Konstruktionslinien, Centuriation/Limitation, etc.

Drusus hat die Straße angelegt, nachdem er die Alpen durch Krieg geöffnet hatte.
Es versteht sich von selbst, dass mit ernsthafter Planung und Ausführung erst nach Abschluss der Hauptkampfhandlungen begonnen wird.

Und es ist ja nicht so, dass Drusus sich für längere Zeit im Alpenraum aufgehalten hätte — wenig später ist er wieder in Lyon und kurz darauf auf dem Weg an die Nordsee, wo er wiederum während des Feldzuges den Kanal baute und ebenfalls wieder Straßen anlegen ließ.
 
Preisfrage: Wo endete die colonia Aventicum, und wo begann die colonia Raurica?

Meine fünf Rappen setze ich auf Studen/Petinesca.

Ich würde nicht mal fünf Rappen darauf setzen, dass es zwischen den coloniae überhaupt eine großflächige Zenturiation gegeben hat: Eine massive Ansiedlung von Veteranen, die eine großflächige Zenturiation erforderlich gemacht hätte, fand offensichtlich nicht statt, und eindeutige Spuren sind trotz jahrzehntelanger Suche nicht zu finden.
Hier zum Spaß ein weiterer Rekonstruktionsversuch:
https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=8&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwjBi9DqhaPfAhUCL1AKHT8XDJMQFjAHegQIBRAC&url=http://www.e-periodica.ch/cntmng;jsessionid=A1D451D048C59F1B821078559DF80444?pid=bpa-001:1996:38::120&usg=AOvVaw3CpG2kiB0Oj4RkRXUQaS0H

Und falls tatsächlich von beiden Orten aus eine Zenturation durchgeführt worden sein sollte, hat diese wahrscheinlich Studen noch nicht einmal erreicht.
Und wenn doch, dann allenfalls vom 30 km (eine Tagesreise) entfernten Aventicum aus.
Vom 70 km entfernten Raurica aus sicher nicht, zumal der Jura garantiert nicht in gleichmäßige Parzellen aufgeteilt wurde.

(Deiner oben geäußerten Ansicht nach hätten die Römer dort noch nicht einmal saubere rechte Winkel hinbekommen...)
Dass die Römer auf dem beschwerlichen Weg über den Jura ein wenig vom rechten Winkel abgekommen sind, wirst Du ihnen wohl nachsehen.


Es versteht sich von selbst, dass mit ernsthafter Planung und Ausführung erst nach Abschluss der Hauptkampfhandlungen begonnen wird.
Ich verstehe das als Rückzieher, mit dieser Aussage bin ich nämlich völlig d'accord.

Aufgestoßen war mir diese Aussage:
Über Drusus' Alpenfeldzug wird explizit berichtet, er habe auf dem Vormarsch Straßen gebaut.
 
Ich würde nicht mal fünf Rappen darauf setzen, dass es zwischen den coloniae überhaupt eine großflächige Zenturiation gegeben hat: Eine massive Ansiedlung von Veteranen, die eine großflächige Zenturiation erforderlich gemacht hätte, fand offensichtlich nicht statt, und eindeutige Spuren sind trotz jahrzehntelanger Suche nicht zu finden.
Zu dem Eindruck gelange ich mittlerweile auch.
(Deiner oben geäußerten Ansicht nach hätten die Römer dort noch nicht einmal saubere rechte Winkel hinbekommen...)
Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was technisch möglich war, und dem was im Einzelfall als ausreichend empfunden wurde.

Nehmen wir als Beispiel einmal eines der besonders regelmäßigen Limeskastelle an dem bekannten hochpräzise vermessenen Abschnitt in Hessen:

welzheim_westkastell.jpg
Wir sehen hier also Winkelfehler von bis zu 1.5° auf eine Entfernung von unter 250 m, die offenbar als akzeptabel angesehen wurden, und das direkt neben einer vielfach längeren, viel genauer vermessenen Linie.
 
Nehmen wir als Beispiel einmal eines der besonders regelmäßigen Limeskastelle an dem bekannten hochpräzise vermessenen Abschnitt in Hessen:

In Hessen? Da mangelt es vermutlich der von Dir benutzten Karte an Präzision.
Von Welzheim bis nach Hessen ist es noch exakt so weit wie von Studen nach Vindonissa, gut 80 km.


Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was technisch möglich war, und dem was im Einzelfall als ausreichend empfunden wurde.
Nun ist so ein Kastell ja immer ein "Einzelfall".

Wenn sich die Agrimensoren allerdings im Rahmen der Centuriation beim Ausmessen von 256 aneinanderliegenden Quadraten lauter unsaubere rechte Winkel leisten, könnte das Ergebnis recht unschön ausfallen.
 
Preisfrage: Wo endete die colonia Aventicum, und wo begann die colonia Raurica?
Da lese ich in einem Wiki-Abschnitt:
"Die Grenzen der Colonia Raurica sind nicht mehr mit absoluter Sicherheit festzustellen. Man glaubt, sie rückschliessend aus dem Umfang des frühmittelalterlichen Augstgaues ablesen zu können."
Augusta Raurica – Wikipedia

Das war der Versuch von Theophil Burckhardt-Biedermann (1910), hier nachzulesen:
MDZ-Reader | Band | Die Kolonie Augusta Raurica / Burckhardt-Biedermann, Theophil | Die Kolonie Augusta Raurica / Burckhardt-Biedermann, Theophil

Weiter heißt es bei Wiki:
Nach neuesten Forschungen stehen nämlich Gutshöfe mit Ziegelstempeln der Windischer Legionen auch in verwaltungsrechtlicher Abhängigkeit von Vindonissa. Solche reichen aber über den Bözberg hinüber bis nach Frick und dem zugehörigen breiten Tal der Sisseln, das im Westen durch die jäh zum Rhein abfallende Mumpferfluh begrenzt wird. Aus den geographischen Gegebenheiten kann deshalb gefolgert werden, dass die Colonia Raurica östlich bis zum heutigen Mumpf, (mons firmans = Schlussberg) reichte. Bemerkenswerterweise lag an dieser Stelle ebenfalls eine Rhein-Insel mit einer anderen römischen Siedlung, die der heutigen Stadt Bad Säckingen entspricht (die Namensetymologie steht in Beziehung zur Diokletianischen Provinz Maxima Sequanorum; der nördliche Rheinarm, der die Insel vom deutschen Festland trennte, wurde 1830 zugeschüttet).

Ich habe schon früher davor gewarnt, aus den Ziegelstempeln großzügige Schlussfolgerungen auf verwaltungsrechtliche Gegebenheiten zu ziehen (der Link funktioniert leider nicht mehr):
Mutmaßl. und tatsächl. röm. Streckenverläufe/Fundplätze n.d. 9-/10-Leugen-Hypothese

Die Vindonissa-Ziegel wurden anscheinend auch über weitere Strecken gehandelt:
Im Weiteren stiess die St. Galler Kantonsarchäologie auf zwei Ziegelfragmente mit Stempeln der zwischen 44 und 70 n. Chr. im Militärlager Vindonissa stationierten Legio XXI Rapax. Sie stammen wohl aus den grossen Legionsziegeleien im Aargau und dürften auf dem Wasserweg nach Kempraten gebracht worden sein.
Ziegel aus Vindonissa am oberen Zürichsee | NZZ

Und die Ortsnamen-"Etymologien" bei Wiki mal wieder... ogottogott...
(Näheres siehe Ortsnamenkunde )
 
Zuletzt bearbeitet:
Es versteht sich von selbst, dass mit ernsthafter Planung und Ausführung erst nach Abschluss der Hauptkampfhandlungen begonnen wird.

Das ist ja schon mal gut. Neulich konnte man hier noch nachlesen, dass den Legionen als Vorhut ein Vermessungstrupp vorausmarschierte, damit die nachfolgenden Soldaten sich nicht im Nirgendwo verloren.
 
Johann-Bernhard Haversath spricht in seiner Dissertation "Die Agrarlandschaft im römischen Deutschland der Kaiserzeit" (Passau 1984) einige Versuche, Limitationssysteme (im Umland von Köln, in der südniederländischen Provinz Limburg, in der Pfalz, im Elsaß, in Baden-Württemberg) nachzuweisen an und fasst zusammen:

"Alles in allem ist festzustellen, daß bislang kein Fall der Zenturiation aus Mitteleuropa beschrieben wurde, bei dem eine absolut eindeutige Beweisführung vorläge."
 
Abb. 3 auf Seite 138 stellt die Centuriation der Mosel zwischen Metz und Trier dar, oder zumindest ein Raster an dem sich die Straßen ausrichteten wenn das Gelände dies ermöglichte.

Sehr schön. Abgesehen davon, dass die Ähnlichkeit mit den postulierten Limitationen, resp. Hauptvermessungslinien an Aare und Oberrhein kaum zu bestreiten ist, fallen besonders die beiden SSW-NNO verlaufenden, wie parallelverschoben wirkenden schnurgeraden Straßenabschnitte auf; ich meine diese hier:
mosel_lim_parallele.jpg
Zum einen sind sie jeweils rund 10 Leugen lang. Ganz exakt sind Anfangs- und Endpunkte allerdings nicht zu fassen. Da wir uns hier aber im Leugenland befinden, in dem etwa Detzem decem leugas von Trier entfernt liegt, könnte man schon Absicht vermuten.

Noch auffälliger ist allerdings, wie exakt die Ausrichtung dieser beiden Straßenabschnitte ist, die nicht mehr als um 0.2° differiert — obwohl sie rund 14 km voneinander entfernt und nur auf einem ganz kurzen Abschnitt tatsächlich nebeneinander liegen. Hier muss nahezu zwangsläufig ein Gitter als Basis angenommen werden, womit die Limitation bewiesen wäre, und Haversath als überholt gelten muss, wenn er schrieb:
"Alles in allem ist festzustellen, daß bislang kein Fall der Zenturiation aus Mitteleuropa beschrieben wurde, bei dem eine absolut eindeutige Beweisführung vorläge."

[Edit] Es ist wohl noch eine Entschuldigung an alle Schwaben fällig, dafür dass ich oben Welzheim irrtümlich den Hessen zusprach. Das sei hiermit nachgeholt ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch auffälliger ist allerdings, wie exakt die Ausrichtung dieser beiden Straßenabschnitte ist, die nicht mehr als um 0.2° differiert — obwohl sie rund 14 km voneinander entfernt und nur auf einem ganz kurzen Abschnitt tatsächlich nebeneinander liegen. Hier muss nahezu zwangsläufig ein Gitter als Basis angenommen werden, womit die Limitation bewiesen wäre

Bei dieser Karte handelt es sich offensichtlich insgesamt um eine Rekonstruktion. Welche Teile des Gitters sind nachgewiesen, welche sind lediglich rekonstruiert?

Neben der Karte gibt es übrigens noch einen Text, in diesem ist zu lesen:

"Trier und Metz sind demnach relativ gut erforscht – für die verbindende Straße dazwischen gilt dies bislang nicht"
 
Bei dieser Karte handelt es sich offensichtlich insgesamt um eine Rekonstruktion. Welche Teile des Gitters sind nachgewiesen, welche sind lediglich rekonstruiert?
Wie mir scheint, basiert das Gitter lediglich auf den oben erwähnten parallelen Straßenabschnitten, die allerdings wohl als gesichert anzusehen sind.
Neben der Karte gibt es übrigens noch einen Text, in diesem ist zu lesen:

"Trier und Metz sind demnach relativ gut erforscht – für die verbindende Straße dazwischen gilt dies bislang nicht"
Es scheint hier im Dreiländereck ein wenig mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu harzen. Dennoch ist der Verlauf beider Trassen größtenteils recht gut nachvollziehbar, insbesondere natürlich auf den schnurgeraden Abschnitten:
OMD_metz-trier.jpg
(Die mit Nummern bezeichneten Punkte sind gesicherte Fundstellen von Römerstraßen aus der Datenbank der Kulturgüter in der Region Trier.)

Wirklich interessant wird es, wenn man weiter nach Süden, moselaufwärts und darüber hinaus ins Burgundische schaut. Verlängert man nämlich die rechte "Hilfslinie" weiter nach Süden, so zeigt sich, dass diese Toul (Tullum leucorum), Neufchâteau und Til-Châtel (Filena) schneidend direkt auf Dijon (Diviodunum) zuläuft – umwunden von der gallisch-römischen Straße Dijon—Metz—Trier:
OMD_dijon-trier.jpg

Gegen die Distanz von 296 km zwischen Dijon und Trier sind die 80 km zwischen Studen und Windisch nur ein Klacks...


 
... Wie ich sehe, fehlt es für eine Diskussion über parallele Straßenabschnitte an gesicherten Fundstellen.
Das ist jetzt aber nicht Dein Ernst. Weil hier keine Fundstellen der rheinland-pfälzischen Denkmalpflege vorliegen, zweifelst Du die in Frankreich (!) gelegenen, seit Jahrhunderten bekannten schnurgeraden Streckenabschnitte an?
canton_thionville.jpg thionville_voie_romaine.jpg

Hier wäre noch eine amtliche deutsche Quelle, aus der Zeit, als Lothringen vorübergehend zu Deutschland gehörte:
alte_roemerstrasse_1.jpg alte_roemerstrasse_2.jpg alte_roemerstrasse_3.jpg alte_roemerstrasse_4.jpg alte_roemerstrasse_5.jpg alte_roemerstrasse_6.jpg alte_roemerstrasse_7.jpg

Falls Du einen anderen Streckenverlauf vermutest, so bist Du gefordert, dafür Belege zu präsentieren.
 
Wenn ich das richtig sehe, hat Sepiola nicht die Geradlinigkeit der Straßenabschnitte in Zweifel gestellt sondern die Parallelität. Gleichwohl zeigen nicht alle Kartenausschnitte die Römerstraßen (wie alt sind die Karten eigentlich und wie viel tatsächliche Archäologie ist darin eingeflossen?) als strikt gerade.
 
Wenn ich das richtig sehe, hat Sepiola nicht die Geradlinigkeit der Straßenabschnitte in Zweifel gestellt sondern die Parallelität.
In dem Fall müsste er zeigen, dass die beiden Trassen nicht parallel liegen.
Gleichwohl zeigen nicht alle Kartenausschnitte die Römerstraßen (wie alt sind die Karten eigentlich und wie viel tatsächliche Archäologie ist darin eingeflossen?) als strikt gerade.
Wenn ich es richtig sehe, handelt es sich um eine preußische Karte von 1877. (Quelle: Europe in the XIX. century | Mapire - The Historical Map Portal )

Die von Metz aus NNE nach Elzing verlaufende östliche Trasse erkennt man auch sehr schön auf der Carte de l'etat-major (1820–1866); nur das südliche (rechte) Drittel war zur Chaussee ausgebaut worden:
metz-elzing.jpg

[Edit] Der auf dieser Karte dargestellte Knick in der Chaussee ist im heutigen Straßenverlauf nicht zu finden. Entweder er wurde von späteren Ingenieuren beseitigt, oder er hat nie existiert (in der preußischen Karte fehlt er ebenso). Aber selbst wenn die römische Straße den einen oder anderen Knick um ein Hindernis herum aufgewiesen haben sollte, so ändert das nichts an der Vermessungslinie an der man sich orientierte, und auf die die Trasse immer wieder sehr genau zurückfindet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und das sind Karten, die archäologische Informationen beinhalten?
Das siehst Du doch, dass sie archäologische Informationen beinhalten — allerdings in kartografischer, nicht in textlicher Form.

Es ist ganz einfach: Wer meint, die französischen Archäologen (und zuvor die Straßenbauingenieure des 18./19. Jhs.) hätten die falschen Trassen identifiziert, muss das beweisen indem alternative Streckenführungen belegt werden, die von den Fachleuten bislang übersehen wurden, und begründen, warum diese wahrscheinlicher sind.
 
Bei dem Urheber der strittigen Karte aus dem Martini-PDF handelt es sich übrigens um diesen Herrn:

Jean Krier
Born in 1951 in Luxembourg, studies in ancient history, epigraphy and archaeology at the Universities of Trier and Munich, Dr.phil 1978 in Trier, 1979-2014 curator of the department of gallo-roman archaeology at the National Museum for History and Art in Luxembourg, retired since September 2014.

https://independent.academia.edu/JeanKrier
 
Das siehst Du doch, dass sie archäologische Informationen beinhalten — allerdings in kartografischer, nicht in textlicher Form.
Nein, ich sehe, dass dort eine Straße als "römisch" bezeichnet wird. Ich sehe dort nicht, ob dem archäologische Untersuchungen (very unlikely im 19. Jhdt.! Aber nicht unmöglich, Nappy III. ließ Alesia und andere Orte ergraben) vorausgegangen sind, ob der Straßenverlauf als "römisch" gesichert ist.
 
Nein, ich sehe, dass dort eine Straße als "römisch" bezeichnet wird. Ich sehe dort nicht, ob dem archäologische Untersuchungen (very unlikely im 19. Jhdt.! Aber nicht unmöglich, Nappy III. ließ Alesia und andere Orte ergraben) vorausgegangen sind, ob der Straßenverlauf als "römisch" gesichert ist.
Nun, Jean Krier hält den Verlauf offenbar für gesichert; das sollte langen, so lange nichts Gegenteiliges bewiesen wird.

Noch vor der modernen Archäologie gab es Spezialisten für antike Trassen — nämlich die französischen Straßenbauingenieure, die schon seit dem 17./18. Jh. ihre bewusst nach römischem Vorbild erbauten schnurgeraden Chausseen bevorzugt auf alte römische Trassen legten.
 
Zurück
Oben