Die Irminsäule

Trajan schrieb:
Ave Mercy,

Nunja, ich habe sein Buch gelesen, sicherlich ist Hammerbacher kein penibler Fachhistoriker und vielleicht auch ein bisschen angebräunt, aber schlecht ist dass Buch auch nicht. Zitierbar ist es jedenfalls, da es sonst nicht viel zur Irminsul gibt. Natürlich schiesst Hammerbacher mit seiner Irminsulbegeisterung schonmal übers Ziel hinaus, aber das Buch ist unterhaltsam und spricht auch alle wesentlichen Tatsachen an.

Auch ich bin von der Qualität des Buches nicht überzeugt. Das Buch ist wohl ein unveränderter Nachdruck von etwa 1972, da im Literaturverzeichnis die neueste benutzte Literatur von 1972 angegeben ist. Die Angabe des Jahres 2000 vorne im Buch und das "modern" anmutende Umschlagsbild soll den (oberflächlichen) Leser darüber hinwegtäuschen, dass es sich im ein mehr als 30 Jahre altes Buch handelt, dem keinerlei aktuelle Forschung zugrunde liegt, sondern völkische Wunschvorstellungen. Selbst wenn das Symbol an den Externsteinen die Irminsul wäre (was Hammerbacher als gegeben hinnimmt), dann sind ähnliche oder auch nur vage ähnliche Symbole hunderte von Jahre später nicht automatisch die Irminsul.

Um meine negative Einschätzung Hammerbaches zu untermauern, hier zwei Beispiel aus dem Buch:

Auf der Seite mit den Verlagsangaben wird vom "sogenannten Kreuabnahmerelief" an den Externsteinen geredet (!!!!!!). Mir fällt es schwer, in der Abbildung keine Kreuzabnahme zu sehen...

Zweites Beispiel wäre folgende rassistische Aussage zu Karl dem Großen:

"So werden die Vorzüge dieser Herrschergestalt stark gemindert und verdunkelt durch Schwächen seiner Persönlichkeit und Fehler in seiner Staatsführung. Wir werden in der Annahme bestärkt, daß Karl durch seine Abkunft von den Pippinen auch einige nichtgermanische Vorfahren gallorömischen Blutes hatte."

Das ist nicht nur leicht braun, das ist, wie gesagt, eindeutiger Rassismus. Fehler ins Karls Persönlichkeit werden "falschem Blut" zugeschrieben. Reinrassigkeit wird damit gepredigt. Rassenvermischung abgelehnt. Das ist die Schlußfolgerung, die man aus Hammersbachers Argumentation ziehen soll.

Dennoch ist es interessant, das Buch zu lesen und für eine Arbeit "völkische Argumentatsionweisen nach 1945" wäre es sicher zitierfähig. Die Bilder sind auch ganz nett.

Trajan schrieb:
Sonst hätte ich noch Karl Schoppe, Die Irminsul, Forschungen über ihren Standort, Verlag Schöningh, Paderborn1947 anzubieten.

Schon etwas älter, aber mit mehr brauchbaren Material versehen als Hammersbacher.

Trajan schrieb:
Tja dass ist eine Malesse. Die ganze Germanenforschung ist ja durch die nationalistische- und nationalsozialistische Geschichtsforschung bis heute in Veruf geraten. Da wird aber heute auch häufig das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, während damals alles germanisch sein musste, darf heute so recht nichts mehr germanisch sein.

Das glaube ich - auch angesichts der zahlreichen Veröffentlichungen und Gruppen zum Thema Germanentum - nicht.

Trajan schrieb:
Das Problem an den Externsteinen ist, dass der komplette antike Bodenhorizont, der uns ja hier interessiert, schon seit dem 17.Jhd. vollständig vernichtet wurde (Jagdschlossbau1652-1666, ab 1670 Wirtshaus, künstlicher Teich 1836, Eisenbahn 1912-1953 und alte Handelsstrasse Paderborn/Horn von der Antike bis ins 20 Jhd., alles mitten durch und drin, und vieles mehr). Da ist praktisch nichts mehr aufzufinden, man findet in der oberen Schicht nur mittelalter/neuzeitliches oder wenn man richtig tiefgeht auch steinzeitliches. Die antike Bodenschicht ist aber komplett ausgetauscht durch die diversen Baummassnahmen mindestens seit dem 17 Jhd.

Das Uta Halle da nichts germanisches mehr findet ist nur folgerichtig und auch dass in den unsachgemässen Ausgrabungen der1880er und 1930er Jahren an den vermeintlichen Funden viel rumgedreht werden musste.

Ganz richtig. Vor allem in den 30er Jahren wurde noch einmal sehr viel zerstört. Auch nach dem Krieg teilweise, aber nicht soviel, wie z.B. rechtsextreme Verschwörungstheoretiker vermuten.

Trajan schrieb:
Auf der anderen Seite aber erscheint es absurd anzunehmen, dass in Stein- und Bronzezeit und dann erst wieder, ausgerechnet im christlichen, Mittelalter diese Naturdenkmal kultische Bedeutung hatte und es in der Antike aus unerfindlichen Gründen ausgerechnet von den naturverliebten Germanenkulten ignoriert gewesen sein sollte.
Hier könnte man fragen (ich weiß es selber nicht): liegen weitverbreitete Zeugnisse für eine Gesteinsverehrung bei den Germanen vor ?

Trajan schrieb:
Nein, die Externsteine hatten mit ziemlicher Sicherheit eine wie auch immer geartete kultische Bedeutung in der Antike, wie die genau aussah, naja, da wissen wir ausser aus den Reiseberichten zu KdG und der Irminsul nur andeutungsweise etwas.

Deswegen aber ist hier die korrekte Interpretation der geknickten Palme/Irminsul so bedeutungsvoll ! Wenn wirklich kein Gegenbeispiel, d.h. eine weitere geknickte christliche Palme bei der Kreuzabnahme aus ungefähr der Zeit um 1150 aufzutreiben ist, dann muss man wohl von einer Irminsul an diesem Orte oder unweit davon ausgehen.

Sehe ich nicht so. Die Abwesenheit einer geknickten Palme in anderen Bildwerken soll Dir zufolge beweisen, dass die Irminsul an den Externsteinen stand. Das ist mir doch ziemlich gewagt. Man kann übrigens nie beweisen, dass die Irminsul nicht an den Externsteinen kann. Das bedeutet jedoch eben nicht, dass sie dort stand. Denn man kann grundsätzlich nicht beweisen, dass es etwas nicht gibt. Versuche mal jemandem zu beweisen, dass es keine Drachen gibt.

Hier noch was interessantes aus der assyrischen Kunst (siehe Bild)
 

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Der hier schon vielzitierte Matthias Springer vermutet ja, dass es mehrere "Irminsulen" gab. Dies schließt er daraus, dass Rudolf von Fulda das Aussehen des Stückes genau beschrieb, aber natürlich jene durch Karl den Großen 772 zerstörte Irminsul nicht gesehen haben kann. Diese Theorie entbehrt nicht einer gewissen Logik, wenn sie auch nicht so eindeutig und absolut ist, dass es nicht andere Möglichkeiten geben könnte.
Persönlich würde ich dafür halten, dass die Bedeutung der Irminsul in den Annalen übertrieben wurde, so wie sicherlich auch die Bedeutung der Donareiche übertrieben wurde. Diese Heiligtümer lagen bei ihrer Zerstörung im jeweiligen Moment im Machtbereich der Franken (bzw. des Heeres), so dass die Zerstörung einen symbolischen Akt darstellte.
Ansonsten sehe ich zwischen der Irminsul und den Externsteinen keine konkrete Verbindung. Rudolf beschreibt die Irminsul ja nun eindeutig als Stamm; wie mickrig hätte das "Zentralheiligtum" wohl neben den Externsteinen gewirkt.
 
hyokkose schrieb:
Ich frage mich, was eine umgeknickte Irminsul ausgerechnet bei einer Kreuzabnahme zu suchen haben soll. Sicherlich läßt sich da mit etwas Spitzfindigkeit über drei Ecken irgendein Bezug an den Haaren herbeiziehen, aber wo ist denn da der unmittelbare Symbolgehalt?

Ganz kurz auf den Punkt gebracht ist die unmittelbare Symbolik: Irmsul ist gestürzt, das Kreuz kommt!
 
askan schrieb:
Ganz kurz auf den Punkt gebracht ist die unmittelbare Symbolik: Irmsul ist gestürzt, das Kreuz kommt!

Ganz kurz geantwortet: manche völkisch motivierten Deutungen eines Reliefs aus dem frühen 12. Jh. halten sich anscheinend recht lange...

Aus der Wikipedia:

http://de.wikipedia.org/wiki/Irminsul schrieb:
Die Irminsul spielte eine bedeutende Rolle als Symbol von neuheidnischen Gruppen innerhalb und außerhalb des Nationalsozialismus. 1929 hatte Wilhelm Teudt in seinem Buch „Germanische Heiligtümer“ die Behauptung aufgestellt, das Kreuzabnahme-Relief der Externsteine zeige – in Gestalt des „Sessels“, auf dem die Figur des Josef von Arimathia steht – die (zum Zeichen für den Sieg des Christentums) gebogene Kultsäule der Sachsen. Dass Teudt für seine Behauptung keinen positiven Beweis antreten konnte, verhinderte nicht die Verbreitung des neuen Symbols in völkischen Kreisen. Mit einigen Anhängern bildete Teudt selbst in Detmold die „Vereinigung der Freunde germanischer Vorgeschichte“, die die – wieder aufgerichtete – Irminsul als Abzeichen führte. Im Anschluss daran wurde sie auch von anderen Gruppen, wie der „Nordischen Glaubensgemeinschaft“ oder der „Nordisch-Religiösen-Arbeitsgemeinschaft“ übernommen.

Selbst "Das Schwarze Netz", welches sich als "Sammlung von Gestalten, Begriffen und Phänomenen aus Mythologie, Religion, Paranormalem und Aberglaube" versteht, weist auf die Umstrittenheit dieser Deutung hin... :fs:
 
Ave Ohnemoos,

Ohnemoos schrieb:
....Hier könnte man fragen (ich weiß es selber nicht): liegen weitverbreitete Zeugnisse für eine Gesteinsverehrung bei den Germanen vor ?...

Ich weiss es auch nicht so genau, ich bin auch kein Experte für germanische Rituale. Aber die historisch-räumliche Nähe zur Megalithkultur ist ja gegeben (die Kreisgrabenanlage von Goseck und der ort Nebra sind ja auch nicht weit entfernt). Die auch durch Tacitus überlieferte Naturnähe der germanischen Rituale lässt für mich zumindest eine Verehrung der Externsteine naheliegen.

Ohnemoos schrieb:
.... Die Abwesenheit einer geknickten Palme in anderen Bildwerken soll Dir zufolge beweisen, dass die Irminsul an den Externsteinen stand. Das ist mir doch ziemlich gewagt. ....

Beweisen lässt sich in den Altertumswissenschaften wenig, meist nur eben sehr nahelegen. Interessanter ist da schon die Poppersche-Widerlegung einer Behauptung: die Frage nach einer weiteren Knickbaum-Kreuzabnahme-Abbildung der Zeit ist daher ganz wichtig: Gibt es eine, so steht die Irminsuldeutung praktisch nicht mehr zur Diskussion !

Gibt es jedoch keine, so muss ich fragen: Wieso macht der Künstler von 1150 sowas ausgesprochen seltsames ? Er muss dafür einen konkreten Grund gehabt haben, alle anderen Künstler dieser Zeit haben nach meinem Kenntnisstand einfach dass Kreuz so tief angesetzt, das gar keine Hilfsmittel notwendig war. Wenn er trotzdem hier einen Schemel als geknickter Baum einführt, zumal später dass auch kein weiterer Künstler macht, dann muss hier etwas ganz ausserordentliches vorgelegen haben. Zweifellos will er uns damit etwas sagen.

Die Irminsuldeutung liegt dann nahe, zumal wenn, wie hier ausgeführt, er kaum dass Aussehen einer Palme kennen konnte. Auch gibt es auf dem Ölberg zwar Ölbäume (Strauchbaum) aber soviel ich weiss keine Ölpalmen. Dass das geknickte Teil dort quasi nur aus Verlegenheit hingemeisselt wurde kann man doch nicht wirklich behaupten.

Ohnemoos schrieb:
....Hier noch was interessantes aus der assyrischen Kunst ....

Sehr hübsch, welcher Jahrgang ? Immerhin eine Palme, wenngleich in ganz anderem Zusammenhang. Die nächste Steigerung wäre jetzt ein mittelalterliches Beispiel, wo wenigstens eine Palme im weiteren Umfeld der Kreuzigungsszene anzutreffen wäre, das würde eventuell schonmal etwas weiterhelfen. Aber selbst so etwas dürfte erst auf viel späteren Abbildungen zu finden sein.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Hmm, eigentlich folge ich beim auseinanderpflücken von Symbolen auf schweizer Pfaden------C.G.Jung
 
Trajan schrieb:
Das Problem an den Externsteinen ist, dass der komplette antike Bodenhorizont, der uns ja hier interessiert, schon seit dem 17.Jhd. vollständig vernichtet wurde (Jagdschlossbau1652-1666, ab 1670 Wirtshaus, künstlicher Teich 1836, Eisenbahn 1912-1953 und alte Handelsstrasse Paderborn/Horn von der Antike bis ins 20 Jhd., alles mitten durch und drin, und vieles mehr). Da ist praktisch nichts mehr aufzufinden, man findet in der oberen Schicht nur mittelalter/neuzeitliches oder wenn man richtig tiefgeht auch steinzeitliches. Die antike Bodenschicht ist aber komplett ausgetauscht durch die diversen Baummassnahmen mindestens seit dem 17 Jhd.

Das ist aber vom archäologischen Standpunkt aus eher unlogisch: Warum sollten die antiken Schichten, die unter den mittelalterlichen Schichten liegen, eher durch die Jagdschlossbauarbeite zerstört sein, als diese? :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
askan schrieb:
Ganz kurz auf den Punkt gebracht ist die unmittelbare Symbolik: Irmsul ist gestürzt, das Kreuz kommt!

Eigentlich wollte ich wissen, worin der Bezug zur Kreuzabnahme liegt.
 
Ich wäre also gespannt, ob jemand ein Beispiel für einen umgeknickten Baum bei der Kreuzabnahme liefern könnte. Insbesondere Horst hat in seinem Posting ja suggeriert, dass er welche kennen würde.
Entsprechendes habe ich vor Jahren gefunden bei:

Mundhenk, Johannes:
Forschungen zur Geschichte der Externsteine, Bd. 1-4, Lemgo 1980-1983.

Dieses Werk erschließt umfassend Forschungsgeschichte, mittelalterliche Urkundenüberlieferung, historische Bildquellen usw.. Mundhenk lehnt sowohl vorchristliche Deutungen als auch die Theorie von der Nachbildung der heiligen Stätten in Jerusalem ab. Die Bände sind erhältlich beim Institut für Lippische Landeskunde in Lemgo-Brake.

Rezension: J. Mundhenk, Forschungen zur Geschichte der Externsteine in vier Bänden (Lippische Mitteilungen 54, 1985, S. 275-284)

Dort findet sich auch etwas zu den Bildsteinen:

http://people.freenet.de/siegfried-schroeder/
 
Trajan schrieb:
Ob Irminsul oder nicht ist natürlich umstritten, aber ein Ölbaum ist es eigentlich auch nicht, denn der ist ein Strauch und sieht ganz anders aus.
Dann vergleiche deinen Strauch doch einmal hiermit: http://de.wikipedia.org/wiki/Olivenbaum
Trajan schrieb:
Kennt jemand andere Darstellungen der Zeit um das 12 Jhd. von Ölbäumen, Palmen und Kreuzabnahmen zum direkten Vergleich ?
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?p=191477#post191477
 
Ashigaru schrieb:
Der hier schon vielzitierte Matthias Springer vermutet ja, dass es mehrere "Irminsulen" gab. Dies schließt er daraus, dass Rudolf von Fulda das Aussehen des Stückes genau beschrieb, aber natürlich jene durch Karl den Großen 772 zerstörte Irminsul nicht gesehen haben kann. Diese Theorie entbehrt nicht einer gewissen Logik, wenn sie auch nicht so eindeutig und absolut ist, dass es nicht andere Möglichkeiten geben könnte.
So ist es, denn folgt man den Einhard-Annalen, dann zerstörte Karl drei Tage lang das Götzenbild, das die Sachsen Irminsul nannten; also nicht ein (beliebiges) Götzenbild, welches Irminsul genannt wurde. Meines Wissens wurden auch andere heilige Stätten der Sachsen verwüstet, aber niemals deren Namen genannt; was für eine herausragende Bedeutung der Irminsul spricht. Rudolf von Fulda hat wohl deshalb auch trotz seiner genauen Schilderung andere „Irminsulen“ nicht gesehen; wo hätte er eine solche Säule auch antreffen können. Matthias Springer ist hierin unschlüssig, denn er nennt keine weitere Irminsul, und sagt selbst: Als eine Irminsäule ist zu Unrecht von mehreren Forschern das Denkmal betrachtet worden, das die Sachsen nach Widukind von Corvey wegen ihres Sieges über die Thüringer in der Burg Scheidungen errichtet hätten.
 
Hi Horst,

Horst schrieb:
...Dort findet sich auch etwas zu den Bildsteinen: ...schroeder......


sehr schön, aber das ist eine Arbeit mit Bildquellen, die ja genau die Irminsuldarstellung stützen


Horst schrieb:
...Dann vergleiche deinen Strauch doch einmal hiermit:...wikipedia......


auch sehr hübsch, und wie man sieht alles andere als eine Palme, also auch eine Stütze der Irminsuldarstellung.

Was ich suche ist aber eine Gegenbeispiel, also eine christliche Kreuzabnahme mit einer Knickbaumdarstellung.

Horst schrieb:
...Entsprechendes habe ich vor Jahren gefunden bei:
Mundhenk, Johannes:
Forschungen zur Geschichte der Externsteine, Bd. 1-4, Lemgo 1980-1983...


Hat Mundhenk denn da etwas konkretes zu bieten ? Die vier Bände kann ich zwar hier an der Uni Bonn bestellen, aber bevor ich die jetzt mühsam durchforste, könnten wir das leicht abkürzen indem du vielleicht hier ein solches Gegenbeispiel präsentierts.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Trajan schrieb:
sehr schön, aber das ist eine Arbeit mit Bildquellen, die ja genau die Irminsuldarstellung stützen
Ich kann hier nur auf meine Erinnerung zurückgreifen, demzufolge widerspricht Johannes Mundhenk nicht einem grundsätzlich Zusammenhang mit den Bildsteinen, er hält die Darstellung an den Externsteinen aber nicht für eine heidnische Darstellung der Irminsul, sondern verweist darauf, daß den Bildhauern die Bildsteine bekannt gewesen sein können.
Trajan schrieb:
auch sehr hübsch, und wie man sieht alles andere als eine Palme, also auch eine Stütze der Irminsuldarstellung.
Ich sehe da eher eine Stütze für eine christliche Darstellung.
Trajan schrieb:
Was ich suche ist aber eine Gegenbeispiel, also eine christliche Kreuzabnahme mit einer Knickbaumdarstellung
Wiederum aus meiner Erinnerung leitet Johannes Mundhenk die Darstellung an den Externsteinen von frühchristlichen Bildnissen her.
Trajan schrieb:
Hat Mundhenk denn da etwas konkretes zu bieten? Die vier Bände kann ich zwar hier an der Uni Bonn bestellen, aber bevor ich die jetzt mühsam durchforste, könnten wir das leicht abkürzen indem du vielleicht hier ein solches Gegenbeispiel präsentierst.
Ich müßte mir dazu die Bücher selber erst wieder beschaffen. Ein weiteres Kennzeichen von angeblichem Heidentum an den Externsteinen wird dort ebenfalls wiederlegt, die sogenannten Runen (hierbei handelt es sich um Steinmetzzeichen).
 
Trajan schrieb:
Was ich suche ist aber eine Gegenbeispiel, also eine christliche Kreuzabnahme mit einer Knickbaumdarstellung.

Es gibt nicht sehr viele zeitgleiche oder gar frühere Darstellungen der Kreuzabnahme:
Mundhenk schrieb:
Die Kreuzabnahme aber reiht sich erst seit dem 9. Jahrhundert in den Zyklus der christlichen Zentralthemen ein, und selbst dann nur sehr langsam. In der Zeit vom 9. bis zum 13. Jahrhundert geht die Gesamtzahl aller erhaltenen Kreuzabnahmedarstellungen kaum über drei Dutzend hinaus.

In den wenigen erhaltenen Darstellungen stehen oft Joseph und Nikodemus zu ebener Erde; die Darstellungen mit einem entsprechenden Requisit sind also noch rarer. Neben den genannten Stühlen (normalerweise stehen an einer Hinrichtungsstätte keine Stühle herum) und Leitern wird gelegentlich auf ein "natürliches Requisit" zurückgegriffen, etwa eine "zufällig" eingebaute Bodenwelle. Dafür, daß der Externsteiner Meister einen gebeugten Baum wählt (der sich "zufällig" zu einer stuhlähnlichen Form knickt) sind zwar keine weiteren Bildbeispiele bekannt. Doch gibt es für das Motiv vom sich vor dem Kreuz niederbeugenden Baum eine prominente literarische Vorlage:

Hrabanus Maurus schrieb:
Die unheilkündene Eibe weicht zurück, während Rohr und Pinie sich vor dem Ehrenvollen [d. i. dem Kreuz] demütig niederbeugen.
zit. nach: Walther Matthes und Rolf Speckner, Das Relief an den Externsteinen, Ostfildern 1997
 
Hi Hyokose,

Hyokose schrieb:
...In den wenigen erhaltenen Darstellungen stehen oft Joseph und Nikodemus zu ebener Erde; ...... Dafür, daß der Externsteiner Meister einen gebeugten Baum wählt ...sind zwar keine weiteren Bildbeispiele bekannt. ....

Yep,nach allem was ich so gefunden habe taucht zur fraglichen Zeit (12. Jhd) keine Darstellung mit Hilfsmitteln auf, die kommen erst viel später, meist ist es, ganz einfach, die Leiter.

Hyokose schrieb:
...Doch gibt es für das Motiv vom sich vor dem Kreuz niederbeugenden Baum eine prominente literarische Vorlage:
Hrabanus Maurus, "De laudibus sanctae crucis" :
....Die unheilkündene Eibe weicht zurück, während Rohr und Pinie sich vor dem Ehrenvollen [d. i. dem Kreuz] demütig niederbeugen......

Vielen Dank für den Hinweis, da kommen wir der Sache schon etwas näher.
Der Text entstammt einem Figurengedicht ca.825 geschrieben, also vermutlich satte 300 Jahre vor dem Externsteinrelief.

Die Eibe ist hier unheilvoll, vermutlich weil sie sehr giftig ist. Das ist auch der Grund dass sie heute so selten ist; Fuhrleute hielten ihre Pferde davon fern wegen der enormen Vergiftungsgefahr.

http://www.sdw.de/wald/baum_infos/faltblatt-eibe/taxus.htm schrieb:
....Innerhalb der Ordnung der Nadelbäume bilden die immergrünen Eiben eine Familie für sich. Sieben Arten sind über die nördliche Halbkugel verbreitet....... Man findet sie als Baum, Strauch oder flachen Busch; sie ist als Bodendecker gut geeignet.
...Die Eibe als ältester heimischer Nadelbaum sollte erhalten werden, wenngleich sie nicht wieder die Verbreitung erreichen wird, die sie einst hatte. Daß sie weit verbreitet war, zeigen Ortsnamen, wie Eibenstock, Eibsee, Iba, Ibach, Iburg, Ibbenbüren, Eiberswalde, Eibach, Eibelshausen, Eibelstadt, Eibenberg, Eibau, Eibenschütz, Eibstock u. a. mehr. Aussehen und Giftigkeit haben Anlaß für viele Legenden gegeben, die bis ins Altertum zurückreichen. Römische Dichter bezeichneten sie als Totenbaum; Cäsar glaubte, daß die Germanen, um ihn zu töten, Pfeile mit Saft von Eiben vergiftet hätten....

Folgt man der vorgeschlagenen Argumentation, dann handelt es sich um eine Eibe, denn Rohr und Pinie verneigen sich (also Richtung Kreuz) und die Eibe weicht zurück (also weg vom Kreuz). Die Eibe war auch tatsächlich in der Gegend verbreitet, wie die Ortsnamen der Gegend heute noch ausweisen. Eiben können sowohl als niedriger Busch als auch als bis zu 20 Meter hohe Bäume auftreten. Das Gedicht war ebenfalls im Mittelalter verbreitet und wohl auch recht beliebt.
Auf den ersten Blick also eine Argumentation, die nicht einfach von der Hand zu weisen ist.

Es bleiben aber weiterhin entscheidende Ungereimtheiten, so z.B.:

(a) Eine Eibe sieht völlig anders aus als die Darstellung auf den Externsteinen. Die Eibe hat eine buschige Krone, der Stamm ist ehr knorrig, sie ist ein Nadelbaum. Keine Ähnlichkeit mit einer Palme.

(b) Der Text entstand 300 Jahre vor dem Relief. Wieso wurde in den drei Jahrhunderten vor dem Relief und in den vielen Jahrhunderten nach dem Relief das Thema niemals sonst aufgegriffen ?

(c) Das Zitat ist aus dem Zusammenhang gerissen. Beschreibt das fragliche Gedicht (es sind 28 Gedichte) eine Kreuzabnahme oder was sonst ?
Diesen Punkten muss man nun nachgehen. Fangen wir mal an:

ad a) Die dargstellte Pflanze ist keine gemeine Eibe. Ehr würden schon die beiden verneigenden Pflanzen, Rohr oder Pinie passen. Die Pinie ist aber eigentlich im Mittelmeerraum heimisch und nicht dort im Norden, bildet aber zuweilen ein charakteristisches Dach, das einer Palme ähneln kann. Auch beim Rohr käme das Schilfrohr oder der Zuckerrohr in Frage, beide haben schlanke Formen. Diese Pflanzen liessen sich etwas mühsam in Zusammenhang bringen, aber sie müssten dann zum Kreuz hingeneigt sein !
Man kann also feststellen: Die Darstellung ist deutlich erkennbar konträr zu Hrabanus Maurus. Sollte Hrabanus tatsächlich vom Künstler bildzitiert werden, so müsste dieser auffallende Unterschied eine besondere Bedeutung haben.

ad b) hier gilt selbiges wie in (ad a), wenn hier tatsächlich der einzige Aufgriff vorläge, so muss dem ebenfalls ein ungewöhnliches Anliegen des Künstlers zugrundeliegen.

ad c) ich habe mit die neueste Literatur zu Hrabanus vormerken lassen, aber irgendwer war schon schneller, ich muss mich also noch paar Wochen gedulden. Kennt hier jemand den weitern Text/Zusammenhang des fraglichen Figurengedichtes ?

So long, Trajan.
 
Trajan schrieb:
Yep,nach allem was ich so gefunden habe taucht zur fraglichen Zeit (12. Jhd) keine Darstellung mit Hilfsmitteln auf, die kommen erst viel später, meist ist es, ganz einfach, die Leiter.

Da bist Du sehr im Irrtum. Die von mir erwähnten Stühle und Bodenwellen finden wir beispielhaft auf einem byzantinischen Elfenbeinrelief (Ende 10. Jahrhundert) und im Codex von Angers (2. Hälfte 9. Jahrhundert), abgebildet bei Matthes/Speckner (S. 77).

Noch größere Verwandtschaft zum "Requisit" des Externsteine-Reliefs weisen zwei ebenfalls bei Matthes/Speckner (S. 67) abgebildete Kreuzabnahmen auf:

Ein Bronzereliquiar aus Westfalen aus dem 12. Jahrhundert bildet die abnehmenden Personen auf einer Art pflanzlichem Rankenwerk ab, das bis zur Höhe der Füße des Gekreuzigten reicht. Es braucht wenig Phantasie, um hierin gebeugte Bäume zu sehen - zumindest weit weniger Phantasie, als für eine Irminsul in den Externsteinen erforderlich ist.

Ebenso könnte man in der Kreuzabnahme auf einem sächsischen Bronzegerät um 1150 zwei zu Boden gebeugte Bäume sehen; eine gewisse Ähnlichkeit zum Relief der Externsteine ist wohl nicht ganz abzustreiten.

Nur der einzelne stuhlähnliche Baum ist eine Eigenheit des Meisters der Externsteine.


Im übrigen habe ich nicht behauptet, der Künstler habe sein Relief direkt nach den strikten Anweisungen dieses Gedichts gestaltet. Die Vorlage (das Motiv vom sich beugenden Baum) mag ja eine durchaus eigenständige Weiterentwicklung erfahren haben.
 
Ave Hyokose,

Hyokose schrieb:
....Ein Bronzereliquiar aus Westfalen aus dem 12. Jahrhundert bildet die abnehmenden Personen auf einer Art pflanzlichem Rankenwerk ab, das bis zur Höhe der Füße des Gekreuzigten reicht. Es braucht wenig Phantasie, um hierin gebeugte Bäume zu sehen - zumindest weit weniger Phantasie, als für eine Irminsul in den Externsteinen erforderlich ist....


du meinst also wirklich, dass der Unterschied zwischen Bodenranken und einer Palme weit geringer sei als zwischen einer Irminsul und einer Palme ? Ähem.


Naja, aber kannst du mir das Literaturzitat Matthes/Speckner vielleicht etwas genauer angeben,ich finde es hier im Bestand leider nicht.

So long,Trajan.
 
Trajan schrieb:
du meinst also wirklich, dass der Unterschied zwischen Bodenranken und einer Palme weit geringer sei als zwischen einer Irminsul und einer Palme ? Ähem.

Schrieb ich etwas von "Bodenranken"? Der Stamm ist dicker als die Oberschenkel der menschlichen Figuren, und davon zweigen rankende Äste ab.



Trajan schrieb:
Naja, aber kannst du mir das Literaturzitat Matthes/Speckner vielleicht etwas genauer angeben,ich finde es hier im Bestand leider nicht.

Was genau brauchst Du? Titel, Erscheinungsort und -jahr habe ich heute morgen bereits angegeben: Walther Matthes und Rolf Speckner, Das Relief an den Externsteinen, Ostfildern 1997
 
Hyokose schrieb:
...Der Stamm ist dicker als die Oberschenkel ....

Naja, egal wie man das Objekt sehen möchte:
eine
"Art pflanzlichem Rankenwerk ab, das bis zur Höhe der Füße des Gekreuzigten"
oder ein
"Baumstamm von nicht geringer Größe, der in die Höhe aufgerichtet worden war,"

letzteres (Irminsul) verlangt doch weit weniger Phantasie um es mit dem abgebildeten Objekt in Übereinstimmung zu bringen.

Ich will mich im Übrigen noch garnicht festlegen, was es nun sein soll, ich weiss es nicht; aber die z.Z. moderne Schulmeinung klingt für mich nicht wirklich überzeugend.

Hyokose schrieb:
...Was genau brauchst Du? Titel, ....

O.k., ich habs gefunden und per Fernleihe bestellt:
Autor Matthes, Walther ; Speckner, Rolf ; Brüdern, Jutta [Ill.]
Titel: Das Relief an den Externsteinen : ein karolingisches Kunstwerk und sein spriritueller Hintergrund
Ort/Verlag: Ostfildern : Ed. Tertium
Jahr: 1997
ISBN: 3-930717-32-8

so long, Trajan.
 
Trajan schrieb:
Naja, egal wie man das Objekt sehen möchte:
eine
"Art pflanzlichem Rankenwerk ab, das bis zur Höhe der Füße des Gekreuzigten"
oder ein
"Baumstamm von nicht geringer Größe, der in die Höhe aufgerichtet worden war,"

Im einen Fall ist die Abbildung eines gekrümmter Stamms von bescheidener Höhe mit Zweigen. (Und das in einer Abbildung einer Kreuzabnahme.)

Im anderen Fall ist es die Beschreibung eines aufgerichteter Stammes (oder Holzklotzes) von unbescheidener Höhe ohne Erwähnung von Zweigen. (Und das ohne jeden Zusammenhang mit einer Kreuzabnahme)

Preisfrage: Was paßt hier zum Relief?


Ich will mich im Übrigen noch garnicht festlegen, was es nun sein soll, ich weiss es nicht; aber die z.Z. moderne Schulmeinung klingt für mich nicht wirklich überzeugend.

Ich will mich auch nicht festlegen; ich weiß noch nicht einmal, was die derzeitige "Schulmeinung" ist. Matthes/Speckner liegen ja zumindest hinsichtlich der Datierung quer zu Mundhenk; ihre "spirituelle Deutung" scheint mir auch reichlich spekulativ.

Ich versuche, mir die (wenigen) greifbaren Fakten anzuschauen, mir daraus selber einen Reim zu machen und ansonsten meine Phantasie spielen zu lassen, um die angebotenen Deutungen ansatzweise nachvollziehen zu können.
 
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