folter, S. 63f.
2 Schmoeckel, Humanität und Staatsraison, S. 204 f.
3 Baldauf, Die Folter, S. 64 f.
4 Trusen, Gelehrtes Recht, S. 178 f.
 
Hier kann ich Herold nur zustimmen. Zum einen kann man nicht nur auf die rechtlichen Vorgaben verweisen, sondern auch auf überlieferte Beispiele.
In einem Fall wiesen Indizien darauf hin, dass ein Zimmermädchen an einem Raub von Geld aus der Kriegskasse beteiligt war. Sie wurde gefoltert, hat aber dennoch geleugnet. Das Gericht erkannte sie als unschuldig.
Der Adlige nun, in dessen Besitz sich die Kasse befunden hatte, als Geld daraus entwendet wurde, verlangte nun, dass sie nochmals gefoltert werden sollte, was die Stadt jedoch verneinte und sich dabei auf die Constitutio Criminalis Carolina berief. Wenn man aufgrund eines Indizes gefoltert wurde und die Folter konnte kein Geständnis erbringen, so konnte eine weitere Folter nur dann ausgeführt werden, wenn ein neues Indiz gefunden wurde.
Damit soll nicht die Folter und ihre Anwendung schön geredet werden, die Folter ist zu verurteilen; hier muss sie aber historisch und nicht moralisch betrachtet werden; man sollte deshalb nicht immer von willkürlichen Akten grausamer Herrscher und Richter ausgehen, wie wir es uns oft vorstellen, wenn von Inquisitionsprozess und Folter die Rede ist.
Gleichzeitig muss man natürlich auch auf die Missstände aufmerksam machen und aufzeigen, dass es durchaus auch willkürliche Folterungen gab. So wird zum Beispiel auch von einem Fall berichtet, wo die Richter während der Anwendung der Folter zum Mittag essen geganen sind, so dass der Folterknecht unbeobachtet seine grausame Arbeit verrichten konnte. Auch wurden Menschen zu Tode gefoltert!
Doch das war nicht Ziel dieses Werkzeugs, mit dem man die Wahrheit herausfinden wollte.
Hier erlaube ich mir nochmals aus meiner Arbeit zu zitieren:

»Zu einer festgelegten Regel wurde die Prüfung von Geständnissen erstmals durch die Bamberger Halsgerichtsordnung und nachher durch die Constitutio Criminalis Carolina, auf die später noch eingegangen werden muss.1 Das Geständnis war kein Ersatz für ein Urteil, es erleichterte jedoch dem Richter die Urteilsfindung, da es ihn absicherte.2
Es ist allerdings nicht nur problematisch zwei Augenzeugen zu finden, auch ein Geständnis würde man nur in den seltensten Fällen von dem Angeklagten erwarten dürfen, wenn hier nicht ein anderes Mittel zum Einsatz käme: Die Folter war oftmals die einzige Möglichkeit ein Geständnis zu erlangen. An dieser Stelle muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Folterung, die zur Erzwingung eines Geständnisses vorgenommen wurde, nicht dazu gedacht war, willkürlich einen Unschuldigen verurteilen zu können; man wollte mit Hilfe der Tortur den wahren Täter finden.3
Ein Geständnis, das außerhalb des Gerichts abgelegt wurde oder ein Geständnis, das während der Folter gemacht wurde, galt nur in dem Fall, wenn es im Nachhinein freiwillig vor dem Richter wiederholt wurde.4 «

1 Baldauf, Die Folter, S. 63f.
2 Schmoeckel, Humanität und Staatsraison, S. 204 f.
3 Baldauf, Die Folter, S. 64 f.
4 Trusen, Gelehrtes Recht, S. 178 f.


Die Folter als Instrumentarium der Wahrheitsfindung erscheint aus heutiger liberaler Sicht als furchtbar, doch erinnern wie uns daran, dass es bestenfalls 1- 2 Dutzend Staaten abgeschafft ist, und es sind noch viel weniger Staaten wo die Abschaffung nicht nur auf dem Papier steht. Sie fand in der größten Demokratie am Anfang des 21. Jahrhunderts plötzlich wieder namhafte Befürworter für die der Zweck die Mittel heiligt.

Die Constitutio Criminalis Carolina hat eigentlich durchaus zu Unrecht einen so schlechten Ruf, und sie hatte als Strafgesetzbuch immerhin fast 300 Jahre Bestand, erst durch die Justizreformen in napoleonischer Zeit wurde der Code Civil und der Code penal eingeführt. Eine Verurteilung war nun auch auf der Basis von Indizien möglich.


Der Inquisitionsprozess war gekennzeichnet durch seine enge Beweisführung. Nur durch Tatzeugen oder durch ein Geständnis konnte ein Delinquent überführt werden. Wo die Folter noch legal war, wurde sie in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht mehr mit der Brutalität angewendet wie im 17. Jhd. Schläge aber zählten überhaupt nicht als Folter und mancher Inquisit wurde halbtot und zum Krüppel geschlagen. Vor allem dauerten die Untersuchungen wahnsinnig lange, und mancher Gefangene wurde darüber alt und grau oder starb in der Haft.
 
Freilich können die "Inquisitionsprozesse" nicht als Wurzel allen Rechtssystems bezeichnet werden. Recht geht zweifelsohne einher mit dem Herrschaftsanspruch über ein größeres Territorium -die zuverlässige Erwartung, die eigenen Verhaltensanforderungen auf andere projezieren zu können - wo persönlicher Kontakt nicht mehr uneingeschränkt möglich ist.

Und das Thema der Gerechtigkeit stammt vom Trennungsdogma Körper/Seele, bzw. Psyche ab. Wie sind die Unterschiede zwischen Menschen zu erklären, wenn doch im Prinzip alle gleich sind?? Hierher kommt auch der Ursprung der Religion: die Lösungen hierfür müssen aufgrund faktischer Unabänderbarkeit im Jenseits zu suchen sein.

In diesen Theorien und den daraus fließenden Praktiken, von Griechenland über Rom, Mittelalter bis heute sind die stets stringenter ausdifferenzierten Verwirklichungsformen dieses Dogmas zu finden. Auch Inquisitionsprozesse sind nur ein Schritt auf dem Weg.

Die -etwas kurzgreifende Rechtstheorie, die diesen abstrakten Hintergrund freilich ungenügend berücksichtigt- rekurriert auf die Verbindung von mystisch/magischen Vorstellungen im ursprünglich germanischen Recht und dessen Verbindungen mit dem römischen Recht -insbesondere seit der Renaissance. Dieser Dualismus wird im kleinen auch heute noch deutlich: nach germanischen Recht werden Erben geboren, nach römischen erkoren.

Letztlich ist es aber nur die Weiterentwicklung des abstrakten Körper/Seele Dogmas, das Recht und Lauf der Zeit bestimmt, das andere sind nur zu vernachlässigende Sandkörner...
 
Die -etwas kurzgreifende Rechtstheorie, die diesen abstrakten Hintergrund freilich ungenügend berücksichtigt- rekurriert auf die Verbindung von mystisch/magischen Vorstellungen im ursprünglich germanischen Recht und dessen Verbindungen mit dem römischen Recht -insbesondere seit der Renaissance. Dieser Dualismus wird im kleinen auch heute noch deutlich: nach germanischen Recht werden Erben geboren, nach römischen erkoren.
...

Der fett markierte Satz ist mir aufgefallen, da ich an diesem Thema immer mal wieder "rumdenke", erst kürzlich durch die ethische Diskussion über die Babyklappen.
Bei der Staatsangehörigkeit haben wir auch dieses Abstammungserbrecht, wie anders war das bei den Römern und anderen geschichtlichen Kulturen?

Wenn anderen etwas dazu einfällt, könnte das Thema ausgegliedert werden.
 
Und das Thema der Gerechtigkeit stammt vom Trennungsdogma Körper/Seele, bzw. Psyche ab. Wie sind die Unterschiede zwischen Menschen zu erklären, wenn doch im Prinzip alle gleich sind??

Was hat Gleichheit mit Gerechtigkeit zu tun?


Hierher kommt auch der Ursprung der Religion: die Lösungen hierfür müssen aufgrund faktischer Unabänderbarkeit im Jenseits zu suchen sein.

Und was hat Religion mit Gleichheit zu tun?


Die -etwas kurzgreifende Rechtstheorie, die diesen abstrakten Hintergrund freilich ungenügend berücksichtigt- rekurriert auf die Verbindung von mystisch/magischen Vorstellungen im ursprünglich germanischen Recht und dessen Verbindungen mit dem römischen Recht -insbesondere seit der Renaissance. Dieser Dualismus wird im kleinen auch heute noch deutlich: nach germanischen Recht werden Erben geboren, nach römischen erkoren.

Das ist auch alles ein wenig zu plaktativ formuliert und über einen Kamm gezogen. Mir fehlt aber die Zeit, das hier gebührend auseinanderzupfriemeln.


Letztlich ist es aber nur die Weiterentwicklung des abstrakten Körper/Seele Dogmas, das Recht und Lauf der Zeit bestimmt, das andere sind nur zu vernachlässigende Sandkörner...

Ich bin mir nicht sicher, ob man das als Weltanschauung werten könnte, die in diesem Forum laut Forumsregeln zu unterlassen sind.
 
In Bezug auf die ersten, wenig ansprechend formulierten Nachfragen verweise ich im Prinzip auf schon lange anerkannte Erkenntnisse in Lehrbüchern der Religionssoziologie, die ich beizeiten gerne mal auszuführen bereit bin.


Der Vorwurf, plakativ gewesen zu sein und alles über einen Kamm geschert zu haben, ist -in Anbetracht der Kürze des Beitrags- vollkommen korrekt; der Vorwurf selbst -noch kürzer als besagte kritisierte Stelle und ohne jeglichen inhaltlichen Hinweis- führt sich damit aber selbst ab absurdum und ist gewiss nicht sachlicher als die Stelle, die er zu kritisieren meint. Auf Inhalte bin ich gern bereit zu antworten.
 
In Bezug auf die ersten, wenig ansprechend formulierten Nachfragen verweise ich im Prinzip auf schon lange anerkannte Erkenntnisse in Lehrbüchern der Religionssoziologie, die ich beizeiten gerne mal auszuführen bereit bin.


Das nenn ich mal ein Angebot! Ich warte ganz gespannt. :winke:


Der Vorwurf, plakativ gewesen zu sein und alles über einen Kamm geschert zu haben, ist -in Anbetracht der Kürze des Beitrags- vollkommen korrekt; der Vorwurf selbst -noch kürzer als besagte kritisierte Stelle und ohne jeglichen inhaltlichen Hinweis- führt sich damit aber selbst ab absurdum und ist gewiss nicht sachlicher als die Stelle, die er zu kritisieren meint.

Es war nicht als Vorwurf gemeint, sondern als Feststellung. Dass es eine reductio ad absurdum sein soll, erschließt sich mir nicht. Da bitte ich doch um einen formallogischen Nachweis.
 
Zurück
Oben