Die Sepharden

Halbblut

Mitglied
Einst, vor dem Kriege, der die im damaligen Europa einzigartige Multikultur der Stadt Sarajevo weggefegt und mit heissem Stahl in unsere Zeit, in die Rennaissance der nationalen und religiösen Gegensätze geschleudert hat, traf ich nahe der Bas Carsija (Basch Tscharschija), dem zentralen Altstadtplatz, einen klugen alten Herrn.
In unserem Gespräch sagte er mir, dass er Sepharde sei, ein bosnischer Jude.
Viele Details des Gesprächs habe ich mittlerweile vergessen - ich traf ihn 1988, vor den Zeiten der erneuten großen Heimsuchung für diese Stadt, die damals "europäischer" als die meisten anderen war - aber der alte Mann ist mir mit seiner Güte und Klugheit irgendwie im Gedächtnis geblieben.

Wer sind die Sepharden?
Wo kamen sie her?
Gibt es noch Sepharden auf dem Balkan?
 
Halbblut schrieb:
Einst, vor dem Kriege, der die im damaligen Europa einzigartige Multikultur der Stadt Sarajevo weggefegt und mit heissem Stahl in unsere Zeit, in die Rennaissance der nationalen und religiösen Gegensätze geschleudert hat, traf ich nahe der Bas Carsija (Basch Tscharschija), dem zentralen Altstadtplatz, einen klugen alten Herrn.
In unserem Gespräch sagte er mir, dass er Sepharde sei, ein bosnischer Jude.
Viele Details des Gesprächs habe ich mittlerweile vergessen - ich traf ihn 1988, vor den Zeiten der erneuten großen Heimsuchung für diese Stadt, die damals "europäischer" als die meisten anderen war - aber der alte Mann ist mir mit seiner Güte und Klugheit irgendwie im Gedächtnis geblieben.

Wer sind die Sepharden?
Wo kamen sie her?
Gibt es noch Sepharden auf dem Balkan?



Eine erste Definition :
http://www.lateinboard.de/lexikon/Sepharden,bedeutung.htm

Da kommt sicher noch mehr.
 
Es kam vor ein paar Monaten eine Fernsehdokumentation über die Sephardim. Soviel dort berichtet wurde, gab es in Bosnien eine sehr große lebendige Gemeinde. Eine kleine Gemeinde soll es in Sarajewo noch geben.
 
Halbblut schrieb:
Einst, vor dem Kriege, der die im damaligen Europa einzigartige Multikultur der Stadt Sarajevo weggefegt und mit heissem Stahl in unsere Zeit, in die Rennaissance der nationalen und religiösen Gegensätze geschleudert hat, traf ich nahe der Bas Carsija (Basch Tscharschija), dem zentralen Altstadtplatz, einen klugen alten Herrn.
In unserem Gespräch sagte er mir, dass er Sepharde sei, ein bosnischer Jude.
Viele Details des Gesprächs habe ich mittlerweile vergessen - ich traf ihn 1988, vor den Zeiten der erneuten großen Heimsuchung für diese Stadt, die damals "europäischer" als die meisten anderen war - aber der alte Mann ist mir mit seiner Güte und Klugheit irgendwie im Gedächtnis geblieben.

Wer sind die Sepharden?
Wo kamen sie her?
Gibt es noch Sepharden auf dem Balkan?


Als Ergänzung zu ; Sephardin auf dem Balkan :

"Die gesellschaftlich-politische Stellung der Juden in Bosnien war beinahe gleich wie im gesamten Osmanischen Reich. Die Hauptcharakteristik war, dass Juden eine Bevölkerungsgruppe mit Sonderrechten und -pflichten waren. Die Juden genossen eine Religionsautonomie, welche von Dekreten (Berat) bestätigt wird, mit denen die Auswahl und Bestimmung von Haham-basa (Hauptrabbine) festgestellt und bestätigt wird. Im Berat steht, dass nur der Haham-basa die Befugnis hat, mit Hilfe der niedrigeren Religionsbeamten die religiösen Zeremonien (den Gottesdienst) im Rahmen seiner Religionsgemeinschaft zu leiten, wie auch dass allein die Haham-basa beauftragt sind, jüdische Glaubensschulen und Synagogen zu leiten und über die Güter der jüdischen Glaubensgemeinschaften zu bestimmen. Das Berat sichert dem Haham-basa zu, eheliche und familiäre Angelegenheiten der Juden in voller Eigenständigkeit zu betreuen und verbietet den osmanischen Organen strikt, sich in diese und andere Angelegenheiten - wie die Bestattungen von Juden, das Zubereiten von Essen und Getränken nach Vorschriften der jüdischen Religion (koscheres Essen) - einzumischen.

Aus all dem geht hervor, dass Juden im Osmanischen Reich eine Sicherheit der Person und des Eigentums genossen wie auch, dass ihnen Schutz vor einem Missbrauch seitens der Organe der Osmanischen Regierung, hätten diese sie berauben wollen, geboten wurde. "

ganzer Artikel, sehr lesenswert.........

http://www.gfbv.it/3dossier/eu-min/jued-saraj.html
 
Zu dem Thema habe ich auch noch eine kleine Frage.

Ich finde der Name Sephardim ist dem Namen der in der Hierarchie der Engel obersten Vertreter (Seraphim) sehr ähnlich.
Kommen diese aus den selben Wortstamm oder ist das alles nur Zufall?
Wenn ja wie ist der genaue Wortstamm?

Wenn mir das jemand beantworten könnte wäre das sehr nett.
 
In Arcimboldos Link steht es, in Leopold Blooms Link steht es auch:

"Sephardim (ספרדים, aus dem Hebräischen für spanisch)"

Die hebräischen Buchstaben sind "sprdjm" zu buchstabieren. Die Endung "-im" ist der Plural.

Das Anfangs-S von "Seraphim" ist im Hebräischen ein anderes (ein "Sin") als das von "Sephardim" (ein "Samech").
 
Vielen Dank für die schnelle und genau Antwort.
Und schon wieder was dazugelernt.
Tut mir leid wenn die Frage vielleicht unnötig war, aber jetzt habe ich es dafür wirklich verstanden.
Habe es leider nicht so mit den Sprachen. (obgleich sie sehr Interessant sind)
 
Kein Problem: wenn Du was dazugelernt hast, hat die Frage schließlich was gebracht.
 
Weitere ergämzungen:
Die geflohenen Sepharden (spanischstämmige Juden ) ließen sich vor allem in Griechenland, der Türkei, Ägypten und Nordafrika nieder. Sie pflegen ihre Sprache, das sogenannte Sephardisch oder Judenspanisch, und Traditionen dort heute noch, wenn auch nicht sehr viel. Bei dem Sephardischen handelt es sich um ein Alt-Kastilisches dialekt (auch ladinisch genannt), wie es im Mittelalter gesprochen wurde, und das durch den fehlenden Kontakt seiner Sprecher mit Spanien heutzutage eine archaische Form darstellt. Der Begriff Sepharad ist der biblische Name der Juden für die Iberische Halbinsel.
In Thessaloniki hatten sie vor dem 2. WK, einen sehr grossen Anteil gehabt dort. Dort gab es wohl noch mehr als in Sarajevo. Aber davon ist heute nix mehr zu sehen, weil die Wehrmacht, so ziemlich alles ausgelöscht hat dort. Sepharden aus Thessaloniki sind nach den 2. WK entweder nach Israel ausgewandert oder nach Washington D.C.. Dort besteht noch eine gemeinde.

http://www.sephardicstudies.org/
http://www.sephardicstudies.org/placenames.html

mfg
 
Onkel Sam schrieb:
Weitere ergämzungen:
Die geflohenen Sepharden (spanischstämmige Juden ) ließen sich vor allem in Griechenland, der Türkei, Ägypten und Nordafrika nieder. Sie pflegen ihre Sprache, das sogenannte Sephardisch oder Judenspanisch, und Traditionen dort heute noch, wenn auch nicht sehr viel. Bei dem Sephardischen handelt es sich um ein Alt-Kastilisches dialekt (auch ladinisch genannt), wie es im Mittelalter gesprochen wurde, und das durch den fehlenden Kontakt seiner Sprecher mit Spanien heutzutage eine archaische Form darstellt. Der Begriff Sepharad ist der biblische Name der Juden für die Iberische Halbinsel.
In Thessaloniki hatten sie vor dem 2. WK, einen sehr grossen Anteil gehabt dort. Dort gab es wohl noch mehr als in Sarajevo. Aber davon ist heute nix mehr zu sehen, weil die Wehrmacht, so ziemlich alles ausgelöscht hat dort. Sepharden aus Thessaloniki sind nach den 2. WK entweder nach Israel ausgewandert oder nach Washington D.C.. Dort besteht noch eine gemeinde.

http://www.sephardicstudies.org/
http://www.sephardicstudies.org/placenames.html

mfg

Hi Onkel Sam,
Freut mich Dich hier zu lesen.Ich habe auch noch einen Link.
Wenn man die Surnames sucht -sieht man anhand welcher berberische Nachname von den juden im Maghreb Übernommen wurde..Die Juden kamen ja nicht erst mit den Mauren in den Maghreb -das ist falsch.Sie waren sozusagen immer da..

http://www.orthohelp.com/geneal/Islam.HTM
 
sanhadsha schrieb:
Hi Onkel Sam,
Freut mich Dich hier zu lesen.Ich habe auch noch einen Link.
Wenn man die Surnames sucht -sieht man anhand welcher berberische Nachname von den juden im Maghreb Übernommen wurde..Die Juden kamen ja nicht erst mit den Mauren in den Maghreb -das ist falsch.Sie waren sozusagen immer da..

http://www.orthohelp.com/geneal/Islam.HTM
Hi sanhadscha,
juden haben überall namen bekommen. Zum Beispiel haben meine Sephardischen Großeltern griechische Nachnamen gehabt oder die Sepharden in Sarajevo bosnische/serbische usw. bekommen usw.. In andern Ländern, und auch in Maghrebstaaten, war das sicherlich nicht anders. Ob das gesetz oder Zwang war, kann ich nicht beurteilen, aber tendiere eher zu Nein. Zu der aussage, sie waren schon immer da, ist schwer zu beurteilen, ich tendiere dazu, das sie zu den Zeiten des römischen Reiches dorthin auswanderten. Aber was stichhaltiges gibt es nicht dazu, also wird dir das mit gewissheit kein Historiker sagen. Denn Sepharden werden auch Alt-israeliten genannt.
Die Ladinosprache ist nix anderes als ein Schmelzverfahren, in Algerien müsste das Tetuani heissen, wenn ich mich nicht irre.

gruss
 
Die Ladinosprache ist nix anderes als ein Schmelzverfahren,

Ladino*, Sephardisch oder Judezmo/Dzhudezmo, arab. Ḥākītiyā oder Tiṭwā (oder Tetouani, korrekt) ist eigentlich eine Gruppe von aus dem Spanischen entwickelten Dialekten, die - je nach Ort ihrer vom Spanischen isolierten Weiterentwicklung - natürlich Lehnworte aufnahmen, etwa aus dem Griechischen, Türkischen und in Sarajewo sicherlich aus dem Slawischen, in Amsterdam aus dem Niederländischen, die Ḥākītiyā aus dem Arabischen und möglicherweise auch aus dem Berberischen. Das heutige Judenspanisch der Türkei hat zudem recht viele französische Elemente, die vermutlich erst nach der Reform des Türkischen 1928 ins türkische Judenspanisch eingingen. Also als Atatürk das Osmanische Alphabet abschaffte und durch ein latinisiertes Alphabet ersetzte und zudem viele arabische und persische Worte des Türkischen durch vorwiegend französische Europäismen ersetzen ließ.
Im Judenspanischen gibt es auch noch einige Worte, die im Spanischen nicht mehr verwendet werden, ein Bsp. ist etwa alkunya (Nachname), was sich durch den agglutinierten arabischen Artikel als iberoromanische Entlehnung erweist. Für alcunia gibt es im peninsularen Spanisch (zumindest nach der Datenbank Corpus Diacrónico del Español)ganze vier schriftliche Nachweise für alcunia in nur drei Dokumenten, das früheste Dokument ist eine Art Testament von Francisco Pizarro von 1539, dann eine Chronik von Neuspanien von Francisco Cervantes de Salazaar (meines Wissens keine nähere Verwandtschaft mit dem Schöpfer des Quijote) aus dem Jahr 1560 und der letzte Beleg des Wortes findet sich in einem Theaterstück Lope de Vegas von 1600.


*Bei Ladino gibt es das Problem, dass andere romanische Sprachen, etwa das Rätoromanische oder das Ladinische ebenfalls so bezeichnet werden, was zu Verwechslungen führen kann. Die judenspanische Wikipedia ist aber die mit http://[B]lad[/B].wikipedia.org
 
Es wird meistens nicht beachtet, dass sich mit der Auswanderung bzw. Vertreibung der spanischen Juden die sephardische Kultur im gesamten Mittelmeer ausbreitete und so andere jüdische Kulturgruppen assymilierte. Anderen Judensprachen wurden wie judengriechisch, judenarabisch und judenberberisch wurden verdrängt.
Diese Ausbreitung erfolgte in einem Gebiet, in dem die Mehrheitsbevölkerung keine romanische Sprachen mehr sprach.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es wird meistens nicht beachtet, dass sich mit der Auswanderung bzw. Vertreibung der spanischen Juden die sephardische Kultur im gesamten Mittelmeer ausbreitete und so andere jüdische Kulturgruppen assymilierte. Anderen Judensprachen wurden wie judengriechisch, judenarabisch und judenberberisch wurden verdrängt.

Das kann ich nicht so ganz nachvollziehen. Aus dem Judenspanischen wurde doch erst das Judenspanische, weil es sich in der sephardischen Diaspora in der Diglossie über den biologischen Tod der Vertriebenengenerationen hinaus erhalten konnte und durch die Isolation von der spanischen Sprechergemeinschaft eine Reihe eigener Entwicklungen - die Ḥākītiyā im Maghreb andere als Espanyolit in der Türkei - eigene Charakteristika entwickelte, die das Spanienspanische und das Amerikaspanische nicht oder zu einem anderen Zeitpunkt entwickelten.

Etwas anderes ist der religiös-rituell bedingte Sonderwortschatz in einer Sprache: "Meine Mischpoke vermasselt mir durch ihren plötzlichen Besuch mein Sylvester. Na dann, guten Rutsch."
 
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