Thomas Trauner
Aktives Mitglied
Innerhalb des Diskussionsstranges fallen mir immer wieder Gedankengänge auf, die schon sehr alt sind, immer wieder gedacht und vorgetragen werden aber nichtsdestowenigertrotz eigentlich auf den Dachboden der Forschungsgeschichte gehören.
Erstmal reduziert sich das Paläolithikum des homo sapiens ja nicht auf die letzten 30.000 Jahre, sondern auf (z.Zt.) 150.000 Jahre.
Zusammen mit seinem Kulturausdruck ist er/sie allerdings tatsächlich wohl erst seit 60.000 Jahren (Australien) bzw. 45.000 Jahren (Europa) zu fassen.
Ein erstaunliches, rätselhaftes und laufend unterschätztes Detail dabei ist z.b. dass sich für seine Zeit von eben 150.000 bis ca 45.000 kein typisch „homo sapiens“ Werkzeug finden lässt. Offenbar benutzt er/sie sogar die gleichen Werkzeuge wie der gleichzeitige homo erectus/heidelbergensis/steinheimnensis/neanderthalensis.)...
Wenn wir hier also über die Geschlechterrolle in der Steinzeit diskutieren, sollte uns bewusst sein, dass wir, jetzt egal, ob die Hinweise nun relevant für eine etwaige moderne Geschlechterrolle sind oder nicht, in jedem Falle nur Nachrichten vom bereits sozial entwickelten homo sapiens vor uns haben.
Jede Aussage bezüglich „ursprünglich/natürlich“ etc. leidet also schon alleine deswegen gewaltig.
Unabhängig von einer mehr oder weniger allgemein anerkannten Definition von „Naturvölkern“ ist jede, wirklich jede, Übernahme von Beobachtungen aus dem ethnologischen Bereich in den prähistorischen oder anthropologischen Bereich ein Analogschluss, der keineswegs zwingend oder gar auch nur annähernd korrekt sein muss. Beispiele für Fehlschlüsse, die zumeist aus dem 19.Jh. stammen, gibt es zuhauf.
Da finden sich glückliche und schöne Südseemenschen plötzlich wieder am Bodensee („Pfahlbauten“), da werden Ostasiatische Jägervölker des. 19.Jh., obwohl sie mit Schusswaffen umgehen, plötzlich zu Paläolithikern, Afrikanische „Nomaden“, die sich ja aus der Sesshaftigkeit heraus entwickeln, werden plötzlich zu „Mesolithikern“, Afrikanische Jagdmethoden werden plötzlich eiszeitlich....Pyramiden mit einer zeitlichen Diskrepanz von 5000 Jahren sollen gleiche Ursachen haben, etc.
Der Analogschluss leidet m.E. einfach darunter, dass, außer, dass es sich jeweils um Menschen handelt, keine weiteren Gemeinsamkeiten bestehen, die eine Gültigkeit des Analogschlusses wahrscheinlich machen.
Und vielleicht noch: Wir wissen wirklich nichts über Paläolithische Soziokultur, nur an paar Annahmen. Die Frage nach der Rolle der Frau zu der Zeit ist eigentlich die gleiche, wie wenn wir fragten, ob denn auch Linkshänder/innen gejagt haben. Oder ob nach der Erfindung des Rades (und des Wagens) überall dann „rechts-vor-links“ galt, außer in England....
Wir wissen nichts, einfach nichts. Nicht mal ob denn wirklich männlich/weiblich so ein entscheidendes Kriterium für den „Wert“ in der Gesellschaft war. Wir wissen nicht, ob sich die individuelle Eignung tatsächlich auch damals schon einem gesellschaftlichem Zwang unterzuordnen hatte.
So wissen wir ja z.b. bei den „Venusdarstellungen“ des Gravettien nicht mal, ob sie von Männern oder von Frauen hergestellt und von wem für welchen Zweck auch immer genutzt wurden. Nada, nichts, null, zero, rien....
Kurz:
Die ganze Diskussion in diesem Threat erscheint mir methodisch etwas seltsam.....
Und, was ich mich wirklich frage ist, ob eine rezente soziokulturell und politisch höchst wichtige Frage, nämlich die der sozialen Gerechtigkeit innerhalb der bestehenden „Werteordnung“ , abhängig von Geschichtsbezügen und etwaigen biologischen Gegebenheiten geführt werden muss.
Das Ganze hat übrigens Geschichte. Schon seit der Neudefinition der Emanzipation im Kapitalismus des 19.Jh. und beginnenden 20.Jh. finden sich zahlreiche Diskussionsbeiträge, die auf eine etwaige historische Rolle der Frau Bezug nehmen und den modernen politischen Anspruch damit rechtfertigen wollen.
Das reicht dann von völlig mystischer Überhöhung und Hervorstreichen der „Göttinnen/Mutterrolle“ bis hin zu den kampfbereiten, wagemutigen Kämpferinnen der Antike.
Und heute ? Je nach persönlicher Sicht der Dinge werden die normalen Fähigkeiten überhöht, wird entweder ein Matriarchat bis hin zu Gotthaftigkeit der weiblichen Physis gefordert oder völlig konträr die Frauen in eine „Männerrolle“ gequetscht. Offenbar ist man/frau sich nicht mal einig, was denn nun „typisch weiblich“ und demnach einzufordern ist. Die totale weiblich Rolle als Mutter von alles und jedem oder die Anerkennung auch bislang „männlicher“ Fähigkeiten wie jagen und kämpfen.
Und alles unter jeweiligen Bezug auf (Vor)Geschichte oder Ethnologie. Furchtbar.
Dabei wären jede Erkenntnisse, selbst wenn wir denn welche hätten, für heutige Verhältnisse völlig belanglos.
Die moderne westliche Gesellschaft ist nicht nur im Hinblick auf die Geschlechterrollen ungerecht, das gehört geändert.
Völlig unabhängig davon, wer bei uns was in der letzten Zwischeneiszeit gemacht hat. Oder im 19.Jh. in Indonesien.....
Thomas
Erstmal reduziert sich das Paläolithikum des homo sapiens ja nicht auf die letzten 30.000 Jahre, sondern auf (z.Zt.) 150.000 Jahre.
Zusammen mit seinem Kulturausdruck ist er/sie allerdings tatsächlich wohl erst seit 60.000 Jahren (Australien) bzw. 45.000 Jahren (Europa) zu fassen.
Ein erstaunliches, rätselhaftes und laufend unterschätztes Detail dabei ist z.b. dass sich für seine Zeit von eben 150.000 bis ca 45.000 kein typisch „homo sapiens“ Werkzeug finden lässt. Offenbar benutzt er/sie sogar die gleichen Werkzeuge wie der gleichzeitige homo erectus/heidelbergensis/steinheimnensis/neanderthalensis.)...
Wenn wir hier also über die Geschlechterrolle in der Steinzeit diskutieren, sollte uns bewusst sein, dass wir, jetzt egal, ob die Hinweise nun relevant für eine etwaige moderne Geschlechterrolle sind oder nicht, in jedem Falle nur Nachrichten vom bereits sozial entwickelten homo sapiens vor uns haben.
Jede Aussage bezüglich „ursprünglich/natürlich“ etc. leidet also schon alleine deswegen gewaltig.
Unabhängig von einer mehr oder weniger allgemein anerkannten Definition von „Naturvölkern“ ist jede, wirklich jede, Übernahme von Beobachtungen aus dem ethnologischen Bereich in den prähistorischen oder anthropologischen Bereich ein Analogschluss, der keineswegs zwingend oder gar auch nur annähernd korrekt sein muss. Beispiele für Fehlschlüsse, die zumeist aus dem 19.Jh. stammen, gibt es zuhauf.
Da finden sich glückliche und schöne Südseemenschen plötzlich wieder am Bodensee („Pfahlbauten“), da werden Ostasiatische Jägervölker des. 19.Jh., obwohl sie mit Schusswaffen umgehen, plötzlich zu Paläolithikern, Afrikanische „Nomaden“, die sich ja aus der Sesshaftigkeit heraus entwickeln, werden plötzlich zu „Mesolithikern“, Afrikanische Jagdmethoden werden plötzlich eiszeitlich....Pyramiden mit einer zeitlichen Diskrepanz von 5000 Jahren sollen gleiche Ursachen haben, etc.
Der Analogschluss leidet m.E. einfach darunter, dass, außer, dass es sich jeweils um Menschen handelt, keine weiteren Gemeinsamkeiten bestehen, die eine Gültigkeit des Analogschlusses wahrscheinlich machen.
Und vielleicht noch: Wir wissen wirklich nichts über Paläolithische Soziokultur, nur an paar Annahmen. Die Frage nach der Rolle der Frau zu der Zeit ist eigentlich die gleiche, wie wenn wir fragten, ob denn auch Linkshänder/innen gejagt haben. Oder ob nach der Erfindung des Rades (und des Wagens) überall dann „rechts-vor-links“ galt, außer in England....
Wir wissen nichts, einfach nichts. Nicht mal ob denn wirklich männlich/weiblich so ein entscheidendes Kriterium für den „Wert“ in der Gesellschaft war. Wir wissen nicht, ob sich die individuelle Eignung tatsächlich auch damals schon einem gesellschaftlichem Zwang unterzuordnen hatte.
So wissen wir ja z.b. bei den „Venusdarstellungen“ des Gravettien nicht mal, ob sie von Männern oder von Frauen hergestellt und von wem für welchen Zweck auch immer genutzt wurden. Nada, nichts, null, zero, rien....
Kurz:
Die ganze Diskussion in diesem Threat erscheint mir methodisch etwas seltsam.....
Und, was ich mich wirklich frage ist, ob eine rezente soziokulturell und politisch höchst wichtige Frage, nämlich die der sozialen Gerechtigkeit innerhalb der bestehenden „Werteordnung“ , abhängig von Geschichtsbezügen und etwaigen biologischen Gegebenheiten geführt werden muss.
Das Ganze hat übrigens Geschichte. Schon seit der Neudefinition der Emanzipation im Kapitalismus des 19.Jh. und beginnenden 20.Jh. finden sich zahlreiche Diskussionsbeiträge, die auf eine etwaige historische Rolle der Frau Bezug nehmen und den modernen politischen Anspruch damit rechtfertigen wollen.
Das reicht dann von völlig mystischer Überhöhung und Hervorstreichen der „Göttinnen/Mutterrolle“ bis hin zu den kampfbereiten, wagemutigen Kämpferinnen der Antike.
Und heute ? Je nach persönlicher Sicht der Dinge werden die normalen Fähigkeiten überhöht, wird entweder ein Matriarchat bis hin zu Gotthaftigkeit der weiblichen Physis gefordert oder völlig konträr die Frauen in eine „Männerrolle“ gequetscht. Offenbar ist man/frau sich nicht mal einig, was denn nun „typisch weiblich“ und demnach einzufordern ist. Die totale weiblich Rolle als Mutter von alles und jedem oder die Anerkennung auch bislang „männlicher“ Fähigkeiten wie jagen und kämpfen.
Und alles unter jeweiligen Bezug auf (Vor)Geschichte oder Ethnologie. Furchtbar.
Dabei wären jede Erkenntnisse, selbst wenn wir denn welche hätten, für heutige Verhältnisse völlig belanglos.
Die moderne westliche Gesellschaft ist nicht nur im Hinblick auf die Geschlechterrollen ungerecht, das gehört geändert.
Völlig unabhängig davon, wer bei uns was in der letzten Zwischeneiszeit gemacht hat. Oder im 19.Jh. in Indonesien.....
Thomas
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