Hannibal 15 Jahre in Italien?

Eindeutig war die Rechtslage sicherlich nicht. Nach der Vorgeschichte seit Ende des 1. Punischen Krieges hatte Karthago viele nachgeschobene römische Kröten zu schlucken gehabt, wovon die Abtretung Sardiniens das bekannteste ist und nicht im Friedensvertrag vorgesehen war.

Bislang hatte Karthago immer klein beigeben müssen, da es durch innere/äußere Probleme nicht zu Widerstand in der Lage gewesen war. Mehrfach warf Rom Karthago vor die (gegen Rom) aufständischen Sarden unterstützt zu haben und 235 erklärte Rom sogar deshalb den Krieg. Mit neuen Tributzahlungen kaufte sich Karthago einmal mehr frei. Diesmal war man nicht bereit einer neuen römischen Forderung nachzugeben. Man fühlte sich offensichtlich in der Lage auch einer militärischen Auseinandersetzung gewachsen zu sein. Eine eindeutig Pro-karthagische Deutungsweise bietet Jakob Seibert in seinem Buch "Hannibal" von 1993. Ein schwieriges Unterfangen, da alleine römische Quellen die Zeit überdauert haben und entsprechend Tendenziös sind. Aber das ist off-topic hier.

Aber das ist off-topic hier.
 
Delbrück, Geschichte der Kriegskunst, denkt über die Frage wie folgt nach:

Eine frühere Räumung Italiens wird nicht erfolgt sein, weil Hannibal einen leidlich günstigen Frieden angestrebt haben könnte, nachdem der volle Sieg nicht gelingen konnte. Die Römer würden evt. für die Räumung Italiens "einen Preis zahlen", wie auch immer der aussehen sollte. So folgte er Scipio auch nicht sofort nach Afrika, auf die Befestigungen von Karthago vertrauend.

Hier könnte die Überlegung gewesen sein, dass die Karthager Scipio neutralisieren, während es umgekehrt den Römern nicht gelingen würde, Hannibal aus Italien zu vertreiben: also die Hoffnung auf ein strategisches Patt, um auf der Basis Frieden schließen zu können. Diese Haltung änderte sich erst, als die Lage in Afrika kritisch wurde.

Wow, diese Theorie habe ich noch nicht gehört, und finde sie sehr schlüssig, Danke dafür, auch wenn der Post sehr alt ist.

Nach Seibert-Lektüre habe ich mir die Ausgangsfrage auch immer wieder gestellt. Dabei habe ich noch ein paar andere Ansätze, die meines Wissens kaum diskutiert worden sind. Wenn doch, berichtigt mich bitte.

1. Aus heutiger Sicht wirkt Hannibal bei Betrachtung des Kriegsverlaufes leicht unflexibel bis schlimmstenfalls grob fahrlässig. Wenn man sich Erfolge und Misserfolge in den so wichtigen Jahren 215-210 aber vor Augen hält, kann man das Bild bis zum Fall Neukarthagos und der Niederlage Hasdrubals am Metaurus auch anders wahrnehmen, und ein entschlossener und kühner Mann wie Hannibal musste das anders wahrnehmen - die Erfolge waren da. Nie genug, um ihm einen Aufschwung zu geben, aber immer genug, um ihm das Gefühl zu geben, ein Durchbruch könnte bevorstehen. Capua, das Bündnis mit Philipp, die Eroberung von Tarent - all das ließ ihn im Nachhinein schlechter dastehen als vorher, aber er musste davon ausgehen, dass seine Hartnäckigkeit sich irgendwann auszahlen würde. Zumal er keine wirklichen Alternativen besaß (Belagerungen scheint er relativ kategorisch ausgeschlossen zu haben, vermutlich zu Recht, aufgrund der größeren Mittel der Römer).

2. Eine weitere Idee, die mir in den letzten Tagen kam, war die Frage, ob Hannibal mit zunehmender Dauer des Feldzuges - aus welchen Gründen auch immer - sein Kundschafternetz nicht mehr nutzen konnte. Bis Cannae bauen alle seine Unternehmungen auf exakter und immer zutreffender Einschätzung des Gegners auf - von der Planung des Zuges nach Italien (ich folge hier im wesentlichen Seibert) bis hin zur richtigen Einschätzung der gegnerischen Führungspersönlichkeiten und gnadenlosen Ausnutzung jeder Schwäche. Ist dieses Kundschafternetz irgendwann zusammengebrochen? Im Gegensatz zu den ersten Jahren, als Hannibal alle Fäden in der Hand zu haben schien, wirkt er ab einem gewissen Zeitpunkt völlig isoliert, reagiert nur noch, statt zu agieren. Da sich ein Mensch nicht einfach so ändert, muss die Ursache dafür in äußeren Umständen zu suchen sein. Resignation hat sich vielleicht eingestellt, aber sicherlich noch nicht in den paar Jahren nach Cannae.

3. Wie viel hatte Karthago mit der Platzierung der Feldherrn zu tun? Spanien und Sizilien wurden vollkommen von Karthago aus bestückt (oft genug unklug). Die oben zitierte Vermutung passt auch auf den Rat von Karthago, der Hannibal in Italien belassen wollte, solange keine große Gefahr drohte, und den Krieg von sich fern zu halten. Wir sehen Hannibal gerne als vollkommen autonom, was er sicher in hohem Maße war, aber er war ein Feldherr von vielen. Vielleicht lag die Entscheidung, ob er sich wegen der Misserfolge aus Italien zurückziehen könne, einfach nicht bei ihm. Alle großen Entscheidungen - Belagerung Sagunts, Marsch nach Italien, Abberufung 203 - waren mit dem Rat koordiniert, von ihm abgesegnet oder sogar initiiert.
 
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Hannibal: Eine Spinne ohne Netz

Interessante Gedanken. Ich möchte auf Punkt 2 eingehen:
Hannibal kam nach Italien in ein Land, das vom Gegner weitgehend beherrscht wurde. Sein Plan war es dort Siege zu erringen, die das feindliche Bündnissystem zerrütten - und am Ende möglichst zerstören sollten. Es war ihm klar, dass er mit der von ihm ins Land mitgeführten Armee alleine nicht in der Lage sein würde, den Gegner niederzuringen. Sein Plan war (etwa lt. Seibert…) darauf angelegt, das Rom Bündnispartner an ihn verlieren würde, mit deren Hilfe er langsam das Übergewicht im Lande erringen würde… Wobei auch die Frage erlaubt sein mag, inwieweit Hannibal in Italien auch nur die römischen Kräfte im Land binden sollte um Andernorts Siege zu erringen…

Dieser Plan gab ihm Anfangs größte Freiheiten für seine Aktionen: Er war frei Ort und Zeit seines Angriffs alleine nach militärischen und sonstigen „harten“ Gründen zu wählen. Dabei eintretende Verluste würde er weitgehend erst nach dem erwarteten/erhofften Seitenwechsel ursprünglich römischer Verbündeter ausgleichen können. Ebenso würde er vorher keine echte Basis in Italien besitzen (und auch keine zu verteidigen haben! - Im Gegensatz zu den ermüdenden Hilfsaktionen für nur belastende, weil passive Städte, die auf seine Seite gewechselt waren)…

Nach den ersten Siegen, die bei aller Brillanz nicht ohne eigene Verluste zu erringen waren, musste er anders agieren. Seine Aktionen hatten zunehmend politische Aspekte zu berücksichtigen. Nun hatte er die wechselvollen Veränderungen bei römischen Verbündeten im Blick zu behalten und zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Ein derart dichtes Netz politischer Verbindungen benötigt weniger eine effektive Feindaufklärung im Bezug auf Truppenbewegungen, als vielmehr Insiderinformationen aus dutzenden von Städten im römischen Machtbereich, die teils weit auseinander liegen!

Ein solches Netz war unmöglich im Vorfeld aufzubauen. Hannibals Milde gegenüber gefangen genommenen römischen Bundesgenossen (er entließ sie in die Freiheit) war sein wichtigstes Mittel in dieser Phase. Diese Männer hatten seine Gnade direkt erfahren, er sollte auch mit den wichtigsten von Ihnen gesprochen haben, sie beeinflusst, umworben, ihnen Aufträge mitgegeben-, ja ihnen Versprechungen gemacht haben… Nun musste er abwarten, was diese Männer erreichen würden. Der Vergleich mit einer Spinne im Netz drängt sich auf, denn er musste nun nicht zuletzt seine Aktionen im Kontext des Feedbacks seiner „Subordination“ planen und koordinieren. Aber gerade politische Gelegenheiten sind schnelllebig – so mancher Marsch würde sich als „unzeitig“ erweisen… Zumal die Römer nicht nur in der Lage waren, Hannibals „Agenten“ abzufangen, sondern vielleicht auch dazu ihm eine Falle zu stellen. Ganz zu schweigen davon, ihn wenigstens „planlos“ durch Fehlinformationen durch halb Italien irren zu lassen… Und spätestens jetzt fällt auf, dass Hannibal vielleicht für einige Zeit eine „lauernde Spinne“ sein mochte, aber eine, die noch nicht über ein Netz verfügte! Gerne wird im Rückblick gefragt, warum er nicht zu den bei den Römern als wankelmütig eingeschätzten Etruskern zog, oder direkt zu den Griechenstädten im Süden, oder…. Was immer!? All diese Überlegungen mögen vielleicht richtig sein, aber Hannibal konnte niemals sehr viel Gewissheit über die echten Chancen einer ihm vorgeschlagenen Aktion gewinnen, bevor er nicht losmarschierte und es versuchte! Er war für einige Zeit weniger lauernde Spinne oder auch nur Jäger, als vielmehr ein Gejagter von eher geisterhaften Ideen und Signalen aus italischen Städten… Dabei spielte die Zeit gegen ihn. Wirklich still abzuwarten war das Schlechteste, das er tun konnte, denn das Zeitfenster für die Schockwelle seiner Siege war natürlich immer beschränkt und musste sich verlaufen, je folgenloser diese Zeit verstreichen sollte…

Ich hoffe das von mir grob skizzierte Bild hilft, Hannibals Lage zu verdeutlichen, nachdem er in Italien mit gewaltigen Paukenschlägen eingetroffen war… Hinzu kommt, das Hannibals „Spiel“ in Italien ohne Basen und Verbündete verloren sein musste, sobald er eine ernsthafte Niederlage im Feld erlitten hätte, da er kaum die Möglichkeit hatte, seine Verluste ersetzen zu können. Dies mag auch ein Grund dafür gewesen sein, seine Truppen niemals längerfristig für eine Belagerung festzulegen. Ein Alexander scheint derartige Skrupel nicht gehabt zu haben? Rom dagegen leistete sich zahlreiche, äußerst herbe Fehlschläge gegen ihn, um am Ende doch triumphieren zu können.
 
Wie viel hatte Karthago mit der Platzierung der Feldherrn zu tun? Spanien und Sizilien wurden vollkommen von Karthago aus bestückt (oft genug unklug). Die oben zitierte Vermutung passt auch auf den Rat von Karthago, der Hannibal in Italien belassen wollte, solange keine große Gefahr drohte, und den Krieg von sich fern zu halten. Wir sehen Hannibal gerne als vollkommen autonom, was er sicher in hohem Maße war, aber er war ein Feldherr von vielen. Vielleicht lag die Entscheidung, ob er sich wegen der Misserfolge aus Italien zurückziehen könne, einfach nicht bei ihm. Alle großen Entscheidungen - Belagerung Sagunts, Marsch nach Italien, Abberufung 203 - waren mit dem Rat koordiniert, von ihm abgesegnet oder sogar initiiert.
Das sehe ich anders. Abgesehen von der Rückberufung dürfte Hannibal eigenständig agiert haben. Der karthagische Rat - zumindest einflussreiche Teile - war an einem Krieg mit Rom nicht interessiert. Karthago bereitete sich auf den Krieg auch nicht vor, nur Hannibal tat das. Wenn man die Geschichte Karthagos betrachtet, vor allem seine Kriege auf Sizilien, so sieht man, dass es sich, wenn es einen Krieg beginnen wollte, immer gründlich vorbereitete, durch weitgespannte Werbungen von Söldnern, den Abschluss von Bündnissen und ein großangelegtes Rüstungs-, vor allem Flottenbauprogramm. Diese umfangreichen Vorbereitungen fehlten im Vorfeld des Zweiten Punischen Krieges. Der karthagische Rat wurde von Hannibal vor vollendete Tatsachen gestellt. Wäre er von Anfang an in die Kriegsvorbereitungen eingebunden gewesen und hätte er den Krieg selbst beschlossen, hätte er vermutlich auch viel rascher auf den Nebenkriegsschauplätzen, vor allem Sizilien und Sardinien, Krieg führen lassen. Es entsprach nicht der karthagischen Strategie, sich nach und nach etwas einfallen zu lassen, sondern man schlug normalerweise nach umfangreichen Vorbereitungen mit voller Wucht im großen Stil nach Plan zu.
Hannibal war auf den Rat nicht angewiesen. Spanien war seine Hausmacht, und die Barkiden hatten auch in Karthago Anhänger. In Spanien konnte er weitgehend tun und lassen, was er wollte, und das tat er auch. Für seinen Plan brauchte er die Hilfe des Rates, zumindest anfangs, auch gar nicht wirklich.

Eine weitere Idee, die mir in den letzten Tagen kam, war die Frage, ob Hannibal mit zunehmender Dauer des Feldzuges - aus welchen Gründen auch immer - sein Kundschafternetz nicht mehr nutzen konnte. Bis Cannae bauen alle seine Unternehmungen auf exakter und immer zutreffender Einschätzung des Gegners auf - von der Planung des Zuges nach Italien (ich folge hier im wesentlichen Seibert) bis hin zur richtigen Einschätzung der gegnerischen Führungspersönlichkeiten und gnadenlosen Ausnutzung jeder Schwäche. Ist dieses Kundschafternetz irgendwann zusammengebrochen? Im Gegensatz zu den ersten Jahren, als Hannibal alle Fäden in der Hand zu haben schien, wirkt er ab einem gewissen Zeitpunkt völlig isoliert, reagiert nur noch, statt zu agieren.
Ich glaube, dass dieser Eindruck eher einer ex-post-Betrachtung geschuldet ist. Klar wird sich Hannibal möglichst umfassend informiert haben, aber dem waren Grenzen gesetzt. Das begann schon einmal damit, dass Rom keinen einheitlichen Oberkommandierenden hatte. Hannibal stand keinem dauerhaften römischen Feldherrn gegenüber, den er studieren und einschätzen konnte, sondern jährlich wechselnden Konsuln und Praetoren, dazu fallweise ernannten Dictatoren. Hannibal konnte unmöglich wissen, wer gewählt würde und wer mit einem Kommando gegen ihn betraut würde. Schon als er im Herbst 218 über die Alpen nach Italien marschierte, konnte er nicht wissen, wer die Konsuln des Jahres 217 sein würden. Dazu kommt noch, dass der römische Senat auch noch bei den militärischen Planungen mitmischte, und dass die Kommandos teilweise - insbesondere unter den Praetoren - verlost wurden. Auf diese Weise kann es kaum möglich gewesen sein, das römische Verhalten einzuschätzen und vorherzusagen. Ich glaube auch nicht, dass Hannibal wirklich tiefergehende Informationen über die meisten seiner Gegner besaß - langjährig aktive wie Marcellus ausgenommen. Wo hätte er die denn so auf die Schnelle nach jeder Wahl herbekommen sollen? Wenn jemand, der noch nie einen Feldzug kommandiert hatte, zum Konsul gewählt wurde, konnten doch selbst die besten Informanten nicht wissen, wie er sich als Feldherr verhalten würde.
Es ist ja auch gar nicht so, dass bis Cannae immer alles nach Wunsch lief. Dass Fabius Maximus Dictator wurde und eine Schlacht vermied, dafür aber die Karthager am Fouragieren hinderte, passte sicher nicht in Hannibals Konzept. Es war für ihn ein großes Glück, dass 216 mit Varro ein Mann Konsul wurde, der wieder die Entscheidungsschlacht suchte - aber das konnte er weder vorhersehen noch wirklich beeinflussen. Später hatte er dieses Glück nicht mehr. Ohne den Sieg bei Cannae aber wären möglicherweise viele Städte Süditaliens Rom treu geblieben.

Dass Hannibal nach den ersten Jahren nur noch reagiert zu haben scheint, liegt wohl eher daran, dass ihm die Optionen ausgegangen waren. Viele Städte blieben den Römern loyal, auf eine Belagerung Roms wollte er sich nicht einlassen, und die Römer wollten weder Frieden schließen noch eine Entscheidungsschlacht schlagen. Mehr als zu versuchen, seine Verbündeten zu beschützen (was nun einmal vor allem ein Reagieren auf römische Angriffe erforderte) und weitere Städte zum Abfall zu motivieren, konnte Hannibal nicht mehr machen. In diese Situation hätte er aber auch schon früher kommen können, nämlich wenn die Römer an der Strategie von Fabius Maximus festgehalten hätten. Hannibal war darauf angewiesen, dass sich ihm die Römer zur Schlacht stellten und dass Städte zu ihm überliefen. Beides konnte er nur sehr bedingt beeinflussen. Wenn es für ihn ganz blöd gelaufen wäre, hätten die Römer schon in den ersten Jahren Schlachten vermieden, dann wären auch noch viel weniger Städte von den unbesiegten Römern abgefallen. Nur weil sich die Römer anfangs (meist) so verhielten, wie es in Hannibals Konzept passte, konnte es anfangs für ihn gut laufen, was im Nachhinein zu der Vorstellung verführen mag, er hätte alle Fäden in der Hand gehalten.
 
Und spätestens jetzt fällt auf, dass Hannibal vielleicht für einige Zeit eine „lauernde Spinne“ sein mochte, aber eine, die noch nicht über ein Netz verfügte!

Guter Vergleich; das leuchtet ein. Interessanterweise habe ich ähnliche Ansätze grade bei Lancel gelesen.

Hannibal stand keinem dauerhaften römischen Feldherrn gegenüber, den er studieren und einschätzen konnte, sondern jährlich wechselnden Konsuln und Praetoren, dazu fallweise ernannten Dictatoren. Hannibal konnte unmöglich wissen, wer gewählt würde und wer mit einem Kommando gegen ihn betraut würde.

Interessant ist dabei, dass sich bei oberflächlicher Betrachtung der Berichte von Livius der Gedanke aufdrängt, dass Hannibal genau das doch konnte (und vermutlich kann man ihm einiges an solch taktischer Menschen- und Gegnerkenntnis durchaus zugestehen). Allerdings gebe ich dir recht - Livius lässt Hannibal vor allem die plebejischen Konsuln an der Nase herumführen, die der Historiker selber nicht mochte; also vielmehr eine Charakterisierung Livius' als Hannibals.

Mehr als zu versuchen, seine Verbündeten zu beschützen (was nun einmal vor allem ein Reagieren auf römische Angriffe erforderte) und weitere Städte zum Abfall zu motivieren, konnte Hannibal nicht mehr machen.

Ich denke auch, dass uns hier die Nachbetrachtung ganz gewaltig in die Suppe spuckt. Am Anfang lief (fast) alles gut - mit einer ordentlichen Portion Glück; nach Cannae blieben die entscheidenden politischen wie militärischen Erfolge aus, auf die Hannibal fest gesetzt hatte - auch das mit einer gehörigen Portion Pech. Dass ihm so wenige Bürgerschaften zufallen würden, damit wird er nicht gerechnet haben.
 
Interessant ist dabei, dass sich bei oberflächlicher Betrachtung der Berichte von Livius der Gedanke aufdrängt, dass Hannibal genau das doch konnte (und vermutlich kann man ihm einiges an solch taktischer Menschen- und Gegnerkenntnis durchaus zugestehen). Allerdings gebe ich dir recht - Livius lässt Hannibal vor allem die plebejischen Konsuln an der Nase herumführen, die der Historiker selber nicht mochte; also vielmehr eine Charakterisierung Livius' als Hannibals.
Erfolgreiche Feldherren selbst nehmen für sich gerne in Anspruch, sie hätten alles vorausgesehen und vorausbedacht und hätten jederzeit den vollen Überblick über die Gesamtsituation gehabt und den Gegner richtig einschätzen können. Im Rückblick lässt sich so etwas leicht behaupten, da der Erfolg der Behauptung recht zu geben scheint.
Ebenso ist es auch für einen Autor relativ einfach, im Rückblick einen Sieg eines Feldherrn darauf zurückzuführen, dass er alles richtig vorhergesehen und seinen Gegner richtig eingeschätzt und beurteilt habe.

Wie schwer das in der Praxis sein kann, sieht man z. B. daran, dass vor der Schlacht bei Issos das makedonische und das persische Heer glatt aneinander vorbeimarschiert sind.

Grundsätzlich wird jeder halbwegs talentierte Feldherr versuchen, seinen Gegner zu manipulieren und dazu zu bringen, sich auf eine Schlacht unter Umständen einzulassen, die für ihn (den talentierten Feldherrn) möglichst günstig sind, bzw. es auszunutzen, wenn sich der Gegner in eine für diesen ungünstige Situation begeben hat. Ob der Plan aufgeht, zeigt allerdings erst der Erfolg.
Auch Hannibal hatte nicht immer Erfolg: Sein Versuch, den Marcus Minucius Rufus in eine Falle zu locken, ging nur halb auf, und später scheiterte sein Versuch, durch einen Scheinangriff auf Rom die Römer von Capua wegzulocken.

Dass es keine Garantie für einen Sieg ist, wenn man den Gegner dazu bringt, auf einem ausgewählten Schlachtfeld zu schlagen, zeigte die Schlacht bei Gaugamela.

Gerade die Taktik, den Gegner aus dessen Position zu locken oder zu einer (von diesem eventuell nicht geplanten) Schlacht auf für diesen nicht günstigem Gelände zu verleiten, indem man ihm ein paar Truppen als Köder vorwirft, kommt in der Kriegsgeschichte relativ häufig vor. Keineswegs immer geht sie auf wie an der Trebia. Ob sie aufgeht, hängt nicht nur von der Persönlichkeit des gegnerischen Feldherrn ab, sondern auch von der Disziplin von dessen Truppen bzw. davon, wie gut der Gegner sie im Griff hat.

Was die Sache mit den plebejischen Konsuln betrifft: Die drei wichtigsten Schlachten (Trebia, Trasimenischer See, Cannae) wurden nun einmal von plebejischen Konsuln verloren, da kann Livius auch nichts dafür. Aber bei ihm gibt es auch erfolgreiche Plebejer, vor allem Marcellus. (Die Marcelli waren ein plebejischer Zweig der ansonsten patrizischen Claudii.)
 
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Was die Sache mit den plebejischen Konsuln betrifft: Die drei wichtigsten Schlachten (Trebia, Trasimenischer See, Cannae) wurden nun einmal von plebejischen Konsuln verloren, da kann Livius auch nichts dafür. Aber bei ihm gibt es auch erfolgreiche Plebejer, vor allem Marcellus. (Die Marcelli waren ein plebejischer Zweig der ansonsten patrizischen Claudii.)

Naja - Cannae wurde von zwei Konsuln verloren, und Paullus wird in der traditionellen Überliefung fast pauschal von jeder Schuld freigesprochen. Da möchte ich eine Schieflage in der Überlieferung nicht ausschließen.
 
Bei Arrian, dem zuverlässigsten Alexander-Historiker, steht davon nichts. Dareios wartete mit seiner Armee bei Sochoi im Inneren Syriens auf Alexander, um ihm (auch auf Rat des bei ihm weilenden Makedoniers Amyntas) dort auf für ihn günstigem Gelände eine Schlacht zu liefern. Aber als Alexander (der krankheitsbedingt in Tarsos in Kilikien festsaß) nicht erschien, gelangte Dareios zur Ansicht, Alexander würde kneifen, und beschloss ihm selbst entgegenzuziehen, und so marschierte er östlich des bzw. durch das küstennahe Amanus-Gebirge nach Issos. Alexander war allerdings zwischenzeitlich doch schon von Mallos in Kilikien die Küste entlang an Issos vorbei nach Myriandros marschiert, von wo er offenbar ins Landesinnere nach Sochoi marschieren wollte, aber durch ein Unwetter zurückgehalten wurde. Als Dareios bei Issos merkte, dass Alexander schon vorbei war, zog er an der Küste nach Süden zum Fluss Pinaros. Als Alexander erfuhr, dass Dareios nördlich von ihm stand, zog er wieder nach Norden. Am Pinaros kam es schließlich zur Schlacht.
 
Heute ist auf der Seite der BBC ein Artikel erschienen, laut dem durch gefunden Dungresten von Elefanten möglicherweise die Route durch die Alpen gefunden worden ist.
Dung clue to Hannibal's Alpine crossing - BBC News

Apvar

Hier noch einige Fundstücke zum Thema:

"The results may not yet be a smoking gun, but the researchers are hopeful of finding other evidence from the deposit, such as tapeworm eggs from horses - or even elephants."

"They also found signs of horse tapeworms. “There is even the possibility of finding an elephant tapeworm egg,” Allen told Britain’s Guardian newspaper. “This would really be the pot of gold at the end of the rainbow.”

"His plan went awry, however, when the elephants started suffering from a pachyderm version of athlete's foot, and all but one eventually died as a result of the cold and wet."

Das war mir auch neu: Eine Dickhäuterversion von Fußpilz.


[Mod: Smalltalk und spamming gelöscht]
 
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Heute ist auf der Seite der BBC ein Artikel erschienen, laut dem durch gefunden Dungresten von Elefanten möglicherweise die Route durch die Alpen gefunden worden ist.
Dung clue to Hannibal's Alpine crossing - BBC News

Apvar

Dungreste von Elefanten hat man nicht gefunden (oder zumindest bisher nicht als solche identifiziert), man spricht von Tieren (können Elefanten gewesen sein, aber müssen es nicht sein).

Ich konnte leider aus den von Apvar und Silesia verlinkten Artikeln nicht entnehmen, wie der Dung datiert wurde. Über die Jahrtausende mögen ja verschiedene Tierhorden im Rahmen von Kriegszügen oder auch Viehtrieben den Col de Traversette überquert haben. Wie will man wissen, ob der Dung von den Tieren Hannibals stammt oder von denen Cäsars oder Napoleon?



Hier noch einige Fundstücke zum Thema:

"The results may not yet be a smoking gun, but the researchers are hopeful of finding other evidence from the deposit, such as tapeworm eggs from horses - or even elephants."

"They also found signs of horse tapeworms. “There is even the possibility of finding an elephant tapeworm egg,” Allen told Britain’s Guardian newspaper. “This would really be the pot of gold at the end of the rainbow.”

"His plan went awry, however, when the elephants started suffering from a pachyderm version of athlete's foot, and all but one eventually died as a result of the cold and wet."

Das war mir auch neu: Eine Dickhäuterversion von Fußpilz.

Vielleicht könntest Du bei ausführlichen Zitaten auch das Zitat deutlich machen und die Quelle (mit Link nennen).
 
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Merci.

Dungreste von Elefanten hat man nicht gefunden (oder zumindest bisher nicht als solche identifiziert), man spricht von Tieren (können Elefanten gewesen sein, aber müssen es nicht sein).

Ich konnte leider aus den von Apvar und Silesia verlinkten Artikeln nicht entnehmen, wie der Dung datiert wurde. Über die Jahrtausende mögen ja verschiedene Tierhorden im Rahmen von Kriegszügen oder auch Viehtrieben den Col de Traversette überquert haben. Wie will man wissen, ob der Dung von den Tieren Hannibals stammt oder von denen Cäsars oder Napoleon?

Im von Gangflow verlinkten Artikel des Telegraph findet sich auch die Antwort zu meiner Frage nach der Datierung:

"The dung, which can be directly dated to around 200BC through carbon isotope analysis (very close to the date on historical records - 218BC), was found at a mire or pond.

Has Hannibal's route across the Alps been uncovered? Scientists use 2,000-year-old trail of dung to track legendary general

Also über Radiokarbondatierung.
 
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