Einführung in die Geschichte der Kreuzzüge

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Die Kreuzzüge

Es gibt sieben Weltwunder, sieben Weise, sieben Todsünden und deswegen muss es auch sieben Kreuzzüge geben. Das dachten sich wohl jene, die von den Hunderten von Kreuzzügen, die es gab, insgesamt sieben Stück heraussuchten und fast nur noch darüber berichteten. Und so lernt man es auch heute noch, dass es sieben Kreuzzüge gab. Dabei ist man sich nicht einmal international einig darüber, welche man nun zu den sieben zählen soll. Beispielsweise findet bei den Franzosen der Fünfte Kreuzzug von 1217-1221 statt, während die Deutschen einen Kreuzzug Kaiser Friedrichs II., der mit der Rückgewinnung Jerusalems endete, als den fünften rechnen. Wie auch immer: Tatsache ist, dass es weit mehr Kreuzzüge gab, auch wenn sie nicht alle für den Verlauf der Weltgeschichte von Bedeutung waren.

Der ganze Schlamassel fing im 11. Jahrhundert an und zwar im Byzantinischen Reich: im Jahre 1071 erlitt die Armee des Imperiums bei Mantzikert eine schwere Niederlage gegen die Seldschuken. Große und wichtige Gebiete in Kleinasien gingen verloren. Aufgrund der ständigen Kriege (nicht nur gegen die Seldschuken) steckte das Reich in einer schweren Finanzkrise. Zehn Jahre nach Mantzikert wurde der Feldherr Alexios Komnenos neuer Kaiser, der den Westen um Hilfe rief. Es dauerte noch ein paar Jahre, bis Papst Urban II. am 27. November 1095 auf dem Konzil von Clermont in einer fesselnden Rede die Christen zum Kreuzzug aufrief – nicht um Byzanz zu helfen, sondern um Jerusalem zu befreien, welches sich seit 614 in der Hand der Ungläubigen befand (zunächst waren es die Perser, danach die Sarazenen und schließlich die Seldschuken). Im Jahr darauf begann der Erste Kreuzzug mit dem Aufbruch eines Haufens Armer unter der Führung Peters des Einsiedlers, die alle zusammen in Kleinasien aufgerieben wurden (falls sie nicht bereits davor schon gestorben waren). Kurz darauf versuchten französische und normannische Ritter unter der Führung von Grafen und Kleinadligen ihr Glück. In Konstantinopel angekommen leisteten sie Alexios einen Lehnseid und erklärten sich einverstanden, die zu erobernden Gebiete Byzanz zu übergeben. In den folgenden Jahren marschierten sie bis ins Heilige Land und errichteten dort eigene Staaten wie die Grafschaften Tripolis und Edessa, sowie das Fürstentum Antiochia. Zuletzt belagerten sie Jerusalem und eroberten es am 15. Juli 1099. Nachdem sie dort alles kurz und klein geschlagen haben, begannen sie mit dem Wiederaufbau und wählten Gottfried von Bouillon zum König, der den Titel allerdings ablehnte und so bescheiden er war den Titel „Vogt des Heiligen Grabes“ annahm. Doch war es mit dem Vogt auch schon wieder vorbei, als Gottfried ein Jahr später starb und sein Bruder und Nachfolger Balduin I. den Titel eines Königs annahm.

Danach fanden immer wieder irgendwelche Kreuzzüge statt, z. B. 1101, als ein normannisches Heer aufgerieben wurde oder als 1147 Slawen östlich von Oldenburg bekehrt wurden. Im selben Jahr begann übrigens auch der Zweite Kreuzzug: nachdem drei Jahre zuvor Edessa von den Seldschuken zurückerobert worden war, rief Papst Eugen III. zum Kreuzzug auf. Die Könige Ludwig VII. und Konrad III. von Frankreich bzw. Deutschland marschierten ins Heilige Land ein, griffen auch sogleich ihren Verbündeten Damaskus an, verloren und beendeten somit den Zweiten Kreuzzug.

Am 2. Oktober 1187 verloren sie auch noch Jerusalem. Die Könige Philipp II. August von Frankreich und Richard I. Löwenherz von England brachen zum Dritten Kreuzzug auf. Auch dabei war Kaiser Friedrich I. Barbarossa, der im Gegensatz zu seinen Kollegen den Landweg nahm. Er war fest entschlossen, die Rückeroberung der heiligsten Stadt des Christentums zum krönenden Abschluss seines Lebens zu machen; tragischerweise starb er beim Baden. Seine Leiche wurde nach Tyros gebracht. Philipp und Richard waren da erfolgreicher und erreichten lebend das heilige Land. Und mit der Eroberung Akkons erreichten sie sogar einen vollen Erfolg. Danach zerstritten sich beide und Philipp kehrte nach Europa zurück. Richard kämpfte nun alleine weiter und schloss mit Sultan Saladin einen Waffenstillstand: Jerusalem verblieb bei Letzterem, doch durften die Glaubensbrüder des Ersterem in die Stadt pilgern. Richard versuchte zurückzukehren, erlitt allerdings Schiffbruch und versuchte als Bettler verkleidet unerkannt durch Österreich zu kommen (mit dem dortigen Herzog hatte er sich nämliche ebenfalls im Heiligen Land zerstritten), wurde allerdings erkannt und verhaftet; und so verbrachte einer der glorreichsten Könige Englands die folgende Zeit in Haft.

Richard hatte allerdings die Idee, Ägypten zu erobern, um damit Jerusalem freizupressen. Und genau dieses Ziel verfolgte man zu Beginn des Vierten Kreuzzuges; schließlich landeten sie in Konstantinopel. Im Jahre 1202 machte ihnen Alexios Angelos (nicht zu verwechseln mit Alexios Komnenos, der war im Laufe der letzten hundert Jahre verstorben) das Angebot, den Kreuzfahrern eine Menge Geld zu übergeben, falls diese ihm zur Kaiserwürde verhelfen würden. Die Kreuzfahrer waren einverstanden und machten aus ihm Alexios IV. Da die Staatskasse leer war, konnte Alexios den Kreuzfahrern das versprochene Geld nicht übergeben, was diese dermaßen aufregte, dass sie kurzerhand Konstantinopel eroberten und einen eigenen Staat, das Lateinische Kaiserreich, errichteten; Kaiser wurde Balduin I.

Es folgten in den nächsten Jahren der Kreuzzug gegen die christliche Sekte der Albigenser in Frankreich (ab 1209), ein Kinderkreuzzug, der nicht viel erfolgreicher war als der der Erwachsenen (1212) und der „Fünfte“ Kreuzzug 1217-1221, der von König Andreas II. von Ungarn angeführt wurde. Ähnlich wie der Fünfte Kreuzzug Friedrichs II. fand auch dieser beinahe ohne Blutvergießen statt, da Andreas II. einmal den See Genezareth umkreiste und danach nach Hause zurückkehrte. Der Unterschied zu Friedrich II. bestand darin, dass dieser mit dem Sultan verhandelte, so dass Jerusalem 1229 für zehn Jahre freigegeben wurde. In der Grabeskirche krönte Friedrich schließlich sich selbst zum König von Jerusalem und kehrte kurz darauf nach Europa zurück.

Fünfzehn Jahre später wurde Jerusalem wieder von den Seldschuken zurückerobert. König Ludwig IX. der Heilige von Frankreich griff Richards alte Idee, Ägypten zu erobern, wieder auf. Im Jahre 1248 begann der Sechste Kreuzzug und erlitt zwei Jahre darauf bei Kairo eine Niederlage. Ludwig reiste weiter ins Heilige Land, wo er die Organisation wieder aufbaute. Im Jahre 1254 kehrte er wieder nach Frankreich zurück und der Sechste Kreuzzug war damit auch offiziell beendet. Doch gab Ludwig nicht auf und unternahm 1270 einen weiteren, den Siebten Kreuzzug. Sein Ziel bestand diesmal darin, den Sultan von Tunis zu bekehren. Doch brach unter seinem Heer eine Seuche aus, die auch ihn nicht verschonte; das Heer selber bzw. der Teil, der überlebte, löste sich auf.

Nach und nach gingen alle Besitzungen im Heiligen Land verloren; mit Akkon fiel am 18. Mai 1291 die letzte Bastion. Drei große Kreuzzüge fanden noch im 14. Jahrhundert statt: König Peter I. von Zypern (er trug auch den offiziellen Titel eines Königs von Jerusalem) versuchte 1365 Alexandria zu erobern und war sogar erfolgreich. Allerdings hatten seine Truppen nicht Besseres zu tun, als die Stadt zu plündern und danach wieder zu verschwinden. Fünfundzwanzig Jahre später versuchte Graf Ludwig von Bourbon dasselbe mit Mahdia in Tunesien, doch schaffte er es nicht einmal, die Stadt zu erobern. Im Jahre 1396 rief Byzanz (mittlerweile auf Konstantinopel und die unmittelbare Umgebung geschrumpft) abermals den Westen zu Hilfe und König Sigismund von Ungarn stellte ein Heer auf, mit dem er sogleich losmarschierte und mit dem er bei Nikopolis eine vernichtende Niederlage erlitt. Der letzte offizielle Kreuzzug wurde 1464 von Papst Pius II. ausgerufen, elf Jahre, nachdem Konstantinopel gefallen war. Doch das Heer löste sich auf, nachdem Pius kurz nach dem Ausruf verstorben war.

Die Kreuzzüge übten in den folgenden Jahrhunderten bis heute einen Einfluss auf die Weltgeschichte aus. Nicht nur, dass mit den Templern, den Johannitern und den Deutschrittern drei mächtige Kreuzritterorden begründet wurden, die in der Politik Europas ordentlich mitmischten oder dass im Orient schöne Kreuzfahrerburgen zu besichtigen sind. Der kulturelle Zusammenstoß von Ost und West hatte zahlreiche Folgen für den Alltag im Westen, u. a. wurde die Zahl Null eingeführt und es entwickelten sich wichtige Handelsbeziehungen zwischen den Muslimen und den Staaten im Westen wie Pisa, Genua und Venedig. Für das Byzantinische Reich selber waren die Kreuzzüge kein erfreuliches Ereignis; eher trugen sie zu seinem Untergang bei, anstatt diesem zu helfen, wie Alexios I. ursprünglich sich vorstellte.

Literatur:
Terry Jones, Alan Ereira, „Die Kreuzzüge“ (2000)
Johannes Lehmann, „Die Kreuzfahrer“ (1976)
John Julius Norwich, „Byzanz“ (2000)
Hartwig Sippel, „Die Templer“ (2001)
 
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