Elsaß-Lothringen 1871-1918

Wenn die profranzösische Stimmung später die Oberhand gewann, lag das einfach an der Umerziehungspolitik der französischen Krone und später der Republik.
Der französische König gewährte dem Elsass weitgehende Autonomie. Auf eine gewaltsame Französierung wurde verzichtet. Das Elsass blieb somit im 18. Jahrhundert noch dem geschichtlichen und kulturellen Erfahrungsraum des HRRDN verankert. Nur langsam, aber kontinuierlich, fand seit Anfang des 18. Jahrhunderts die französische Sprache - bedingt vor allem durch die französische Verwaltung - zunehmend Eingang in breitere elsässische Bevölkerungsschichten. Die elsässische "Dualität" begann. Eingebettet im kulturgeschichtlichen Reichtum zweier Kulturen begann die elsässische Identitätssuche. In diesem Zusammenhang entfaltete sich an der dem Zugriff des 'deutschen Kleinwesens' (Goethe) entzogenen deutschen Universität in Straßburg eine besondere "elsässische Spielart der Aufklärung" (Goethe). Diese war für die Entstehung der deutschen Klassik verantwortlich. "Die 'Ville libre' war die Gebärmutter, die - unter dem Schutz französischer Staatlichkeit - die deutsche Klassik ausgetragen hat." (Hanns-Albert Steger, Straßburg, S. 2 - zitiert nach Michael Essig, Das Elsass auf der Suche nach seiner Identität, 1994, S. 83). – So viel zur Umerziehungspolitik des französischen Königs…

An der ersten Phase der französischen Revolution nahmen die deutschsprachigen Elsässer engagiert teil. Sie gehörten fortan zur französischen Nation (Gesellschaftsvertrag). Das französische Nationalgefühl war natürlich in der bürgerlichen Oberschicht, die den Adel stürzte, stärker ausgeprägt als in der einfachen Landbevölkerung. In dieser Phase der Revolution wurden die Beschlüsse der Nationalversammlung und der Regierung für die deutschsprachige Bevölkerung des Elsasses übersetzt!

In der zweiten Phase der Französischen Revolution (Jakobinerherrschaft) fühlte sich Frankreich von „innen“ und von „außen“ bedroht. Um sich von den deutschsprachigen Feinden der Revolution – man führte ab 1793 Krieg mit Preußen und Österreich-Ungarn – abzugrenzen entstand das Dogma von der Nationalsprache („une nation – une langue“). Von den elsässischen Bürgern Frankreichs wurde nun als Folge ihrer Zugehörigkeit zur französischen Nation gefordert, französisch zu sprechen. Die oben angesprochenen Übersetzungsbüros wurden geschlossen. Die Terrorherrschaft der Jakobiner richtete sich auch gegen die deutschsprachigen Elsässer. Das war der Beginn der elsässischen Identitätskrise. Die Elsässer fühlten sich zwar als Franzosen, aber wegen ihrer deutschen Sprache als schlechte Franzosen. Jedenfalls wussten sie, dass sie so von den anderen Franzosen betrachtet werden.

Der französische Irrweg, von allen Staatsbürgern das Sprechen der französischen Sprache zu verlangen, und der deutsche Irrweg, alle Deutschsprachigen zur deutschen Nation zu zählen, führte schließlich dazu, dass das Elsass zum Zankapfel zweier Nationen wurde.
Derartige Bewusstseinswechsel gab es im Elsass auch. Die Bevölkerung lavierte. Fakt ist aber, dass zwischen 1871 und 1918 sowie zwischen 1940 und 1944 ein großer Bevölkerungsanteil prodeutsch war. Besonders die prodeutschen Sympathien der 40er-Jahre wurden später geleugnet.

Übrigens gab es noch lange nach 1945 im Elsass prodeutsche Gruppen. Einige gingen sogar militant vor, wie z. B. die Schwarzen Wölfe. Schwarze Wölfe ? Wikipedia
Heute sind solche Gruppen nur noch marginal bzw. agieren eher anti-islamisch als pro-deutsch. Darunter fallen die autonomistische Gruppe "L'Alsace d'abord" (früher: MRA) und das prodeutsche "Nationalforum Elsass-Lothringen (NFEL/FNAL)". Dazu kommen noch einzelne Skinheadgruppen.
In diesem Strang geht es um die Zeit von 1871-1919. Wenn Du über andere Zeiträume und andere Länder diskutieren willst, dann musst Du dies woanders machen…
 
Ich habe es hier schon mal irgendwo ankingen lassen, dass die Annexion des Elsass 1871 maßgeblich auf die Süddeutschen zurück geht.

Zufällig bin ich vor kurzem darüber gestolpert, dass diese Überlegungen viel älter sind.
Am Ende des spanischen Erbfolgekriegs forderten die süddeutschen Reichsstände unter Führung des Türkenlouis Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden und dem Herzog von Württemberg,
Straßburg als Reichsfestung und als Rückhalt für eine Reichsarmee unter Führung des Türkenlouis zum Schutze Süddeutschlands.

Was sich dann leider nicht durchsetzen lies.
 
Repo:

Die These, dass die Annexion von Elsaß-Lothringen "maßgeblich" auf die Süddeutschen zurückgeht, lässt ein bißchen die damaligen innerdeutschen Machtverhältnisse außer Acht. Die Annexionsforderungen deckten sich mit Bismarcks Sicherheitsvorstellungen: die Schließung der offenen Flanke im Südwesten (also die militärisch-strategische Sicherung des künftigen Nationalstaates) und die so weit gehende Schwächung Frankreichs, dass es als Macht Deutschland dauerhaft unterlegen und allein keinen Revanchekrieg würde wagen können (vgl. Lothar Gall, Das Problem Elsaß-Lothringen, in: Theodor Schieder und Ernst Deuerlein, Reichsgründung 1870/71, 1970, S. 378).

Bismarck vertrat aber seine Vorstellungen nicht gegenüber der Öffentlichkeit, sondern steuerte im Hintergrund eine Presskampagne zur Annexion von Elsaß-Lothringen. Süddeutsche Politiker, die sich für eine solche Annexion aussprachen, kamen ihm besonders gelegen. Infolge der so erzeugten öffentlichen Wirkung erschien der zurückhaltende und vorsichtige Bismarck als ein Politiker, der dem öffentlichen Druck nur widerwillig und aus rationalen Sicherheitsgründen nachgab. So berichtete der englische Botschafter beispielsweise nach Londen, der Druck der Öffentlichkeit Elsaß-Lothringen zu annektieren, sei so stark verbreitet, dass kein deutscher Politiker in dieser Frage anders entscheiden könnte.

Bismarck gewann durch diese Vorgehensweise einerseits eine breite Zustimmung in der deutschen Öffentlichkeit für die Annexion. Nur wenige Stimmen sprachen sich in Deutschland gegen die Annexion aus. Gleichzeitig erreichte er aber auch, dass die anderen Großmächte annahmen, dass sich selbst Bismarck der geforderten Annexion nicht entgegen stellen könne, so dass diese auch keinen Versuch unternahmen, um die Annexion auf diplomatischen Weg zu verhindern (da eh sinnlos).
 
Nix dagegen,
Bismarck war schon ein schlauer Hund.
Hat den Napoleon voll auflaufen lassen, in dem er seine Forderungen nach der Pfalz, nach Luxemburg den Medien zuspielte.

Aber glaub mir eins, die Süddeutschen wären durch nichts anderes derart an Preußens Seite zu bekommen gewesen.
Napoleons Annexionsgelüste weckten schlimme Erinnerungen. Im März 1848 genügte das Gerücht, die Franzosen wären über den Rhein, dass sich überall die Bevölkerung bewaffnete.

Die Herrscher waren zT durchaus frankophil, als sich der franz. Botschafter bei württ. König Karl verabschiedete sollen königliche Tränen geflossen sein.
Und das Volk hatte den Preussen und insbesondere ihrem königlichen Kartätschenprinz 1849 so gar nicht vergessen.
Die Presseberichte sind eigentlich eindeutig.
 
Nix dagegen, Bismarck war schon ein schlauer Hund.
Hat den Napoleon voll auflaufen lassen, in dem er seine Forderungen nach der Pfalz, nach Luxemburg den Medien zuspielte.
Am meisten Aufsehen erregte die von Bismarck lancierte Veröffentlichung eines französischen Vertragsentwurfs, der den Erwerb Belgien durch Frankreich vorsah, in der Londoner Times vom 25.07.1870. Nach Gall (Bismarck, 1980, S. 435) bestärkte es die anderen europäischen Mächte darin, sich aus der Sache herauszuhalten. Wären die Annexionspläne betreffend Elsaß und Lothringen zu dieser Zeit bekannt gewesen, hätte etwa Großbritannien sicher einen anderen Kurs eingeschlagen.

Aber glaub mir eins, die Süddeutschen wären durch nichts anderes derart an Preußens Seite zu bekommen gewesen. Napoleons Annexionsgelüste weckten schlimme Erinnerungen.
Mir ist durchaus unklar, inwieweit die süddeutschen Staaten tatsächlich die "Bündnisfrage" von jene Annexionen abhängig gemacht haben sollen; da wäre ich für Hinweise dankbar. Dass dieses eine in weiten Kreisen populäre Forderung war, steht außer Zweifel; insoweit schließe ich mich Gandalf und Dir an.

Allgemein rechnete man damit, dass der 1870er Krieg so begrenzt sein würde wie der 1866er, und dies umso mehr, als nach der Gefangennahme Napoleons die provisorische Pariser Regierung Verhandlungs- und Friedensbereitschaft signalisierte. Die nach Sedan erhobene preußische Annexionsforderung brachte eine neue Situation: sie rückte den Frieden in weite Ferne und legte bloß, dass Preußen einen die territorialen Grenzen sprengenden Eroberungskrieg führte (S. 436).

Bismarcks Anteil an dieser "Wende" (die realiter keine war) muss sehr hoch veranschlagt werden, die der süddeutschen Potentaten eher gering. Als "einzig richtige Politik" beschrieb Bismarck in einem Brief vom 21.8.1870 - also vor Sedan -, dass man "einen Feind, den man nicht zum aufrichtigen Freund gewinnen kann, wenigstens etwas unschädlicher ... machen und uns mehr gegen ihn ... sichern [muss], wozu nicht die Schleifung seiner uns bedrohenden Festungen, sondern nur die Abtretung einiger derselben gehört" (S.. 438).

Auch Nipperdey (Deutsche Geschichte 1866-1918, 1998, Bd. 2, S. 70) schreibt, dass die Annexion keine "Vorbedingung" war, sondern nach den ersten Siegen im August "spontan in verschiedenen Kreisen und verschiedenen Regionen" entstand. Natürlich gab es schon vorher die Planspiele und Sicherheitsüberlegungen des Militärs, das einen "Sicherheitsriegel" begehrte. Letztere hat Bismarck aufgegriffen, jedoch "den Entschluß zur Annexion auch aus eigenem Antrieb und Willen gefaßt und in die Tat umgesetzt"; insoweit blieb er, trotz aller sonstigen Modernität, "altmodischem Denken" verhaftet (S. 71). Dass es für die Franzosen eine "unheilbare Wunde" sein würde, war ihm zweifellos klar.

Unser Mann aus Trier - aber nicht nur er - "hat in der Annexion die Grundlage eines künftigen Weltkonflikts, einer künftigen Katastrophe gesehen und das Zusammengehen Frankreichs mit Rußland als Konsequenz des in diesen Frieden eingebauten Revisionismus vorausgesagt" (S. 75).
 
Am meisten Aufsehen erregte die von Bismarck lancierte Veröffentlichung eines französischen Vertragsentwurfs, der den Erwerb Belgien durch Frankreich vorsah, in der Londoner Times vom 25.07.1870. Nach Gall (Bismarck, 1980, S. 435) bestärkte es die anderen europäischen Mächte darin, sich aus der Sache herauszuhalten. Wären die Annexionspläne betreffend Elsaß und Lothringen zu dieser Zeit bekannt gewesen, hätte etwa Großbritannien sicher einen anderen Kurs eingeschlagen.

Mir ist durchaus unklar, inwieweit die süddeutschen Staaten tatsächlich die "Bündnisfrage" von jene Annexionen abhängig gemacht haben sollen; da wäre ich für Hinweise dankbar. Dass dieses eine in weiten Kreisen populäre Forderung war, steht außer Zweifel; insoweit schließe ich mich Gandalf und Dir an.

Allgemein rechnete man damit, dass der 1870er Krieg so begrenzt sein würde wie der 1866er, und dies umso mehr, als nach der Gefangennahme Napoleons die provisorische Pariser Regierung Verhandlungs- und Friedensbereitschaft signalisierte. Die nach Sedan erhobene preußische Annexionsforderung brachte eine neue Situation: sie rückte den Frieden in weite Ferne und legte bloß, dass Preußen einen die territorialen Grenzen sprengenden Eroberungskrieg führte (S. 436).

Bismarcks Anteil an dieser "Wende" (die realiter keine war) muss sehr hoch veranschlagt werden, die der süddeutschen Potentaten eher gering. Als "einzig richtige Politik" beschrieb Bismarck in einem Brief vom 21.8.1870 - also vor Sedan -, dass man "einen Feind, den man nicht zum aufrichtigen Freund gewinnen kann, wenigstens etwas unschädlicher ... machen und uns mehr gegen ihn ... sichern [muss], wozu nicht die Schleifung seiner uns bedrohenden Festungen, sondern nur die Abtretung einiger derselben gehört" (S.. 438).

Auch Nipperdey (Deutsche Geschichte 1866-1918, 1998, Bd. 2, S. 70) schreibt, dass die Annexion keine "Vorbedingung" war, sondern nach den ersten Siegen im August "spontan in verschiedenen Kreisen und verschiedenen Regionen" entstand. Natürlich gab es schon vorher die Planspiele und Sicherheitsüberlegungen des Militärs, das einen "Sicherheitsriegel" begehrte. Letztere hat Bismarck aufgegriffen, jedoch "den Entschluß zur Annexion auch aus eigenem Antrieb und Willen gefaßt und in die Tat umgesetzt"; insoweit blieb er, trotz aller sonstigen Modernität, "altmodischem Denken" verhaftet (S. 71). Dass es für die Franzosen eine "unheilbare Wunde" sein würde, war ihm zweifellos klar.

Unser Mann aus Trier - aber nicht nur er - "hat in der Annexion die Grundlage eines künftigen Weltkonflikts, einer künftigen Katastrophe gesehen und das Zusammengehen Frankreichs mit Rußland als Konsequenz des in diesen Frieden eingebauten Revisionismus vorausgesagt" (S. 75).


Da hast du mich falsch verstanden. Die Annexionen waren keineswegs Vorbedingung. Die Angst vor Annexionen Frankreichs, was ja im Fall Bayerns überaus real war, die Angst Kriegsschauplatz zu werden, war ausschlaggebend.
Die Forderung nach dem Vorfeld kam erst, als der Krieg günstig verlief.

Ich spreche keineswegs von den südd. "Potentaten" es war das Volk in Süddeutschland.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da hast du mich falsch verstanden. Die Annexionen waren keineswegs Vorbedingung. Die Angst vor Annexionen Frankreichs, was ja im Fall Bayerns überaus real war...
Bayern trat an der Seite Preußens in den Krieg ein, weil es Angst vor Annexionsgelüsten Frankreichs hatte; nach Lage der Dinge sah man also die bayerische Pfalz bedroht. Gab es denn "überaus reale" Anzeichen dafür, dass Napoelon die Hand danach ausstreckte oder herrschte die Meinung vor, N. sei - siehe Luxemburg (von der belgischen Sache wusste ja noch niemand) - jemand, dem man alles zutrauen müsse? Dazu gibt es sicher Literatur, ebenso für Baden und Württemberg. In den dortigen Parlamenten und auch bei den Monarchen, das hast Du irgendwo erwähnt, war die Stimmung ja durchaus nicht generell preußenfreundlich, eher "gemsicht".

Sollten die Elsässer 1919 nicht noch bei den Wahlen zur Weimarer Nationalversammlung mitabstimmen? Was Frankreich unterband? Bilde mir ein, das schon mal gelesen zu haben.
Ich nutze gern die Gelegenheit, das zu bestätigen: Das Mitwählen der Elsaß-Lothringer war im Wahlgesetz vom Dezember 1918 nebst Wahlkreiseinteilung noch ausdrücklich vorgesehen.
 
Ich nutze gern die Gelegenheit, das zu bestätigen: Das Mitwählen der Elsaß-Lothringer war im Wahlgesetz vom Dezember 1918 nebst Wahlkreiseinteilung noch ausdrücklich vorgesehen.

Danke für die Info.

Bayern trat an der Seite Preußens in den Krieg ein, weil es Angst vor Annexionsgelüsten Frankreichs hatte; nach Lage der Dinge sah man also die bayerische Pfalz bedroht. Gab es denn "überaus reale" Anzeichen dafür, dass Napoelon die Hand danach ausstreckte oder herrschte die Meinung vor, N. sei - siehe Luxemburg (von der belgischen Sache wusste ja noch niemand) - jemand, dem man alles zutrauen müsse? Dazu gibt es sicher Literatur, ebenso für Baden und Württemberg. In den dortigen Parlamenten und auch bei den Monarchen, das hast Du irgendwo erwähnt, war die Stimmung ja durchaus nicht generell preußenfreundlich, eher "gemsicht".

Die Bündnis-Verträge, zumindest in Württ. vom Parlament ratifiziert, ließen den Süddeutschen keine Wahl, die waren eindeutig. Aber die Ratifizierung ging nur im Zusammenhang mit der Luxemburgkrise durch. Zuvor waren die Verträge ja vorsichtshalber geheim.

Du willst weitere Infos zu diesen Vorgängen? Kann ich Dir gerne Quellen nennen, aber nur zu Württemberg.
 
Die nach Sedan erhobene preußische Annexionsforderung (...) legte bloß, dass Preußen einen (...) Eroberungskrieg führte

Eine erstaunliche Schlußfolgerung, die ich keineswegs teilen kann. Wie kann man denn den gesamten Krieg als Eroberungsfeldzug deklarieren, wenn diese (Sicherheits-) Forderung erst während des Verlaufs ernsthaft erwogen wurde? Das ist mir etwas weit hergeholt.
Zum anderen wurde hier mehrfach eine französische Bedrohung als durchaus reale Gefahr dargestellt, was imho eine preußische Kriegs- und Eroberungslust doch erheblich relativiert.
Im übrigen darf man nicht außer Acht lassen, daß Frankreich bis 1814 stets der Nehmende in diesen Gebieten war. Und was die "Unglaublichkeit" territorialer Kriegsbeute angeht, so hätte ich doch gern mal gewußt, ab wann man dieses ächtete, gehörte es doch bei früheren Kriegen zum "Alltagsgeschäft".
 
Repo schrieb:
Sollten die Elsässer 1919 nicht noch bei den Wahlen zur Weimarer Nationalversammlung mitabstimmen? Was Frankreich unterband? Bilde mir ein, das schon mal gelesen zu haben
jschmidt schrieb:
Ich nutze gern die Gelegenheit, das zu bestätigen: Das Mitwählen der Elsaß-Lothringer war im Wahlgesetz vom Dezember 1918 nebst Wahlkreiseinteilung noch ausdrücklich vorgesehen.
Das war reichsdeutsches Wunschdenken. Die Deutsche Reichsregierung ersuchte am 4.10.1918 um einen Waffenstillstand auf der Grundlage von Wilsons 14-Punkte. Punkt 8 dieses Programms sah die Rückgabe von Elsass-Lothringen an Frankreich vor. Die Elsässer und Lothringer waren nach der rigorosen Repressionspolitik des Reichs während der Kriegsjahre 1914-18 ohnehin für den Wechsel nach Frankreich. Ihre Abgeordneten im Reichstag verweigerten kategorisch ihre Mitwirkung an den verschiedenen Vorhaben der Reichsregierung, das "Reichsland" im letzten Augenblick doch noch ins Reich zu integrieren. Sie wollten eben den Eindruck vermeiden, dass diese – viel zu spät kommende - Reformpolitik seitens der Elsässer und Lothringer legitimiert würde und dass diese im Deutschen Reich verbleiben wollen. Am 6.12.18 stimmte dann auch der Landtag für den Wechsel nach Frankreich.
jschmidt schrieb:
Die nach Sedan erhobene preußische Annexionsforderung (...) legte bloß, dass Preußen einen (...) Eroberungskrieg führte
Tekker schrieb:
Eine erstaunliche Schlußfolgerung, die ich keineswegs teilen kann. Wie kann man denn den gesamten Krieg als Eroberungsfeldzug deklarieren, wenn diese (Sicherheits-) Forderung erst während des Verlaufs ernsthaft erwogen wurde? Das ist mir etwas weit hergeholt.
Am Anfang des 1870er Krieges stand die von Bismarck durch Indiskretionen geschürte Furcht vor französischen Annexionen und am Ende dieses Krieges kam es zu einer tatsächlichen Annexion seitens des neu gegründeten Deutschen Reiches. Das alles im Kontext zu den die deutsche Einigung vorbereitenden Kriegen von 1864 und 1866 und zu den Manipulationen an der Emser Depesche, mit denen der deutsch-französische Krieg ausgelöst wurde, lässt durchaus die (politische) Bewertung des Krieges von 1870/71 als Eroberungskrieg zu. Im Ausland begann man am Ende des Krieges über Bismarck und die erfolgreiche preußische Machtpolitik neu nachzudenken.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Elsässer und Lothringer waren nach der rigorosen Repressionspolitik des Reichs während der Kriegsjahre 1914-18 ohnehin für den Wechsel nach Frankreich.
Das hab ich hier im Forum doch schon anders gelesen?!? :grübel:

Am 6.12.18 stimmte dann auch der Landtag für den Wechsel nach Frankreich.
Zum einen darf man das Abstimmungsverhalten eines Parlamentes nicht mit dem Willen des Volkes gleichsetzen (oder auch nur ersteres für ein Indiz des letzteren nehmen), und zum anderen - hatten sie tatsächlich eine Wahl? :confused:

(...) lässt durchaus die (politische) Bewertung des Krieges von 1870/71 als Eroberungskrieg zu.
Da wiederhole ich mich gern, lieber Gandolf, eine solche Bewertung halte ich für recht weit hergeholt. :fs:
 
Das hab ich hier im Forum doch schon anders gelesen?!? :grübel:
Mein Lese-Tip: # 1.
Zum einen darf man das Abstimmungsverhalten eines Parlamentes nicht mit dem Willen des Volkes gleichsetzen (oder auch nur ersteres für ein Indiz des letzteren nehmen), und zum anderen - hatten sie tatsächlich eine Wahl? :confused:
Nein. Die deutsche Reichsregierung stellte am 4.10.1918 die Weichen für die Rückgabe von Elsass-Lothringen ohne vorherige Volksabstimmung in Elsass-Lothringen...
Da wiederhole ich mich gern, lieber Gandolf, eine solche Bewertung halte ich für recht weit hergeholt. :fs:
Vertretbar ist eine solche Bewertung aus den bereits genannten Gründen dennoch...
 
Das war reichsdeutsches Wunschdenken. Die Deutsche Reichsregierung ersuchte am 4.10.1918 um einen Waffenstillstand auf der Grundlage von Wilsons 14-Punkte. Punkt 8 dieses Programms sah die Rückgabe von Elsass-Lothringen an Frankreich vor. .


So ganz sicher waren sich die Franzosen aber vermutlich doch nicht. Hätte sich ja sonst analog den Deutschen 1871 verhalten können.



Die Elsässer und Lothringer waren nach der rigorosen Repressionspolitik des Reichs während der Kriegsjahre 1914-18 ohnehin für den Wechsel nach Frankreich. Ihre Abgeordneten im Reichstag verweigerten kategorisch ihre Mitwirkung an den verschiedenen Vorhaben der Reichsregierung, das "Reichsland" im letzten Augenblick doch noch ins Reich zu integrieren.

Vor dem Krieg war die Stimmung eindeutig pro Reich. Durch die Ergebnisse der Reichstagswahlen zweifelsfrei festgehalten.

Für 1918/19 fehlt die Eindeutigkeit.
Der Pöpel hat gejubelt, zweifellos. Hat vermutlich auch so mancher im Trüben gefischt. Oder darauf gehofft.
Dann die Chance dem "Wehe dem Besiegten" zu entgehen. Analog den Öschis 1945.
 
Ungeachtet, wie man die "Emser Depesche" bewertet - den Krieg hat Frankreich angezettelt, auch wenn Bismarck ihn billigend in Kauf nahm. Napoleon sah sich dem Druck der Straße und Presse (Rache für Sadowa!, Auf nach Berlin!) und seiner eigenen Frau Eugenie ausgesetzt. So oder so hätte Frankreich den Rhein als seine "natürliche Grenze" mit allen Mitteln angestrebt. Eine Annexion der ehemaligen reichsdeutschen Gebiete im Elsass nach dem Krieg war daher aus strategischen Gründen eine logische Konsequenz, um die Rheinlinie durch die Festungen Metz und Belfort nach Westen hin abzusichern. Eine Belassung des Status quo wäre nach damaligem Verständnis als Schwäche ausgelegt worden und hätte den nächsten Krieg nicht erst 1914, sondern 1885 ausbrechen lassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mein Lese-Tip: # 1.
Herzlichen Dank, der Beitrag ist von dir, ich meinte eher andere Stimmen. :fs:
Im übrigen halte ich das Posting für "gefärbt" und kann auch keine Fragestellung erkennen oder was überhaupt dein Anliegen mit diesem Thread ist. Vielleicht könntest du deine Intention ja noch nachreichen. :winke:

Die deutsche Reichsregierung stellte am 4.10.1918 die Weichen für die Rückgabe von Elsass-Lothringen...
Wer stellte doch gleich die Weichen? Die Abtretung E.-L.s war wohl eher die Idee der alliierten und assoziierten Mächte. :scheinheilig:

...ohne vorherige Volksabstimmung in Elsass-Lothringen...
Verstehe nicht ganz, was du mit diesem Zusatz aussagen möchtest. :confused:

Vertretbar ist eine solche Bewertung aus den bereits genannten Gründen dennoch...
Deine Ansicht sei dir unbenommen. :fs:


@ Repo & bb: Sehr gelungene Beiträge! :)
 
Bismarck hat zu der Annexionsfrage an seine Frau Johanna die folgenden Zeilen geschreiben:"Gestern haben wir endlich unterzeichnet, mehr erreicht als ich für meine persönlich politische Berechnung für nützlich halte. Aber ich muß nach oben und nach unten Stimmungen berücksichtigen, die eben nicht rechnen. Wir nehmen Elsaß und Deutschl-Lothringen, dazu auch Metz mit sehr unverdaulichen Elementen, und über 1.300 Millionen Thaler." (1)

Des Weiteren schrieb er über Moltke, dem "der Erfolg kaiserwahnsinnig in die Krone gefahren sei." (2)

Am 27.02.1871 informierte Bismarck seine Frau darüber, das er König und die entscheidenen Generalstäbler versucht hat dahingehend zu überzeugen, wenigstens auf Metz zu verzichten.

(1) Bismarck an Johanna am 27.02.1871, in GW, Bd.14, S.816
(2) Bismarck an Johanna am 22.11.1870, in GW, Bd.14, S.800
(3) Bismarck an Johanna am 27.02.1871, in GW, Bd.14, S.816
 
So ganz sicher waren sich die Franzosen aber vermutlich doch nicht. Hätte sich ja sonst analog den Deutschen 1871 verhalten können.
Durch die deutsche Annahme von Wilsons-14-Punkte (04.10.1918) war bereits entschieden, dass Elsass-Lothringen Frankreich zurückgegeben wird. Warum sollten die Franzosen hierüber noch abstimmen lassen?
Vor dem Krieg war die Stimmung eindeutig pro Reich. Durch die Ergebnisse der Reichstagswahlen zweifelsfrei festgehalten.
„Eindeutig pro Reich“ war die Stimmung im Zabern-Krisen-Jahr 1914 nicht, auch wenn die Elsässer und Lothringer zu Beginn des Krieges brav zur Armee gingen. - Über die Interpretation der Reichstagswahlen zu diskutieren, könnte sich durchaus lohnen. Vielleicht komme ich später hierzu.
Für 1918/19 fehlt die Eindeutigkeit.
Der Pöpel hat gejubelt, zweifellos. Hat vermutlich auch so mancher im Trüben gefischt. Oder darauf gehofft.
Dann die Chance dem "Wehe dem Besiegten" zu entgehen. Analog den Öschis 1945.
Die Stimmung im November 1918 war „eindeutig pro-französisch“ (Daniel Mollenhauer in: Hirschfeld/Krumeich/Renz, Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 456) und die Begeisterung für den Wechsel vom Reich nach Frankreich war in allen Bevölkerungsschichten groß; vgl. # 1. Deine Behauptung, „der Pöbel“ habe gejubelt, ist schon deshalb nicht ernst zu nehmen, weil im Elsass traditionell die Oberschicht profranzösisch war.

Zudem muss man verstehen, dass durch die deutsche Entscheidung vom 4.10.1918 Elsass-Lothringen an Frankreich fallen zu lassen, jede (!) realistische Basis für eine prodeutsche politische Betätigung in Elsass-Lothringen entfallen war.

Aus der Sicht der Elsässer stellte sich die Sache so dar: trotz Zabern folgten diese 1914 brav ihren Einberufungsbefehlen. Gedankt wurde dies vom Reich mit neuen Übergriffen, Diskriminierungen und Repressionen während des Krieges. Zugleich mussten sie sich während des Krieges diese unselige öffentliche Debatte über den künftigen Status von Elsass-Lothringen über sich ergehen lassen, bei der sich viele einflussreiche deutsche Stimmen für eine Angliederung an Preußen aus oder die Aufteilung zwischen Preußen, Baden und Bayern aussprachen und nur vereinzelt der Ausbau der Autonomie durch Schaffung eines eigenen Bundesstaates gefordert wurde. Als der Krieg dann verloren war und die deutsche Reichsregierung u.a. auf der Grundlage des Wechsels von Elsass-Lothringen nach Frankreich um Waffenstillstand ersuchte, sollten absurderweise ausgerechnet die Elsässer und Lothringer dafür sorgen, dass es nicht zu diesem Wechsel kam: motiviert durch politische Geschenke aus jener Hauptstadt, aus der während des Krieges doch ganz andere Töne gegenüber den Elsässern und Lothringer angeschlagen wurden. Aus der Sicht der Elsässer war diese ganze Diskussion an Heuchelei nicht zu überbieten.
Ungeachtet, wie man die "Emser Depesche" bewertet - den Krieg hat Frankreich angezettelt, auch wenn Bismarck ihn billigend in Kauf nahm.
Die Sicht, speziell im Ausland, auf den deutsch-französischen Krieg drehte sich aber, als man von den Manipulationen Bismarcks an der Emser Depesche erfuhr. Nun erschien die Annexion von Elsass-Lothringen am Ende einer Entwicklung zu stehen, die von Bismarck klug geplant und gesteuert erschien.
Herzlichen Dank, der Beitrag ist von dir, ich meinte eher andere Stimmen.
Im übrigen halte ich das Posting für "gefärbt" und kann auch keine Fragestellung erkennen oder was überhaupt dein Anliegen mit diesem Thread ist. Vielleicht könntest du deine Intention ja noch nachreichen.

Wer stellte doch gleich die Weichen? Die Abtretung E.-L.s war wohl eher die Idee der alliierten und assoziierten Mächte.

Verstehe nicht ganz, was du mit diesem Zusatz aussagen möchtest.

Deine Ansicht sei dir unbenommen.

@ Repo & bb: Sehr gelungene Beiträge!
Leider argumentierst Du, lieber Tekker, nicht auf der Basis von Thesen, die mit Quellen unterfüttert werden, sondern mit Sätzen wie "ich habe mal gelesen…", "das halte ich für gefärbt“, "verstehe nicht ganz", etc. Auf der Basis solcher Beiträge kann keine sinnvolle Diskussion zustande kommen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
So oder so hätte Frankreich den Rhein als seine "natürliche Grenze" mit allen Mitteln angestrebt.
Bin für alle Hinweise, welche dieses belegen könnten, dankbar.

Eine Annexion der ehemaligen reichsdeutschen Gebiete im Elsass ...
Wie lange kann man denn unter Brüdern mit "ehemals reichsdeutsch" argumentieren? 100 Jahre? 200 Jahre? Länger?

Die Differenz, auf die es hierbei ankommt, hat Theodor Schieder (Propyläen Geschichte Europas [1982], Bd. 5, S. 122) am Nationbegriff festgemacht: Die französische Seite begründete die Legitimität ihres Anspruchs mit der politischen Nation, d. h. mit dem politischen Willen der dort aktuell lebenden Menschen (siehe dazu Gandolfs Hinweise), die deutsche Seite mit einer sprachlich und historisch definierten Idee von Nation, wobei E.-L. "als deutscher Kulturraum und als dem Reich abhanden gekommene Gebiete" galten.

... nach dem Krieg war daher aus strategischen Gründen eine logische Konsequenz, um die Rheinlinie durch die Festungen Metz und Belfort nach Westen hin abzusichern.
Belfort blieb bei Frankreich. Ist hier vielleicht Straßburg gemeint?

Für manche war das logisch. Für andere war es das nicht, etwa für jene, die für einen "Ausgleichsfrieden" waren wie 1866 und auch noch 1814/15 oder die - aus guten Gründen - schon damals am Wert von Festungen oder Festungslinien in modernen Kriegen zweifelten.

Eine Belassung des Status quo wäre nach damaligem Verständnis als Schwäche ausgelegt worden...
Für die Leute an den Stammtischen (damals und heute) trifft diese Auffassung sicher zu, aber es ist immer schlecht, wenn man auf die hört.

Bismarck stellte sich "in krassen Widerspruch zur vorherrschenden öffentlichen Meinung Europas, für die der Grundsatz der Selbstbestimmung der Völker ein unverlierbarer Bestandteil liberalen Denkens war", so Walter Bußmann (Handbuch der europäischen Geschichte, Bd. 5 [1981], S. 604). Es unterliegt keinem Zweifel, dass insbesondere Großbritannien - preußisch-deutscher Verbündeter seit zwei Jahrhunderten! - einen Verzicht auf Annexionen honoriert hätte. Gladstone wird (ebd.) mit den Worten zitiert: "Ich fürchte, Deutschland wird ruhmgekrönt und auf seine Stärke vertrauend seine neue Laufbahn damit beginnen, daß es den Schwierigkeiten der Zukunft ohne die Sympathien Europas begegnet, aber keine Nation, auch wir hinter unserem Seegürtel nicht, kann es sich leisten, diese zu verlieren."

...und hätte den nächsten Krieg nicht erst 1914, sondern 1885 ausbrechen lassen.
Reiner Spekulatius.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben