Ethnische Zusammensetzung von Anatolien zum Ende des ORs?

Ich bin auch der Meinung, dass wohl nicht die ganze Ägäisküste zu einer bestimmten Zeit komplett ohne Griechen wäre, aber die Masse an Griechen, die Anzahl, die signifikant für Einträge in Chroniken, etc. sein sollte, die ist wohl sehr gering gewesen ... Ich dachte bis vor wenigen Tagen ja auch noch, dass die Ägäisgriechen die Nachfolger von Brad Pitt und Eric Bana gewesen wären...

Nach allem, was ich jetzt darüber gelesen habe, hat es die von mir postulierte griechische Kontinuität durchaus gegeben. Allerdings keineswegs in ganz Westkleinasien, sondern lediglich in dem schmalen Küstenstreifen an der ägäischen Küste, der nur 20-50 km tief war, und natürlich auf den vorgelagerten Inseln.

Dort saßen bis zur osmanischen Eroberung im 15. Jh. ausschließlich Griechen, danach bildeten sie in den Küstenstädten die Mehrheit, auf dem Land jedoch eine ethnische Minderheit. Im restlichen Westkleinasien wurden die Griechen entweder turkisiert oder sie emigrierten. Nur vereinzelt gab es wohl ethnische Splitter, die ihre Identität bewahrten - falls überhaupt!

Eine ganz andere Geschichte sind die griechischen Familien in Konstantinopel - die Phanarioten - , die ebenfalls auf eine lange Geschichte zurückblicken konnten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Griechen in Konstantinopel und die Pontosgriechen sind eine andere Geschichte, wie ICH oben schon schrieb, insofern brauchen wir dieses hier nicht nochmals auswalzen, da es dort keinen Dissenz gibt. Abgesehen davon, wer schreibt was von 20-50km? Welche osmanischen Steuerregister hat derjenige ausgewertet, um seine Aussage zu belegen?
 
Abgesehen davon, wer schreibt was von 20-50km? Welche osmanischen Steuerregister hat derjenige ausgewertet, um seine Aussage zu belegen?

Ich habe mir in meinen Geschichtsatlanten die Siedlungsgebiete der Griechen an der kleinasiatischen Westküste während der frühen Neuzeit angesehen. Es ergibt sich dabei ein schmaler, mehrfach unterbrochener Siedlungssaum an der Ägäis von geringer Tiefe.

Interessant ist in diesem Zusammenhang das Buch "Städte unter dem Halbmond. Geschichte und Kultur der Städte in Anatolien und auf der Balkanhalbinsel" von Friedrich-Karl Kienitz, das beim Beck-Verlag 1972 erschien. Ich habe es soeben antiquarisch erstanden und es vermittelt einen anschaulichen Einblick in die kulturelle Entwicklung und städtische Struktur einer Stadtlandschaft unter osmanischer Herrschaft, zeigt vor allem auch den Wandel der Städte im zeitlichen Bogen vom Byzantinischen zum Osmanische Reich bis ins frühe 20. Jh.

Leider wird die ethnische Situation in diesen Städten kaum thematisiert, doch gewinnt man schon den Eindruck, dass sich seit der Machtübernahme durch die Osmanen ein gewaltiger struktureller Umbruch vollzogen hat, der sich natürlich auch im Stadtbild auswirkte.

Nicht bewusst war mir die Tatsache, dass die jungen souverän gewordenen Balkanstaaten alle an die Türkenzeit erinnernden Bauten und Einrichtungen noch Ende des 19. Jh. nahezu völlig eliminierten oder bis zur Unkenntlichkeit veränderten, sodass man das Stadtbild zur osmanischen Zeit kaum noch erahnen kann.


Hier noch ein anderer interessanten Text:

Um 1000 v. Chr. hatte diese Geschichte mit der Gründung ionischer und äolischer Kolonien in Milet, Ephesos, Phokaia, Smyrna, Halikarnassos, Kyme, Knidos und andernorts ihren Anfang genommen. Einige Jahrhunderte später folgten Abydos bei den Dardanellen, Kyzikos, Chalkedon und Byzanz am Marmarameer, Herakleia, Sinope, Amisos, Kerasus und Trapezunt sowie zahlreiche andere Städte an allen Küsten des Schwarzen Meeres. Die Eroberungen Alexanders öffneten der griechischen Sprache und Kultur das Innere Kleinasiens. Früh schon verbreitete sich hier das Christentum; Basilios von Cäsarea schuf in Kappadokien die Form des christlichen Mönchtums, die Benedikt von Nursia im Westen als Vorbild dienen sollte. - Das demographische und kulturelle Antlitz der Halbinsel veränderte sich nachhaltig mit der Einwanderung türkischer Nomadenstämme seit dem 11. Jahrhundert. Am Ende des Mittelalters hatte die Mehrheit der Bevölkerung Religion und Sprache der militärisch und politisch dominierenden Neusiedler übernommen.

Das Griechentum konnte sich nur dort behaupten, wo es seine ältesten Wurzeln hatte, nämlich an der Westküste, in einigen landeinwärts führenden Tälern und im Nordosten der Schwarzmeerküste. Erst als sich das Osmanische Reich im 19. Jahrhundert dem Handel mit den europäischen Staaten öffnete, kam es zu einer Renaissance. Unter Sultan Mahmud II. begann die Ära der Reformen, die den Christen im Osmanischen Reich erstmals die Möglichkeit gaben, ihren Status einer zwar geschützten, aber inferioren Minderheit zu überwinden. Griechen - und Armenier - adaptierten sich rasch an die Bedingungen des Welthandels. Mit den Geschäftspraktiken und den Erwartungen der Käufer im Orient weitaus besser vertraut als die Europäer, wurden sie für das «Marketing» der europäischen Waren unentbehrlich.

Der zunehmende Wohlstand der christlichen Familien schlug sich in einer steigenden Geburtenrate nieder, die jene der Muslime deutlich übertraf. Darüber hinaus zogen die günstigen wirtschaftlichen Bedingungen viele Menschen von den Ägäischen Inseln und sogar aus dem Königreich Griechenland an. So wuchs die christliche Bevölkerung Kleinasiens bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf 20 Prozent der Bevölkerung, fast die Hälfte davon Orthodoxe, die man dem Griechentum zurechnete, auch wenn viele von ihnen nur Türkisch sprachen oder, wie die Pontier am Schwarzen Meer, sich eines Dialekts bedienten, der vom Standardgriechischen weit entfernt war. Dieses Wachstum ist noch erstaunlicher, wenn man sich vor Augen hält, dass zur selben Zeit mehrere hunderttausend Muslime aus den neu entstandenen Balkanstaaten und dem ins Zarenreich eingegliederten Kaukasus ins Osmanische Reich emigrierten und zum Teil in Kleinasien angesiedelt wurden.
http://forum.tagesschau.de/archive/index.php/t-7886.html
 
Zuletzt bearbeitet:
Z.B. gab es in Skopje/Üsküb (Hauptstadt von Makedonien) im 17. Jh. 120 Moscheen, 99% davon wurden zerstört. Ähnlich sah es woanders auch aus.
 
Hütteroth, W.-D. (1982): Türkei. (Wissenschaftliche Länderkunden Band 21) Wissenschaftl. Buchgesellschaft, Darmstadt. S. 281.

Fast die Hälfte der Bevölkerung im Gebiet des alten Kaiserreichs Trapezunt ist noch orthodox, Istanbul und einige Marmaraorte haben stattliche orthod. Minderheiten, und in Zentralanatolien machen sie um 10% aus. Hingegen ist das Griechentum des westlichen Kleinasien verschwunden. Erst sehr viel später bildeten sich wieder griechische Gemeinden. Das aber waren keine Anatolier, sondern meist inselgriechische Einwanderer.
Wenn ich alle Aussagen zu den türkischen Ägäis-Griechen Revue passieren lasse, scheinen mir die Aussagen des von dir zitierten Hüttenroth am seriösesten zu sein.

Schade, schade: eine 2800 Jahre währende griechische Siedlungskontinuität hätte sich gut gemacht! Ein paar wenige werden vielleicht dennoch den Sturm der Zeiten überdauert haben. :weinen:
 
Wenn das Thema verschoben wurde, schreibe ich ein paar Zeilen dazu.
Ich glaube, da können wir lange warten, obwohl ich mir sogar schon die Mühe machte, die Post zu sortieren... :devil:

EDIT:
@Dieter: Dir meinen Respekt! (Ups, wollte ja keine Ausrufezeichen setzen... ;)) Ansonsten habe ich es nicht so in Erinnerung, dass du irgendwas "zugibst", sondern eher schweigend dich dem nächsten Thema zuwendest. Ich selber dachte ja noch letzte Woche an die Kontinuität. Nur dunkel erinnernd, dass es nicht so glasklar wäre. Dann nun nach Durchsicht einschlägiger Lit. eines besseren belehrt.

Ausserdem, den Sturm haben sicher noch viel mehr, als nur ein paar wenige, überdauert, nur unter anderer inzwischen turkophoner und muslimischer Identität. Fischer blieben sie an der Küste vielleicht bis heute? Natürlich erinnern sie sich nicht an ihre Herkunft, denken vielleicht gar, dass sie direkt aus Zentralasien herkamen, obwohl ihre Gesichter wie Augustus, Hadrian oder gar Apollon aussehen... Oder sind heute als Gastarbeiter zu uns gekommen.... :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Ausserdem, den Sturm haben sicher noch viel mehr, als nur ein paar wenige, überdauert, nur unter anderer inzwischen turkophoner und muslimischer Identität.

Ja, aber das ist natürlich wenig aufregend, dass die Türken auf einer Basis von mittelmeerischer Urbevölkerung, Hethitern, Lydern, Phrygern, Persern und Griechen stehen.

Kontinuitäten und bewahrte Identitäten über lange Zeiträume - das finde ich historisch spannend!
 
Zuletzt bearbeitet:
Dieter, das ist nichts anderes als das was ich vorher geschrieben habe.
An der kleinasiatischen Westküste gab es Griechen, die sich als solche verstanden haben.
Der Bevölkerungszuwachs erfolgte in der Tat nachdem, durch die Reformen im Osmanischen Reich, die dort schon immer an der kleinasiatischen Küste ansässigen Griechen sich schneller vermehrten als die Muslime.

Lynxxx, erwähnte weiter oben, dass der Zuwachs vor allem auf Zuwanderung vom griechischen Festland zurückzuführen war.

Ich verneinte dies und schrieb genau dies weiter oben, wobei die Zuwanderung von den griechischen Inseln minimal gewesen sein dürfte. Soviele Menschen lebten auf den Inseln überhaupt nicht, dass eine Zuwanderung solche demographische Umwälzungen möglich gewesen wären.

Das kleinasiatische Griechentum war jedoch (abgesehen von der Küste) nicht völlig verschwunden. Die Pontusgriechen wurden erwähnt, weitere Enklaven wie z.B. in Kappadokien oder Karaman waren ebenfalls vorhanden.

Nochmals: Es gab definitiv eine griechische Siedlungskontinuität über die Jahrtausende an der kleinasiatischen Westküste, und um das ging es hier.
Die massive Präsenz von Griechen (die sich als solche verstanden) ist -abgesehen von wenigen Enklaven- im inneren Kleinasiens durch Islamisierung und Vertreibung, nicht gegeben.

Ich habe mir in meinen Geschichtsatlanten die Siedlungsgebiete der Griechen an der kleinasiatischen Westküste während der frühen Neuzeit angesehen. Es ergibt sich dabei ein schmaler, mehrfach unterbrochener Siedlungssaum an der Ägäis von geringer Tiefe.

Interessant ist in diesem Zusammenhang das Buch "Städte unter dem Halbmond. Geschichte und Kultur der Städte in Anatolien und auf der Balkanhalbinsel" von Friedrich-Karl Kienitz, das beim Beck-Verlag 1972 erschien. Ich habe es soeben antiquarisch erstanden und es vermittelt einen anschaulichen Einblick in die kulturelle Entwicklung und städtische Struktur einer Stadtlandschaft unter osmanischer Herrschaft, zeigt vor allem auch den Wandel der Städte im zeitlichen Bogen vom Byzantinischen zum Osmanische Reich bis ins frühe 20. Jh.

Leider wird die ethnische Situation in diesen Städten kaum thematisiert, doch gewinnt man schon den Eindruck, dass sich seit der Machtübernahme durch die Osmanen ein gewaltiger struktureller Umbruch vollzogen hat, der sich natürlich auch im Stadtbild auswirkte.

Nicht bewusst war mir die Tatsache, dass die jungen souverän gewordenen Balkanstaaten alle an die Türkenzeit erinnernden Bauten und Einrichtungen noch Ende des 19. Jh. nahezu völlig eliminierten oder bis zur Unkenntlichkeit veränderten, sodass man das Stadtbild zur osmanischen Zeit kaum noch erahnen kann.


Hier noch ein anderer interessanten Text:

Die «Kleinasiatische Katastrophe» - Ein unbewältigtes Trauma der Griechen [Archiv] - forum.tagesschau.de
 
Die Beiträge 7 - 28 können ggf. auch woandershin verschoben werden oder zu einem eigenen Thread gemacht werden, wie ihr wollt. Und bitte trennt Beiträge zu verschiedenen Themen voneinander, das erleichtert uns die Arbeit.
 
Das kleinasiatische Griechentum war jedoch (abgesehen von der Küste) nicht völlig verschwunden ...
Nochmals: Es gab definitiv eine griechische Siedlungskontinuität über die Jahrtausende an der kleinasiatischen Westküste, und um das ging es hier.

Es sollte mich sehr freuen, wenn das so wäre, Mike! :yes:

Was ich bislang darüber gelesen habe, ist nicht ganz eindeutig und ich kann mangels einschlägiger Literatur nicht zweifelsfrei entscheiden, wie haltbar nun die Hypothese einer griechischen Siedlungskontinuität an der kleinasiatischen Westküste seit der Antike ist.

Ob der von lynxxxxxxx zitierte Herr Hüttenroth nun der Weisheit letzter Schluss ist, vermag ich ebenfalls nicht zu beurteilen. Auf jeden Fall trägt er seine Meinung sehr nachdrücklich vor!
 
Na..., wenn nicht wenigstens ein paar wenige Enklaven in Kleinasien überlebt hätte, würde es mich selber nicht geben. Ein Teil meiner Vorfahren waren Griechen aus Kappadokien, die erst 1924 nach Hellas kamen.

Kappadokisches griechisch wird noch heute in einigen ehemaligen Flüchtlingsdörfern in Thessalien und Makedonien gesprochen, als Kind habe ich das noch von meinen Großeltern gehört. Vor ein paar Jahren habe ich mich weg gelacht, als ich irgendwo gelesen habe, dass die Sprache doch tot sei. Irgendso ein Klugmaier, der keine Ahnung hatte.

Es gibt eine lebendige Communitiy in Hellas von kappadokischen Verbünden, die alles zusammentragen was es noch an Sprache, Sitten, alte Bilder, etc. gibt. Die alten Leute sterben ja alle weg, so versucht man zu erhalten was es noch an Informationen gibt.

Übrigens, einige Male wurden bisher die alten Dörfer in der Nähe von Nigde/Türkei besucht und es gibt sehr nette und freundschaftliche Beziehungen mit den dort verbliebenen Bewohnern bzw. mit den Menschen, die nach 1924 dahin gezogen sind. Die Bürgermeister beider Dörfer haben sich besucht und im kleinen und Verborgenen werden neue Freundschaften geschlossen. Das sind aber Dinge, die man nicht groß herausposaunt und ich will es dabei auch belassen.

Hüttenroth ist sicherlich sehr kompetent. Aber woher soll der gute Mann solche Dinge wissen ? Wenn es griechisch könnte, dann könnte er die in den griechischen Archiven vorhandenen Informationen lesen über die Herkunft der damals aus Kleinasien vertriebenen.
 
Na..., wenn nicht wenigstens ein paar wenige Enklaven in Kleinasien überlebt hätte, würde es mich selber nicht geben. Ein Teil meiner Vorfahren waren Griechen aus Kappadokien, die erst 1924 nach Hellas kamen.

Darüber gibt es ja hier keine zwei Meinungen.

Schon mal daran gedacht, wenn wir imaginär hundert Jahre vor das 18. Jh. packen würden, dass dann Anfang des 20. Jh. die "Griechen" Kappadokiens sich noch weiter assimiliert hätten und vielleicht gänzlich Türken geworden wären? Dann würdest du nun türkische Flaggen schwenken und behaupten, deine Vorfahren kämen aus Zentralasien? ;) :devil:
Vielleicht nur noch 100 Jahre entfernt von einer Islamisierung?


Kappadokisches griechisch wird noch heute in einigen ehemaligen Flüchtlingsdörfern in Thessalien und Makedonien gesprochen,
Redest du von den sog. Karamanen/Karamanlis?

Hüttenroth ist sicherlich sehr kompetent. Aber woher soll der gute Mann solche Dinge wissen ? Wenn es griechisch könnte, dann könnte er die in den griechischen Archiven vorhandenen Informationen lesen über die Herkunft der damals aus Kleinasien vertriebenen.
Woher weisst du, ob er griechisch kann oder nicht? Woher weisst du, welche Archive er ausgewertet hat? Ausserdem belegen Archive, die festhalten, aus welchen Regionen der Türkei die Umsiedler und Vertriebenen im Bevölkerungsaustausch herkamen nicht, ob diese schon seit 2800 Jahren immer dort lebten.

Wie du weisst, wurden vorher auch Millionen Flüchtlinge vom Balkan Richtung Anatolien vertrieben, entscheidend war dabei das islam. Bekenntnis. Es spielte damals überhaupt keine Rolle, dass ein großer Teil gar keine Türken war, sondern Nachkommen islamisierter Bosniaken, Makedonen, Bulgaren oder Griechen, und dass ihre Sprachen eben nicht türkisch war, sondern griechisch, bulgarisch, usw.
Wenn eine Region durchmischt wurde, seit den Neandertalern, dann wohl die Landbrücke zwischen Europa und Asien... :p

Ansonsten ist zu Hütteroth zu sagen, dass es ein Standardwerk ist, welches so maßgeblich ist und war, dass es nochmals in überarbeiteter Form 2004 herausgebracht wurde. Du findest dieses Werk in jeder Literaturempfehlung der zu lesenden Bücher für Studenten bzgl. der Türkei (sowohl bei Geographen, als auch Historikern, usw.)
Es ist zudem von dem Schlage, wie es u.a. Dieter so gefällt :pfeif:, nämlich universalistisch, also über den Tellerrand schauend, akribisch und eine Unzahl an Werken auswertend. Schlicht ein Meisterwerk.

Ich habe ja oben noch ein weiteres Buch angegeben, welches konkretere Zahlen der osm. Register aufweist. Kannst ja da auch noch reinschauen.

Ansonsten: Sollte uns ein anderes Buch in die Finger fallen, welches neuer ist und genauso seriös ist, und dieses nun doch meßbare griechische Siedlungen durchgängig in osm. Zeit belegen können, dann ändern wir eben unsere bisherige neue Erkenntnis wieder... :)
Bin offen für alles.
 
Ansonsten ist zu Hütteroth zu sagen, dass es ein Standardwerk ist, welches so maßgeblich ist und war, dass es nochmals in überarbeiteter Form 2004 herausgebracht wurde. Du findest dieses Werk in jeder Literaturempfehlung der zu lesenden Bücher für Studenten bzgl. der Türkei (sowohl bei Geographen, als auch Historikern, usw.)
Es ist zudem von dem Schlage, wie es u.a. Dieter so gefällt :pfeif:, nämlich universalistisch, also über den Tellerrand schauend, akribisch und eine Unzahl an Werken auswertend. Schlicht ein Meisterwerk.
Stimme ich zu. Das Buch wird gern kurz als "der Hütteroth" bezeichnet - quasi ein Ritterschlag in der Fachliteraturwelt.
 
Der Brockhaus von 1837 zum Thema Smyrna/Ismir, also einer alten Stadt der Griechen in Anatolien:
Gegenwärtig ist S. die wichtigste Handelsstadt der Levante, und hat 140–150,000 Einw., worunter 65,000 Türken, 23,000 Griechen, 12000 Juden, 7000 Armenier und 3000 Europäer, Franken genannt.
Eine wahrlich bunte Stadt. (Irgendwie muss es noch mindestens 20000 sonstige Bewohner gegeben haben, vorausgesetzt die Zahlen sollen einen Sinn ergeben.)
Ungefähre Anteile der Ethnien:
44% Türken
16% Griechen
8% Juden
5% Armenier
2% "Franken"

Entscheidend für Unterteilung der Bevölkerung Smyrnas war ganz sicher in erster Linie die Religionszughörigkeit: Islam, Griechisches Christentum, Armenisches Christentum, europäisches/fränkisches Christentum (katholisch)
Griechische Muslime und türkische Christen sind da natürlich nicht vorgesehen. :pfeif:
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Brockhaus von 1837 zum Thema Smyrna/Ismir, also einer alten Stadt der Griechen in Anatolien:

Eine wahrlich bunte Stadt. (Irgendwie muss es noch mindestens 20000 sonstige Bewohner gegeben haben, vorausgesetzt die Zahlen sollen einen Sinn ergeben.)
Ungefähre Anteile der Ethnien:
44% Türken
16% Griechen
8% Juden
5% Armenier
2% "Franken"

Entscheidend für Unterteilung der Bevölkerung Smyrnas war ganz sicher in erster Linie die Religionszughörigkeit: Islam, Griechisches Christentum, Armenisches Christentum, europäisches/fränkisches Christentum (katholisch)

Die Zusammensetzung der Bevölkerung von Smyrna hatte sich etwa 40 Jahre später entscheidend gewandelt. Bei mir steht ein 19-bändiges "Meyers Konversations-Lexikon" von 1890 das folgende Angaben enthält:

Die Bevölkerung ist ein buntes Gemisch der verschiedensten Nationalitäten und wurde 1880 auf 155 000 geschätzt, wovon 75 000 Griechen, 45 000 Türken, 15 000 Juden, 10 000 Katholiken, 6000 Armenier und 4000 Fremde waren. Neuerdings sind ca. 50 000 bulgarische Tataren (!), tüchtige Arbeiter und Landbauer, dazugekommen, welche einen ganzen Stadtteil angelegt haben.

(Meyers Konversations-Lexikon, Band 14, Leipzig und Wien 1890, S. 1042)
Im Vergleich zu 1838 war der Anteil der griechischen Einwohner also von 16% auf nahezu 50% gestiegen, was vermutlich mit den Einflüssen zusammenhängt, die der Historiker Hüttenroth (vgl. den Textauszug von lynxxxxxxx weiter vorn) genannt hat.

Ein anderes Lexikon von 1810 (Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit von H. A. Pierer, Altenburg), das ebenfalls bei mir steht, nennt um 1800 einen griechischen Bevölkerungsanteil von etwa 15% in Smyrna. Das erhärtet meine Vermutung, dass die griechische Bevölkerung, die in einem schmalen Gebietsstreifen an der kleinasiatischen Westküste saß, nach der osmanischen Eroberung im 15. Jh. nicht gänzlich verschwand, sondern in rudimentären Rückzugsgebieten und Bevölkerungsinseln überlebte.

Was es allerdings mit den "50 000 bulgarischen Tataren" auf sich hat, von dem das Meyer-Lexikon von 1890 spricht (s. oben), ist mir ein Rätsel.
 
Siehe dazu auch die vorherige Thread-Seite, inkl. dem Populations-Ausschnitt aus dem Encyclopaedia of Islam-Artikel Anatolien/Anadolu und die Buchlinks.

Man erkennt dabei auch, dass die konkreten Bevölkerungszahlen nach Volkszählungen zum Teil erheblich schwanken, und ohne weitere Kenntnisse der Materie und von ihrer Entstehung nicht so einfach ausgewertet, dargestellt und verglichen werden können.
 
[Zitat:] Die Bevölkerung ist ein buntes Gemisch der verschiedensten Nationalitäten und wurde 1880 auf 155 000 geschätzt, wovon 75 000 Griechen, 45 000 Türken, 15 000 Juden, 10 000 Katholiken, 6000 Armenier und 4000 Fremde waren. Neuerdings sind ca. 50 000 bulgarische Tataren (!), tüchtige Arbeiter und Landbauer, dazugekommen, welche einen ganzen Stadtteil angelegt haben.
Sehr interessant! In der übernächsten Auflage (Bd. 18, S. 556) sind die Tataren verschwunden, während sich die Griechen auf 135.000, die Mohammedaner auf 75.000 und die Juden auf 35.000 vermehrt haben.

Démétrius Georgiadès nennt in seinem Buch über Smyrna und Kleinasien (1885) auch keine Tataren. Zwei Thesen:
- Schreibfehler (nur 5.000 Tataren realiter)
- Die Tataren werden bei den Griechen mitgezählt.

Letzteres in Anlehnung an das Smyrna-Buch von Carl von Scherzer (1873), worin er die Bevölkerung der Provinz wie folgt zusammenfasst (S. 47):
"400.000 Türken, 300.000 Griechen, 40.000 Armenier, 30.000 Juden, 200.000 Turkomannen und Zigeuner, 13.000 Katholiken, 5.000 Europäer. Hiebei sind die hier lebenden Bulgaren und Croaten zu den Griechen gerechnet."
 
Die Tataren werden bei den Griechen mitgezählt.

Sehr unwahrscheinlich. Es wird sich doch um Muslime gehandelt haben. Eher schon, dass sie bei den Turkmenen (=Turkomannen) aufgeführt, dir interessanterweise von den eigentlichen Türken getrennt genannt sind.Vermutlich rechnete man den ganzen Balkan, also auch Serben und Albaner als "Griechen".
 
Eher schon, dass sie bei den Turkmenen (=Turkomannen) aufgeführt, dir interessanterweise von den eigentlichen Türken getrennt genannt sind.
Du hast vermutlich recht. :winke:
Hätte ich selbst merken können, wenn ich bis S. 51 weiter gelesen hätte:
"Den Reigen der einheimischen Bevölkerung beschließen die Juruken (Turkomannen) und die Zigeuner. Die ersteren sind in früheren Zeiten eingewanderte Nomaden, ihre Sprache ist türkisch, sie können aber weder lesen noch schreiben. Religion haben sie beinahe keine, da sie weder Kirche noch Iman besitzen, doch üben sie die Beschneidung, glauben an Muhamed und zählen sich zu den Muhamedanern."
Juruken und Bulgaren --> Geschichte der Bulgaren - Google Bcher
 
Zurück
Oben