Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Hallo Lojoer, hallo hyokkose,

es ist das sog. Lugdunum-II-As (RIC 232). Im RIC wird der Prägezeitraum 9-14 A.D. angegeben. In meinem Seaby wird dagegen als frühestes Emissionsjahr erst 10-11 A.D. angenommen. Wie auch immer, dieser Typus trat in Kalkriese nicht auf.

Daraus allerdings zu schließen, dass das Ereignis von Kalkriese vor 10 n.Chr. stattfand ist übereilt. Denn dieser Typus ist im rechtsrheinischen Germanien äußerst rar (vier Exemplare) und auch alle anderen Münztypen und -nominale, die nach dem Tod des Varus und vor den Germanicusfeldzügen geprägt wurden, treten insgesamt lediglich in 19 Exemplaren in Germanien auf (demgegenüber stehen ca. 7000 Münzen aus der Zeit vor der Varusschlacht). Das ganze wird leider noch komplexer, da diese 19 Exemplare in ihren jeweiligen Hort- bzw. Streufunden nicht die Schlussmünzen darstellen, sondern zusammen mit jüngeren Prägungen (nach 16 n.Chr.) auftraten. Somit ist bis zum heutigen Tage kein eindeutiger Germanicushorizont als Vergleich zum Münzspektrum von Kalkriese heranzuziehen. Es bleibt die vage Vermutung, dass die Münzen der Varuslegionen mit denen des Germanicusheeres zu 99% identisch sind.


Gruß Cato
 
Stichwort Knochengruben. (...) Lediglich der von Tacitus angenommene Grabhügel fehlt (bisher) ("Primum extruendo tumulo caespitem Caesar posuit"). Ob er existierte? Tib. Gabinius hat berechtigte Zweifel daran geäußert.

Die Knochengruben weisen deutlich auf ein Kampfgeschehen hin, das ist richtig. Die Frage nach der Existenz des Tumulus ist weiter offen, so lange er nicht archäologisch nachgewiesen wurde. Die Tatsache, dass Tacitus ihn zweimal erwähnt (anlässlich seiner Errichtung sowie seiner Zerstörung) ist jedoch auffallend. Immerhin kann man davon ausgehen, dass die ausführlicheren Werke über den germanischen Krieg (von Plinius und anderen Autoren) zu Tacitus´Zeiten noch allgemein zugänglich waren und somit solche Schilderungen bei den Zeitgenossen für Irritationen gesorgt hätten.


Demnach wäre hier was passiert?

Ja, das Problem der fehlenden germanischen Fundstücke. Wenn ich die Antwort wüsste, würde ich sie veröffentlichen. Vorerst bieten sich nur drei Möglichkeiten:
1.) Die Germanen haben während der Schlacht wenig verloren bzw. die Gegenstände anschließend gründlich aufgelesen. Klingt lächerlich und ist es auch. Denn dagegen spricht eindeutig das ausgesprochen hohe Aufkommen römischer Relikte.
2.) Es haben Römer gegen Römer gekämpft. Dazu liegen allerdings nicht die geringsten Hinweise aus historiographischen Quellen vor.
3.) Es haben Germanen mit römischer Ausrüstung gekämpft. Aber woher hatten Sie diese in so großer Zahl? Nach dem, was man bisher aussagen kann, hat in Kalkriese etwas mehr als ein Geplänkel stattgefunden.

Wenn jemand noch eine weitere Möglichkeit ergänzen kann, wäre ich dafür sehr dankbar.

Gruß Cato
 
Allerdings sollte man vielleicht die Quellen einfach mal ganz aus der Hand legen, um ganz unbeeinflusst forschen zu können.

Natürlich muß man die Quellen berücksichtigen. Tacitus hatte noch Zugang zu Quellen, die heute verschollen sind. So hatte er mit den 20 Briefen des Germanenkrieges (Plinius) ein Werk zur Verfügung, das ,wie der "Gallische Krieg" von Cäsar, die Ereignisse eindeutig beschrieb. Tacitus faßte halt das Thema nochmals zusammen und gibt so einen Eindruck über die damaligen Geschehnisse. Er ist somit kein antiker "Tolkien", sondern in dem Sinne ein Geschichtsschreiber, auch wenn ihm Mommsen seine Berufung und Befähigung zum Historiker abgesprochen hat (Mommsen verwechselte aber auch Chauken und Chatten).
Tacitus kann es sich auch nicht geleistet haben, daß er irgendwelche Legionen und Ereignisse erfand. So waren für einen Römer seiner Zeit, z.B. seine Angaben über Pontes Longi und die beteiligten Legionen (1.,5., 20. und 21.) jederzeit anhand der Schriften des Plinius d.Ä. nachprüfbar. Oder war Plinius jetzt auch ein Märchenerzähler?

Aber wenn man diese Quellen ignoriert oder stark anzweifelt und eigene Theorien anstellt, die weniger logisch erscheinen, dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn man kritisiert wird. Beispiel: Herr Achim Rost, der in "Archäologie in Niedersachsen, 2003" einen Bericht verfaßte mit dem Titel: Kalkriese - Archäologische Befunde und antike Schriftquellen". Hier vertritt er die Ansicht, daß Germanicus beim Besuch des Schlachtfeldes und Besichtigung des Walls zu einer Fehlinterpretation gekommen sei. So soll Germanicus den Wall (von Germanen errichtet (nach Meinung von Herrn Rost)) irrtümlich für das unter ungünstigen Bedingungen errichtete letzte Varuslager gehalten haben. Da es aber Überlebende der Schlacht gab, zweifelt Herr Rost auch hier die Anzahl und deren Beurteilungsfähigkeit der Geschehnisse an. usw.
Da sehe ich eher eine Zurechtbiegung der Quellen für die Kalkriese-Befürwortung an.

Wie soll da eine unabhängige Forschung möglich sein?
 
Wenn jemand noch eine weitere Möglichkeit ergänzen kann, wäre ich dafür sehr dankbar.

Gruß Cato


Höchstwahrscheinlich sind hölzerne Waffen einfach in der Gegend verrottet. Auch wurden die germanischen Gefallenen anscheinend von ihren Angehörigen vom Schlachtfeld mitgenommen und woanders bestattet. (Ähnlicher Vorgang wurde z.Zt. der Sachsenkriege anhand von Gräberfunden nachgewiesen). Da bei den Gefallenen meist auch deren Waffen lagen, wurden metallene Gegenstände (Axt, Schwert, Frame bzw. Lanzenspitze, usw.) mitaufgelesen.

Ich habe z.Zt. zwar nicht mehr die Dissertation von Ralf G. Jahn zur Verfügung, aber soviel ich mich erinnern kann, wurde da erwähnt, daß in ca. 10km Enfernung (Luftlinie) ein Bohlenweg gefunden worden ist, der durch eine dendrochronologische Untersuchung in das Jahr 15 n.Chr. datiert werden konnte. Auf diesem Bohlenweg wurden germanische Waffen mit Kampfspuren gefunden.
 
Natürlich muß man die Quellen berücksichtigen.
[...]
Aber wenn man diese Quellen ignoriert oder stark anzweifelt und eigene Theorien anstellt, die weniger logisch erscheinen, dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn man kritisiert wird.
Ich meinte nicht, die Quellen ignorieren oder per se abzustempeln. Aber ich las vor einiger Zeit einen Bericht über die Ausgrabungen in Jotapata. Jotapata war der galiläische Ort, in dem Flavius Josephus als judäischer Festungskommandant gegen die Römer kämpfte, bevor die Stadt schließlich fiel. Die israelischen Archäologen aber legen den Augenzeugenbericht Josephus' beiseite, weil sie ihrer Meinung nach nicht mehr unvoreingenommen genug forschten. Dies ist aber keineswegs als Urteil über Josephus' Äußerungen über Belagerung und Fall von Jotapata zu verstehen. Ähnliches wäre vielleicht für Kalkriese hilfreich. Andererseits muss Kalkriese schon aus finanziellen Gründen die Varus-Schlacht sein, denn eine Caecina-Schlacht hätte wohl kaum ausreichende Zugkraft für Sponsoren. Aber im Ernst. Es wäre hilfreich, wenn man erst einen Gesamtbefund hätte, und sich erst dann den historiographischen Quellen zuwenden würde. Neben den Geldmitteln ist natürlich auch unsere schnelllebige Zeit und die Ungeduld als menschliche Eigenschaft dem entgegenstehend.

Tacitus hatte noch Zugang zu Quellen, die heute verschollen sind. So hatte er mit den 20 Briefen des Germanenkrieges (Plinius) ein Werk zur Verfügung, das ,wie der "Gallische Krieg" von Cäsar, die Ereignisse eindeutig beschrieb. Tacitus faßte halt das Thema nochmals zusammen und gibt so einen Eindruck über die damaligen Geschehnisse. Er ist somit kein antiker "Tolkien", sondern in dem Sinne ein Geschichtsschreiber, auch wenn ihm Mommsen seine Berufung und Befähigung zum Historiker abgesprochen hat (Mommsen verwechselte aber auch Chauken und Chatten).
Tacitus kann es sich auch nicht geleistet haben, daß er irgendwelche Legionen und Ereignisse erfand. So waren für einen Römer seiner Zeit, z.B. seine Angaben über Pontes Longi und die beteiligten Legionen (1.,5., 20. und 21.) jederzeit anhand der Schriften des Plinius d.Ä. nachprüfbar. Oder war Plinius jetzt auch ein Märchenerzähler?
Keiner behauptet, die antiken Historiographen wären Märchenerzähler. Allerdings war keiner von ihnen bei der Schlacht dabei, und soviel ich weiß auch nicht beim Feldzug des Germanicus. Velleius kannte wenigstens Germanien aus eigener Anschauung - und vielleicht sogar Arminius, aber die anderen kannten die Schlacht nur vom Hörensagen. Und dies muss in der Quellenkritik eben mitberücksichtigt werden; nicht zu vergessen die Motivation einzelner, die verlorene Schlacht zu erklären, zu begründen oder dem Schicksal oder der Dummheit des Varus in die Schuhe zu schieben.

Beispiel: Herr Achim Rost, der in "Archäologie in Niedersachsen, 2003" einen Bericht verfaßte [...]. Hier vertritt er die Ansicht, daß Germanicus beim Besuch des Schlachtfeldes und Besichtigung des Walls zu einer Fehlinterpretation gekommen sei. So soll Germanicus den Wall (von Germanen errichtet (nach Meinung von Herrn Rost) irrtümlich für das unter ungünstigen Bedingungen errichtete letzte Varuslager gehalten haben.
Diese These ist natürlich so, wie hier paraphrasiert, kaum haltbar.

Mit fortschreitender Grabungstätigkeit stellte sich heraus, dass die Form des Walles nicht einen einzigen Bogen beschreibt, sondern eine Wellenlinie. [...] offen bleibt trotz allem die Frage, warum die beiden Enden nach Norden (zum Sumpf) abwinkeln.
Die Verteidiger des Walles hätten an dessen Ostende ein von Osten anrückendes Heer im Rücken gehabt.
Die Erklärung, der Wall würde an Bachläufen münden, ist unbefriedigend, da diese keinen wirksamen Schutz an den Flanken dargestellt hätten.

Vorsicht, das ist nur ein vorläufiger Befund. An beiden Enden gehen die Grabungen weiter.
 
Hallo Cato,
erst mal vielen Dank für die Erläuterung,
Hallo Lojoer, hallo hyokkose,
es ist das sog. Lugdunum-II-As (RIC 232). Im RIC wird der Prägezeitraum 9-14 A.D. angegeben. In meinem Seaby wird dagegen als frühestes Emissionsjahr erst 10-11 A.D. angenommen. Wie auch immer, dieser Typus trat in Kalkriese nicht auf.
ich hatte den Sprung von den Denaren zum As nicht nachvollziehen können. Bin leider nicht so in Thematik Kalkriese-Münzen drin.
Deine Aussage über den Münztyp Lugdunum II As
Denn dieser Typus ist im rechtsrheinischen Germanien äußerst rar (vier Exemplare) und auch alle anderen Münztypen und -nominale, die nach dem Tod des Varus und vor den Germanicusfeldzügen geprägt wurden, treten insgesamt lediglich in 19 Exemplaren in Germanien auf (demgegenüber stehen ca. 7000 Münzen aus der Zeit vor der Varusschlacht). ......
Gruß Cato
Kann ich jedoch nicht nachvollziehen, da ich bereits eine Reihe von Lugdunum II Asse im Rahmen meiner offiziellen archäologischen Nachforschungen (rechtsrheinisch Lager/südhessen) gefunden habe.
Grundsätzlich hast Du natürlich recht, dass diese Asse nicht unbedingt im Germanicushorizont zu finden sein müssten. Entscheident für mich die Fundstelle Kalkriese jedoch eher vor 16 n.Chr. zu datieren ist das Fehlen der Gegenstempel TIBAVG und TIBIM die im Germanicushorizont auftauchen müssten.
Gruß Jörg
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Cherusker
Höchstwahrscheinlich sind hölzerne Waffen einfach in der Gegend verrottet. Auch wurden die germanischen Gefallenen anscheinend von ihren Angehörigen vom Schlachtfeld mitgenommen und woanders bestattet. (Ähnlicher Vorgang wurde z.Zt. der Sachsenkriege anhand von Gräberfunden nachgewiesen). Da bei den Gefallenen meist auch deren Waffen lagen, wurden metallene Gegenstände (Axt, Schwert, Frame bzw. Lanzenspitze, usw.) mitaufgelesen.
Nicht das Fehlen der germanischen Waffen stört mich bei Kalkriese, sondern das Fehlen von germanischen Kleinteilen wie Fibeln, Beschlagteile usw., die eben im Kampfgeschehen sehr leicht abgerissen werden und verloren gehen.
Gruß Jörg
 
Hallo Cherusker

Nicht das Fehlen der germanischen Waffen stört mich bei Kalkriese, sondern das Fehlen von germanischen Kleinteilen wie Fibeln, Beschlagteile usw., die eben im Kampfgeschehen sehr leicht abgerissen werden und verloren gehen.
Gruß Jörg

Das hatte mich bisher auch gewundert....aber ich habe kürzlich einen wissenschaftlichen Bericht über zwei erfolgreiche Angriffe auf "Kelten"-Festungen gelesen. (Zwar bin ich da auch anderer Meinung). Aber auch hier wurden viele Gegenstände der Verteidiger gefunden, aber keine bzw. kaum Gegenstände der Angreifer. Was auch sehr merkwürdig ist...... Wenn ich mich recht entsinne, wurde das dort mit dem Überraschungserfolg erklärt, d.h. es hat in dem einen Fall erbitterte und harte Kämpfe gegeben, aber es wurden keine Funde der Angreifer getätigt, dagegen fand man aber viele zerbrochene Fibeln, Beschlagteile, notdürftige Waffen, usw. der Verteidiger. Auch hier rätselt man über die Angreifer....der Verfasser spricht von Kelten, ich dagegen von Germanen.

Ein gewisser Autodidakt, dessen Name mir immer wieder entfällt, hat mal behauptet, die Germanen hätten nach der Varusschlacht soviele römische Waffen und Rüstungsgegenstände besessen, daß sie sich damit ausrüsteten und ihre eigenen Waffen nicht mehr benutzten. Das halte ich für sehr zweifelhaft, da die Germanen zwar römische Beute ansichgenommen haben (Germanicus findet bei Segestes römische Gegenstände), aber weiterhin auf ihre Waffen vertraut haben (siehe Germanicus Rede vor Angrivarierwall). Ansonsten kann Kalkriese nicht die Varusschlacht gewesen sein. Woher hätten denn dann die Germanen die vielen römischen Gegenstände (Waffen und Rüstungen) gehabt?

Es gibt noch viele Rätsel (z.B. Lamellenpanzerung bei Varuslegionären?)....aber es spricht für mich wesentlich mehr für Pontes Longi als für die Varusschlacht.
 
Hallo Cherusker,
momentan tendiere ich bei Kalkriese eher zu einer Auseinandersetzung im Rahmen der Varusschlacht, wenngleich auch These der Schlacht bei Pontes Longi zugegebenrweise was bestechendes hat. Was mich jedoch an letzterem stört ist hauptsächlich das Fehlen von Tiberius-Gegenstempel auf den Münzen. Diese treten bei frühtiberischen Lagern zu Massen aus.
Grundsätzlich hat El Quijote natürlich recht

El Quijote
Andererseits muss Kalkriese schon aus finanziellen Gründen die Varus-Schlacht sein, denn eine Caecina-Schlacht hätte wohl kaum ausreichende Zugkraft für Sponsoren....

Caecina ist für Politik, als auch Finanzgeber doch ein Nobody.
Aber eines musst Du zu gute halten, wenn Kalkriese wirklich die Auseinandersetzung der Pontes Longie sein sollte, so sorgt der Namen Varus doch für das Geld, dass ansonsten nicht zur Verfügung stehen würde.
Gruß Jörg


 
Kann ich jedoch nicht nachvollziehen, da ich bereits eine Reihe von Lugdunum II Asse im Rahmen meiner offiziellen archäologischen Nachforschungen (rechtsrheinisch Lager/südhessen) gefunden habe.
Gruß Jörg

Hallo lojoer,
meinst Du wirklich die Lugdunum-II-Asse (RIC 233) oder die Lugd.-I-Serie (RIC 230)?
Ich habe meine Informationen von einem Vortrag von Wolters auf der Tagung "Imperium. Varus und seine Zeit" dieses Jahr. Die Zusammenfassung ist hier nachzulesen:
Imperium. Varus und seine Zeit. - H-Soz-u-Kult / Tagungsberichte

Gruß Cato
 
Interessant, wie "nur" Ergebnisse interpretiert werden um zu der Lösung Kalkriese = Varusschlachtort zu gelangen.

1. Wenn Kalkriese der Ort der Varusschlacht ist, dann nahm Varus mit seinem Tross folglich auf dem später als bezeichneten "Hellweg vor dem Sandforte" den vorhandenen Wegesverlauf von Minden an der Weser in Richtung Osten (selbst im Jahr 800 n.Chr. gab es an der Weser nur 3 Weserfurten: Höxter, Hameln und Minden). Wo kam er aber genau her? Sein Sommerlager ist bis zum heutigen Tag an der Weser nicht lokalisiert worden.

2. Armenius schlug Varus mit den verbündeten germanischen Stämmen. Und wo kamen die her? Die Cherusker waren am Steinhuder Meer / Nienburg zu Hause (Lokalisierung des Angrivarier Wall), die Germanen an der Weser im Raum Hameln/Rinteln/Minden. Entfernung vom Steinhuder Meer nach Kalkriese sind 110KM, von Minden rund 70KM. Wie konnte Armenius über so große Entfernungen verschiedene Stämme mobilisieren, ohne das es den Römern auffiel?

3. Die Vernichtung von 3 Legionen verlangt theoretisch eine leichte mengenmäßige Überlegenheit des Angreifers, gehe ich von ca.20.000 Germanen aus die in militärischen Nahkämpfen nicht ausgebildet waren. Und sollten sie im Besitz von Militaria für einen Kampf sein (woher hatten "einfache Bauern" diese Mengen von Waffen?), sprach das nicht dafür gegen ausgebildete Nahkämpfer wie einem Legionär, im Kampf erfolgreich bestehen zu können. Und es sei wieder auf das Argument hingewiesen, das es irgendwelche anderen germanischen (auch nicht militärischen) Fundstücke in Kalkreise geben müsste.

4. Wenn Arminius in Kalkriese Varus in einen Hinterhalt lockte (als ich vor 10 Jahren bei den Ausgrabungen in Kalkriese dabei war, erschein mir die Lage und Höhe des Walles als Laie wirklich geradezu lächerlich, einer ausgebildeten römischen Armee ein unüberwindbares Hindernis zu bilden - mal abgesehen davon, das der wellenförmige Verlauf viele Fragen aufwirft), stellt sich die Frage wie eine mengenmässig vermutlich zumindest gleichstarke "germanische Armee" es schafft den einzigsten Verbindungsweg (den Hellweg) in Richtung Osten zu benutzen, ohne Spuren zu hinterlassen? Also eine Armee von 20.000 Mann braucht eine Versorgung (eine sehr gut organisierte! - Vieh, Vorräte usw.). Kann diese in diesem Gelände unauffällig für die Römer organisiert werden? Zumal die meisten Germanen eben nur einfache Bauern waren. Ich will auf Details nicht weiter eingehen (Feuerstellen, Spuren hinterlassen usw.), aber die Germanen haben doch nicht wochenlang darauf gewartet, das Varus an der Engestelle Kalkreise vorbei zieht. Und überholt haben können sie diese auch nicht, da es keine anderen Wegverbindungen für so eine Armee in dieser Gegend gibt.
Gruß von Major Tom
 
Hallo lojoer,
meinst Du wirklich die Lugdunum-II-Asse (RIC 233) oder die Lugd.-I-Serie (RIC 230)?
Hallo Cato,
Ich bin die Dateien meiner Lugdunum Asse nochmal durchgegangen. In der Tat sind die überwiegende Mehrheit Lugdunum I Asse (RIC 230).
Dem Lugdunum II As (RIC 233) kann nur eines sicher zugeordnet werden. Daneben allerdings noch ein Semis der Lugdunm II Serie (RIC 234)

Die zwischen 12-14 geprägten Lugdunum Asse (RIC 245) mit Tiberius-Konterfei finden sich ebenfalls häufiger (dachte diese fällt auch unter die Lugdunum II Serie). Insofern muss ich Abbitte leisten :sorry:
Ich gehe davon aus, dass Herr Wolters kaum von den beiden Münzen wissen kann, da diese zwar wissenschaftlich bearbeitet, aber bestimmt noch nicht veröffentlicht sind.
Gruß Jörg
 
Zuletzt bearbeitet:
2. Armenius schlug Varus mit den verbündeten germanischen Stämmen. Und wo kamen die her? Die Cherusker waren am Steinhuder Meer / Nienburg zu Hause (Lokalisierung des Angrivarier Wall), die Germanen an der Weser im Raum Hameln/Rinteln/Minden.

Hallo Major Tom,
deine Lokalisierung der Wohngebiete germanischer Stämme ist mir nicht nachvollziehbar. Hat man den Angrivarierwall bereits lokalisiert? Ist mir da etwas entgangen?
Nach meinen Informationen lässt sich das Siedlungsgebiet der Cherusker grob zwischen Hannover und Göttingen (Nord-Süd-Ausdehnung), bzw. Raum Pyrmont bis Braunschweig (?) (West-Ost) definieren.
In Bezug auf die Varusschlacht ist allerdings zu berücksichtigen, dass wahrscheinlich nur Teile der Cherusker am Kampfgeschehen teilgenommen haben, andere wiederum neutral blieben.
Über die weiteren Stämme, die sich am Kampf gegen Varus beteiligten lassen sich nur Vermutungen anstellen. Keiner der Chronisten erwähnt diese explizit, allerdings könnte man aus den Angaben des Tacitus einige Schlüsse folgern.
Legionsalder, die in der Varusschlacht verloren gingen, wurden wenig später bei Brukterern und Marsern entdeckt und wiedergewonnen. Eine Beteiligung dieser beiden Stämme ist deshalb sehr wahrscheinlich. Das außergewöhnlich harte Vorgehen des Germanicus gegen die Chatten lässt auch deren Beteiligung möglich erscheinen. Im römischen Sinne „unschuldig“ waren wohl Bataver, Friesen, Ampsivarier und Chauken, da deren Treue wiederholt hervorgehoben wurde und zum Teil Aufgebote dieser Stämme im Heer des Germanicus Aufnahme fanden
Das Sammeln des germanischen Heeres aus verschiedenen Stämmen unmittelbar vor der Varusschlacht war aufgrund des konspirativen Charakters der Operation ein entscheidender Aspekt. Größere bewaffnete Heerhaufen hätten den Argwohn der im Lande stationierten Römer erweckt. Ich halte es deshalb für wahrscheinlich, dass sich das Geschehen im Grenzgebiet der vier genannten Stämme (Brukterer, Cherusker, Marser und Chatten) zugetragen hat.

Und sollten sie im Besitz von Militaria für einen Kampf sein (woher hatten "einfache Bauern" diese Mengen von Waffen?)….
Zumal die meisten Germanen eben nur einfache Bauern waren.

Es sei darauf hingewiesen, dass die Germanen um Christi Geburt keineswegs militärisch unerfahrene Bauern waren. Archäologische Untersuchungen haben die historiographischen Quellen bestätigt, dass die Germanen Getreidewirtschaft nur für das Notwendigste betrieben, Viehbesitz dagegen als Statussymbol galt. Größere Rodungen zur getreidewirtschaflichen Nutzung fruchtbarer Regionen fanden erst im frühen Mittelalter statt.
Insgesamt waren die Germanen ein äußerst kriegerisches Volk. Ein junger Mann war automatisch Krieger. (Das Kriegswesen hatte einen ähnlich hohen Stellenwert, wie beispielsweise bei den Zulu in Südafrika: Viehhirten mit Hang zum Kriegertum :))

Waffenfähige Metalle waren in der Tat ein rares Gut in Germanien. Die Beute aus hochwertigen Waffen aus der Varusschlacht wird für die germanischen Krieger einen enormen Gewinn bedeutet haben und in den folgenden Auseinandersetzungen durchaus eine Rolle gespielt haben.

Gruß Cato
 
Interessant, wie "nur" Ergebnisse interpretiert werden um zu der Lösung Kalkriese = Varusschlachtort zu gelangen.

Keine Polemik bitte!

Wenn Kalkriese der Ort der Varusschlacht ist, dann nahm Varus mit seinem Tross folglich auf dem später als bezeichneten "Hellweg vor dem Sandforte" den vorhandenen Wegesverlauf von Minden an der Weser in Richtung Osten (selbst im Jahr 800 n.Chr. gab es an der Weser nur 3 Weserfurten: Höxter, Hameln und Minden). Wo kam er aber genau her? Sein Sommerlager ist bis zum heutigen Tag an der Weser nicht lokalisiert worden.

Den Hellweg v.d. Sandforde nahm er ja offensichtlich nicht (wenn er es denn war, der in Kalkriese kämpfte), der verlief nämlich weiter nördlich. Im Übrigen brauchten die Römer keine Furten, um über Flüsse zu setzen.
Vgl. Cäsar De Bello Gallico IV, 16 - 19; VI, 9, 29 - 34.
Der negative Beweis - die bisher fehlende Lokalisierung des Sommerlagers - ist wissenschaftlich verpönt. Insbesondere an der Lippe sind einige militärischen Einrichtungen entdeckt worden, manche dauerhafter, manche provisorischer Natur.
Bis vor wenigen Jahrzehnten war man sich auch noch sicher, dass es jenseits des Rheins keine wesentlichen zivilen Spuren der Römer gäbe, inzwischen kennt man z.B. Waldgirmes. Es kann in Zukunft also noch einiges entdeckt werden.

Armenius schlug Varus mit den verbündeten germanischen Stämmen.

Es gibt hin und wieder die These, dass Arminius Armenius geheißen habe. Übersetzt hieße Armenius 'der Armenier'; wenn er 'der Besieger der Armenier' gewesen sein sollte, wäre *Armenicus zu erwarten. 'Der Armenier' wäre aber ein wenig sinnvoller Name für einen Cherusker. Die These Arminius hieße Armenius, basiert wohl auf Florus und Cassius Dio (
Ἀρμήνιος).
Es wäre in diesem Zusammenhang interessant, ein paar mehr Details zur Überlieferung des Florus-Textes zu haben, um zu bewerten, ob es sich um einen Abschreibefehler handelt, oder ob Florus tatsächlich Armenius (bzw. in der deklinierten Form Armenio) schrieb.

Und wo kamen die her? Die Cherusker waren am Steinhuder Meer / Nienburg zu Hause (Lokalisierung des Angrivarier Wall), die Germanen an der Weser im Raum Hameln/Rinteln/Minden. Entfernung vom Steinhuder Meer nach Kalkriese sind 110KM, von Minden rund 70KM. Wie konnte Armenius über so große Entfernungen verschiedene Stämme mobilisieren, ohne das es den Römern auffiel?

Leider lokalisieren die Historiographen nur sehr ungenau. Tacitus spricht davon, dass Germanicus seine Truppen in das Gebiet zwischen Ems und Lippe (also das Münsterland) führte und dann, weil er sich gerade in der Nähe befand, das Schlachtfeld sehen wollte: "Ductum inde agmen ad ultiomos Bructerorum, quantumque Amisiam et Lupiam amnes inter, vastatum, haud procul Teutoburgiensi saltu, in quo reliquiae Vari legionumque insepultae dicebantur."
Von Velleius Paterculus erfahren wir, dass sich das Geschehen in relativer Nähe zum Rhein abgespielt haben muss: "At Vala Numonius, legatus Vari, cetera quietus ac probus, diri auctor exempli, spoliatum equite peditem relinquens fuga cum alis Rhenum petere ingressus est."
Auch Cassius Dio spricht vom Rhein, wenn natürlich nur sehr unbestimmt:
"δεξάμενοι δὲ τὸν Οὐᾶρον ὡς καὶ πάντα τὰ προστασσόμενά σφισι ποιήσοντες προήγαγον αὐτὸν πόρρω ἀπὸ τοῦ Ῥήνου ἔς τε τὴν Χερουσκίδα καὶ πρὸς τὸν Οὐίσουργον, κἀνταῦθα εἰρηνικώτατά τε καὶ φιλικώτατα διαγαγόντες πίστιν αὐτῷ παρέσχον ὡς καὶ ἄνευ στρατιωτῶν δουλεύειν δυνάμενοι."

Die Vernichtung von 3 Legionen verlangt theoretisch eine leichte mengenmäßige Überlegenheit des Angreifers, gehe ich von ca. 20.000 Germanen aus die in militärischen Nahkämpfen nicht ausgebildet waren. Und sollten sie im Besitz von Militaria für einen Kampf sein (woher hatten "einfache Bauern" diese Mengen von Waffen?), sprach das nicht dafür gegen ausgebildete Nahkämpfer wie einem Legionär, im Kampf erfolgreich bestehen zu können. Und es sei wieder auf das Argument hingewiesen, das es irgendwelche anderen germanischen (auch nicht militärischen) Fundstücke in Kalkreise geben müsste.
[...]
4. Wenn Arminius in Kalkriese Varus in einen Hinterhalt lockte, stellt sich die Frage wie eine mengenmässig vermutlich zumindest gleichstarke "germanische Armee" es schafft den einzigsten Verbindungsweg (den Hellweg) in Richtung Osten zu benutzen, ohne Spuren zu hinterlassen? Also eine Armee von 20.000 Mann braucht eine Versorgung (eine sehr gut organisierte! - Vieh, Vorräte usw.). Kann diese in diesem Gelände unauffällig für die Römer organisiert werden? Zumal die meisten Germanen eben nur einfache Bauern waren. Ich will auf Details nicht weiter eingehen (Feuerstellen, Spuren hinterlassen usw.), aber die Germanen haben doch nicht wochenlang darauf gewartet, das Varus an der Engstelle Kalkriese vorbei zieht. Und überholt haben können sie diese auch nicht, da es keine anderen Wegverbindungen für so eine Armee in dieser Gegend gibt.

Cassius Dio, dessen Glaubwürdigkeit ich allerdings nicht absolut setze - immerhin berichtet er 200 Jahre nach dem Geschehen und stellenweise abweichend von seinen Vorgängern -, stellt die Sache so dar, dass Varus auf dem Marsch zu einem Aufstand war und die Germanen Arminius und Segimer (und weitere namentlich nicht genannte Verschwörer) mit ihren Kontingenten – also germanischen Auxiliareinheiten - Urlaub nahmen.
Folgte man dieser Darstellung, könnte man sehr wohl sagen, dass die Germanen in großen Zahlen an den Ort kamen und das auch noch relativ unauffällig. Velleius Paterculus, der Zeitgenosse, bleibt leider nur sehr wage in seinen Äußerungen und verspricht, in einem anderen Werk mehr Details zu schreiben. Leider hat er dies nicht mehr getan.
Florus spricht von einem conventus, also einer 'Zusammenkunft' zu der Varus die germanischen Fürsten eingeladen habe. Auch dies bietet die Möglichkeit, dass große germanische Kontingente - ohne Verdacht zu erregen - sich in der Nähe der Römer aufhielten. Für Florus gilt allerdings ähnliches, wie für Cassius Dio: Er ist zeitlich schon relativ weit entfernt vom Geschehen.


(als ich vor 10 Jahren bei den Ausgrabungen in Kalkriese dabei war, erschien mir die Lage und Höhe des Walles als Laie wirklich geradezu lächerlich, einer ausgebildeten römischen Armee ein unüberwindbares Hindernis zu bilden - mal abgesehen davon, das der wellenförmige Verlauf viele Fragen aufwirft)
Wiederholung der Wiederholung der Wiederholung: Der Wall ist nur noch als erodierte und niedergepflügte Erdschicht nachweisbar. Es ist also schlechterdings nicht möglich, eine Höhenangabe zu machen. Nichtsdestotrotz hat man insbesondere an seiner Sumpfseite römische Funde gemacht und auch nachweisen können, dass er während eines Kampfes an einer Stelle zusammengebrochen sein muss.


 
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Wiederholung der Wiederholung der Wiederholung: Der Wall ist nur noch als erodierte und niedergepflügte Erdschicht nachweisbar. Es ist also schlechterdings nicht möglich, eine Höhenangabe zu machen. Nichtsdestotrotz hat man insbesondere an seiner Sumpfseite römische Funde gemacht und auch nachweisen können, dass er während eines Kampfes an einer Stelle zusammengebrochen sein muss.

Ja, ja, der gute alte Wall. Frau Wilbers-Rost hat allerdings durchaus eine Aussage zu seiner ursprünglichen Dimension getroffen und zwar ca. 1,5 m Höhe und 4-5m Breite. Sicher kein imposantes Bauwerk, aber als Annäherungshindernis durchaus wirksam. Man kann den Archäologen von Kalkriese vielleicht einiges vorwerfen, aber ihre methodische Arbeitsweise steht außer Frage.
Zeichnet man einen maßstabsgerechten Schnitt des Werkes, so erscheint das ganze eher als Damm, denn als Wall. Zunächst ist es schwer vorstellbar, wie ein solches Gebilde einstürzen kann, dennoch ist die Verschüttung eines Zugtieres archäologisch nachgewiesen. Es müssten schon hunderte von Menschen gleichzeitig an einer einzigen Stelle hinüberstürmen, um den flachen Wall derart zu verschütten. Anders stellt es sich dar, wenn eine Gruppe von Reitern den Wall gewaltsam durchbricht. Das Einstürzen des Walles zur Sumpfseite stützt übrigens die These, dass der Angriff von der Hangseite aus stattfand.
Gruß Cato
 
Da muss ich Cherusker zustimmen,
der Focus Online-Artikel hat (wie so oft) wenig Substanz, geschweige denn Neuigkeiten.
Gruß Jörg
 
Bei PONTES LONGI haben auch Legionäre gekämpft und Caecina hatte nach dem Durchbruch durch den Engpaß auch nicht mehr die Zeit die Toten zu bestatten.


In Kalkriese wurden doch Tote bestattet. Bzw. Knochen, die wohl schon jahrelang herumgelegen hatten.

Im Fall der Varusschlacht wissen wir durch Tacitus von einer nachträglichen Bestattung.

Gibt es denn Hinweise, daß geraume Zeit nach der Schlacht bei den Pontes Longi auch dort die Überreste der Gefallenen bestattet wurden?
 
Hallo Hyokkose,
derartige Hinweise über die Schlacht bei den den Pontes Longi gibt es meines Wissens nicht. Es lässt sich aber auch grundsätzlich nicht ausschließen, da auch nichts Gegenteiliges niedergeschrieben wurde.
Gruß Jörg
 
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