Familiengeschichte erforschen

Meistersinger

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Hallo,

Ich würde gerne mehr darüber wissen, wie und wo meine Ur- und Ur-Ur-Großväter während der beiden Weltkriege involviert waren.

Ich weiss z.B. über einen Ur-Großvater, dass er in der Wehrmacht war und an der Ostfront gekämpft hat. Mich würde z.B. interessieren in welcher Einheit er genau war, welchen Rang und welche Aufgaben er dort hatte und an welchen Schlachten er teilgenommen hat, wann er in Gefangenschaft kam usw. Würde mich auch interessieren, ob er (zumindest mutmaßlich) an Verbrechen beteiligt gewesen ist oder eher nicht. Das könnte man ja daraus ableiten, wenn man weiss wo genau er wann eingesetzt war.

Ich kenne nur seinen Namen, Geburtsdatum und Wohnort bzw. Geburtsort. Auch habe ich ein Foto von ihm in Uniform. Ansonsten weiss ich aber nichts, ausser dass er eben in Russland gekämpft hat, in Gefangenschaft war und irgendwann wieder nach Hause gekommen ist.

Gibt es da irgendeine Möglichkeit allein mit den Personalien herauszufinden, wo er während des Krieges genau war und was er gemacht hat? Gibt es vielleicht eine Art Register, wo man solche Informationen bekommen könnte?

Mein Großvater hat leider nie viel über ihn erzählt, also zumindest keine Details, die mich heute interessieren würden.

Von meinen Ur-Ur-Großvätern weiss ich ausser den Namen gar nichts, aber ich gehe mal davon aus, dass die im 1. Weltkrieg auch Soldaten waren wie fast alle wehrfähigen Männer damals.

Würde mich freuen, wenn jemand Tipps hat oder sich damit auskennt. Es wäre schade, wenn man darüber nichts mehr herausfinden kann.
 
Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Wenn Du aus einem relativ kleinen Ort kommst, kann es sogar sein, dass das alles in der Ortschronik festgehalten wurde. Die muss öffentlich zugänglich sein.

Wenn es eine katholische Gegend ist, sollten die Informationen zumindest für den ersten Weltkrieg in der Pfarrchronik festgehalten sein. Die Pfarrchroniken sind in der Regel geheim, aber wenn Du nach Deinen Vorfahren suchst, werden sie für Dich nachsehen. Jedenfalls sollte es so sein, nur dass nicht mehr in jeder Gemeinde jemand ist, der es lesen kann. Die Regelungen dafür können je nach Bistum unterschiedlich sein. Jedenfalls dürfen sie nicht so einfach nein sagen. Ich war da ein paar Jahre in unserer Pfarrei mit solchen Dingen beauftragt. Wenn das Sekretariat darum nicht weiß, musst Du Dich an den Pfarrer wenden.

Wenn Deine Vorfahren in einer Kameradschaft ehemaliger Soldaten waren, müsste Dir die Kameradschaft -nicht zu verwechseln mit politischen Kameradschaften- weiterhelfen können. Gewöhnlich wird beim Eintritt verzeichnet, wo gedient wurde und welche Auszeichnungen erhalten worden sind und die älteren Mitglieder können es genauer wissen.

Die 3 Möglichkeiten sind in der Regel schnell vor Ort zu klären, haben aber den Nachteil, dass es nicht immer vollständig sind und ab einem bestimmten Zeitpunkt in den Chroniken Einheit und Einsatzort nicht mehr verzeichnet werden durften. Bei den Kameradschaften sind die Abzeichen und Orden nicht immer korrekt verzeichnet worden. (Wo Schützenvereine als Heimatschutzvereine gleichgeschaltet waren, können auch dort Informationen schlummern, wenn da nach dem Krieg nichts vernichtet wurde.)

Für den ersten Weltkrieg wurde später ein Kriegsteilnehmerabzeichen gestiftet. Das wurde -allerdings nur auf Antrag- von den Kreisen nach entsprechendem Nachweis verliehen. Da kann, wenn die Akten erhalten sind, dass Kreisarchiv weiterhelfen. Mit Glück können Soldbuch oder Wehrpass erhalten sein, die oft als Beleg eingereicht wurden. Ist der Wehrpass erhalten, sind dort, wenn vorschriftsmäßig ausgefüllt, nicht nur alle Einheiten, sondern auch die militärische Ausbildung und die Einsatzzeiträume an bestimmten Frontabschnitten eingetragen. Wie gesagt, braucht man da auch Glück, dass mehr als eine Liste vorhanden ist. Und wegen in der Regel unleserlicher Handschriften, muss man die deutsche Schrift gut lesen können.

Dann ist an Uniformen auf Fotos manchmal auch etwas zu erkennen. In der Wehrmacht waren z.B. Orden und Abzeichen zu tragen. Und für die Teilnahme an bestimmten Operationen gab es bestimmte Abzeichen. Wenn Du die nicht im Netz zeigen willst und auch keine Militaria-Sammler fragen möchtest, können Dir Kreis- oder Stadtarchiv und auch evt. vorhandene Gedenkstätten sicher seriöse Auskunftgeber nennen. Die werden in der Regel fragen, ob sie das Foto abfotografieren dürfen.

Weitergehende Recherchen würde ich erst angreifen, wenn das Naheliegende abgesucht ist.

Am schnellsten ist die Datenbank der Kriegsgräberfürsorge einzusehen. Sie ganz einfach online abfragbar. Da ist so mancher als vermisst oder gefallen eingetragen, der glücklich nach Hause gelangte, da irgendwann Akten durcheinander gerieten. So geriet z.B. der Name meines Großvaters auf ein Kriegerdenkmal, bei dessen Einweihung er selbst anwesend war. Die Angaben sind allerdings oft unvollständig. Dafür ist die Datenbank auch in der Nacht von Samstag auf Sonntag abrufbar.
 
Du kannst eine Anfrage bei der Deutschen Dienststelle (Wehrmachtsauskunftsstelle) DD-WASt stellen. Da müsste so ziemlich alles verzeichnet sein, was über deine Urgroßväter im soldatischen Dienst aktenkundig geworden ist, sofern sie bei der Wehrmacht waren. Das wird i.d.R. nicht viel sein. Ein paar Zahlenkolonnen und Ortsnamen, mit denen man als Laie zunächst einmal wenig anfangen kann.

Wenn du etwas mehr über deine Urgroßväter weißt, als du hier preisgegeben hast, kannst du evtl. auch im zuständigen Landesarchiv fünfig werden, sofern die Entnazifizierungsakten freigegeben sind. Die meisten Entnazifizierungsakten sind relativ langweilig, aber einige sind auch recht aufschlussreich, das hängt vor allem auch davon ab, was außer dem Investigation Sheet noch in der jeweiligen Akte zu finden ist.

Die Entnazifizierungsakten sind dann potentiell lohnenswert, wenn deine Urgroßväter
- verbeamtet waren bzw. verbeamtet werden wollten
- Anspruch auf eine Beamtenrente erhoben
- für die Besatzungsmächte oder im öD arbeiteten/arbeiten wollten
- in privatwirtschaftlichen Unternehmen eine Führungsposition einnehmen wollten

Für deinen Urgroßvater in sowjetischer Gefangenschaft (das schreibst du zwar nicht explizit, aber ich deduziere das mal aus deiner Schilderung) können wir annehmen, dass es vermutlich keine Entnazifizierungsakte gibt, da er vermutlich in der heißen Phase der Entnazifizierung noch in Gefangenschaft war.

Solltest du Zugang zu alten Familienbüchern haben, schau mal nach Ariernachweisen. Auch die sind meist
eher langweilig, können aber ebenso aufschlussreich sein, wenn sie auch über die Einsatzorte im Krieg nichts verraten.
 
Muss man bei jener Dienststelle nicht seit ein paar Jahren persönlich vorstellig werden, wenn die Datenschutzfristen noch nicht abgelaufen sind?
 
Von persönlicher Vorstellung lese ich hier nichts (aber es ist spät):
https://www.dd-wast.de/de/antrag-stellen/datenschutz/wast-verordnung-text.htm
Bei allem Schutz von Persönlichkeitsrechten (und das gilt ja auch für Sperrfristen in Archiven, weshalb in manchen Archiven beispielsweise Entnazifizierungsakten, da diese alle in cummulo ein gemeinsames Repositum darstellen, noch gesperrt sind, obwohl das archivrechtlich nur für einen Teil der Unterlagen noch zwingend wäre), ist die WASt dennoch die erste Anlaufstelle für Rückfragen bzgl. Wehrmachtsangehöriger. SS und Polizei sind intentionell vernichtet worden, so dass es hier viel weniger Material gibt.
 
Muss man bei jener Dienststelle nicht seit ein paar Jahren persönlich vorstellig werden, wenn die Datenschutzfristen noch nicht abgelaufen sind?
Es gab Sperrfristen, bei denen man die Eigenschaft als engster Angehöriger nachweisen musste (Kind, Enkel etc).

Inzwischen werden WAST-Auskünfte, wie ElQ ausgeführt hat, problemlos gegeben.
Wenn die Dienststellen feststehen, kann man bei Interesse über die verfügbaren Archive mehr recherchieren, wobei aber die Aktenlagen sehr unterschiedlich sind.
 
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