Historienfilm als Historiografie?

Chan

Aktives Mitglied
Ich möchte ein grundsätzliches Problem von Historienfilmen zu Sprache bringen, das so gravierend ist, dass der hauptsächliche Sinn solcher Filme, nämlich reale Geschichte anschaulich und lebendig zu reproduzieren, in höchstem Maße illusionär erscheint. Soll heißen: Das einzige, was annäherungsweise authentisch reproduziert werden kann, sind Kostüme, Architektur und andere ´Requisiten´.

Die Probleme beginnen mit der Rekonstruktion von historischen Ereignissen, was immer nur auf eine Interpretation hinauslaufen kann, und setzen sich, schlimmer noch, mit der Charakterisierung von historischen Personen fort, was gleichfalls nur interpretativ geschehen kann und noch in viel höherem Maße als bei Ereignissen unvermeidlich fehlerbehaftet ist. Die Faustregel kann nur lauten: So, wie der Charakter dargestellt ist, war er in Wirklichkeit NICHT, sondern mehr oder weniger anders.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten, damit umzugehen: Man lässt sich unkritisch vom filmischen Geschehen mitnehmen (der rezeptive Modus der meisten Zuschauer) oder macht sich unablässig Gedanken darüber, ob und wie weit der filmische Charakter grundsätzlich und/oder in bestimmten Situationen vom historischen Charakter abweicht, gemessen daran, wie dieser in wissenschaftlichen Quellen beschrieben ist, die natürlich selbst fehlerbehaftet sein können, doch mit dem Unterschied, dass dort auf Unsicherheiten der Interpretation oder Datenlage hingewiesen werden kann, im Film aber nicht.

Besagter kritischer Rezeptionsmodus ist natürlich der von Scorpio und Brissotin und einigen anderen hier. Ich möchte ihnen in keiner Weise den Spaß daran verderben, weil das sicher seinen Reiz hat und auch einen filmkritischen Nutzen. Doch genau dieser Modus scheint meine grundsätzlichen Zweifel an Historienfilmen zu bestätigen - mit dem Unterschied, dass durch jenen Modus aktive Detailkritik geübt und unter die Leute gebracht wird, während meine Skepsis den Sinn solcher Filme pauschal in Frage stellt und die Tendenz hat (ich gebe es zu), vom Anschauen solcher Filme generell abzuraten, da sie die historische Realität unvermeidlich verzerren. (Ausgenommen solche Filme, die unabhängig vom Authentizitätsgrad ihren Reiz haben, wie z.B. die "Spartacus"-Serie.)

Das Problem ist als Ganzes aber nicht durch eine kritische Rezeption zu lösen, weil diese ein historisches Wissen erfordert, über das mehr als 90 Prozent der Zuschauer nicht oder nicht ausreichend verfügen. Das heißt, bei über 90 Prozent erzeugen solche Filme ein falsches Bild von historischen Charakteren, was mit der Illusion einhergeht, diese Charaktere nunmehr zu "kennen". Hätte man - eine Zeitmaschine vorausgesetzt - die Möglichkeit, die filmischen und die historischen Charaktere nebeneinander zu stellen, ergäben sich höchstwahrscheinlich groteske Differenzen, wie sie ja auch zwischen verschiedenen filmischen Darstellungen eines bestimmten historischen Charakters bestehen, ich nenne nur Cäsar und Napoleon, und das beziehe ich natürlich nicht nur auf visuelle Merkmale, sondern auch auf mentale.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der "hauptsächliche Sinn" von Historienfilmen ist nicht die Reproduktion, auch kein Erziehungs- oder Bildungsauftrag, sondern die Unterhaltung, mit anderen Worten ganz banal: Umsatz. Jedenfalls bei gewöhnlichen Marktakteuren.

Bei GOs kommen sicher weitere Aspekte hinzu, zB Beeinflusssung.
 
Der "hauptsächliche Sinn" von Historienfilmen ist nicht die Reproduktion, auch kein Erziehungs- oder Bildungsauftrag, sondern die Unterhaltung, mit anderen Worten ganz banal: Umsatz. Jedenfalls bei gewöhnlichen Marktakteuren.

Bei GOs kommen sicher weitere Aspekte hinzu, zB Beeinflusssung.

In der Tat.

Gut unterhalten hat mich der Film Der König tanzt (2000) von Gérard Corbieau über das Leben des Musikers Lully am Hofe von Ludwig XIV von Frankreich. Der Film gewann auch einige Césars.

Der König tanzt (Film) – Wikipedia
 
Schwarz-Weiß-Botschaften in Farbe? Bericht zum dritten Europäischen Geschichtsforum | Heinrich-Böll-Stiftung

Zitat:

Wichtig sei vor allem, ob es einen Anspruch auf Erklärung von Geschichte gebe, oder ob historische Bezüge nur als Kolorit oder zur Generierung von Konflikten dienten. Filme oder TV-Sendungen könnten nie ein Abbild der historischen Realität sein, sie seien – wie auch akademische Darstellungen – immer selektiv, konstatierte Keilbach. Das werde nicht nur anhand der dargestellten (oder ausgelassenen) Ereignisse deutlich, sondern auch bei der Frage, wann eine Erzählung einsetzt.

Historische Spielfilme – ein Instrument zur Geschichtsvermittlung? | bpb

Zitat:

Dabei muss man sich verdeutlichen, dass kein Spielfilm die exakte historische Realität zeigen kann, da einzelne Handlungen, Charaktereigenschaften, Dialoge und vieles mehr erfunden (zumindest nicht historisch belegt) und inszeniert sind, d.h. sie sind in einer bestimmten Art und Weise arrangiert. Selbst ein Historiker kann die Vergangenheit niemals so darstellen, 'wie sie wirklich war'. Er kann sie allenfalls rekonstruieren und deuten. Geschichte ist somit immer eine Interpretation bzw. Konstruktion, dies gilt auch für jeden geschichtlichen Spielfilm.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein rühriges Zitat von Louis R. Gottschalk, Historiker der Chicago University, etwa (natürlich nur aus heutiger Sicht) auf der gleichen Naivitätsstufe wie eine Bildungsdebatte über Historienfilme heutiger Institute:

(1935 schrieb er an den Chef von Metro-Goldwyn-Mayer: )
"If the cinema art is going to draw its subjects so generously from history, it owes to its patrons and its own higher ideals to achieve greater accuracy. No picture of a historical nature ought to be offered to the public until a reputable historian has had a chance to criticize and revise it." Das neue Medium hatte nämlich wegen seiner Wirkmacht eine kleine Historikerdebatte in den USA zur Folge, die hier den Diebstahl nationalen Eigentums witterte.

So naiv der Vorstoss und rührselig der Wunsch erscheint, so klar hatte er erkannt, dass die ökonomische Veranstaltung Film auch ökonomischen Zielstellungen folgt, sonst nichts und niemandem.

Daran ist auch nichts Schlimmes. Oliver Stone rundet diesen angeblichen "Rekonstruktionsauftrag" mit folgenden subjektiver Zuspitzung ab, leicht geklaut, bzw. in Abwandlung von historischen Vorlagen: "What is history? Some people say it’s a bunch of gossip made up by soldiers who passed it around a campfire." Da macht er aus seinem Herzen keine Mördergrube. Das Lagerfeuer leuchtet den Claim fürs Konto aus.

Alles nach:
Rosenstone, The Visual Media and Historical Knowledge
in: Kramer/Maza, A Companion to Western Historical Thought, S. 466.

Was bleibt? Der Spass am Film, beste Unterhaltung, von Stone&Co. Diese Unterhaltung sollte man sich nicht mit Anspruchsdebatten verderben.
 
Man könnte ähnliche Fragen auch an historische Romane stellen... weder Filme noch Romane sind Geschichtslehrbücher, insofern kann man von ihnen auch nicht erwarten, dass sie diese ergänzen oder gar ersetzen.

Literarisch außerordentlich gut sind die Romane:
Farao
Finsternis bedeckt die Erde
Die Geißel Gottes
...alle drei sind aber Schlüsselromane, die in seinerzeit gut recherchiertem historischen Gewand von Misständen der Gegenwartszeit ihrer Autoren handeln. Sie sind nicht als Blick in die Vergangenheit konzipiert.

Filme und Romane erzählen, sie leben von ihrer Handlung (nur Flaubert träumte von einem Buch ohne Handlung, schrieb es aber nie) und folgen erzähltechnischen Regeln. Und sie sind immer fiktiv (Capote wollte in cold blood als Tatsachenroman bringen, flunkerte aber dabei und erhielt dafür eine geharnischte Quittung)

Das historische Kostüm kann je nach Zeitgeschmack mehr oder weniger gelungen sein, aber die Handlungen und Charakterisierungen können ihre Entstehungszeit nie verleugnen! Ganz besonders auffällig im Film!
 
Noch im 19. Jahrhundert war es noch durchaus üblich und offensichtlich auch in Ordnung, dass auf einen historischen Stoff ausgewichen wurde, um Aktuelles, besonders, wenn es brisant war, zu vermitteln.

Allerdings zeichnete sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts dann schon die Tendenz ab, historische Bücher als Vermittlung von historischen Wissen zu schaffen. Noch in den 1970er-Jahren erinnere ich mich, dass in unseren Geschichtsbuch (in der Unterstufe) zu jeder Epoche und zu jedem Thema bestimmte historische Romane empfohlen wurden. Es wurde das Schreiben von Romane über historischen Themen für Kinder und Jugendliche damals noch gezielt gefördert. (Andererseits erinnere ich mich, dass uns unsere erste Geschichtslehrerin, als wir die Völkerwanderung durchnahmen, empfahl, "Ein Kampf um Rom" von Felix Dahn zu lesen, der nicht zu den Lesetipps in unserem Geschichtebuch zu finden war. Sie meinte damals aber auch, dass wir uns beim Lesen schon vor Augen halten müssen, dass das eben ein Roman und Geschichtsbuch ist.

Im 21. Jahrhundert, mein Eindruck, hat sich inzwischen eine andere Entwicklung durchgesetzt, wonach es üblich ist, dass Autorin oder Autor, deren Romane in meiner Jugend eindeutig zur Trivialliteratur, Schemaliteratur und Groschenroman gehört haben, jetzt als gute Unterhaltungsliteratur vermarktet werden und ihre vermeintliche Aufwertung besteht darin, dass gewöhnlich im Nachwort den Leserinnen und Lesern weisgemacht wird, es wäre gut recherchiert Romane und das, was da behauptet wird, die wahre Geschichte, von ein paar Kleinigkeiten abgesehen, die Autorin und Autor halt rasch geändert haben. Hinzu kommen noch nette Extras wie ein Glossar für historische Fachausdrücke, historische Sprachwendungen etc., edel wirkendes Cover, Stammbaum, Zeittafel und Sonstiges. (Dass mit den Glossaren ist besonders lustig, wenn Autorin oder Autor sprachlich eigentlich nicht viel drauf hat.)

Bei dem Filmen und Fernsehserien ist Ähnliches zu beobachten, wobei die Filme inzwischen von Dokus doch ziemlich verdrängt worden sind oder sogar für Dokus weiter verwertet werden.

Ich empfinde das Ganze inzwischen nur mehr als ärgerlich. Wozu das Ganze? Gerade bei alten Filmen fällt mir eines auf. Die mögen wirklich nicht politisch korrekt, historisch stimmig etc. gewesen sein und Stereotypen gehabt haben, aber es machte Spaß zu anzusehen, und sie haben mir seltsamerweise mehr geschichtliches Flair und Feeling vermittelt als das Meiste, was zurzeit über den "Äther" flimmert.

Wobei ich dennoch den Eindruck habe, dass der Film- und Fernsehmarkt besser dran ist als der Buchmarkt. Vermutlich hängt das damit zusammen, dass an einem Film einfach heterogenere Gruppen arbeiten und hier wesentlich mehr ausgeglichen werden kann, sei es durch besondere Schauwerte oder gute schauspielerische Leistungen etc.
 
Immerhin haben wir noch die Freiheit, schlechte Bücher oder Filme nicht ansehen oder kaufen zu müssen. Dass Trash mitunter Erfolg hat, mag ärgerlich sein, sollte aber auch nicht überbewertet werden.
 
Hallo Teresa,

ich habe den unbestimmten Eindruck, dass du vielleicht auch manches verklärst.

Gerade bei alten Filmen fällt mir eines auf. Die mögen wirklich nicht politisch korrekt, historisch stimmig etc. gewesen sein und Stereotypen gehabt haben, aber es machte Spaß zu anzusehen, und sie haben mir seltsamerweise mehr geschichtliches Flair und Feeling vermittelt als das Meiste, was zurzeit über den "Äther" flimmert.
Das liegt vielleicht aber auch daran, dass du Multicolor mit historisch assoziierst und die gestochen scharfen HD-Filme heutiger Zeit damit nicht übereinbringen kannst. ;) (Verrat's keinem weiter, aber mir geht es durchaus ähnlich.)

Was den Buchmarkt angeht, so hat der Historische Roman (als Gattung historisch groß, anders als beim historischen Roman, wie etwa dem Don Quijote de la Mancha oder dem Simplicissimus etc.) seit Jahrzehnten Konjunktur, seit einigen Jahren insbesondere der, der sich an Frauen richtet (Die Wanderhure, Die Pilgerin, Die Hebamme). Das spült natürlich eine ganze Menge Schund auf den Markt.
 
Ausgenommen solche Filme, die unabhängig vom Authentizitätsgrad ihren Reiz haben, wie z.B. die "Spartacus"-Serie.
Wenn du die Spartacus-Serie meinst, die mir vor Augen schwebt, dann wird da jeglicher rote Faden, jegliche Dramaturgie, jegliches erzählerisches Element durch Sex und Gewalt ersetzt. Gehört für mich in eine Kategorie mit Vikings und Game of Thrones. Game of Thrones sehe ich ja als die Umsetzung einer Seifenoper für Mittelalter- und Fanatasy-Fans, aber ich glaube fast, dass in einem Vergleich von GoT und Spartacus ersteres das Gehaltvollere ist.

In vielen Punkten bin ich ganz auf deiner Seite, chan, meine aber, dass du mit deiner Radikalkritik das Kind mit dem Bade ausschüttest.

Meine Erwartungshaltung an den Thread war bei der Lektüre seines Titels allerdings eine andere: Sicher Historienfilme bilden ein Geschichtsbild aus. Aber Historienfilme neigen auch dazu, die eigene Zeit in der Historie abzubilden. Für Romane gilt das freilich auch, wenn vielleicht auch nicht in demselben Maße. Ich meine z.B. dass Der Medicus (1986 veröffentlicht) stark die Ereignisse vor 1979 aufgreift, also 1986 Zeitgeschehen.
 
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Noch im 19. Jahrhundert war es noch durchaus üblich und offensichtlich auch in Ordnung, dass auf einen historischen Stoff ausgewichen wurde, um Aktuelles, besonders, wenn es brisant war, zu vermitteln.

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Allerdings zeichnete sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts dann schon die Tendenz ab, historische Bücher als Vermittlung von historischen Wissen zu schaffen. Noch in den 1970er-Jahren erinnere ich mich, dass in unseren Geschichtsbuch (in der Unterstufe) zu jeder Epoche und zu jedem Thema bestimmte historische Romane empfohlen wurden. Es wurde das Schreiben von Romane über historischen Themen für Kinder und Jugendliche damals noch gezielt gefördert. (Andererseits erinnere ich mich, dass uns unsere erste Geschichtslehrerin, als wir die Völkerwanderung durchnahmen, empfahl, "Ein Kampf um Rom" von Felix Dahn zu lesen, der nicht zu den Lesetipps in unserem Geschichtebuch zu finden war. Sie meinte damals aber auch, dass wir uns beim Lesen schon vor Augen halten müssen, dass das eben ein Roman und Geschichtsbuch ist.

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Bei dem Filmen und Fernsehserien ist Ähnliches zu beobachten, wobei die Filme inzwischen von Dokus doch ziemlich verdrängt worden sind oder sogar für Dokus weiter verwertet werden.

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Ich empfinde das Ganze inzwischen nur mehr als ärgerlich. Wozu das Ganze? Gerade bei alten Filmen fällt mir eines auf. Die mögen wirklich nicht politisch korrekt, historisch stimmig etc. gewesen sein und Stereotypen gehabt haben, aber es machte Spaß zu anzusehen, und sie haben mir seltsamerweise mehr geschichtliches Flair und Feeling vermittelt als das Meiste, was zurzeit über den "Äther" flimmert.
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Wie meinst Du das "noch"? Es war schon immer ein beliebtes Mittel und ist es noch heute.

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Ja, das war in den alten Geschichtslehrbüchern von "Volk und Wissen" Ende der 80er auf jeden Fall so. Hab noch die alten Bücher von meinem Bruder aus doppeltem historischen Interesse im Schrank zu sehen. Auch künstlerisch betrachtet, sind die Versuche von Rekonstruktionszeichnungen, damals noch richtig von Hand mit Feder scheinbar, recht interessant. Sogar die Fehler (wie Hollywood-Römer als Beispiel eines Römischen Legionärs und das obwohl sogar Originalteile immer wieder abgebildet wurden) sind interessant.
Einige der Bücher habe ich dann in der heimischen Stadtbibliothek auch ausgeliehen - also nicht wegen der Empfehlung. Die Reihe "Spannend erzählt" tauchte da gern auf.

3.
Ich finde, dass es diesen Grauzonenbereich zwischen Doku und Spielfilm/Serie schon immer gab. Auch aus den 2010ern habe ich Dokureihen erlebt, die stark an die dokumentarischen Historienreihen der 1970er erinnern.

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Hm, ich habe nicht den Eindruck.
Es gibt doch auch viele Regisseure, die sich aus dem alten Kino rüber gerettet haben. Gut, die Generation Bertrand Tavernier und Co stirbt in diesem Jahrzehnt aus, aber man findet doch immer wieder Jünger, die sich in ähnlicher Bildsprache ausdrücken und auch nicht dem Trend der schnell abreißenden Kameraschnitte hinterher hecheln. Diese Filme wirken manchmal wie welche aus einer anderen Zeit. Als den Schauspielern Zeit zur Entfaltung gelassen wurde und sich Charaktere entwickeln durften. Solche Filme haben ja noch immer ihr Publikum und in Cannes oder beim César räumen sie zumindest noch Preise ab. Und solange das gewürdigt wird, wird es auch diese Filme sicher noch geben.
"Licht" fiele mir da ein beispielsweise, "Die Nonne" auch. Die modernen Kritiker finden sich in solche Filme oftmals nicht hinein und die halten ruhige Filme einfach für uninspiriert, zu wenig mutig.
Das "Meiste" kann ich nicht beurteilen, da ich keinen Fernseher habe und nur in die Mediatheken von Arte gucke oder eben ins "gute", alte Kino gehe. Bei letzterem nervt mich nur, dass oftmals für mich interessante Streifen in Deutschland garnicht anlaufen (wie "L'echange des princesses").


Prinzipiell denke ich aber schon, ich hoffe ich verstehe Chan da richtig, dass der Historische Film ein Hauptproblem hat, ganz abgesehen von mangelnder Sorgsamkeit der Produzenten etc., nämlich der subjektive Eindruck, der Regisseure und Drehbuchautoren. Letztlich muss jeder denkende Zuschauer selber für sich entscheiden, ob der vermittelte Eindruck der eigenen Einschätzung einer historischen Person oder eines Vorganges entspricht.
Die Krux ist, daran werden wir nichts ändern können, dass Historienfilme als Quelle genutzt werden über ein Zeitalter. Das betrifft ja nichtmal die heute zur Schule gehende Generation allein, die scheinbar immer weniger überhaupt mit Geschichte als Lehrfach konfrontiert wird. Es ist ja genauso bei den älteren Semestern, die theoretisch ein umfänglich recht akzeptables Wissen aus der Schule mitbekamen. Wenn ich mich heute mit Mit-40ern und älteren Leuten unterhalte, merke ich doch, dass das Geschichtsbild letztlich doch stärker von Filmen geprägt wird, als es so manche Historiker wahrhaben wollen, die dann argumentieren, dass der Zuschauer nach einem Film doch hoffentlich zum Sachbuch greift und die vorgeführten Fakten hinterfragt.
Wie soll es aber anders sein, wenn in Dokus und sogar in Sachbüchern für Kinder (neulich in der Wieso-weshalb-warum?-Reihe mir aufgefallen) völliger Mist kolportiert wird, der seinerseits eher dem klischeehaften "Wissen" - ein Mix aus Verwechslungen und Halbwahrheiten - und andererseits den Filmen entsprungen zu sein scheint.
 
Wenn ich mich heute mit Mit-40ern und älteren Leuten unterhalte, merke ich doch, dass das Geschichtsbild letztlich doch stärker von Filmen geprägt wird, als es so manche Historiker wahrhaben wollen, die dann argumentieren, dass der Zuschauer nach einem Film doch hoffentlich zum Sachbuch greift und die vorgeführten Fakten hinterfragt.
Welcher Historiker argumentiert so?
Die Geschichtsdidaktiker, die sich als mehr als nur Theoretiker für eine gute Unterrichtsgestaltung verstehen - stärker, als das bei anderer Fächern der Fall ist - untersuchen im Gegenteil, wie sich Geschichtsbilder formen und untersuchen, welche Wirkungen Historienfilme, Dokus, Hist. Romane etc. auf das Geschichtsbild der Menschen haben. Ähnlich wie es in Deutschland unter Linguisten die Tradition gibt, Sprachwandel wertfrei zu beschreiben (anders als etwa in der französischen Tradition wo die Linguistik vorgibt, wie zu sprechen ist), findet das zunächst wertfrei und nicht etwa belehrend statt "dein Geschichtsbild ist falsch, weil..." Ich kenne keinen Historiker und erst recht keinen Geschichtsdidaktiker, der unterstellt, dass irgendjemand nach dem Genuss eines Films oder während des Genuss eines Romans an den Bücherschrank geht und Fachliteratur wälzt. Sie schließen es freilich auch nicht aus.

Wie soll es aber anders sein, wenn in Dokus und sogar in Sachbüchern für Kinder (neulich in der Wieso-weshalb-warum?-Reihe mir aufgefallen) völliger Mist kolportiert wird, der seinerseits eher dem klischeehaften "Wissen" - ein Mix aus Verwechslungen und Halbwahrheiten - und andererseits den Filmen entsprungen zu sein scheint.
Bei WasIstWas (meinst du das mit "Wieso-Weshalb-Warum?" Das war Sesamstraße ;) "... wer nicht fragt, bleibt dumm") ist mir das noch nicht aufgefallen, wohl aber bei Schulgeschichtsbüchern.

Schlechte Schulgeschichtsbücher haben wir schon mal in diesem Thread von Floxx78 diskutiert: Schulbuchkritik

Und ich habe den Eindruck, dass in fast jedem Mittelstufengeschichtsbuch die Behauptung multipliziert wird, das Mittelalter habe an eine scheibenförmige Erde geglaubt, schon weil das bekannte Bild aus dem Flammarion (19. Jhdt.!!!!) meist unkommentiert als Darstellung des Übergangs vom Mittelalter in die Neuzeit verwendet wird (das, wo der Mensch seinen Kopf aus der Sphäre streckt und über den Rand der Scheibe schaut).

Aber da sind nur bedingt Historiker mitschuldig. Ich kenne beispielsweise einen abgebrochenen Geographen, der in der Geschichtsredaktion eines Schulbuchverlages gearbeitet hat.
 
Bei WasIstWas (meinst du das mit "Wieso-Weshalb-Warum?" Das war Sesamstraße "... wer nicht fragt, bleibt dumm") ist mir das noch nicht aufgefallen, wohl aber bei Schulgeschichtsbüchern.
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Ich merke schon, Du hast keine Kinder in dem Alter.:D
Wieso-Weshalb-Warum ist eine Reihe von Regensburger. Heute an jeder Tankstelle zu finden oder in der Stadtbib. Meine Kinder haben massig davon. Sind so ab 3. Auch die mittlerweile überaus verbreiteten Tiptoi-Bücher von Ravensburger sind so ähnlich.
An sich nichts verkehrtes. Aber wenn da auf der Burg ein Markt stattfindet und nicht in der Stadt oder die Schweine im Mittelalter moderne Hausschweine sind und auch genauso gehalten werden, dann merkt man halt, dass einfach nur so irgendwas daher geredet oder gezeichnet wird.

Die Was ist-Was-Bücher sind doch ein alter Hut und von den Illustrationen bei den heutigen Auflagen auch nicht mehr besser als irgendwelche weniger gut aufbereiteten Formate. Wobei das Konzept mit den Fragen und Antworten in den modernen Auflagen auch aufgegeben wurde. Ich bin immer froh, wenn ich noch eine alte Auflage von mir finde, die ich den Kindern geben kann, da dort tatsächlich noch gute Rekonstruktionszeichnungen drin waren und nicht meinetwegen Piratenschiffe aus "Fluch der Karibik".:(

Die "beste" Behauptung in einem solchen Kinder-Sachbuch, ab dem Empire konnten sich die Damen in ihren Kleidern wieder hinsetzen. Aua! Ich frage mich, ob die Autoren ihre Bücher selber nochmal lesen und sich vorstellen können wie das wäre, wenn man 16 Stunden am Tag stehen muss. Essen wurde von den adligen Damen ja scheinbar auch nur im Stehen eingenommen. :D

Aber eben, das klingt mir oftmals wie kolportiert. Filme scheinen dafür Vorlagen zu sein. Wie z.B. die Behauptung die Frauen hätten in der FNZ Perücken getragen. Ich glaube, selbst Kostümkundebücher behaupten das nicht. In den neueren Historienfilmen ("Maria Theresia" 2017 und "The Duchess") ist aber genau das zu sehen. Von daher wird der Autor möglicherweise einfach nur nen Film gesehen haben und das übertragen(?).
 
Zuletzt bearbeitet:
da dort tatsächlich noch gute Rekonstruktionszeichnungen drin waren und nicht meinetwegen Piratenschiffe aus "Fluch der Karibik".:(
Ja, das habe ich sogar mitbekommen, dass auf dem Cover des WasIstWas-Bandes Piraten so eine Art Jack Sparrow abgebildet ist. Da ist der Tessloff-Verlag wohl dem Markt gefolgt und wollte auf der Pirates of the Caribbean-Welle mitsurfen. Aber das machen viele Spielzeughersteller und Kinderbuchverleger.
Ich denke nur an Star Wars-Charaktere von Lego oder Drachen zähmen leicht gemacht-Figuren bei Playmobil (und da gibt es, glaube ich, auch die Pirates of the Caribbean-Charaktere?).

Zur Ausgangsthese von Chan, und in die eigentliche Richtung des Threads zurücklenken wollend:
Es ist natürlich ein Unterschied, ob man einen Antiken- oder Mittelalterfilm oder einen Neuzeitfilm dreht. Die meisten Napoleonfilme sind doch einigermaßen akkurat, allenfalls besteht das Problem, das Napoleon je nach Sichtweise überzogen positiv/negativ dargestellt wird und zumindest die neueren NS-Filme - Ausnahmen wie die Inglourios Basterds, der trotzdem sehenswert ist - sind doch an und für sich recht gut gelungen, wenn ich etwa an Schindlers Liste oder an Der Untergang denke. Bei aller Kritik, die ich an beiden Filmen in diesem Forum schon geäußert habe.
 
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Ja, das habe ich sogar mitbekommen, dass auf dem Cover des WasIstWas-Bandes Piraten so eine Art Jack Sparrow abgebildet ist. Da ist der Tessloff-Verlag wohl dem Markt gefolgt und wollte auf der Pirates of the Caribbean-Welle mitsurfen. Aber das machen viele Spielzeughersteller und Kinderbuchverleger.
Ich denke nur an Star Wars-Charaktere von Lego oder Drachen zähmen leicht gemacht-Figuren bei Playmobil (und da gibt es, glaube ich, auch die Pirates of the Caribbean-Charaktere?).

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Zur Ausgangsthese von Chan, und in die eigentliche Richtung des Threads zurücklenken wollend:
Es ist natürlich ein Unterschied, ob man einen Antiken- oder Mittelalterfilm oder einen Neuzeitfilm dreht. Die meisten Napoleonfilme sind doch einigermaßen akkurat, allenfalls besteht das Problem, das Napoleon je nach Sichtweise überzogen positiv/negativ dargestellt wird ...
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Wobei das schon ein bisschen rein gehört.
Ja, auch Playmobil ist in den letzten Jahren dann nach Lego auf den Merchandise-Zug aufgesprungen, auch wenn es sich da relativ lange verweigerte.
Für mich ist das aber doch irgendwie bezeichnend, auch zum historischen Film. Mit dem Auftrieb des Genres Fantasyfilm verschwimmen da die Grenzen. Der Pseudo-Jack-Sparrow auf dem Was-Ist-Was-Cover ist doch dafür bezeichnend. Was ist historisch, was ist fiktiv? Können die solchermaßen medial an die Themen heran geführten Kinder und Jugendlichen dann noch unterscheiden?
Mal als Beispiele: die eine Musketier-Verfilmung, wo die Drei Musketiere in Motorradrocker-Klamotten gesteckt wurden, oder der bald erscheinende Assassins-Creed-Robin-Hood. Dann die Musketiere mit Milla Jovovich und Orlando Bloom, die sich an Steampunk orientierte. Wie soll man da noch herausfiltern, dass die Musketierromane - so man sie nicht gar selber liest - vor einem eigentlich historischen Hintergrund (1. Hälfte bis Mitte 17.Jh.) spielen? Wobei die Tendenz nicht so arg neu ist. Auch Charlie Sheen und Kiefer Sutherland haben bereits 1993 in einer von Karate-Kid und Co inspirierten mehr oder minder Fantasy-Version des Musketierstoffes mitgewirkt.

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Naja, da komischerweise sogar eher die kleineren, Low-Budget-Produktionen.
 
Aber Historienfilme neigen auch dazu, die eigene Zeit in der Historie abzubilden. Für Romane gilt das freilich auch, wenn vielleicht auch nicht in demselben Maße. Ich meine z.B. dass Der Medicus (1986 veröffentlicht) stark die Ereignisse vor 1979 aufgreift, also 1986 Zeitgeschehen.
Das ist kaum zu vermeiden, denn die einstigen Filmmacher/Schriftsteller waren genauso Kinder ihrer Zeit wie es die heutigen der unseren sind.

Ob ein Film oder ein Roman „erfolgreich“ wird, hängt im Wesentlichen davon ab, ob er den Zeitgeist trifft, der zum Zeitpunkt des Erscheinens herrscht. Treffen sie den Zeitgeist nicht, werden sie unter fernen liefen selbst dann abgeheftet, wenn sie gut gemacht sind.
 
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