Die Wehrmacht. Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden

ursi

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Ernst zu nehmende Historiker sind sich einig: Beim Feldzug der Wehrmacht gegen die Sowjetunion kann man nicht von einem "normalen" Kriegsunternehmen sprechen (wobei die Bezeichnung "normal" einem in diesem Kontext Schauer über den Rücken schickt). Der deutsche Vormarsch gen Osten im Zweiten Weltkrieg war ein rassenideologischer Vernichtungskrieg, also "ideologisch motiviert und angelegt auf die physische Vernichtung bestimmter Feindgruppen", so Wolfram Wette, einer von Deutschlands führenden Militärhistorikern.
Die Bereitwilligkeit, mit der die deutsche Armee in einen solchen Krieg zog, blieb lange nur mäßig erforscht -- vermeintliche Pflichterfüllung gegenüber der NS-Regierung ist ein zu schlichtes Erklärungsmuster. Wolfram Wette setzt sich nun tiefgründig mit dieser Frage auseinander und findet in Die Wehrmacht. Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden Traditionen und ideologische Ausrichtungen, die die Wehrmachtsführung langfristig beeinflusst hatten. Einflüsse, "dank" derer das deutsche Militär widerstandslos den "historisch beispiellosen Krieg gegen die Sowjetunion" durchführte.

Denn Deutschlands Offiziere waren angefüttert mit "preußisch-deutschen Anschauungen über Krieg und Kriegsnotwendigkeiten", obrigkeitsstaatlichem Denken, Judenfeindlichkeit und negativen Russlandbildern. Wette stellt seinen Lesern ausführlich die historischen Entwicklungslinien dieser fatalen Sichtweisen vor, zeigt deren Auswirkungen in den Köpfen von Offizieren wie auch einfachen Soldaten sowie deren grauenhafte Folgen auf den (Ab-)Schlachtfeldern im Osten.

Wettes verständlich vermittelte Argumentationslinien sind inhaltlich äußerst schlüssig. Man fragt sich nach deren Lektüre unvermeidlich, warum nicht schon weit früher ein Autor das Verhalten der Wehrmacht so deutlich in diesem historisch-ideologischen Rahmen verortet hat. Falsche Rücksichtnahmen, Tabuisierung oder anders orientierte Forschungsrichtungen haben zur Missachtung dieses wichtigen Themas beigetragen. Wette schließt die Lücke nun mit einem brillanten Buch, das zu den herausragenden Studien in Sachen Wehrmacht, Ostfeldzug und Verbrechen gezählt werden darf. --Joachim Hohwieler

Kurzbeschreibung
Die Wehrmacht hat von 1941 bis 1944 einen Vernichtungskrieg geführt. Warum sind die Generäle Hitler hierbei gefolgt? Der Autor zeigt als Erster, dass antirussische und antisemitische Feindbilder im Militär Tradition hatten. Ohne die Verherrlichung von Krieg und Gewalt, ohne die traditionsreiche Missachtung des Kriegsvölkerrechts hätte der Krieg im Osten so nicht geführt werden können. Nach 1945 wurde daraus die Legende von der sauberen Wehrmacht gestrickt.

Wolfram Wette • Die Wehrmacht. Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden • Fischer • 2005 • 375 Seiten


Buchempfehlung von amicus

Rezension auf Perlentaucher
 

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