Hemmingen-Wilkenburg: Mal wieder ein neues Römerlager entdeckt...

Der oberirdische Befund spricht eklatant gegen eine römische Anlage.

Was ist denn oberirdisch festgestellt worden, was eklatant gegen eine römische Anlage spricht? Schuchardt hat doch vor 100 Jahren so gut wie keine Funde gemacht. Und bei der Deutung der Wallanlage ist er genauso im Konjunktiv, wie ich. Der Unterschied ist nur, dass bei meiner Erklärung auch Wälle einen Sinn ergeben, die nicht in ein Fliehburg-Konzept passen, z. B. der kleine Innenwall, an dessen linken Ende ich ein Sternchen für einen vermuteten Messpunkt (locus gromae) gesetzt habe. Ich gehe davon aus, dass dieser Komplex ggf. über mehrere Jahre genutzt wurde. Vermuteter Zweck dieses Walls: Beschleunigung des Zeltaufbaus bei erneuter Belegung, da die Lagerachsen im nordwestlichen Teil durch den Wall eindeutig festgelegt sind und nicht jedes Mal neu bestimmt werden müssen.

Vergleich doch mal Lage und Bauweise mit den nachweisbaren römischen Lagern im rechtsrheinischen Germanien.

Grundsätzliche Lage eines Feldlagers im Gelände z. B.:

  • leicht abfallendes Gelände bevorzugt (keine Staunässe bei Regen) -> erfüllt

  • manchmal beidseitig von Bächen eingerahmt (gibt eine leicht erhöhte Fläche mit kleinen „Seitentälern“ , dadurch weniger Staunässe)-> erfüllt

  • gesicherte Wasserversorgung in der Nähe-> erfüllt

  • möglichst eben -> erfüllt

  • gute Vorfeldeinsicht (sie mochten offenbar keine Überraschungen) -> erfüllt

Lage im größeren Zusammenhang:
· siehe Anlage Post 240

Vergleich der Bauweise:

Das genau habe ich gemacht, ich habe die Wälle z. B. mit Anreppen und Hedemünden verglichen. Dass es den großen östlichen Vorwall, sowie den Wall der Vorburg und die Hauptburg gibt, ist m. E. der jeweiligen Belegungsstärke und ggf. –art geschuldet. Wissen wir eigentlich genau, wie z. B. rechtsrheinische Feldlager von Auxiliartruppen in augustinischer Zeit ausgesehen haben?


Ach ja, noch spannender wird die Geschichte, wenn man das Ganze auch mit dem Komplex Heisterburg macht und dann das alles zusammen betrachtet.
 
Der von Dir vermutete Weg ist ohne weitere Angabe von Vorteilen nicht so ohne weiteres Nachzuvollziehen. Wenn ich als Römer von Minden nach Wilkenburg wollte, würde ich über Stadthagen laufen, also nördlich der Höhenzüge. Dein Weg würde immerhin einige Risiken des Überfallenwerdens birgen.

Also die Theorie, dass Du von Minden über Stadthagen nach Wilkenburg laufen würdest, ist ja, aus heutiger Sicht der Straßenverhältnisse, gar nicht so schlecht. Vor 2000 Jahren sah die Gegend dort aber etwas anders aus. Im Norden des heutigen Landkreises Schaumburg zwischen Minden, Stadthagen und Wunstorf, zwischen der Weser, den Rehburger Bergen, dem Steinhuder Meer und dem Bückeberg, zwischen Schaumburger Wald und Haster Wald gab es den historischen Dülwald. Die ganze Ebene zwischen dem Bückeberg im Süden bis zum Schaumburger Wald im Norden (Bukki-Gau) war bis zum Mittelalter hinein von einem sumpfigen Ur-Auwald, der ausgesprochen siedlungsfeindlich war, bedeckt. Ob der Hellweg vor dem Santforde in augustinischer Zeit tatsächlich schon mitten durch den Dülwald entlang der B 65 (Bückeburg / Nienstedt / Stadthagen /Beckedorf) verlief, wage ich daher zu bezweifeln. Diese Trasse ist m. E. erst nach dem Beginn der Rodung des Bukki-Gaues (12. / 13. Jahrhundert) wahrscheinlich. Meine Vermutung geht daher dahin, dass der Hellweg vor dem Santforde zu Augustinische Zeit noch nicht über Stadthagen ging, sondern von Bückeburg aus nördlich am Bückeberg entlang der L447, Obernkirchen / Obernwöhren / Reinsen / Beckedorf in den Raum Bad Nenndorf führte. Darum habe ich diesen Verlauf auf dem Plan im Post 240 auch gestrichelt gezeichnet. Natürlich hätten die Römer ja auch den Weg nehmen können.

Und trotzdem habe ich im Post 240 einen südlichen Weg über Luhden bis zu dem unscheinbaren Ort Rehren, OT Rannenberg eingezeichnet. Bei Rannenberg gibt es eine Hünenburg, von der wohl nichts Näheres bekannt ist. Allerdings gibt es dort ein paar interessante Wälle, über deren Funktion durchaus noch spekuliert werden darf. Ich halte diese Hünenburg für eine römische Etappe, für einen Versorgungsstützpunkt. Annahme: Der Nachschub könnte von Minden / Barkhausen bis in den Raum Großen-Wieden / Rumbek / Hessisch Oldendorf per Schiff (ca. 30 mal effektiver als über Land) und von dort dann per Lasttier weiter über den Einschnitt bei Rohdental auf die Anhöhe des Wesergebirges transportiert worden sein. Von der Weser im Raum Großen-Wieden / Rumbek / Hessisch Oldendorf bis zum Komplex Wirkesburg / Heisterburg sind es rund 20 km, eine Tagesetappe.

Interessant ist u. a. die Bastion auf der Hünenburg, ein Felsvorsprung, von der man gerade jetzt, wenn das Laub von den Bäumen runter ist, einen ausgezeichneten Blick in Richtung des Ortes Rodental und dem Verlauf der Weser zwischen Hameln und Rinteln hat. An dieser Bastion ist auffällig, dass an der Nordseite in Richtung Rannenberg die Landkreisgrenze verläuft. Es wird – aus Sicht der Bewirtschaftung völlig unsinnig - eine Fläche von etwa einem halben Hektar abgetrennt, die zum Landkreis Hameln gehört, aber ausschließlich von Norden vom Landkreis Schaumburg zugänglich ist. Den Verlauf der Landkreisgrenze kann man in der ganzen Gegend übrigens sehr gut verfolgen, da sie durch einen kleinen Graben im Gelände markiert ist. Aber ausgerechnet in dem Bereich der Bastion gibt es einen – im Verhältnis zur sonstigen Grenze – tiefen Graben mit entsprechendem Wall an der Weserseite. Es hat den Anschein, als wenn dieser Graben vor dem Wall ehedem als Landkreisgrenze übernommen worden ist, einfach, weil er schon da war. Wall und Graben behindern eine Bewirtschaftung der Bastion, aber als Befestigungsanlage, wenn man die Bastion hätte abteilen wollen, liegen sie genau an der richtigen Stelle! Vermuteter Zweck der Befestigung der Bastion: Stützpunkt zur Sicherung des Weges von der Weser auf die Höhe.
 
Was ist denn oberirdisch festgestellt worden, was eklatant gegen eine römische Anlage spricht?

Die Römer bauten keine Motten mit Vorburg sondern - normalerweise - Lager im Spielkartenformat. Die Hol-Erde-Konstruktionen sind meist nur im Luftbild als Bewuchsmerkmale zu erkennen, nicht als im Gelände noch sichtbare Wälle.
 
Die Hol-Erde-Konstruktionen sind meist nur im Luftbild als Bewuchsmerkmale zu erkennen, nicht als im Gelände noch sichtbare Wälle.

Insofern spricht schon die Tatsache, dass es einen auffälligen oberirdischen Befund gibt, sehr gegen eine römische Anlage.

Eine römische Holz-Erde-Konstruktion ist da nicht zu erkennen, im Gegenteil:

Auf ihnen liegen viele ortstypische Kalksteine, die anscheinend einst zum Wall gehörten. In den etwa 2 m hohen Wallaufschüttungen von Haupt- und Vorburg sind Reste einer Mörtelmauer vorhanden. Das spricht für eine ehemals mehrere Meter hohe Steinmauer, die den Wällen vorgesetzt war.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wirkesburg


Ach ja, noch spannender wird die Geschichte, wenn man das Ganze auch mit dem Komplex Heisterburg macht und dann das alles zusammen betrachtet.
Da haben wir eine befestigte Höhensiedlung, absolut untypisch für ein römisches Kastell oder Marschlager.
Und dort gab es ja auch archäologische Untersuchungen. Die Funde stammen aus dem 10./10. Jahrhundert, irgendetwas Römisches war nicht dabei.
 
Schönen Abend ans Forum

Insofern spricht schon die Tatsache, dass es einen auffälligen oberirdischen Befund gibt, sehr gegen eine römische Anlage.

@Sepiola: Sonst mag ich ja deine eher pragmatische Art, aber dieser Satz gibt mir schon zu denken.
Das eindeutig als römisch identifizierte Lager in Hedemünden mit einem umlaufenden Wall, der sich noch mindestens 1m über das umgebende Gelände erhebt, auf einem Berg liegt, gute Sicht nach süden und osten über das Tal der Werra bietet, spricht sehr gegen eine Römische Anlage?

Es gibt also auch Römische Lager auf Bergen mit Vorlagern als Übernachtungsmöglichkeiten.

Nun Ja,.....

MfG Suebe65
 
Das eindeutig als römisch identifizierte Lager in Hedemünden mit einem umlaufenden Wall, der sich noch mindestens 1m über das umgebende Gelände erhebt, auf einem Berg liegt, gute Sicht nach süden und osten über das Tal der Werra bietet, spricht sehr gegen eine Römische Anlage?
Guter Einwand, Hedemünden hat man ja aufgrund seiner sehr untypischen Anlage lange nicht für römisch gehalten.

Aber vergleich mal die vier Meter hohen Wälle der Heisterburg mit den kümmerlichen Wallresten in Hedemünden.

Auch die Lage ist nicht vergleichbar:
In Hedemünden haben die Römer anscheinend einen hochwassersicheren Platz in unmittelbarer Flussnähe gefunden, der zum Flussufer steil abfällt, in der anderen Richtung aber eher als flacher Hügel wirkt. Die umliegenden Berge, die das Werratal begrenzen, sind viel höher.

Die Heisterburg wurde dagegen auf einem Bergrücken errichtet.

Und in der Heisterburg wurden Steine verbaut, in Hedemünden haben wir die typisch römische Holz-Erde-Konstruktion.

Die Tore der Heisterburg sind als Zangentore ausgeführt. Wo haben wir das bei römischen Lagern der frühen Kaiserzeit?

Und was hat man gefunden, als gegraben wurde? In Hedemünden römische Fundstücke, auf der Heisterburg mittelalterliche - 10./11. Jahrhundert.
 
Schönen guten Morgen ans Forum.

@Sepiola:
Ich wollte keineswegs die Heisterburg explizit als Römisches Lager bezeichnen,
sondern darauf hinweisen, dass die Römer auch auf Bergen Ihre Lager gebaut haben.

Klaus Grote war nach meiner Kenntnis einer der größten Gegner der römischen Anerkennung von Hedemünden,
erst als die Funde klar darauf wiesen, schwenkte er um.

Dass wir bis heute außer in Waldgirmes keine Steinbauten in der Germania Magna kennen, muß nichts aussagen.
Grundsätzlich sollte man jedoch davon ausgehen,
dass die Holz-Erde Bauweise vorherrschte.

Für eventuelle Kandidaten in meiner Heimat könnte ich hier mind. 3 pot.
Germanische Fluchtburgen aufzählen mit Doppelwall und davorliegenden
Spitzgräben, aber die Gefahr der Raubgrabung ist zu hoch.
Alle liegen auf Bergrücken.

MfG Suebe65
 
@Sepiola:
Ich wollte keineswegs die Heisterburg explizit als Römisches Lager bezeichnen,
sondern darauf hinweisen, dass die Römer auch auf Bergen Ihre Lager gebaut haben.

Ich habe ja nicht geschrieben, dass die Römer auf Bergen keine Lager gebaut haben. Auch zur Saalburg gehts bergauf. Aber auch dort ist die topographische Lage nicht vergleichbar mit der Heisterburg.

Dass wir bis heute außer in Waldgirmes keine Steinbauten in der Germania Magna kennen, muß nichts aussagen.

Auch in Waldgirmes sind Wälle und Tore als Holz-Erde-Konstruktionen ausgeführt.
 
Interessant ist u. a. die Bastion auf der Hünenburg, ein Felsvorsprung, von der man gerade jetzt, wenn das Laub von den Bäumen runter ist, einen ausgezeichneten Blick in Richtung des Ortes Rodental und dem Verlauf der Weser zwischen Hameln und Rinteln hat. An dieser Bastion ist auffällig, dass an der Nordseite in Richtung Rannenberg die Landkreisgrenze verläuft.

Die Landkreisgrenze wurde erst 1977 gezogen:

Mit der Auflösung des Landkreises Grafschaft Schaumburg (Kreisstadt Rinteln) und Neubildung des Landkreises Schaumburg (Kreisstadt Stadthagen) wurde die Stadt, die jahrhundertelang „Oldendorf unter der Schaumburg“ hieß, am 1. August 1977 aus der historischen Zugehörigkeit herausgenommen und in den Landkreis Hameln-Pyrmont eingegliedert.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hessisch_Oldendorf#Geschichte


Bis dahin gehörte die ganze Gegend zum Landkreis Grafschaft Schaumburg.
https://de.wikipedia.org/wiki/Landkreis_Grafschaft_Schaumburg#Geschichte
 
Die Römer bauten keine Motten mit Vorburg sondern - normalerweise - Lager im Spielkartenformat.

Dass die Römer Motten bauten, habe ich doch gar nicht behauptet.

Ich schrieb: „[FONT=&quot]Hat sich Schuchardt damals vielleicht am Grundriss einer Turmhügelburg (Motte) orientiert?[/FONT][FONT=&quot]“ Das bezog sich auf die jetzige Datierung (frühmittelalterliche Burganlage 10.- 12. Jhdt.) und das habe ich daraus geschlossen, dass er den Wall der „Vorburg“ mit einer Mauer gezeichnet und diese bis zum Wall der „Hauptburg“ durchgehend dargestellt hat, obwohl das im Gelände nicht zu sehen ist. Nur aufgrund dieser [FONT=&quot]Mauern[/FONT] entsteht ein Grundriss, der dem einer Motte ähnelt. Wenn man Schuchardts Darstellung mit der späteren Karte der TU Hannover von 1965 vergleicht, sieht man, dass dort nur ein Ringwall (Schuchardts "Hauptburg") und vorgelagert ein Wall mit Graben dargestellt ist. Die Fläche, die zwischen "Hauptburg" und Vorwall liegt, hätte Lagerplatz für zwei Kohorten geboten, wenn dieses Wall-Ensemble römischen Ursprungs gewesen sein sollte.[/FONT]

[FONT=&quot]PS: Wer mag, kann sich exakt diese Form des Bodendenkmals Motte recht gut erhalten in Neustadt am Rübenberge, OT Himmelreich, ca. 200m nordwestlich des Bahnüberganges anschauen.[/FONT]

[FONT=&quot]Ein ganz besonderes Thema ist der Ringwall der Wirkesburg. Bis vor einigen Jahren hätte ich so etwas nie mit Römern in Zusammenhang gebracht. Völlig zurecht weißt Du darauf hin, dass Römerlager normalerweise im Bierdeckel- oder Spielkartenformat gebaut wurden. Auf dieser Homepage (von jchatt?) Rekonstruktion der Germania Magna - von Jürgen Heß ist das ausgezeichnet dargestellt.[/FONT] [FONT=&quot]Aber schon für Hedemünden trifft das Spielkartenformat nicht mehr so wirklich genau zu. Und dann gab es eine Überraschung, als publik wurde, dass der Ringwall Kring im Kaufunger Wald, gegenüber vom Lager Hedemünden gelegen, der lange Zeit ebenfalls als frühmittelalterliche Fliehburg gedeutet wurde, eindeutig römischen Ursprungs und aus augustinischer Zeit ist. [/FONT][FONT=&quot]

https://de.wikipedia.org/wiki/Kring_(Kaufunger_Wald)[/FONT] [FONT=&quot]

Es ist also kein blanker Unsinn, den Ringwall der Wirkesburg im Zusammenhang mit den anderen Wällen ggf. auch als römisch zu interpretieren. Die Funktion hätte dann hier die eines Stützpunktes für maximal ein Manipel sein können, wenn die Hauptstreitmacht weitergezogen wäre. [/FONT]

Die Hol-Erde-Konstruktionen sind meist nur im Luftbild als Bewuchsmerkmale zu erkennen, nicht als im Gelände noch sichtbare Wälle.

[FONT=&quot]Bei einem Marschlager, das unter einem Acker liegt, ist das sicher so (siehe Lager Wilkenburg)[FONT=&quot], d[/FONT]enn der Spitzgraben wäre dann ja nur ca. 1m tief gewesen und wurde vor dem Abmarsch auch wieder zugeworfen. Und wenn dann mehr als ein Jahrtausend der Pflug drüber ging, bleibt nichts an der Oberfläche. Aber wie sieht das denn bei einem Stand-Feldlager aus, das ggf. über mehrere [FONT=&quot]Sommerperio[FONT=&quot]den[/FONT][/FONT] benutzt wurde und das an einem s[FONT=&quot]anften [/FONT]Berghang liegt, der nie vom Pflug berührt wurde? Die Gräben wären sicher tiefer als 1 m gewesen und Abtrag durch den Pflug hätte es nicht gegeben, sondern lediglich Erosion und eine allmähliche Verfüllung der Gräben durch Laub.

[/FONT][FONT=&quot]Bei der Wirkesburg gibt es jedenfalls Gräben und W[FONT=&quot]älle [/FONT]verschiedener Dimension[FONT=&quot], angehängt mal ein paar [FONT=&quot]Beispiele.[/FONT]
[/FONT][/FONT]
 

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Aber das von dir als Römerlager vorgeschlagene Bodendenkmal ist eine Motte mit Vorburg, ergo kein Römerlager.

Möglich, Ansichtssache. Es liegt mir absolut fern, hier irgendjemanden unbedingt von meiner Sicht der Dinge überzeugen zu wollen. Meine Überlegungen sind nichts weiter als Denkanstöße. Falls dort noch einmal eine Grabungskampagne an der Wirkesburg gestartet wird, sollten m. E. drei Varianten in Betracht gezogen werden:

  1. Es handelt sich bei „Haupt“- und „Vorburg“ tatsächlich um eine Motte und die komplette Wallanlage ist im frühen Mittelalter entstanden.
  2. Die gesamte Wallanlage Wirkesburg ist was Römisches.
  3. Die gesamte Wallanlage Wirkesburg ist in zwei Bauperioden entstanden. Die Ursprungskonstruktion ist was Römisches, die im frühen Mittelalter um eine Motte erweitert wurde.
Meine Favoriten sind die Versionen 2 und 3. Bei Variante 1 wäre mir überhaupt nicht klar, wozu die im Verhältnis „riesigen“ weiteren Vorwälle und die Innenwälle gedient haben und warum es da ein 100-Fuß-Tor im westlichsten Außenwall gegeben haben könnte, das in Bezug auf die Hauptburg Motte an einer ziemlich unmöglichen Stelle liegt.

Sei es drum. Bezüglich der Wirkesburg habe ich mein Pulver verschossen. Schauen wir doch mal zur Heisterburg:
 
Zuletzt bearbeitet:
Punktabzug in der Mathearbeit -> :rofl::yes:


Heisterburg


Da haben wir eine befestigte Höhensiedlung, absolut untypisch für ein römisches Kastell oder Marschlager.
Und dort gab es ja auch archäologische Untersuchungen. Die Funde stammen aus dem 10./10. Jahrhundert, irgendetwas Römisches war nicht dabei.
PS vorweg: Ehe jetzt gleich ein falscher Zungenschlag in die erwartete nachfolgende Diskussion reinkommt. Es ist für mich unstrittig, dass das Viereck der Heisterburg, so wie im Grabungsergebnis beschrieben, im 10. – 11. Jahrhundert besiedelt war. Interessant ist, dass der Graben rundherum kein Spitzgraben, wie bei den anderen Wällen, sondern u-förmig ist. Allein aufgrund des optischen Zustandes von Wall und Graben der Hauptburg hat man den Eindruck, dass dieser Bereich jünger sein könnte, als den Rest der Wälle. Darüber hinaus enthält dieser Wall offensichtlich auch mehr Material, als nur den Grabeninhalt. An der Westseite in Richtung Turm vom Luftschutzwarnamt III gibt es mehrere Gruben, ggf. wurde ja dort Material entnommen, um den Wall zu erhöhen. Die beiden Zangentore an den Ecken dieser Viereckschanze sind eindeutig nicht römisch.

Es liegt mir absolut fern, bei meinen noch folgenden Ausführungen bisherige Grabungsergebnisse in Frage zu stellen! Ich möchte aber darauf hinweisen, dass bisher, soweit ich weiß, nur in der „Hauptburg“ gegraben wurde. Der Fokus lag ganz offensichtlich auch bei den Prospektionsmaßnahmen in 2014 wieder nur im Bereich der Hauptburg.

Von dem anderen großen Wall, der im Osten vorgelagert ist und in nördlicher Richtung verläuft, sowie dem westlichen Wall, der mit dem vorherigen die „Vorburg“ bildet, ist wenig untersucht. Die noch weiter davor im Norden liegenden großen Wälle werden als Abschnittswälle bzw. Bestandteile der jüngeren Bückethaler Landwehr, die von diesem Punkt 2,4 km entfernt ist, gedeutet.

xxxxxxxx

Mein Ansatz ist der Versuch, die Gesamtanlage über die Funktion aller Wälle zu erklären. Ich stelle mir auch bei der Heisterburg daher die Frage: Gab es ggf. zwei Bauphasen, bei der ein Teil der Anlage im Mittelalter überbaut wurde?
 
Zuletzt bearbeitet:
Justus II, man sieht doch an den Wällen, dass es eine Motte ist. Und auch wenn man darunter Römisches findet, bleibt es eine Motte, mit der die Römer nichts zu tun hatten. Sie steht dann nur an einem Punkt, an dem mal ein Römer vorbeikam. Motte bleibt Motte, wie El Quijote schon sagte, da gibt es keinen Raum für "ich bin aber anderer Meinung". Sonst müssten wir beim Münsteraner Schloss (und beim Audimax in Paderborn und beim Reichstag in Berlin ...) auch die Meinung akzeptieren, dass es auf eine Burg des Arminius oder ein Lager des Germanicus zurückgeht.
 
Die Römer bauten keine Motten mit Vorburg sondern - normalerweise - Lager im Spielkartenformat. Die Hol-Erde-Konstruktionen sind meist nur im Luftbild als Bewuchsmerkmale zu erkennen, nicht als im Gelände noch sichtbare Wälle.

Nicht nur die Römer bauten Grabenwerke in Spielkartenformat - auch die Slawen. Hier mal ein schönes Beispiel aus der Elbe-Saale-Region. Otto Braasch hatte das Grabenwerk von 100x90 m 1991 bei einer seiner Befliegungen entdeckt. Es gibt davon einige in der Elbe-Saale-Region.

Grüße
 

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Und hier noch ein anderes - jedoch nur 40x40 m an einem ehemaligen wichtigen Flußübergang.

Sie werden mittlerweile vom LDA Halle als Herrensitze angesehen. Grabungen fanden an beiden Anlagen bisher nicht statt. Jedoch gibt es aus dem näheren Umfeld u.a. slawisches und völkerwanderungszeitliches Fundmaterial und Grubenhäuser.
 

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Im "Archäologie in Deutschland" Heft 06 2018 Dezember - Januar ist in der Rubrik "Aktuelles aus der Landesarchäologie auch ein kleiner Beitrag zu Wilkenburg. Die Bauzeit des römischen Marschlagers wird weiterhin durch die 70 Münzfunde auf die Jahre 4 bzw. 5 uZ datiert. Also ist das Lager weiterhin in Verbindung mit dem Immensum bellum von Tiberius. 2017 wurde nach der bisher nicht lokalisierten Westecke des Lagers und den genauen Verlauf des Spitzgrabens in diesem westlichen Bereich gegraben. Mit dem Suchschnitt von 2 Meter Breite und 20 Meter Länge blieb man jedoch erfolglos. Die genaue Lage der westlichen Ecke des Marschlagers bleibt weiterhin unbekannt.
 
Ob das Marschlager von Wilkenburg in die Jahre 4-5 datiert, ist bislang reine Vermutung. Grundlage für die zeitliche Einordnung ist die Datierung der Schlußmünze, bei der es sich um einen Denar vom Typ Caius-Lucius handelt. In den meisten Handbüchern wird diese Prägung in die Jahre 2 v.Chr. bis 4 gelegt.
Ich meine jedoch, dass es gute Gründe gibt, davon abzusehen. Jedenfalls kann eine Datierung von Wilkenburg in die Zeit des imsensum bellum nicht allein mit den Caius-Lucius-Denar begründet werden. Meine Überlegungen habe ich in einem Aufsatz in der NNU dargelegt; auf academia liegt er zum download.

https://niedersachsen.academia.edu/UlrichWerz/Papers

Gruss
Uli
 
Ich halte es eigentlich für undenkbar, dass Münzen der Gaius/Lucius-Serien noch nach dem Tod von Lucius geprägt worden sein sollen. Damit ist für mich - vorbehaltlich überzeugender Argumente die für die Prägung bis 4 sprechen - im Jahr 2 Ende mit Münzen dieser Serie.
Aber das ändert natürlich nichts daran, dass die Schlussmünze zu wenig aussagekräftig ist, wenn insgesamt nur wenig Münzen gefunden wurden.
 
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