Idistaviso

Hier mal ein Blick auf die Region zwischen Bodenwerder und Rühle - weil's gerade paßt. :)
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Nicht, das ich es den Raabestädtern nicht gönnen würde, aber auch zwischen Hameln und Rinteln oder in der Region Porta-Bückeburg-Obernkirchen kann das passen.
 
Vermuten kann man viel. Allerdings ist es schon reichlich gewagt,
1. zu vermuten, dass die Zaubersprüche bis in die frühe Kaiserzeit zurückreichen,
2. sie somit als Beleg zu werten, dass die Idisen (bzw. diese Bezeichnung) damals schon bekannt waren,
3. zu vermuten, dass uns die Römer das Wort "Idistaviso" originalgetreu überliefert haben,
4. aus dem ähnlichen Klang zu schließen, dass "Idistaviso" die "Idisen" enthält und das ganze Wort dann so etwas wie "Idisenwiese" heißt.
Hypothesen bieten Erklärungen. Die kann man unterstützen, ablehnen etc. Niemand hier hat behauptet, es gäbe für Idistaviso nur eine einzige Erklärung und kenne die.

Heutzutage werden die Zaubersprüche übrigens eher spät datiert. Die früheren Frühdatierungen dürften doch eher dem Wunsch entsprungen sein, in ihnen ein originales Relikt aus der "guten alten" Germanenzeit zu besitzen.
Deshalb schrieb ich, ...bis ins 9. Jahrhundert. Wir wissen wenig über die germanische Religion aus der Kaiserzeit. Vieles über die germanische Religion wissen wir aus der (sehr späten) Edda. Ob die Skandinavier aber in ihrer Religion den südlichen Germanen immer so gleich waren, ist ebenfalls unbekannt. Dennoch gibt es gemeinsamkeiten, dennoch haben die frühmittealterlichen heidnischen Germanen nicht alles neu erfunden und keine Anschlüsse an die kaiserzeit.

Zu erklären versuchen kann man immer. Nur sollte man sich dann auch immer bewusst sein, dass Ergebnisse, die sich nicht auf echte Belege stützen, hochspekulativ sind.
Wie gesagt, hier behauptet niemand etwas ex kathedra.

Im Übrigen kann es nicht Sinn der Sache sein, ohne Aussicht auf echten Erkenntnisgewinn herumzuspekulieren, bloß um Historikern und verwandten Berufen Arbeit zu verschaffen.
Mit der Einstellung wären Astronomen zB aber noch nicht sehr weit gekommen.
 
[Ironie an]Die Idisen sollen die Lautverschiebung ja noch nicht mitgemacht haben. Damit rücken sie ein paar Jahrhunderte näher an Tacitus. Und wenn doch, muss man bei Tacitus nicht mal das t streichen, sondern nur annehmen, dass sein latinisiertes d ein germanisches th war. [Ironie aus]

Im Ernst: Was heißt hier unreflektiert? Irmin und Yngvi des Früh., bzw. Hochmittelalters finden sich schon bei Plinius und später bei Tacitus. Umgekehrt soll ein Teil der Götternamen nachweislich schon vor der Trennung der Dialekte als solche gedient haben. Wichtigstes Beispiele sind wohl Donar/Thor und Odin/Wotan, da die Namen nicht überall mit Donner, bzw. Wut gleichbedeutend waren. Leider habe ich keine tiefergehenden etymologischen Erläuterungen dazu gefunden. So kann ich es nur teilweise nachvollziehen. Bei später Ansetzung dieser Entwicklung käme man in das 1. Jahrhundert. Daher wäre es gut, wenn jemand, der sich besser mit den germanischen Sprachen auskennt, sich dazu äußert. Ich hänge ja nicht gern am Tropf von Autoritäten, aber ich habe es mittlerweile ein paar mal zu oft gelesen, um es nicht zu berücksichtigen.
Zwischen dem Untergang der mykenischen Kultur und der Übernahme des Alphabetes durch die Griechen erstreckten sich auch 500 dunkle Jahre, ohne dass der Götterhimmel komplett ausgetauscht wurde. Ja, das ist zunächst nur eine Analogie, betrifft aber die direkt die Wahrscheinlichkeit der langfristigen Überlieferung von Götternamen, zumal das Phänomen von der Ethnologie nicht nur in einem Fall festgestellt wurde.

Für die Lokalisierung sind aber alle Deutungen des Ortsnamens fruchtlos. Sonst wär' der Ort schon längst gefunden.

Und der Heilige Hain befindet sich nicht auf dem Schlachtfeld. Nach Tacitus haben sich die Cherusker zuvor dort versammelt. Nach Deiner Karte solltest Du ihn also besser beim Ith selbst eintragen, Divico.
 
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Was Tacitus wirklich schrieb...

Viel überzeugender finde ich hier die Übereinstimmung der geografischen Verhältnisse mit dem Tacitus-Text.

Wo sonst findet man ein 16 km langes Schlachtfeld, auf einer Seite Weser mit abwechselnd steilem und eher flachem Ufer, auf der anderen Seite Höhenzug mit Germanen und dazwischen heiliger Hain?

Zudem scheint die natürliche Festung mit dem Außenring aus Ith und Leinebergland und dem Innenring Hils wie ein perfekter Rückzugssort für vor den Legionen über die Weser sich zurückziehende Germanen zu sein.

Wo steht etwas von einem 16 km langen Schlachtfeld? Die Bescheibung der Örtlichkeit ist eigentlich so ungenau, dass sie überall an der Weser sein könnte, wo diese an Mittelgebirge stößt.

Eigentlich wird das Schlachtfeld ja so beschrieben, dass die Weser mal Platz hat, sich auszubreiten, also Auwiesen, dann aber wieder absolute Enge herrscht, bis dahin, dass der Berg direkt bis ans Wasser reiche. [...] Vielmehr Ortsbeschreibung als dies gibt es ja nicht:
[...] campum, cui Idistaviso nomen, [...] is medius inter Visurgim et collis, ut ripae fluminis cedunt aut prominentia montium resistunt, inaequaliter sinuatur.

[...] das* Feld, dessen Name Idistaviso ist, [...] es [liegt] zwischen der Weser und den Hügeln, dass sie vom Flussufer zurückweichen oder Vorsprünge der Berg [dem Flussufer] widerstehen, sich ungleichmäßig krümmend.
Bei dieser Beschreibung müsste man fast an Steilufer denken, die mir aber in der ganzen Region nicht bekannt sind. Sollte es sie doch geben, bitte ich um Nachricht.

*Ich übersetze hier Nominativ, obwohl es im lateinischen Akkusativ ist, weil es aus dem Kontext herausgenommen wurde.
 
Wo steht etwas von einem 16 km langen Schlachtfeld? Die Bescheibung der Örtlichkeit ist eigentlich so ungenau, dass sie überall an der Weser sein könnte, wo diese an Mittelgebirge stößt.

Eine Angabe gibt es noch: Die Auwiesen waren so eng, dass ein Teil der Germanen schon auf den bewaldeten Höhen stehen musste.
 
Und der Heilige Hain befindet sich nicht auf dem Schlachtfeld. Nach Tacitus haben sich die Cherusker zuvor dort versammelt. Nach Deiner Karte solltest Du ihn also besser beim Ith selbst eintragen, Divico.

Da magst Du Recht haben. Hab die Skizze vorhin auf die Schnelle gemacht, ohne nochmals in den Text zu schauen.


Wo steht etwas von einem 16 km langen Schlachtfeld? Die Bescheibung der Örtlichkeit ist eigentlich so ungenau, dass sie überall an der Weser sein könnte, wo diese an Mittelgebirge stößt.

"Magna ea victoria neque cruenta nobis fuit. quinta ab hora diei ad noctem caesi hostes decem milia passuum cadaveribus atque armis opplevere," [Tacitus Ann. II, 18]


Eine Angabe gibt es noch: Die Auwiesen waren so eng, dass ein Teil der Germanen schon auf den bewaldeten Höhen stehen musste.

Wir sollten uns die Hänge dazumal etwas weiter hinab bewaldet vorstellen, dann passt es.
 
Die römische Meile war nur 1482 Meter lang. Als ungefähre Angabe sollten wir also von ca. 15 km sprechen.
 
Ja. Eine Meile sind 1.000 Schritt, zehn Meilen sind 10.000 Schritt, sind 14 km und 820 m. Der eine km, da hat Divico völlig Recht, macht aber keinen Braten fett.
 
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Zweifelst du in delbrückscher Tradition daran? Wie argumentiert Delbrück seine Zweifel an der Schlacht?
 
Zweifelst du in delbrückscher Tradition daran? Wie argumentiert Delbrück seine Zweifel an der Schlacht?
Delbrück setzt so an:
Haben wir durch unsere Korrektur eine durchsichtige und einleuchtende strategische Grundidee für den Feldzug gefunden, so ist der weitere Verlauf darum doch noch keineswegs deutlich erkennbar. Tacitus berichtet, daß Germanicus die Germanen in zwei großen Schlachten auf dem Idisiavisofelde an der Weser und an dem Wall, der die Angrivarier von den Cheruskern schied, geschlagen habe. Obgleich damit ja sehr gute topgraphische Anhaltspunkte gegeben scheinen, so ist doch der innere Zusammenhang der Bewegungen so wenig deutlich, daß die Forscher nicht wissen, ob sie die Schlachten auf dem rechten oder linken Weserufer, die zweite Schlacht im weiteren Vorrücken oder bereits auf dem Rückmarsch der Römer ansetzen sollen. Die großen Erfolge, die die Römer davongetragen haben wollen, erscheinen äußerst fragwürdig, da sie keinerlei Früchte gebracht haben und, nach der eigenen späteren Darstellung des Tacitus, in seinem Kampfe gegen Marbod Armin nicht als ein Mann erscheint, der von den Römern besiegt sei, sondern sie besiegt habe. Die Einzelheiten der Schlachtschilderung sind nicht nur unklar und widerspruchsvoll, sondern auch taktisch geradezu unmöglich. Ich werde das unten im einzelnen behandeln. Die Schlachten verlieren aber das allgemeine Interesse, da ich von vornherein ihre ganze Existenz bestreiten zu müssen glaube.
Delbrück, Hans, Geschichte der Kriegskunst, 2. Teil. Die Germanen, 1. Buch. Der Kampf der Römer und Germanen, 6. Kapitel. Höhepunkte des Krieges und Abschluß - Zeno.org
aber darauf wollte ich nicht hinaus, sondern nur einen kleinen Scherz machen :)
 
Römisches Marschlager östlich der Weser bei Bevern?

Dieses Fundstück aus dem Netz könnte für die Diskussion relevant sein. Weiß schon jemand mehr darüber?

"Bevern

Die einzige römische Kupfermünze aus dem östlichen Niedersachsen, die den bekannten Gegenstempel des Varus (VAR) trägt, wurde um 1960 bei Lobach (Kreis Holzminden) in einer Quelle am Waldrand des Burgberges gefunden. Auf einem Kolloquium in Detmold 2004, wies Kreisarchäologe Dr. Christian Leiber darauf hin, dass sich in der Nähe dieses Fundpunktes eine Anlage befindet, die als römisches Marschlager gedeutet werden kann."


Römisches Geld in Nordwestdeutschland, Dr. Frank Berger, Historisches Museum Frankfurt, 2009

Bevern liegt genau an der von mir vermuteten Römerroute von Höxter nach Stadtoldendorf. Bis zum spekulativen Schlachtfeld am Ith sind es von Bevern-Lorbach etwa 12 km.
 
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Heiligenberg - der Heilige Hain?

Und der Heilige Hain befindet sich nicht auf dem Schlachtfeld. Nach Tacitus haben sich die Cherusker zuvor dort versammelt. Nach Deiner Karte solltest Du ihn also besser beim Ith selbst eintragen, Divico.

Wo sich der Heilige Hain befand, geht aus dem Text nicht wirklich hervor. Erst steht man sich an den Weserufern gegenüber, dann sammeln sich die Cherusker im Heiligen Hain ("in silvam Herculi sacram"), und noch später wird das Schlachtfeld beschrieben (" Visurgim [...] pone tergum insurgebat silva"). Vom Heiligen Hain ist hier nicht mehr die Rede, es könnten also zwei verschiedene Wälder/Waldgebirge sein.

Ich hatte das immer so interpretiert, dass die Cherusker zunächst einen Höhenzug, den Heiligen Hain, direkt am östlichen Weserufer besetzt haben. Zuvor hatte es laut Tacitus noch einen Dialog über die Weser hinweg gegeben. Die Römer sahen dann nächtens nicht nur Feuerschein, sie konnten die Germanen offenbar sogar hören ("habita indici fides et cernebantur ignes, suggressique propius speculatores audiri fremitum equorum inmensique et inconditi agminis murmur attulere.")

Und tatsächlich nennt sich ein kleiner Rücken gegenüber Bodenwerder-Kemnade direkt am Ostufer der Weser Heiligenberg. (Siehe Anhang)
 

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da stellt sich die Frage, seit wann dieser Name überliefert ist und ob es irgendwelche Kontexte gibt.

Wie ich inzwischen herausfinden konnte, befinden sich auf dem Heiligenberg nicht nur die restaurierten Grundmauern einer Kapelle aus dem 11. Jh., sondern auch noch ein unerforschter Ringwall:

"Runde Wallanlage von 120 m Durchmesser. Wall und vorgelagerter Graben z.T. gut erhalten. Ausgrabungen fanden nicht statt, Funde sind nicht bekannt. Vermutlich frühmittelalterliche Fluchtburg." [Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen, PDF]
 
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